4082/J-BR/2023
Eingelangt am 16.02.2023
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Anfrage
der Bundesrät*innen Ingo Appé, Korinna Schumann, Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Bettina Lancaster,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung
betreffend Kinderbildung und Kinderbetreuung für alle – wann handeln Sie endlich, Herr Minister?
"Es wird auf jeden Fall gewisse Qualitätsstandards für alle Bereiche geben", sprach Bundesminister Polaschek noch Ende letzten Jahres im Kurier[1]. Passiert ist seither jedoch wenig. Die Kinderbildung und –betreuung ist in Bedrängnis, nicht nur die fehlenden Angebote in weiten Teilen des Landes, auch der Umstand, dass es massiven Personalmangel gibt, führt zu einer Ausnahmesituation bei der Bildung der Jüngsten in unserem Land.
Dabei sind die Probleme nicht unlösbar, wie insbesondere, wenn es um die einheitlichen Standards geht – mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und ein bundesweit einheitliches Rahmengesetz wären wichtige Schritte zur Besserstellung der Elementarpädagog*innen und auch mit Blick auf die Situation von Kindern und Eltern sehr zu begrüßen. Parallel ist es aber zentral, dass alle Bundesländer den Zugang zu gut ausgebauten Kinderbildungseinrichtungen sicherstellen. Beispielgebend dafür kann die von Landeshauptmann Peter Kaiser zuletzt umgesetzte Reform im Bereich der Kinderbildungseinrichtungen sein.
Ab September 2023 wird in Kärnten ein neues Kindergartengesetz in Kraft treten, mit dem der Gratis-Kindergarten Realität wird und auch Essens- und Bastelbeiträge gedeckelt werden sollen. Zur Abdeckung des Bedarfs in jenen Bereichen, wo eine Kinderbetreuungs- und –bildungseinrichtung nicht vorhanden ist, wird auch der Betrag für Tagesmütter übernommen. Zudem wird an der Betreuungsqualität gearbeitet, die Gruppengrößen sollen in den nächsten fünf Jahren von maximal 25 auf maximal 20 Kinder sinken, die von zwei Pädagog*innen betreut werden. Für Kindertagesstätten bleibt der Schlüssel mit 15 Kinder auf drei Pädagog*innen niedrig. Das bedeutet aber auch, dass bis zu 63 neue Kindergartengruppen entstehen, in denen nicht nur der Betreuungsschlüssel sinkt, sondern zugleich auch die Arbeitsbelastung für die Pädagog*innen besser handhabbar werden wird. Die Adaptierungen für den Ausbau von Einrichtungen wird aus dem Bildungsbaufonds finanziert. Zugleich wird durch eine Mindest-Gehaltstabelle bei der Bezahlung der Pädagog*innen und Assistenz-Pädagog*innen nachgebessert, die Gehälter steigen damit zwischen 180 und bis zu 400 Euro, was zu einer finanziellen Besserstellung der Beschäftigten führt. Damit auch die Öffnungszeiten ausgeweitet und die Schließtage reduziert werden, gibt es für beides Sonderzahlungen.[2]
Hier sieht man also, wie ein Flächenbundesland wie Kärnten jene Reformen anpackt, die im Sinne der Jüngsten, deren Eltern und der Beschäftigten im Bereich der Elementarpädagogik in jedem Bundesland angegangen werden müssten.
Letztlich muss aber klar sein: diese Bildungseinrichtungen tragen sich nicht selbst und die Verantwortung entsprechende Schritte bundesweit in die Wege zu leiten, wäre auch Aufgabe des Bundes. Leider tut sich jedoch in diesem Bereich ausgesprochen wenig, zu wenig.
Mit dem Vorstoß des Gemeindebund-Präsidenten in der Kleinen Zeitung am 12. Februar 2023 stellt sich jedoch die Frage, ob die Zeichen wirklich auf Verbesserungen stehen. Auf die Frage, woher der Staat das Geld nehmen soll, sagt Alfred Riedl:
„Wir müssen uns fragen, was muss der Staat erledigen. Das wird nicht jeder gerne hören, aber Österreich leistet sich z. B. bei der Familienpolitik zwei Versprechen: Auf der einen Seite gibt es Unmengen Geld für die Familien, das dazu da wäre, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich die Sachleistung einzukaufen. Jetzt stellt die Politik den Eltern gleichzeitig die Sachleistung zur Verfügung – das ist halt Tagespolitik, zu sagen, Kinderbetreuung darf nichts kosten. Entweder Geld oder Sachleistung, irgendwann wird die Politik die Antwort geben müssen.“[3]
Mit diesem Statement stellt der Gemeindebund-Präsident einen massiven Rückschritt im Bereich der Elementarpädagogik in den Raum: zugängliche Angebote im Bereich der Elementarpädagogik sollen gekürzt und durch hohe finanzielle Familienleistungen ersetzt werden, was zur Übernahme der Betreuungspflichten im eigenen Zuhause insbesondere durch Frauen führt, sie aus dem Berufsleben drängt und so letztlich Altersarmut wahrscheinlicher macht – gemeinsam mit dem Berndorfer Modell, der Herdprämie für Frauen, die von der FPÖ regelmäßig propagiert wird, sind das Herzstücke rechter und konservativer Familien- und Frauenpolitik.
