4064/J-BR/2022

Eingelangt am 20.12.2022
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Dringliche Anfrage

gem. § 61 GO-BR

 

der Bundesrät*innen Günther Novak, Andrea Kahofer, David Egger-Kranzinger, Mag. Sascha Obrecht,

Genossinnen und Genossen

an den Bundeskanzler

 

betreffend Einführung eines Gas- und Strompreisdeckels– wann ist es endlich soweit, Herr Bundeskanzler?

 

Deutschland hat das Problem der hohen Gas- und Strompreise für Menschen und Wirtschaft rechtzeitig erkannt. Vor Monaten wurde eine Expert*innenkommission eingesetzt, die einen deutschen Gaspreisdeckel konzipiert hat. Die deutsche Regierung setzt diesen Vorschlag nun konsequent um. Der Gaspreisdeckel wird in zwei Stufen erfolgen. Das Gesetzgebungsverfahren dazu ist bereits abgeschlossen.

Stufe 1: Als Soforthilfe wird allen deutschen Haushalten und einem Großteil der deutschen Wirtschaft (bis zu einem Verbrauch von 1,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr) im Dezember eine ganze Monatsrechnung für Gas und Fernwärme komplett erlassen. Das ist eine Überbrückungsmaßnahme bis Stufe 2 greift – der Gaspreisdeckel.

Stufe 2: Ab 1. März 2023 - rückwirkend mit 1. Jänner 2023 - wird der deutsche Gaspreisdeckel für alle Haushalte und die deutschen KMUs greifen. Der Gaspreis bis zu 80% des Vorjahresverbrauchs wird dabei maximal 12 Cent pro Kilowattstunde betragen. Für die Industrie (25.000 Großverbraucher) soll bereits mit Jänner 2023 ein Gaspreisdeckel von 7 Cent pro Kilowattstunde für 70% des Vorjahresverbrauchs greifen.

Für viele Haushalte, die auf Gas angewiesen sind, sind die derzeitigen Gasrechnungen nicht mehr zu bezahlen. Das schmälert nicht nur die Kaufkraft, sondern führt zu einer ärmer werdenden Bevölkerung bis weit in die Mittelschicht. Die deutschen Haushalte zahlen für Gas in Zukunft nur die Hälfte dessen, was die Menschen hierzulande für ihre Gasrechnungen zahlen müssen. Gleichzeitig werden die Gaspreise für Österreichs Wirtschaft und Industrie schon in wenigen Tagen rund zwei bis dreimal so hoch sein wie die Preise in Deutschland. Unsere Wirtschaft kann bei diesen Preisen nicht konkurrieren. So hat beispielsweise der Bäckereibetrieb in Oberösterreich einen Wettbewerbsnachteil gegenüber seinen Konkurrenten in Bayern, den der Betrieb durch keinerlei Maßnahmen kompensieren kann. Der kleine Nahversorger im ländlichen Raum kann sich die Energiekosten für die großen Kühlgeräte, die Beleuchtung und die mittlerweile obligatorische Zubereitung von Mittagsmenüs nicht mehr leisten – und sperrt zu, mit fatalen Folgen für die ländlichen Gemeinden, die oft jahrelang um Nahversorger gekämpft haben. Genauso betroffen ist der große Industriebetrieb, bei dem sich die Energiekosten unmittelbar auf die Beschäftigung auswirken werden, nämlich dann, wenn die Produktion nicht mehr aufrechterhalten werden kann – immerhin steht er nicht nur mit dem Nachbarland Deutschland, sondern auch mit Unternehmen aus Übersee in Konkurrenz, zu denen sich der Wettbewerbsnachteil auf den Faktor zwei bis fünf beläuft. So unterschiedlich diese drei Beispiele sind, so realistisch ist das Eintreten der geschilderten Szenarien.

Darüber hinaus senkt die deutsche Gaspreisbremse im Gegensatz zum österreichischen Energiekostenzuschuss die Inflation um bis zu 2%-Punkte und führt damit auch zu einer spürbaren Entlastung in allen anderen Bereichen – von den Mieten bis zu den Lebensmitteln.

