3842/J-BR/2021

Eingelangt am 11.02.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Bundesrates Markus Leinfellner

und weiterer Bundesräte

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Neuerlicher Ausbruchsversuch aus der Justizanstalt Graz-Karlau

 

Am 7. Februar 2021 ereignete sich in der Justizanstalt Graz-Karlau ein Ausbruchsversuch von insgesamt drei Häftlingen. Der ORF Steiermark wusste wie folgt darüber zu berichten:

„Ein Ausbruchsversuch von drei Häftlingen aus der Grazer Justizanstalt Karlau ist Sonntagfrüh gescheitert. Alle drei wurden leicht verletzt. Sie sind wieder in Gewahrsam. Einer der Männer war bereits an einem Ausbruchsversuch im vergangenen Oktober beteiligt. Keiner der Männer habe es über die Mauer geschafft, sagte der stellvertretende Leiter, Gerhard Derler. Genaueres könne vorerst noch nicht mitgeteilt werden, so Derler. Der Ausbruchsversuch sei gegen 4.20 Uhr bemerkt worden. Niemand sei verletzt worden, weder die Ausbrecher noch das Justizpersonal, so Derler. Bei den Männern handelt es sich um zwei 26-jährige Häftlinge mit ausländischer Herkunft und einen 20-jährigen österreichischen Staatsangehörigen. Die drei Häftlinge waren aus ihren Zellen in den Innenhof der Haftanstalt gelangt und nach Überwinden eines Sicherungszaunes bis zur Außenmauer vorgedrungen. Das Überwinden der Außenmauer konnte durch die Einsatzkräfte verhindert werden. Die Häftlinge zogen sich beim Ausbruchsversuch leichte Verletzungen zu. Alarmplanmäßig habe alles funktioniert, erklärte der Justizwacheoffizier. Derzeit sei man gemeinsam mit den Ermittlern der Polizei dabei, das Videomaterial auszuwerten. […]“

(Quelle: https://steiermark.orf.at/stories/3088925/)

 

Wie im angeführten ORF-Bericht bereits erwähnt, kam es auch im Oktober des vergangenen Jahres zu einem spektakulären Ausbruchsversuch. Die Steirerkrone beschrieb am 10. Oktober 2020 das Vorhaben dreier Insassen der Justizanstalt Karlau in einem Bericht wie folgt: „Spektakulärer Zwischenfall in Graz-Karlau: Gleich drei Häftlingen - zwei Tschetschenen (21 und 26 Jahre) und ein 19-jähriger Rumäne - ist es in der Nacht auf Samstag gelungen, aus dem Hochsicherheitsgefängnis auszubrechen! Ihre Flucht dauerte jedoch nicht lange. Wie die ‚Krone‘ erfuhr, stemmten die Häftlinge direkt aus ihrer Zelle ein 30 mal 30 Zentimeter großes Loch in die Mauer. Durch dieses Loch kletterten sie dann und seilten sich mittels Leintüchern von dem Gebäude ab. ‚Sie haben sich zwölf Meter in den gesicherten Hof abseilt. Als sie den Vorfeldzaun überkletterten, wurde der Alarm ausgelöst‘, wie Anstaltsleiter Gerhard Derler den bisherigen Ermittlungsstand zusammenfasste. Dennoch konnten die drei Männer auch noch die Außenmauer überwinden. Nach Auskunft der Polizei handelte es sich um zwei Tschetschenen (21 und 26 Jahre) sowie einen 19-jährigen Rumänen. Den Duft der Freiheit schnupperten die Ausbrecher allerdings nicht lange: Wenig später konnten alle drei Flüchtigen wieder gefasst werden. […]“

(Quelle: https://www.krone.at/2249208)

 

Aufgrund dieser Ereignisse brachten die freiheitlichen Bundesräte eine umfassende parlamentarische Anfrage zu den sicherheitstechnischen und infrastrukturellen Gegebenheiten in der Justizanstalt Karlau ein. Über die Anfragebeantwortung berichtete ebenfalls die Steirerkrone in einem Artikel am 29. Dezember 2020: „‚Wie war das möglich?‘, fragten sich auch Experten aus dem Strafvollzug, als sich im Oktober drei Häftlinge mit Leintüchern aus ihrer Zelle der Grazer Karlau abseilten und es bis auf die Straße schafften. Dass die alten Gemäuer saniert werden müssen, ist schon lange klar. Und jetzt ist auch das Geld dafür endlich freigegeben. Zelleninventar wie das Gestänge ihrer Eisenbetten funktionierten im Oktober drei Häftlinge zu Stemm- und Bohrgeräten um. Rasch war ein Loch in die Mauer geschlagen, dann seilte sich das Trio mit Leintüchern in die - wenn auch kurze - Freiheit ab. Erst auf der Straße war die Flucht zu Ende: Die Insassen, die sich zu dritt eine Zelle teilten (einer von ihnen war sogar suizidgefährdet), wurden erwischt und wegen schwerer Sachbeschädigung angezeigt. Ein Ermittlungsverfahren läuft. Doch wie konnten sie es überhaupt so weit schaffen? FPÖ-Bundesrat Markus Leinfellner wollte es genau wissen und stellte eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Laut ihr kann nach anstaltsinternen Erhebungen menschliches Versagen ausgeschlossen werden. Auch die Sicherheitstechnik habe sich als funktionsfähig erwiesen, sie solle aber weiter optimiert werden. Auch am Personalmangel könne der Vorfall nicht liegen, über 98 Prozent der Planstellen seien besetzt, sechs weitere sollen hinzukommen. […]“

