3916/J-BR/2021

Eingelangt am 05.10.2021
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ANFRAGE

 

der Bundesrätin Andrea Michaela Schartel

und weiterer Bundesräte

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Zeiten von Corona

 

Die Corona-Krise und vor allem die von der Bundesregierung zur Bekämpfung der Pandemie verhängten Maßnahmen hatten nicht nur massive wirtschaftliche, soziale und finanzielle Auswirkungen auf die heimische Bevölkerung, sondern haben auch zu einem besorgniserregenden Anstieg psychischer Erkrankungen geführt. Besonders betroffen davon waren und sind Kinder und Jugendliche. Seit Monaten schlagen Experten Alarm: Die Situation werde immer belastender, Kinder und Jugendliche würden bereits an massiven psychischen Problemen infolge der lockdownbedingten Isolation leiden, Kinderpsychiatrien seien jedoch maßlos überfüllt, auf Behandlungsgespräche warte man Monate.

 

Seit Beginn der Pandemie beobachten Mediziner Beunruhigendes. Kinder und Jugendliche wurden durch den monatelangen Lockdown völlig aus der Bahn geworfen und seien maßlos überfordert. Aufgrund der Corona-Ausnahmesituation seien laut Medienberichten mehr Essstörungen, schlimmere ADHS-Symptome und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen, wie etwa die „Kronen Zeitung“ am 3. Februar dieses Jahres berichtete. Laut Wolfgang Kaschnitz von der Med Uni Graz merke man auf der Ambulanz für Psychosomatik der Kinderklinik in Graz seit dem ersten Lockdown des Vorjahres einen deutlichen Anstieg bei Essstörungen, wovon vor allem Mädchen zwischen zwölf und 16 Jahren betroffen seien. Auch auf jüngere Kinder wirke sich die Pandemie stark aus, beispielsweise auf Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen oder auf Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen.

 

Die Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am LKH Graz II Süd, Katharina Purtscher-Penz, beobachtet die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie ebenfalls mit Sorge: „Seit Beginn der Krise nehmen die Akut-Fälle zu. ‚Wir merken, dass selbst vorher unbelastete Kinder ängstlich sind, sich zurückziehen oder depressive Symptome zeigen. Bei jenen, die davor schon krank waren, verschlimmern sich die Symptome.‘ Bei Erstklässlern fällt auf, dass sie nicht in ihrer Klassengemeinschaft angekommen sind. ‚Sie sind einsam geblieben, niedergeschlagen – manche resignieren und geben auf.‘ Bei Jugendlichen kann das bis hin zu Suizidgedanken führen. […]“ (Quelle: https://www.krone.at/2333553)

 

Obwohl die Nachfrage nach psychiatrischer Betreuung seit Beginn der Pandemie sprunghaft angestiegen ist und weiterhin kontinuierlich steigt, mangelt es nach wie vor am entsprechenden Angebot. Seit Jahren fehlen in der Steiermark Kassenstellen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die fehlende Versorgung bereitet Experten zunehmend Sorgen. Die Grüne Mark muss im Gegensatz zu anderen Bundesländern ohne Kassenstellen auskommen – bekanntlich gibt es keinen einzigen niedergelassenen Facharzt mit Kassenvertrag. Empfohlen wären für die Steiermark eigentlich 15 Kassenstellen. Grund dafür seien zu wenig Facharztkapazitäten sowie zu lange Wartezeiten, wie die „Kleine Zeitung“ am 10. Mai dieses Jahres berichtete. „Es gebe pandemiebedingt viele schwere Fälle (Isolation, Mangel an Kontakt mit Gleichaltrigen), vor allem alleinstehende Eltern kämpfen mit den Folgen sowie Eltern, deren Kinder schon vor Corona psychisch belastet waren. […] Die Problematik in der Steiermark besteht darin, dass sich viele Familien einen Wahlarzt für die kontinuierliche Behandlung nicht leisten können, so Experten.“ Dass die Steiermark nach wie vor ohne Kassenstellen auskommen muss, ist angesichts der prekären Lage absolut unverständlich. Gerade in Zeiten wie diesen wäre eine flächendeckende Betreuung dringend notwendig. (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/5977668/ Appell-der-Aerzte_Noch-immer-keine-Kassenstelle-fuer)

 