Das deutsche Modell liegt nunmehr fix und fertig auf dem Tisch. Das Modell zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es sowohl für Haushalte als auch für Unternehmen gleichermaßen greift und darüber hinaus sehr unbürokratisch ist. Die Abwicklung erfolgt nämlich über einige wenige Energieunternehmen, anstatt über ein kompliziertes Antragssystem, wie beim österreichischen Energiekostenzuschuss.

 

Die österreichischen Landeshauptleute haben deshalb im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz folgenden Beschluss gefasst.

„Energieschutzschirm für Wirtschaft und Arbeit sowie für alle Haushalte zur Abfederung der hohen Energiekosten

Die Landeshauptleutekonferenz fordert die Bundesregierung auf, ehestmöglich einen Energieschutzschirm für Wirtschaft und Arbeit sowie alle Haushalte zur Abfederung der hohen Energiekosten für Österreichs Wirtschaftsbetriebe (einschließlich den Unternehmen mit öffentlichen Beteiligungen) und Haushalte vorzulegen. Aufgrund der engen Verzahnung der Wirtschaft Österreichs mit Deutschland soll sich das Instrument in Wirkung und Volumen am deutschen Modell der Gas-, Fernwärme-, und Strompreisbremse orientieren. Wichtig ist, dass die Entlastung den Unternehmen und Haushalten möglichst unbürokratisch und rasch zur Verfügung steht. Weitere Erhöhungen der CO2-Bepreisung sind zu überdenken.“

 

Und auch Sie haben in der Pressestunde am 11. Dezember eingestanden, dass es auf Grund der Gaspreisbremse der deutschen Regierung in Österreich weitere Schritte braucht[1], damit die heimische Wirtschaft – insbesondere die Industrie – im Wettbewerb mit unserem Nachbarland bestehen kann. Konkrete Schritte sind bislang jedoch nicht bekannt, auch ein Fahrplan fehlt. Um nicht ins Hintertreffen zu gelangen, bräuchte es jedoch keine Ankündigungen, sondern entschlossenes Handeln, wie von der SPÖ seit Monaten gefordert.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgende

 

Dringliche Anfrage

1)      Werden Sie dem Wunsch der Bundesländer nach einem Energieschutzschirm nachkommen?

a.       Wenn ja: Ab wann und wie lange sollen Wirtschaft, Arbeit sowie die Haushalte endlich entlastet werden?

b.      Wenn ja: Wie soll diese Entlastung gestaltet werden?

c.       Wenn nein: Warum nicht?

 

2)      Werden Sie bzw. Ihre Bundesregierung eine Regierungsvorlage erarbeiten, die eine Lösung nach deutschem Vorbild möglich macht?

 

3)      Bis wann werden die von Ihnen geplanten Maßnahmen greifen und die Menschen sowie die Betriebe in unserem Land wirksam entlasten?

 

4)      Aus welchen Gründen hat die österreichische Bundesregierung bis jetzt nicht das Instrument eines Gaspreisdeckels etabliert?

 

5)      Lehnen Sie den Gaspreisdeckel nach deutschem Vorbild ab, weil es sich ursprünglich um eine Forderung der SPÖ handelte?

 

6)      Sind Sie mit ihrem deutschen Amtskollegen hinsichtlich der Umsetzung eines Gaspreisdeckels bzw. einer Gaspreisbremse in Kontakt?

 

7)      Die Förderung in Deutschland in Zusammenhang mit der Gaspreis- und Strompreisbremse ist an den Standorterhalt und eine Transformationsperspektive gebunden. Werden Sie sicherstellen, dass bei Umsetzung einer nationalen Lösung, der jeweilige Standort gesichert wird?

 

8)      Wird es in diesem Zusammenhang auch eine Jobgarantie geben?

a.       Wenn nein: Warum nicht?