Konkret führt das zu einer weiteren Verschärfung der Situation für jene Familien, die finanziell schlechtere Voraussetzungen und deren Kinder nachweislich schlechtere Bildungschancen vorfinden. Familienleistungen, wie der Familienbonus, der vor allem gutverdienenden Familien zugutekommt, führt zu immer größeren Schieflagen. Angesichts der immensen Teuerung bedeutet die Forderung von Herrn Riedl aber auch, dass Familien ihre Kinder aus Geldnot von Angeboten – wie dem Essen, Nachmittagsbetreuung oder von Ausflügen – abmelden, oder diese ganz aus dem Kindergarten nehmen werden. Diese Entwicklung verschärft somit auch die Bildungsungleichheit und schafft Eltern – insbesondere Alleinerziehenden – immer mehr Probleme, statt Lösungen anzubieten. Zudem sind elementarpädagogische Einrichtungen auch zentral für gelingende Integration – und damit zentrales Element für Erfolg auch am späteren Bildungsweg.
Kärnten, das Burgenland und Wien sind jene Länder, die mit ihrem Gratis-Kindergarten allen Kindern die Möglichkeit bieten, schon im Bereich der ersten Bildungseinrichtung gleich gute Voraussetzungen vorzufinden. Es geht dabei um nicht weniger als um die Frage, ob Kinder zurückgelassen werden oder nicht.
Als Sozialdemokrat*innen sind wir der Überzeugung, dass wir kein Kind zurücklassen dürfen. Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgende
Anfrage
1) Ist im Rahmen dieser Legislaturperiode noch mit einem bundesweit einheitlichen Rahmengesetz für die Elementarpädagogik zu rechnen?
a. Wenn ja: Bis wann?
b. Wenn nein: Warum nicht?
2) Gibt es in Ihrem Ministerium bereits Vorarbeiten für ein bundesweit einheitliches Rahmengesetz?
a. Wenn ja: In welchem Status befinden sich diese?
b. Wenn nein: Warum nicht?
3) Sie haben im Dezember von „gewissen Qualitätsstandards“ gesprochen – welche werden das konkret sein, wer erarbeitet diese bzw. mit wem sind diese in Abstimmung?
4) Werden Sie sich für ein bundesweit einheitliches Rahmengesetz im Bereich der Elementarpädagogik an den höchsten Standards der Länder orientieren?
a. Wenn nein: Wieso nicht?
5) Werden bei diesen Standards die VIF-Kriterien eine Rolle spielen, die ja besonders wichtig sind, um eine ganztägige Berufstätigkeit zu ermöglichen?
6) Wie hoch sind die von Ihrem Ressort geschätzten Kosten für die Umsetzung eines bundesweit einheitlichen Mindeststandards für elementarpädagogische Bildungseinrichtungen?
7) Inwiefern sehen Sie die Kompetenz für bundesweit einheitliche Mindeststandards in der Elementarpädagogik bei dem BMBWF?
a. Falls Sie hier keinerlei Kompetenz sehen: Warum nicht?
8) Können Sie Zahlen nennen, wie viel Personal bereits jetzt im Bereich der Elementarpädagogik fehlt?
a. Inwiefern werden Sie von den Ländern und Gemeinden – mit denen Sie im regelmäßigen Austausch stehen – betreffend des Personalmangels informiert? Welche Zahlen nennen diese?
9) Wie verteilen sich diese Zahlen auf das gesamte Bundesgebiet, sowie auf die einzelnen Bundesländer?
10) Welche Schritte werden Sie setzen, um die Länder und die Gemeinden, die ja im Bereich der Elementarpädagogik entscheidend die Umsetzung prägen, zu entlasten?
11) Welche Ergebnisse konnten im Rahmen des Beirates für Elementarpädagogik, der in Ihrem Ressort eingerichtet wurde, bisher erzielt werden?
12) Welche Zielsetzungen hat die Arbeit des Beirates für das Jahr 2023 und die Folgejahre? Listen Sie diese bitte konkret auf.
13) Wie viele Sitzungen des Beirates haben seit seiner Einrichtung stattgefunden und wer hat daran teilgenommen?
14) Stehen Sie mit den Ländern und Gemeinden im Austausch, um eine rasche Lösung für den Personalmangel im Bereich der Elementarpädagogik zu finden?
a. Wenn nein: Warum nicht?
15) Welche Ausbildungsoffensiven im Bereich der Elementarpädagogik haben Sie bisher gesetzt und wie viele Personen befinden sich derzeit in Ausbildung, um in diesem Bereich zu arbeiten?
