3913/J-BR/2021
Eingelangt am 23.09.2021
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Anfrage
des Bundesrates Markus Leinfellner
und weiterer Bundesräte
an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
betreffend Zukunft der Graz-Köflacher-Bahn
Wie unlängst medial bekannt wurde, laufen derzeit Gespräche zwischen dem Verkehrsministerium und Vertretern des Landes Steiermark die Übernahme des Schienennetzes der Graz-Köflacher-Bahn (GKB) durch die Österreichischen Bundesbahnen betreffend. Die ÖBB könnten das rund 90 Kilometer lange Streckennetz der GKB übernehmen. Seitens des grünen Verkehrsministeriums wird bestätigt, dass die „Eingliederung der GKB in die ÖBB-Infrastruktur“ ein Thema sei. Verständlicherweise bereiten derartige Neuigkeiten den Beschäftigten der GKB Kopfzerbrechen. Betriebsratschef Helmut Koch fürchtet beispielsweise, dass bei einer Übernahme durch die ÖBB ein Personalabbau im Raum stünde. In der „Kleinen Zeitung“ heißt es online am 18. August 2021 dazu: „Für die Elektrifizierung der Bahn wurde das Personal um etwa 20 Mitarbeiter aufgestockt. Die werden dann wohl nicht mehr gebraucht werden, denn die Bundesbahnen haben dieses Personal ja schon.“ (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/suedsuedwest/6021325/Betriebsrat-warnt_OeBB-koennte-GKBStreckennetz-uebernehmen_Das)
Jedoch sind in der aktuellen Debatte nicht nur die Angestellten im Infrastrukturbereich betroffen. Durch den möglichen Wegfall der GKB-Standorte Deutschlandsberg und Lieboch würden auch die Fahrdienstleiter, Mitarbeiter im Oberbau oder jene im Fahrverschub die Auswirkungen der Übernahme unmittelbar zu spüren bekommen. Betriebsrat Koch dazu: „Denn die Übernahme bedeutet wohl unter anderem das Ende für die Stützpunkte in Deutschlandsberg und Lieboch, wenn alles zentral am Knotenpunkt Graz-Süd/Werndorf stattfindet. Und die Fahrdienstleiter müssten dann wahrscheinlich nach Villach auspendeln.“ Darüber hinaus ist nicht geregelt, wie es nach dem Auslaufen der Konzession der GKB im Jahr 2025 aussieht. Sollte die ÖBB diese übernehmen – was angesichts der jetzigen Überlegungen eine logische Konsequenz wäre – wäre die GKB wohl endgültig Geschichte.
Kein allzu großes Interesse an den Problemen der steirischen Regionalbahn dürfte das zuständige Landesregierungsmitglied Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang haben. So soll es bereits seit Oktober des vergangenen Jahres Gespräche zwischen dem Bund und der zuständigen Landesabteilung 17 geben, in welche die GKB bisher nicht eingebunden wurde. Dem nicht genug, hält sich Landesverkehrsreferent Lang aus der Debatte auch noch hinaus. Die „Kleine Zeitung“ zitiert das Regierungsmitglied mit den Worten: „Das ist eine Sache zwischen der GKB und dem Ministerium und liegt nicht in unserem Einflussbereich.“
Um den tatsächlichen Fortschritt der Verhandlungen und die möglichen Auswirkungen auf die GKB als wichtiges, regionales Nahverkehrsunternehmen besser abschätzen zu können, stellen die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie folgende
.
Anfrage
1. Seit wann werden Gespräche über die Übernahme des GKB-Streckennetzes durch die ÖBB geführt?
2. Wie gestaltet sich der Inhalt bzw. Fortschritt dieser Gespräche bisher konkret?
3. Wurde das Land Steiermark in derartige Überlegungen miteinbezogen?
4. Wenn ja, wie geschah dies konkret?
5. Wenn nein, warum nicht?
6. Wurde die GKB selbst in derartige Überlegungen miteinbezogen?
7. Wenn ja, wie geschah dies konkret?
8. Wenn nein, warum nicht?
9. Mit welcher Begründung wird eine Übernahme des GKB-Streckennetzes durch die ÖBB generell forciert?
10. Wurde entsprechend geltendem GKE-Gesetz aus dem Jahr 1998 ein Einvernehmen mit dem für die Verwaltung der Anteilsrechte der GKB zuständigen Finanzministerium hergestellt?
