4087/J-BR/2023

Eingelangt am 08.03.2023
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Anfrage

 

der Bundesrät*innen Korinna Schumann,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt

betreffend Barcelona Ziele 2030: Warum werden wir den EU weiten Mindeststandards zur Kinderbildung nicht gerecht?

 

Die Bildung und Betreuung der Kleinsten in unserem Land ist eine der großen Aufgaben des Sozialstaates. Nicht nur können durch hochqualitative Angebote früh Lücken geschlossen werden, sondern es ist auch der Grundstein für eine erfolgreiche weitere Schullaufbahn. Ebenso fördert frühkindliche Pädagogik das soziale Miteinander und entlastet die einzelnen Familien, wovon vor allem Frauen kurz- und langfristig profitieren.

 

Dennoch hinkt Österreich bei diesem wichtigen Thema im EU Vergleich weiterhin in vielen Aspekten hinterher. Es fehlt an ausreichender Finanzierung, an Infrastruktur aber vor allem auch an Personal. Während in Österreich nur 0,7% des BIP in Elementarbildung fließen, sind es in Dänemark und Schweden 1,5% des BIP. Damit liegen wir sogar unter dem EU Schnitt von 0,8%.[1] Auch die im letzten Jahr beschlossene Art. 15-A-Vereinbarung zur Elementarpädagogik wird in Anbetracht der aktuellen Teuerungsraten die bestehenden Finanzierungslücken nicht schließen können.

 

Bereits 2002 wurden auf EU-Ebene die Barcelona Ziele zur frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung beschlossen. Laut diesen Zielen war eine Betreuungsquote von mindestens 33% bei den unter 3 Jährigen und von mindestens 90% bei 3-5 Jährigen bis 2010 geplant. Weder bis 2010 noch bis zum heutigen Tag werden diese Mindeststandards bei den unter 3 Jährigen von Österreich erreicht. Die Betreuungsquoten sind laut Statistik Austria in den Bundesländern sehr unterschiedlich: 

Abbildung 1: Betreuungsquote der in Kindertagesheimen betreuten Kinder 2021/22 im Vergleich zu 2011/12[2]

 

Im Jahr 2022 - also 20 Jahre später - wurde nun eine Neuauflage der Barcelona Ziele auf EU Ebene beschlossen die wiederrum neue Zielvorgaben bis 2030 enthalten. Der Vorschlag der Kommission hatte hier noch folgenden Passus enthalten:

 

„Die Mitgliedstaaten sollten die Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern, indem sie eine hochwertige frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung (FBBE) im Rahmen der nationalen Modelle zu ihrer Bereitstellung anbieten und dafür sorgen, dass bis 2030

a)    mindestens 50 % der Kinder unter drei Jahren an der FBBE teilnehmen und

b)    mindestens 96 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem gesetzlichen Einschulungsalter an der FBBE teilnehmen.“[3]

 

Dieser Vorschlag wurde jedoch vom Rat der Europäischen Union (EPSCO) – womöglich auch wegen einem Einspruch Österreichs – nicht übernommen. In der finalen Empfehlung des Rates an die Mitgliedsstaaten finden sich niedrigere Zielvorgaben. So soll bis 2030 nur noch eine Betreuungsquote von 45% der unter 3 Jährigen erreicht werden. Bei jenen Mitgliedsstaaten, die bis dato noch nicht das 2002 vereinbarte 33%-Ziel erreicht hatten, findet sich in den neuen Empfehlungen nun eine Ausnahmeregelung:

 

„Es wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten die Teilnahme an FBBE im Verhältnis zu ihren jeweiligen derzeitigen Teilnahmequoten erhöhen, und zwar

i) um mindestens 90 % für Mitgliedstaaten, deren Teilnahmequote niedriger als 20 % ist, oder

ii) um mindestens 45 % oder bis eine Teilnahmequote von mindestens 45 % erreicht ist für Mitgliedstaaten, deren Teilnahmequote zwischen 20 % und 33 % liegt.“[4]

 

Der neue Zielwert für Österreich befindet sich aufgrund dieser Ausnahmeregelung nun bei einer Betreuungsquote von 31,9% bei den unter 3 Jährigen bis 2030. Diese Absurdität, dass die neuen Zielvorgaben nach unten statt nach oben korrigiert wurden, lässt viele Fragen betreffend der langfristigen Entwicklung der Kinderbildung in Österreich aufkommen. Denn europäische Richtwerte sind essentiell, um endlich eine leistbare, zugängliche und hoch qualitative Elementarpädagogik sicherzustellen.