16) Wie viele Personen befinden sich im zweiten Ausbildungsweg für die Arbeit in der Elementarpädagogik?
17) Was werden Sie tun, um die Personen, die im Bereich der Elementarpädagogik ausgebildet sind, in diesem Arbeitsfeld zu halten?
18) Ist es geplant, weitere Ausbildungsstandorte zu schaffen?
a. Wenn ja: Bis wann und wo?
b. Wenn nein: Warum nicht?
19) Kärnten schüttet für den Ausbau von Betreuungszeiten und die Reduktion von Schließtagen Bonuszahlungen aus und verbessert so die Situation vor Ort. Gehen Sie als Bildungsminister ähnlich vor?
a. Falls ja: In welchen Bereichen sind Sie hier aktiv? Nennen Sie bitte die ausgeschütteten Summen, die finanzierten Projekte und das Gesamtvolumen sowie das Bundesland, in das die Gelder fließen.
b. Falls nein: Werden Sie ein ähnliches Prinzip andenken, um den Ausbau der Kinderbetreuung voranzutreiben?
20) Schließen Sie sich der politischen Analyse von Gemeindebund-Präsident Riedl an, der offenbar Familienleistungen gegen die staatliche Kinderbildung aufwiegt?
a. Falls nein: Können Sie ausschließen, dass es zu Kürzungen im Bereich der Familienleistungen sowie der Kinderbildung kommt?
21) Welche Schritte setzen Sie konkret, um das Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder im Bereich der Elementarbildung zu fördern?
22) Stehen Sie dazu im Austausch mit der Ministerin für Frauen, Familie, Integration, Jugend und Medien im Bundeskanzleramt bzw. sind gemeinsame Schritte oder Initiativen geplant?
a. Wenn ja: Wie ist der Umsetzungsstand dieser?
b. Wenn ja: Welche konkreten Schritte setzen Sie mit der Ministerin?
c. Wenn nein: Wieso nicht?
23) Gibt es eine Strategie zur Ausweitung der Ausbildung und Anstellung von Sonderpädagog*innen, um inklusive Bildung effektiv ausweiten zu können?
a. Wenn nein: Warum nicht?
24) Sie haben in der Anfragebeantwortung mit der Nummer 3763/AB-BR/2023 geantwortet, dass Sie nicht angeben können, wie viele Elementarpädagog*innen in Folge der „Klasse Job“-Kampagne in den Schuldienst gewechselt sind, weil diese in der Kompetenz der Länder liegen. Wie wollen Sie dann feststellen, ob die Kampagne ihre Ziele erreicht hat und inwiefern wird dies eine potentielle Fortsetzung der Kampagne nach Juni beeinflussen?
25) In derselben Beantwortung schreiben Sie, dass sich bis Mitte Dezember 2022 500 Interessent*innen für den Lehrberuf online für den Quereinstieg gemeldet haben – wie viele sind es bis heute und wie genau wurden diese betreut?
26) Am 14. Februar 2023 hat Ihr Regierungskollege, Wirtschafts- und Arbeitsminister Kocher, erklärt, dass er niedrigere Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte umsetzen möchte – eine Maßnahme, die vor allem Frauen hart treffen würde. Werden Sie dieser Maßnahme im Ministerrat zustimmen?
a. Wenn ja: Aus welchem Grund?
b. Wenn nein: Wieso nicht?
27) Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Teilzeitbeschäftigung – insbesondere von Frauen – und fehlenden Kinderbildungs- und –betreuungseinrichtungen?
a. Wenn ja: Was werden Sie dagegen unternehmen?
b. Wenn nein: Welche Schlüsse leiten Sie dazu aus den Informationen von Arbeiterkammer[4] und Agenda Austria[5] ab, die diesen Zusammenhang sehr wohl sehen?
28) Werden Sie sich für einen österreichweiten Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungs- bzw. –betreuungsplatz einsetzen?
a. Wenn ja: Welche konkreten Schritte werden Sie dahingehend setzen?
29) Werden Sie sich im Rahmen des Finanzausgleichs für die Ausfinanzierung der flächendeckenden, kostenfreien, ganzjährigen und ganztägigen Kinderbildung und Kinderbetreuung einsetzen?
a. Wie hoch müssen die Mittel dafür aus Ihrer Sicht sein?
[1] https://kurier.at/politik/inland/kindergarten-polaschek-erwartet-qualitaetsstandards-fuer-alle-bereiche/402271878
[2] Kleine Zeitung, Kärntenausgabe, 1. Februar 2023, S. 12
[3] https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6250413/Gemeinden-fordern_Geld-fuer-Familien-und-GratisBetreuung_Man
[4] https://www.arbeiterkammer.at/kinderbetreuung
[5] https://www.agenda-austria.at/grafiken/wenig-kinderbetreuung-viel-teilzeit/