 

9)      Wird in diesem Zusammenhang von den Unternehmen verlangt, verbindliche Schritte in Richtung einer ökosozialen Transformation vorzunehmen?

 

10)  Liegen Ihnen Daten vor, wie stark sich das Einsetzen der deutschen Gaspreisbremse auf die Wirtschaftsleistung in Österreich auswirken würde, wenn wir kein vergleichbares Instrument wie eine nationale Energiepreisbremse etablieren?

 

11)  Um wie viel könnte dieser Effekt durch die Einführung einer österreichischen Energiepreisbremse abgedämpft werden?

 

12)  Ist Ihnen bekannt, dass Expertenschätzungen in Deutschland – etwa von Univ.Prof. Achim Truger – davon ausgehen, dass die deutsche Gaspreisbremse bzw. der deutsche Gaspreisdeckel die Inflationsrate in Deutschland nächstes Jahr um bis zu 2 Prozent drücken wird?

 

13)  Welche Wettbewerbsnachteile entstünden der österreichischen Wirtschaft, wenn die deutsche Inflationsrate durch die Maßnahmen der deutschen Regierung um 2 %-Punkte oder mehr gedrückt würde?

 

14)  Welche inflationsdämpfenden Maßnahmen – damit sind Maßnahmen gemeint, die die Inflation tatsächlich aktiv senken –  haben Sie bzw. Ihre Regierung zur Bekämpfung der Teuerung bislang gesetzt?

 

15)  Wie hoch sind die realen Effekte, die sich daraus ergeben?

 

16)  Welche verteilungspolitischen Effekte ergeben sich durch die Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Teuerung bereits gesetzt wurden?

 

a.       Wurde bei der Erstellung der Maßnahmen die Auswirkungen auf die verschiedenen Einkommensdezile berücksichtigt?

b.      Wurde bei der Erstellung der Maßnahmen die unterschiedliche Auswirkung nach Gender berücksichtigt?

 

17)  Wie hoch sind die summierten Kosten für die sogenannten Anti-Teuerungsmaßnahmen?

 

18)  Wie hoch ist die Summe jener Kosten aus der Antwort zu Frage 14) die keine Einmalzahlungen sind, sondern sich auch längerfristig auf die Preisentwicklung auswirken? Bitte um eine jährliche Aufstellung bis 2027

 

19)  Welche Maßnahmen werden Sie abseits des angekündigten Kommunalinvestitions-Programms setzen, um die Gemeinden, die aktuell unter schweren Belastungen durch die galoppierenden Energiepreise leiden, wirkungsvoll zu entlasten?

 

20)  Finanzminister Brunner hat namens der Bundesregierung angekündigt, die Wertpapier-Spekulationssteuer zu senken bzw. abzuschaffen, die dazu führt, dass es für Aktionär*innen und andere Anleger*innen zu Steuergeschenken kommen würde. Neben dem Umstand, dass dieses Geld in der Bekämpfung der Teuerung fehlt, scheinen diese Steuergeschenke auch verfassungswidrig zu sein. Wird Ihre Regierung von diesem Projekt somit Abstand nehmen?

a.       Wenn nein: Warum nicht?

 

21)  Liegen Ihnen Zahlen vor, wie viele Betriebe mit Ende des Jahres auf Grund der gestiegenen Kosten von Energie zusperren werden?

 

22)  Liegen Ihnen Zahlen vor, wie viele Betriebe bereits dieses Jahr geschlossen haben, weil sie sich die hohen Energiekosten nicht mehr leisten können?

 

23)  In welchen Sparten waren diese Betriebe hauptsächlich tätig und handelt es sich dabei um Kleinst-, Klein-, Mittel- oder Großunternehmen?

 

24)  Wie viele Arbeitsplätze gingen in diesem Jahr durch die hohen Energiekosten verloren?

 

25)  Wie viele Arbeitsplätze sind durch die hohen Energiekosten voraussichtlich im kommenden Jahr gefährdet, wenn Österreich keine nationale Energiekostenbremse einziehen würde?

