3993/J-BR/2022

Eingelangt am 15.03.2022
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Anfrage

 

der Bundesrät*innen Mag. Sascha Obrecht,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Arbeit

 

betreffend die Enthaltung des Arbeitsministers zur europäischen Mindestlohn-Richtlinie

 

Mit dem gegenständlichen Richtlinienvorschlag[1] der Europäischen Kommission soll sichergestellt werden, dass Mindestlöhne in den Mitgliedsstaaten auf angemessenem Niveau festgelegt werden und dass ArbeitnehmerInnen Zugang zu einem Mindestlohnschutz haben. Dies kann durch einen gesetzlichen Mindestlohn oder durch kollektivvertraglich ausgehandelte Löhne erfolgen.

 

In Ihrer EU-Jahresvorschau 2021[2] standen Sie dem Vorschlag unter Angaben zweifelhafter Befürchtungen hinsichtlich Kompetenzwidrigkeiten kritisch gegenüber. Mit dieser Kritik standen Sie europaweit eher alleine. Der Richtlinienvorschlag fußt zulässigerweise auf Art 153 Abs 1 AEUV. Das wird übrigens sowohl vom Europäischen Parlament (das dem Vorschlag am 25. November bereits zugestimmt hat), als auch von der Mehrheit im Rat der Europäischen Union so gesehen.

 

Letzterer hat sich trotz ihrer Enthaltung am 6. Dezember 2021 mehrheitlich auf ein Mandat für die Verhandlungen dieser Richtlinie geeinigt. Auch die europäischen Sozialpartner konnten Ihre Bedenken im Rahmen des Konsultationsprozesses nicht erblicken und stimmten den Vorhaben der Richtlinie im Wesentlichen zu.

 

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission würden 10-20 Millionen ArbeitnehmerInnen in der Europäischen Union von dieser Richtlinie profitieren, was Ihre Enthaltung umso unverständlicher macht. Sie basiert bestenfalls auf einer rechtlichen Fehleinschätzung, schlimmstenfalls auf politischem Kalkül zu Lasten dieser ArbeitnehmerInnen.

 

In Ihrem EU-Jahresbericht vom Jänner 2022[3] begrüßen Sie nun dem identen Richtlinienvorschlag, zu dem Sie sich noch am 6. Dezember 2021 enthalten haben und Österreich auf europäischer Ebene falsch positioniert haben.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgende

 

Anfrage

 

1)      Sind Sie der Auffassung, dass die profitierenden 10-20 Millionen ArbeitnehmerInnen außerhalb Österreichs nicht auch ein würdiges Arbeitsentgelt verdienen?

a.       Falls nein: Warum nicht?

b.      Falls ja: Warum enthalten Sie sich dann im Rat der Europäischen Union bei einer Maßnahme, die den Rahmen dafür gewährleisten soll?

 

2)      In der 938. Sitzung des Bundesrates am 9. März 2022 haben Sie gemeint, dass Ihr Meinungsschwenk auf Veränderungen des Richtlinien-Vorschlags basiere. Der Richtlinien-Vorschlag hat sich jedoch zwischen Ihrer Enthaltung (6. Dezember 2021) und Zustimmung (Jänner 2022) nicht verändert.

a.       Können Sie erläutern, warum Sie diese Behauptung im Parlament aufgestellt haben?

b.      Wenn der Meinungsschwenk – wie von Ihnen behauptet – auf Veränderungen des RL-Vorschlags zwischen Ihren unterschiedlichen Stellungnahmen fußt, welche wären das (unter Darlegung der konkreten Dokumente auf europäischer Ebene) konkret?

c.       Da Sie im Parlament der Frage nach Ihrem offensichtlichem Meinungsschwenk unter dieser falschen Behauptung ausgewichen sind: Worauf fußt Ihr Meinungsschwenk nun tatsächlich?

d.      Basiert Ihre sehr zögerliche und widersprüchliche Haltung zum RL-Vorschlag auf Ausführungen der Industriellenvereinigung?

e.       Haben Sie sich (oder die MitarbeiterInnen im Bundesministerium für Arbeit) in dieser Frage mit der Industriellenvereinigung ausgetauscht und falls ja: warum, wie oft und wann konkret?

 

3)      Es entsteht der Eindruck, dass Sie geheim halten wollen, wie Sie Österreich in der EU positionieren. Werden Sie zukünftig im Vorfeld derartiger Entscheidungen offener mit Ihrem beabsichtigtem Abstimmungsverhalten auf europäischer Ebene umgehen?

a.       Falls ja: werden Sie auch das Parlament einbinden?

 

4)      Sehen Sie basierend auf dem momentanen Richtlinienvorschlag Umsetzungsbedarf durch den österreichischen Gesetzgeber?

a.       Falls ja: Welchen?

 

5)      Warum werden in Ihren persönlichen Vorworten der erwähnten Jahresberichte 2021 und 2022 weder das Arbeitsrecht noch der Arbeitnehmer*innenschutz erwähnt, obwohl im inhaltlichen Teil der jeweilige Stand von EU-Projekten aus diesen Bereichen erläutert wird?

a.       Werden von Ihnen im Arbeitsministerium auch nur irgendwelche konkreten Pläne zur Weiterentwicklung des österreichischen Arbeitsrechts und ArbeitnehmerInnenschutzes vorangetrieben und wenn ja, wie sehen diese aus?



[1] Europäische Kommission, COM(2020) 682 final.

[2] Bericht des Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2021 und zum 18- Monatsprogramm des Rates für 2020/2021

gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG iVm § 7 EU-InfoG.

[3] III-774-BR/2022 d.B.