4093/J-BR/2023

Eingelangt am 31.03.2023
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Anfrage

 

der Bundesrät*innen Korinna Schumann,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Lebensmittelverschwendung – Quo vadis?

 

Weltweit gehen jährlich 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verloren oder werden weggeworfen. Das entspricht rund einem Drittel der für die menschliche Ernährung erzeugten Lebensmittel. Lebensmittelverschwendung ist dabei nach Angaben der Welternährungsorganisation nach den USA und China der drittgrößte Klimasünder und weltweit für 3,6 Gigatonnen CO2 Emissionen verantwortlich, was in etwa den weltweiten Emissionen aus dem Straßenverkehr entspricht.

 

Innerhalb der EU sind es 170 Millionen Tonnen CO2, die im Zuge der Erzeugung und Beseitigung von Lebensmittelabfällen ausgestoßen werden. Allein in der EU werden schätzungsweise 57 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr verschwendet, etwa 127 kg pro Person. In Österreich fallen jährlich mehr als eine Million Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen an. Davon entfallen etwa 50% an Privathaushalte. Auf europäischer Ebene gibt es Anstrengungen im Rahmen der Maßnahmen zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft zuerst die Datenbasis über das Ausmaß der Lebensmittelabfälle zu verbessern und in Richtung verpflichtender Zielvorgaben für die Reduktion von Lebensmittelabfällen zu kommen.

 

In den UN Sustainable Development Goals heißt es hinsichtlich der Verringerung von Lebensmittelabfällen unmissverständlich: „Bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern.“ In mehreren europäischen Ländern (u.a. Frankreich, Italien und Tschechien) gibt es in unterschiedlicher Ausformung gesetzliche Verpflichtungen für Lebensmittelhändler, die die Verschwendung von Lebensmitteln begrenzen sollen. In Frankreich sind etwa Lebensmitteleinzelhändler mit einer Verkaufsfläche größer als 400 m2 verpflichtet übrige Lebensmittel zu spenden. Hierzu haben sie Vereinbarungen mit karitativen Einrichtungen zu treffen.

 

In Österreich gibt es weiterhin keine klaren gesetzlichen Vorgaben, um Lebensmittel vor der Verschwendung zu retten. Es wird auf freiwillige Maßnahmen gesetzt und auf das Gutdünken der Unternehmen gehofft, anstatt diese zu verpflichten noch genießbare Lebensmittel weiterzugeben. Im Abfallvermeidungsprogramm 2023 Kapitel 8: Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar“[1] werden zwar die Zielwerte formuliert - ob die vorgeschlagenen freiwilligen Maßnahmen für die Erreichung ausreichen werden, bleibt jedoch zu bezweifeln.

 

Gleichzeitig ist das Retten von Lebensmitteln aus dem Müll (auch containern oder dumpstern genannt) nach wie vor strafbar. Wann diese Widersprüchlichkeit endlich korrigiert und das Retten von Lebensmitteln legalisiert wird, bleibt ebenso offen, denn laut Bundesministerin Gewessler stehe es nicht im Regierungsprogramm und ist daher nicht in Planung.[2]

 

Um das Fortschreiten der globalen Lebensmittelverschwendung endlich auch in Österreich einzudämmen, braucht es daher dringend verbindliche Maßnahmen für die verschiedenen Ebenen der Lebensmittelversorgungskette. Ob und wann diese Eingriffe kommen, bleibt aber weiterhin von der Bundesregierung offen.

 

Daher stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte nachstehende

 

Anfrage

 

1.      Im Abfallvermeidungsprogramm 2023 werden im Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar“[3] Maßnahmen aufgelistet um die vermeidbaren Lebensmittelabfälle zu reduzieren. In Tabelle 34 wird die Maßnahme „Unterstützung von Forschungsaktivitäten und Pilotprojekten bezüglich lebensmittelabfallreduzierender Produktionsweisen und Erhebung der Rolle von Gütesiegeln“ unter anderem Ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnet. Welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um diese Maßnahme umzusetzen?

a.      Bis wann sollen diese Schritte gesetzt werden?

b.      Inwiefern sollen lebensmittelabfallreduzierende Produktionsweisen verpflichtend in Unternehmen etabliert werden und bis wann?

2.      Im Aktionsprogramm wird in Tabelle 35 die Maßnahme „Unterstützung der EU-Aktivitäten, z.B. im Bereich der Regelung zum Mindesthaltbarkeitsdatum“ unter anderem Ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnet. Der Zeithorizont liegt mit 2022 bereits in der Vergangenheit. Welche Aktivitäten hat das Bundesministerium auf EU Ebene gesetzt, um die Lebensmittelverschwendung in der EU und in Österreich zu reduzieren?

3.      Im Aktionsprogramm wird in Tabelle 35 die Maßnahme „Ausweitung der freiwilligen Vereinbarung zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen auf Unternehmen der Lebensmittelproduktion bzw. Be- und Verarbeitung“ unter anderem Ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnet. Welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um diese Maßnahme umzusetzen?

a.      Welche konkreten Ziele sollen bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen bei Unternehmen der Lebensmittelproduktion bzw. Be- und Verarbeitung erreicht werden? Bitte um eine Auflistung der konkreten Zielgrößen bis Ende 2023, 2025 und 2030

b.      Inwiefern werden diesbezüglich aktuell bereits Gespräche geführt?

4.      Im Aktionsprogramm wird in Tabelle 35 die Maßnahme „Unterstützung der Logistik bei der Weitergabe von Lebensmitteln“ unter anderem Ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnet. Welche konkreten Schritte werden hier laufend gesetzt, um diese Maßnahme umzusetzen?

5.      Im Aktionsprogramm wird in Tabelle 37 die Maßnahme „Nutzung digitaler Instrumente zur bedarfsgerechten Bewirtschaftung“ Ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnet. Um welche digitalen Instrumente handelt es sich hier konkret?

a.      Wie wird diese Maßnahme von den Gaststätten und Verpflegungsdienstleistern aufgenommen?

b.      Wie viele Lebensmittel sollen durch diese Maßnahme vor der Verschwendung pro Jahr gerettet werden?

c.      Soll es in Zukunft spezielle Anreize für die Nutzung solcher Instrumente geben?

6.      Im Aktionsprogramm wird in Tabelle 37 die Maßnahme „Vermittlung und Schulung des wertschätzenden Umgangs mit Lebensmitteln bei der Lehrlingsausbildung“ Ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnet. Welche konkreten Schritte wurden hier bereits gesetzt, um diese Maßnahme umzusetzen? Welche weiteren Schritte sind in Planung?

a.      Wie soll sichergestellt werden, dass das Thema ein fester Bestandteil in der Lehrlingsausbildung wird?

7.      In der Anfragebeantwortung 9931/AB XXVII. GP wird darauf hingewiesen, dass die Regelung von Lockangeboten von Supermärkten in Form von „Multipacks“ oder „Nimm drei zahl zwei“ in Ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Gibt es in Ihrem Ministerium Legislativvorschläge, um diese Lockangebote im Handel zu verringern?



[1] https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/abfall/aws/bundes_awp/bawp2023.html

[2] https://www.derstandard.at/story/2000142286077/essen-aus-dem-muell-ist-containern-in-oesterreich-verboten

[3] https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/abfall/aws/bundes_awp/bawp2023.html