(Quelle: https://www.krone.at/2307221)

 

In Anbetracht der Argumentation des Justizministeriums bezüglich des ersten Ausbruchsversuchs scheinen die am 9. Februar 2021 gesetzten Maßnahmen doch aufklärungswürdig. So schildert der ORF Steiermark in einem Onlinebericht, dass die drei am zweiten Ausbruchsversuch beteiligten Häftlinge allesamt verlegt werden.

(Quelle: https://steiermark.orf.at/stories/3089254/)

 

Inwieweit unzureichende sicherheitstechnische Rahmenbedingungen in der Justizanstalt Karlau für die Ausbruchsversuche verantwortlich sind, soll nunmehr geklärt werden. Die unterfertigten Bundesräte stellen daher an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Weshalb wurden die drei am zweiten Ausbruchsversuch beteiligten Häftlinge verlegt?

2.    Wohin wurden diese drei Häftlinge verlegt?

3.    Handelt es sich bei der Verlegung um ein Standardprozedere nach einem Ausbruchsversuch?

a.    Falls ja, weshalb wurde der am ersten Ausbruchsversuch beteiligte Häftling nicht bereits unmittelbar nach diesem verlegt?

b.    Falls ja, welche weiteren Schritte werden dabei standardmäßig gesetzt?

c.    Wenn nein, wie wird dieser Schritt nunmehr konkret begründet?

4.    Wie konnten die drei Häftlinge am 7. Februar 2021 aus ihren Zellen gelangen und den Sicherheitszaun überwinden, ohne dass ihr Vorhaben sofort bemerkt wurde?

5.    Welche anstaltsinternen Gründe wurden für den teilweisen Erfolg des Ausbruchsversuchs am 7. Februar 2021 festgemacht?

6.    Wird auch eine externe Untersuchung des Ausbruchsversuches vorgenommen?

a.    Falls ja, wer übernimmt diese Untersuchung und welche Erkenntnisse liegen bisher vor?

b.    Falls ja, welche Kosten werden dadurch budgetwirksam?

c.    Falls nein, warum nicht?

7.    Wird ausgeschlossen, dass personelle Unterbesetzung oder mangelnde sicherheitstechnische Gegebenheiten für den teilweise erfolgreichen Ausbruchsversuch am 7. Februar 2021 verantwortlich sind?

a.    Falls ja, weshalb können die genannten Gründe ausgeschlossen werden?

b.    Falls nein, welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

8.    Wann ist mit einer Fertigstellung der Bau- und Investitionsmaßnahmen im Umfang von 25 Millionen Euro zu rechnen?

9.    Ist angesichts der jüngsten Ausbruchsversuche mit weiteren Maßnahmen zu rechnen (z.B. Aufstockung des Personals)?

a.    Falls ja, welche Maßnahmen sollen gesetzt werden?

b.    Falls ja, bis wann ist mit deren Umsetzung zu rechnen?

c.    Falls nein, warum nicht?

10. Weshalb war jener Häftling, der bereits im Oktober versuchte auszubrechen, nicht in einem entsprechenden besonders gesicherten Haftraum untergebracht?

11. Wurde der im Rahmen der Anfragebeantwortung (3526/AB-BR/2020) angekündigte Beschaffungsantrag bezüglich vier weiterer videoüberwachter Hafträume der Justizanstalt Graz-Karlau durch die Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen bereits genehmigt?

a.    Falls ja, wann?

b.    Falls ja, in welchem Umfang?

c.    Falls nein, weshalb wurde der Beschaffungsantrag nicht genehmigt?

12. Hätte der Ausbruchsversuch am 7. Februar 2021 durch zusätzliche videoüberwachte Hafträume verhindert werden?

13. Welche anderen Mittel wären geeignet gewesen den Ausbruchsversuch zu verhindern?

14. Können Sie eine Gefährdung der Arbeitnehmer in der Justizanstalt Graz-Karlau durch fortwährende Ausbruchsversuche ausschließen? (Bitte nach Art des Beschäftigungsverhältnisses aufgliedern)

a.    Wenn ja, inwiefern besteht oder bestand für diese keine Gefahr?

b.    Wenn nein, welche Schritte werden Sie zum Schutz der Arbeitnehmer setzen? (Bitte nach Art des Beschäftigungsverhältnisses aufgliedern)