Dass die Corona-Pandemie und die von der türkis-grünen Regierung gesetzten Maßnahmen samt Lockdown, Home Schooling, Ausgangsbeschränkungen, Maskenpflicht, Zwangstests und Co. deutliche Spuren auf den Kinderseelen hinterlassen haben, steht außer Frage. Zumindest scheint sich Bundesminister Wolfgang Mückstein dieser Problematik bewusst zu sein. So zitierte ihn die „Kleine Zeitung“ am 29. August 2021 wie folgt: Die psychosozialen Bedürfnisse der Bevölkerung dürfen nicht vergessen werden‘, sagte Mückstein Sonntagvormittag. […] ‚Studien zeigen, dass sich die mentale Gesundheit in der Bevölkerung in der Zeit der Pandemie verschlechtert hat. Jedes dritte Kind, jeder dritte Jugendliche hat derzeit Probleme mit der mentalen Gesundheit‘, so der Minister. ‚Wir müssen sie so schnell wie möglich effektiv unterstützen‘“, so Mückstein, der einen Ausbau von Therapieangeboten – besonders für junge Menschen – sowie einen leichteren Zugang zu psychosozialen Diensten ankündigte. (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/international/corona/6026796/Folgen-der-Pandemie_Immer-mehr-junge-Menschen-kaempfen-mit)

 

Diese Erkenntnis der Bundesregierung kommt bedauerlicherweise um eineinhalb Jahre zu spät. Nichtsdestotrotz sind Initiativen zum Ausbau des psychosozialen Angebots für Kinder und Jugendliche unterstützenswert. Wie sich Mücksteins dahingehende Pläne konkret darstellen, soll mittels der gegenständlichen Anfrage geklärt werden. Zudem soll in Erfahrung gebracht werden, wie sich die Situation im Bereich der niedergelassenen Ärzte in der Steiermark aktuell darstellt und auf welche Höhe sich die Kosten für die psychische Behandlung von Kindern in der Grünen Mark beziffern. In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Bundesräte an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende

 

 


 

ANFRAGE:

 

1.    Welche Pläne verfolgen Sie als zuständiges Regierungsmitglied im Hinblick auf den von Ihnen angekündigten Ausbau der psychosozialen Therapieangebote für Kinder und Jugendliche?

2.    Welche Therapieangebote – insbesondere in der Steiermark – sollen konkret in welchem Umfang ausgebaut werden?

3.    Welche Therapieangebote im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es aktuell in der Steiermark (bitte um Auflistung sämtlicher Therapie- bzw. Beratungsangebote im niedergelassenen und intramuralen Bereich)?

4.    Wie viele Kinder und Jugendliche (bis 18 Jahre) in der Steiermark befanden sich jeweils in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 bis zur Beantwortung der gegenständlichen Anfrage in psychischer Betreuung (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren und nach Betreuungsstelle bzw. Institution)?

5.    Wie stellte sich die Altersstruktur dieser Patienten in den jeweiligen Jahren dar (0-3 Jahre, 4-6 Jahre, 7-9 Jahre, 10-12 Jahre, 13-15 Jahre und 16-18 Jahre)?

6.    Aufgrund welcher psychischen Erkrankungen bzw. psychischen Problemen wurden diese Patienten am häufigsten behandelt (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren, nach Betreuungsstellen bzw. Institutionen und Alter/Altersgruppe)?

7.    Wie viele Kinder und Jugendliche (bis 18 Jahre), die in der Steiermark jeweils in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 bis zur Beantwortung der gegenständlichen Anfrage in psychischer Betreuung waren, wurden von einem niedergelassenen Arzt behandelt (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren und nach steirischen Bezirken)?

8.    Wie stellte sich die Altersstruktur dieser im niedergelassenen Bereich behandelten Patienten in den jeweiligen Jahren dar (0-3 Jahre, 4-6 Jahre, 7-9 Jahre, 10-12 Jahre, 13-15 Jahre und 16-18 Jahre)?

9.    Aufgrund welcher psychischen Erkrankungen bzw. psychischen Problemen wurden diese Patienten am häufigsten behandelt (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren und Alter/Altersgruppe)?

10.  Wie viele Behandlungsplätze im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie standen an den jeweiligen Betreuungsstellen bzw. Institutionen zur Verfügung (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren und Betreuungsstellen bzw. Institutionen)?