11. Gibt es Überlegungen, die bis 2025 laufende Konzession der GKB nach deren Auslaufen auf die ÖBB zu übertragen?
12. Wenn ja, wie gestalten sich diese Überlegungen konkret und welche Begründung liegt ihnen zugrunde?
13. Wurden Alternativen zur beabsichtigen Überführung der GKB-Infrastruktur in die ÖBB Infrastruktur evaluiert?
14. Wenn ja, welche und welche Auswirkungen im Detail würden diese ergeben?
15. Wenn nein, warum evaluiert man bei einer derart gravierenden, ein erfolgreiches Unternehmen betreffenden Maßnahme nicht mehrere Lösungsansätze?
16. Gibt es eine ungleiche Subventionierung von Bahnunternehmen, welche sich zu 100 Prozent im Bundeseigentum befinden und vom Bund Kostenanteile für Infrastrukturinvestitionen erhalten?
17. Führt dies zu einer Ungleichbehandlung der jeweiligen Infrastrukturbetreiber?
18. Wenn es zu einem Betreiberwechsel aufgrund unterschiedlicher kommerzieller Eckdaten kommt, ist von Wettbewerb auszugehen. Wenn Wettbewerb durch unterschiedliche und damit diskriminierende Kostenbeiträge des Bundes beeinflusst wird, wie ist das gegenüber dem EU-Wettbewerbsrecht zu vertreten?
19. Wird ein Wettbewerb zwischen Infrastrukturunternehmen durch das Aufsaugen der GKB-Infrastruktur in die ÖBB-Infrastruktur unterbunden (immerhin hat die GKB jedenfalls keine schlechteren Benchmarks als die ÖBB)?
20. Wie kann gewährleistet werden, dass der Monopolist ÖBB im Infrastrukturbetrieb nicht als einziger die Deutungshoheit hat, sondern dass auch andere Betreiber de facto als Benchmark erscheinen können?
21. Gibt es Überlegungen, die derzeitigen GKB-Standorte Deutschlandsberg und Lieboch im Rahmen einer Übernahme des Streckennetzes durch die ÖBB aufzulassen?
22. Wenn ja, wie gestalten sich diese konkret?
23. Wenn nein, können Sie garantieren, dass die Standorte Deutschlandsberg und Lieboch auch in Zukunft bestehen bleiben?
24. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um präventive Konzepte für die von Kündigung bedrohten Mitarbeiter auszuarbeiten?
25. Wird es seitens des Bundes Unterstützung für jene Bediensteten geben, die ihren unmittelbaren Arbeitsplatz verlieren?
26. Wenn ja, wie stellt sich diese konkret dar?
27. Wenn nein, warum nicht?
28. Sollte es zu einem Betriebsübergang kommen, wird es für die bestehenden GKB-Mitarbeiter einen Sozialplan geben, wie z.B. Beschäftigungsgarantie oder Versetzungsschutz?
29. Wenn nein, warum nicht?
30. Gibt es ein zukunftsweisendes, nachhaltiges Entwicklungs- und Weiterführungskonzept für jenen GKB-Unternehmensteil, der nicht an die ÖBB übertragen wird?
31. Wird es noch eine weitere gesicherte Zukunft der GKB als national und international erfolgreich tätiges Bahnunternehmen geben?
32. Welche strategischen Ansätze verfolgt die Bundesregierung in Bezug auf österreichische Nebenbahnen?
33. Warum wird die GKB als anerkannter Regionalbahn-Spezialist nicht mit dem Betrieb und der Erhaltung der seitens ÖBB offensichtlich mit wenig Weiterentwicklungs-Interesse betriebenen oder bereits geschlossenen, ebenfalls im Bundeseigentum befindlichen Regionalbahnen betraut?
34. Es war zu vernehmen, dass die Betriebsführung der GKB in die Betriebsführung der ÖBB, genau genommen in jene in Villach, integriert werden soll. Welche betriebswirtschaftlichen Berechnungen stehen hinter dem Betriebsfernsteuerzentralen Konzept der ÖBB?
35. Welcher ROI ist dem ÖBB Betriebsfernsteuerkonzept zugrunde gelegt?
36. Welchen kaufmännischen Mehrwert würde eine Integration der GKB Infrastruktur in die ÖBB-Infrastruktur einerseits bzgl. Betriebsführung und andererseits bzgl. Erhaltung bringen, sodass dieser Lösungsansatz bereits in den MoU verpackt wurde?
37. Welchen generellen Mehrwert hat eine Zentralisierung von regional spezialisierten und erfolgreich integrierten Bahnunternehmen in den zentralistischen ÖBB-Konzern, wo bspw. in Deutschland schon wieder der gegenteilige Trend einsetzt?