4038/J-BR/2022
Eingelangt
am 13.10.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom
Original sind möglich.
Anfrage
der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft
betreffend Wochengeldfalle ist europarechtswidrig – Ansprüche Schwangerer sichern!
Am 30.08.2022 entschied der OGH[1], dass die sogenannte „Wochengeldfalle“ dem Unionsrecht widerspricht. Die Wochengeldfalle beschreibt eine Regelung, wonach im Fall einer Karenz der Anspruch auf Wochengeld praktisch nur besteht, wenn eine erneute Schwangerschaft noch während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld eingetreten ist.
Die Wochengeldfalle schnappt dabei vor allem in folgenden Fällen zu: nach Auslaufen des einjährigen Bezugs des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld wird eine Frau noch innerhalb ihrer zweijährigen Karenz erneut schwanger.
Der Anspruch auf Wochengeld setzt nämlich gern § 122 Abs 1 ASVG voraus, dass der Versicherungsfall der Mutterschaft vor dem auf das Ende der Versicherung nächstfolgenden Arbeitstag eingetreten ist. Da Schwangere jedoch im Falle einer zweijährigen Karenz nach Auslaufen des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld gerade nicht versichert sind, erfüllen sie diese Voraussetzung in der Regel nicht. Sie haben keinen Anspruch auf Wochengeld.
Darüber hinaus besteht seit dem 1.1.2016 auch nach § 8 Abs 4 AngG kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sich die Angestellte vor Eintritt des Beschäftigungsverbots in einer mit dem Dienstgeber zur Kinderbetreuung vereinbarten Karenz befindet.
Schwangere gehen daher in dieser technisch anmutenden, aber häufigen Konstellation bedauerlicherweise leer aus.
Der EuGH hat bereits in einer seiner Entscheidungen[2] aus dem Jahr 2014 festgehalten, dass es dem Recht auf Elternurlaub[3] widerspricht, wenn eine schwangere Arbeitnehmerin, die einen unbezahlten Eltemurlaub unterbricht, um einen Mutterschaftsurlaub[4] anzutreten, keinen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts hat. Der Verlust eines derartigen Anspruchs ist nämlich durchaus geeignet, eine Arbeitnehmerin davon abzuhalten einen Elternurlaub in Anspruch zu nehmen. Der OGH ist somit auch folgerichtig und ohne notwendiges Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zum Schluss gekommen, dass die österreichische Rechtslage unionsrechtswidrig ist.
Da die entsprechende Richtlinie offenlässt, ob der nationale Gesetzgeber schwangeren Arbeitnehmerinnen die Fortzahlung des Entgelts durch ArbeitgeberInnen oder durch eine angemessene Sozialleistung regelt,[5] ergeht diese wortidente Anfrage an den Minister für Arbeit und Wirtschaft und den Minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgende
Anfrage
1) Sehen Sie nach der sehr klaren OGH-Entscheidung im August Handlungsbedarf für den österreichischen Gesetzgeber?
a. Falls nein: Warum nicht?
2) Werden Sie die notwendigen Änderungen zur Herstellung eines europarechtskonformen Zustands in Ihrem Ressort (ASVG) vorbereiten oder sehen Sie die Zuständigkeit im Ressort des Ministers für Arbeit und Wirtschaft (AngG und EFZG)?
a. Worauf fußt diese Entscheidung?
3) Welche Maßnahmen sind aus Ressortsicht zur Herstellung eines europarechtskonformen Zustands angedacht und bis wann ist mit einem dahingehenden Gesetzesvorschlag seitens Ihres Ressorts zu rechnen?
4) Die österreichische Rechtslage sieht parallel zur Dauer des absoluten Beschäftigungsverbots grundsätzlich einen Anspruch auf Wochengeld für 16 Wochen vor. Die Mutterschutz-RL sichert Ansprüche hingegen nur für eine Mindestdauer von 14 Wochen ab, wobei nationale Bestimmungen besserstellen können. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es zu keiner Verkürzung eines Anspruchs (sei es Entgeltfortzahlung oder Wochengeld) Schwangerer auf 14 Wochen kommt?