 

26)  Wie viele können durch die Einführung einer nationalen Energiekostenbremse gerettet werden?

 

27)  Gerade in der Industrie wird viel Energie benötigt, die zuletzt viel teurer eingekauft werden musste. Die galoppierenden Preise bedeuten also insbesondere für die produzierenden Betriebe eine große Herausforderung und eine Gefahr für den Standort. Ist Ihnen bekannt, ob große Unternehmen bereits darüber nachdenken, den Standort Österreich zu verlassen?

 

28)  Wie viele Arbeitsplätze wären davon betroffen?

 

29)  Setzen Sie, bzw. Ihre Regierung, sich im Gegensatz zur Diskussionen rund um Schengen in der Frage der Energiepreise für eine europäische Lösung betreffend einen echten Energiepreisdeckel ein? Soll dieser abseits der durch die EU-Energieminister getroffene Regelung von Deckelungen ab 180 €/MWh auch die Endkund*innen entlasten?

 

30)  Energieministerin Gewessler hat sich im EU-Rat ihrer Stimme enthalten – aus welchem Grund und ist das in Rücksprache mit Ihnen bzw. der Regierung geschehen?

 

31)  Es wird teilweise befürchtet, dass Österreich keine weiteren Lieferungen von LNG bekommen wird – was werden Sie dagegen unternehmen und ist die Versorgungslage in Anbetracht dessen auch im kommenden Jahr gesichert?

 

32)  Am 19. Dezember wurde aus Regierungskreisen über eine Gratiszeitung verkündet, dass es weitere Fördermaßnahmen geben soll. Wie sehen diese konkret aus und wie ist der zeitliche Ablauf für den Beschluss geplant?

a.       Können Sie ausschließen, dass der Beschluss, weniger Tage vor der NÖ Landtagswahl, nicht aus wahltaktischen Gründen so geplant wurde?

 

33)  Wie lange wollen Sie noch europäische Lösungen abwarten, bis Sie endlich – wie Deutschland – eine nationale Strategie in der Energiekrise entwickeln?

 

34)  Wieso haben im vergangenen Jahr Vertreter:innen der österreichischen Bundesregierung eine Änderung des Energiemarktdesigns auf europäischer Ebene nachweislich mitverhindert?

 

35)  Das Merit-Order-Prinzip führt immer noch zu einer ungerechtfertigten Erhöhung der Preise von Strom, auch bei jenen Lieferanten, die gar keine fossilen Energieträger für die Produktion nutzen. Werden Sie bzw. Ihre Regierung sich für ein Ende des überholten Merit-Order-Prinzips auf europäischer Ebene einsetzen bzw. dieses in Diskussion bringen?

a.       Wenn nein: Warum nicht?

 

36)  Ohne die Liberalisierung des Energiesektors seit den1990er Jahren würde die aktuelle Energiekrise sicher nicht jene Dimension annehmen, mit der wir aktuell zu kämpfen haben und die die Inflation so stark in die Höhe treibt. Werden Sie sich in Zukunft – auch über die aktuelle Krise hinaus – für eine Reregulierung des Sektors einsetzen?

a.       Wenn ja: Inwiefern werden Sie sich dafür einsetzen?

b.      Wenn nein: Warum nicht?

 

37)  Welche langfristigen Visionen verfolgen Sie mit ihren aktuellen wirtschaftspolitischen Maßnahmen?

 

38)  Wie wollen Sie langfristig eine Konsolidierung des Staatsbudgets erreichen?

 

39)  Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen, in Österreich eine Millionärsabgabe bzw. eine Erbschafts- und Schenkungssteuer für Millionenerbschaften einzuführen?

 

 

 

 

 

 

 

 

Unter einem wird in formeller Hinsicht verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 61 Abs. 3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.



[1] https://www.derstandard.at/story/2000141693884/nehammer-verteidigt-schengen-veto-und-kuendigt-neue-hilfen-fuer-unternehmen