11.  Wie viele dieser Behandlungsplätze befanden sich im niedergelassenen Bereich (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren und steirischen Bezirken)?

12.  Inwiefern ist eine Aufstockung dieser Behandlungsplätze im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie an den jeweiligen Standorten geplant?

13.  Inwiefern ist eine Aufstockung dezidiert im niedergelassenen Bereich geplant?

14.  Wie stellte sich in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 bis zur Beantwortung der gegenständlichen Anfrage die durchschnittliche Wartezeit auf einen Behandlungstermin dar (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren und nach Betreuungsstelle bzw. Institution)?

15.  Wie stellten sich diese Wartezeiten konkret im niedergelassenen Bereich dar (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren und steirischen Bezirken)?

16.  Auf welche Höhe bezifferten sich die durchschnittlichen Behandlungskosten für einen Behandlungstermin im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren)?

17.  Wie stellten sich die Kosten dezidiert im niedergelassenen Bereich dar (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren)?

18.  Wie stellten sich die Kosten, die den Krankenkassen in den jeweiligen Jahren verrechnet wurden, konkret dar (Aufschlüsselung nach den jeweiligen Jahren)?

19.  In welchem Ausmaß wurden diese Kosten an die Patienten in den jeweiligen Jahren rückerstattet?

20.  Wie stellten sich die Kosten für Medikamente, die im Rahmen der Behandlung psychischer Erkrankungen im niedergelassenen Bereich verschrieben wurden, in den jeweiligen Jahren dar?

21.  In welchem Ausmaß wurden diese Kosten an die Patienten von den Krankenkassen in den jeweiligen Jahren rückerstattet?

22.  Welche Medikamente wurden im niedergelassenen Bereich in den jeweiligen Jahren zur Behandlung psychischer Erkrankungen insbesondere verschrieben?

23.  Wie viele Medikamente wurden im niedergelassenen Bereich in den jeweiligen Jahren zur Behandlung psychischer Erkrankungen verschrieben?

24.  Wie viele Planstellen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind in den steirischen Betreuungsstellen bzw. Institutionen derzeit vakant (Aufschlüsselung nach Berufsgruppen)?

25.  Wie viele dieser Planstellen sind im niedergelassenen Bereich (insbesondere Kassenärzte) vakant?

26.  Welche Schritte werden seitens Ihres Ministeriums unternommen, um die vakanten Stellen zu besetzen?

27.  Wie begründen Sie den Umstand, dass es in der Steiermark keine einzige Kassenstelle im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt?

28.  Gibt es Bestrebungen Ihres Ministeriums, entsprechende Kassenstellen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Steiermark zu schaffen bzw. das Angebot für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen bzw. psychischen Problemen in der Steiermark zu verbessern?

29.  Wenn ja, wie gestalten sich Ihre dahingehenden Bestrebungen bzw. allfällige Verhandlungen mit Ärztekammer und Österreichischer Gesundheitskasse?

30.  Wenn nein, warum nicht?

31.  Inwiefern haben sich die Corona-Krise und die zur Bekämpfung der Pandemie gesetzten Maßnahmen auf den Versorgungsbereich von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen bzw. psychischen Problemen ausgewirkt?

32.  Welche Erkenntnisse wurden daraus für die Zukunft gewonnen?

33.  Werden Sie eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Corona-Krise in Österreich (unter anderem in der Steiermark) aus versorgungstechnischer Perspektive veranlassen, die sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzt, wie sich die Corona-Pandemie bzw. die Maßnahmen zur Bekämpfung derselben auf die Entwicklung und Manifestierung von psychischen Erkrankungen bzw. psychischen Problemen bei Kindern und Jugendlichen in Österreich (insbesondere in der Steiermark) ausgewirkt haben?

34.  Falls ja, wie stellen sich Ihre dahingehenden Pläne bzw. der Umsetzungshorizont dar?

35.  Falls nein, warum sehen Sie als Gesundheitsminister dafür keine Notwendigkeit?

36.  Welche Schritte werden Sie setzen, um gegen die allgemein mangelnde Wahrnehmung psychischer Erkrankungen sowie die mangelnde Inanspruchnahme von psychologischer Hilfe vorzugehen?