4006/J-BR/2022

Eingelangt am 22.04.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrät*innen Korinna Schumann,

Genossinnen und Genossen an den Bundeskanzler

betreffend Democracy Report 2022 - Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie

Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus - das sagt das Bun­desverfassungsgesetz seit 1929 in Artikel 1 in den allgemeinen Bestimmungen des ersten Hauptstücks. Damit ist dieser Artikel wohl einer der bekanntesten Teile eines Gesetzes in Ös­terreich überhaupt.

Dem gegenüber steht seit April ein vernichtender Befund, der mit Blick auf den Artikel eins der Bundesverfassung, mit Sorge erfüllen muss. So kam der Democracy Report 2022 zu einem erschütternden Ergebnis. Darin heißt es auf Seite 14:

Two countries - Armenia and Bolivia - mode democratic transi[1]tions from electoral democracy to electoral democracy in 2021. But four countries were also downgraded over the last year from liberal democracy lo electoral democracy: Austria, Ghana, Portugal. and Trinidad and Tobago. For Austria, a significant decline and the indicator for transparent laws and predictable enforcement is a decisive change that contributed to Austria falling below the criteria for liberal democracy.

Übersetzt heißt das:

Zwei Länder - Armenien und Bolivien - haben 2021 demokratische Übergänge von der Wahlautokratie zur Wahldemokratie vollzogen. Aber auch vier Länder wurden im vergangenen Jahr von der liberalen Demokratie zur Wahldemokratie herabgestuft: Österreich. (Ghana. Portugal und. Trinidad und Tobago. Für Österreich ist ein deutlicher Rückgang des Indikators für transparente Gesetze und berechenbare Durchsetzung eine entscheidende. Veränderung, die dazu beigetragen hat, dass Österreich unter die Krite­rien für eine liberale Demokratie gefallen ist.

Es ist also etwas passiert, was für ein westliches Industrieland, das sich seiner demokratischen Errungenschaften üblicherweise rühmt und diese auch immer wieder in Abgrenzung zu anderen Staaten auf internationaler Bühne betont, wirklich verheerend ist. Der Zustand unserer Demo­kratie scheint massiv gefährdet. Und obwohl der Befund, nach der intransparenten Gesetzge­bung. die insbesondere durch die vergangenen beiden Bundesregierungen unter ÖVP-Führung verantwortet werden, nicht überraschend kommt, so muss er uns dennoch massiv besorgt stim­men. Ein entschuldigender Verweis auf Portugal ist dabei nicht zulässig, der Report kommt nämlich dezidiert zu dem Schluss, dass das Downgrade in diesem Fall mit Vorsicht gelesen werden muss.

In Österreich hingegen, wird seit einem Jahr ein Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz angekündigt, das nach wie vor auf sich warten lässt. Zugleich war bereits 2021 ein Bericht zur Rechtsstaatlichkeit Österreichs erschienen, der jetzt auch von den EU-Europaminister*innen beraten wurde und in dem es für Österreich ganz offensichtlich Erklärungsbedarf gab. Hier wurden als mögliche Lösungswege von Europaministerin Edtstadler neben einem neuen Parteienfinanzierungsgesetz auch die Entwicklungen rund um die Einführung einer Bundesstaats­anwaltschaft genannt, die von der ÖVP jahrelang blockiert wurde. Ein Umstand, der schon eigentümlich anmutet, wenn bislang auch in diesen Bereichen de facto nichts Substanzielles zur Beschlussfassung vorgelegt werden kann. Kritisiert wurden in dem Bericht von 2021 auch die Angriffe der ÖVP gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Verbunden mit stetig niedrigen Zustimmungswerten zur Politik und insbesondere den sinken­den Vertrauenswerten der Bundesregierung, ist der Abstieg Österreichs zur Wahldemokratie mehr als bedenklich.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgende

Anfrage

1)      Waren Sie als Bundeskanzler vorab über die schlechtere Einstufung Österreichs im Democracy Report 2022 informiert?

a.       Falls ja: Wann wurden Sie durch wen drüber informiert?

2)      Haben Sie als Bundeskanzler das Thema auf die Tagesordnung des Ministerrates setzen lassen, bzw. die angesprochene Entwicklung dort besprochen?

a.       Falls ja: Auf welches Vorgehen haben Sie sich mit dem Vizekanzler, den Fach- minister*innen und den Staatssekretär*innen sowie den am Ministerrat teilneh­menden Klubobleuten der Regierungsparteien konkret geeinigt? Listen Sie diese bitte auf.

b.       Falls nein: Warum nicht?

3)      Welche Ableitungen ziehen Sie bzw. die Expert*innen Ihres Ressorts aus dieser nega­tiven Entwicklung?

4)      Welche Schritte werden Sie konkret setzen, um Österreich wieder zu einer Einstufung als liberale Demokratie zu verhelfen und bis wann ist deren Umsetzung zu erwarten?

5)      Welche Schritte werden Sie setzen, um für eine transparentere Gesetzgebung zu sorgen?

6)      Welche Schritte werden Sie setzen, um für eine berechenbare Durchsetzung der Gesetze in Österreich zu sorgen?

7)      Haben Sie sich nach den konkreten gesetzgeberischen Gründen erkundigt, weshalb Ös­terreich sich im Democracy Report 2022 derart verschlechtert hat?

a.       Falls ja: Welche sind das konkret?

b.       Falls nein: Warum nicht und werden Sie das noch tun?

8)      Haben Sie sich nach den konkreten rechtsdurchsetzenden Maßnahmen erkundigt, wes­halb Österreich sich um Democracy Report 2022 derart verschlechtert hat?

a.       Falls ja: Welche sind das konkret?

b.       Falls nein: Warum nicht und werden Sie das noch tun?

9)      Werden Sie gezielte Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie insbesondere in den Bil­dungseinrichtungen setzen?

a.       Falls ja: Welche?

b.       Falle nein: Aus welchen Gründen nicht?

10)  Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Kritik im Bericht zur Rechtsstaatlichkeit in Österreich und der negativen Entwicklung im Democracy Report 2022?

a.       Falls ja: Welche?

b.       Falls nein: Aus welchen Gründen kommen beide Berichte dann zu negativen Erkenntnissen?

11)  Welche konkreten Maßnahmen werden Sie zur Stärkung der Demokratie setzen?