 

Daher stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte nachstehende

 

Anfrage

 

 

1)      Am 8.12.2022 wurde vom Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ eine Empfehlung zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung angenommen. Wie beurteilen Sie diese Empfehlungen?

2)      Wie hat sich die österreichische Bundesregierung in diesen Fragen auf europäischer Ebene positioniert?

3)      Welches Ressort war bei dem EU-Vorhaben federführend?

4)      Welches Ressort war für die Position der österreichischen Bundesregierung und damit die Erstellung der Weisung zu der „Empfehlung des Rates zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung: die Barcelona-Ziele für 2030“ zuständig?

5)      Inwiefern war das Ministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt an der Positionsfindung und schlussendlich der Positionierung beteiligt?

6)      Falls Ihr Ressorts an der Erarbeitung der österreichischen Position beteiligt war: welche Position hat das Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt in den Gesprächen und Verhandlungen zu den Barcelona Zielen 2030 zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung konkret vertreten?

a.       Wie wurden diese Positionen kommuniziert?

b.       Welche Position wurde diesbezüglich innerhalb der Bundesregierung vertreten?

c.       Wie begründen Sie diese Positionen?

7)      Wurden im Vorfeld Gespräche geführt, um den Vorschlag der Kommission zu den Empfehlungen des Rates betreffend den Barcelona Zielen 2030 zu korrigieren?

a.       Wenn ja: Mit wem wurden Gespräche geführt?

b.       Wenn nein: Warum nicht?

8)      Welche konkreten Vorschläge zur Veränderung der Empfehlung der Kommission kamen aus Ihrem Ministerium?

9)      Inwiefern lassen sich diese Vorschläge in der angenommenen Empfehlung des Rates der Europäischen Union wiederfinden?

10)  Wurden im Vorfeld Gespräche mit dem federführenden Ressort aufgenommen?

11)  Wurden im Vorfeld Gespräche mit dem Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend der Barcelona Ziele 2030 geführt?

a.       Wenn ja: Welche Punkte wurden bei diesen Gesprächen konkret behandelt?

b.       Wenn nein: Warum nicht?

12)  Befürworten Sie eine Anhebung der Barcelona Ziele 2030 auf eine formelle Teilnahmequote von 50% bei unter 3 Jährigen?

a.       Wenn ja: Inwiefern setzen Sie sich dafür ein?

b.       Wenn nein: Warum nicht?

13)  Befürworten Sie eine Streichung der Ausnahmeregelungen in den Empfehlungen, wonach die Zielvorgaben Österreichs bis 2030 nun unter vom Niveau von den Barcelona Zielen bis 2010 bzw. 2020 sind?

a.       Wenn ja: Inwiefern setzen Sie sich dafür ein?

b.       Wenn nein: Warum nicht?

14)  Wie werden Sie die Barcelona Ziele 2030 zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung in Österreich erreichen? Welche Zwischenziele werden bis 2030 angestrebt?

15)  Wie plant das Bundesministerium den zukünftigen Austausch mit den EU Institutionen zur Erreichung der Barcelona Ziele 2030?

 



[1] https://www.arbeit-wirtschaft.at/ausbau-der-elementarpaedagogik-budget-kinderbetreuung-barcelona-ziele-larcher-schumann/

[2] https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2022/07/20220714KTH21_22.pdf

[3] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13107-Uberarbeitung-der-Barcelona-Ziele-fur-Kinderbetreuung-zur-Steigerung-der-Erwerbsbeteiligung-von-Frauen_de

[4] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/EU/122253