4102/J-BR/2023

Eingelangt am 21.04.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Bundesrät*innen Korinna Schumann,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Leerstand, Zweitwohnsitz, Wohnkosten –machen Sie das Leben für die Menschen wieder leistbar!

 

Wohnen, Haushaltsenergie und Wasser waren die Hauptpreistreiber im vergangenen Jahr – dreimal so hoch waren die Steigerungen 2022 in diesem Bereich, verglichen mit dem Jahr 2021[1]. Neben den gestiegenen Energiekosten, ist seit Jahren ein Anstieg im Bereich der Wohnkosten zu beobachten, der sich nicht alleine mit den Krisen der letzten Jahre erklären lässt, sondern vor allem auch durch Spekulation und die künstliche Verknappung von Wohnraum am Markt. Wohnraum ist eine beliebte Anlageform geworden – und das Betongold wirft prächtige Renditen ab.

 

Diesen Umstand schien auch die Bundesregierung erkannt zu haben, als sie im Jahr 2020 ihr Programm „Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020 – 2024“ vorgelegt hat. Auf drei Seiten werden insgesamt 34 Forderungen im Bereich des Wohnens aufgelistet, in Summe sind es jedoch sogar über 50, weil auch in anderen Kapiteln Regelungen vorgesehen sind, wie beispielsweise zu AirBnB im Kapitel Tourismus. Mitten in der zweiten Hälfte der Regierungsperiode ist davon jedoch nur wenig abgearbeitet, nämlich die Makler*innenprovision nach dem Bestellerprinzip – und auch diese ist nicht wirklich optimal gelöst Denn trotz der Einführung des Bestellerprinzips gibt es zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten und somit keine tatsächliche Entlastung für die Mieter*innen. Ebenso umgesetzt wurde eine Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes, die die Durchsetzbarkeit von notwendigen Erhaltungsmaßnahmen erhöht sowie die Implementierung von Erhaltungsrücklagen im privaten Mehrparteienwohnbau sowie kleinere Novellen zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und Heizkostenabrechnungsgesetz.

Weiterhin offen sind somit bis heute auch die angekündigten Maßnahmen gegen Leerstand, die aber – gerade in Ballungszentren, aber auch in Tourismusgebieten – so wichtig wären, um der Spekulation mit Wohnraum beikommen zu können. Verankert sind dazu folgende Punkte im Regierungsübereinkommen:

 

·        Die Bundesregierung möchte das Angebot an Wohnungen vergrößern und wird zu diesem Zweck gemeinsam mit den Ländern den Leerstand mobilisieren.

·        Prüfung von Maßnahmen, damit Wohnungen, die für den ganzjährigen Wohnbedarf errichtet worden sind, den hier lebenden Menschen zur Verfügung stehen.

·        Struktureller Leerstand wird durch eine intensivere Nutzung der Wohnbauförderung in der Sanierung wirksam bekämpft.

·        Verbot von Zweitwohnsitzen im Gemeindebau und im geförderten Mietverhältnis.[2]

Dass es gerade in diesem Bereich nun aber dringend Reformen braucht, zeigen auch Landesgesetze zur Leerstandsabgabe in Tirol, Salzburg und der Steiermark, die mit Oktober 2022 (Steiermark) bzw. Anfang 2023 (Salzburg und Tirol) in Kraft getreten sind. All diese Bundesländer sind von ÖVP-Landeshauptmännern regiert, die bereits mehrfach Forderungen nach einer Leerstandsabgabe erhoben hatten und letztlich auf Grund der Versäumnisse des Bundes selbst aktiv geworden sind. In Wien war eine derartige Abgabe zudem bereits bis 1985 in Kraft, wurde jedoch aufgehoben, weil sie aus Sicht des Verfassungsgerichtshofs zu hoch war und damit einem Zwang zur Vermietung gleichgekommen wäre. Die Lehre aus diesem Urteil ist aber auch, dass nun Gesetze geschaffen werden, die relativ zahnlos sind: in Salzburg und der Steiermark werden maximal 1.000 Euro im Jahr für eine 100 Quadratmeter-Wohnung fällig. Dieser Betrag ist lächerlich niedrig und wird letztlich niemanden dazu bewegen, die Wohnung zu vermieten, insbesondere dort, wo die Wohnkosten durch die künstliche Verknappung exorbitant hoch sind. Die Landesgesetzgebungen sind also vor allem deshalb zahnlos, weil durch diese niedrigen Beträge weder die Spekulation eingedämmt wird, noch den Markt in eine Richtung reguliert, in der leistbarer Wohnraum effizient geschaffen werden kann.

 

Wieso die Länder hier nur sehr bedingt in der Lage sind, regulierend einzugreifen um im Bereich des Wohnens auch keine echte Steuerkompetenz haben, mit der sie in der Lage sind, wirklich Wohnraum zu mobilisieren, liegt darin begründet, dass der Bund gemäß der Verfassung (Art 11 Abs 1 Z 3 BVG Bundeskompetenz ist die Gesetzgebung, Landeskompetenz ist die Vollziehung) für die Gesetzgebung im Volkswohnungswesen (und gemäß Art 10 Abs 1 Z 6 BVG auch für das Zivilrechtswesen) verantwortlich ist. Somit können die Länder Leerstandsabgaben nur sehr eingeschränkt einheben. Wenn diese jedoch so hoch sind, dass sie Wirkung zeigen würden, dann ist das Wohnungspolitik und damit auf Grund der Bundeszuständigkeit unzulässig. Damit sind die Gesetze, die in den Ländern vorliegen, gewissermaßen zahnlos, oder – wie am Beispiel Wien – nicht mehr in Kraft.

 

Stellt sich nur die Frage: Wieso kommt die Bundesregierung nicht endlich in die Gänge?

 

Eine Antwort findet sich in der Diskussion rund um die kürzlich von der ÖVP verhinderte Mietpreisbremse: Man möchte den Vermieter*innen lieber Geldgeschenke machen, statt die breite Masse der Menschen, die nach einer Wohnung suchen oder diese mieten, zu unterstützen und zu entlasten. Nicht anders ist es zu erklären, dass es als vermeintliche Lösung nun eine weitere Einmalzahlung zur Abgeltung der Teuerung im Bereich der Mieten gibt, die von allen Steuerzahler*innen bezahlt wird und direkt in die Taschen von Zinshausbesitzer*innen und Vermieter*innen fließt, ohne nachhaltig die Wohnkosten zu dämpfen. Eine Entwicklung, die sich zudem nachteilig auf die Inflation auswirken wird und diese mit der Auszahlung der Wohnkostenhilfe weiter steigen lassen wird. Durch die fehlende Mietpreisbremse wird also eine Mietpreis-Spirale in Gang gesetzt, die vor allem einkommensschwache Haushalte in Anbetracht der aktuellen Teuerung besonders belastet, mittlerweile aber auch in die breite Mittelschicht ausstrahlt. [3]

 

Neben den Leerständen muss aber gerade auch das damit verbundene Problem von Zweitwohnsitzen betrachtet werden, das insbesondere in Tourismusgebieten seltsame Blüten treibt. Eine davon ist die Errichtung von Chaletdörfern: künstlich errichtete Dörfer, häufig in exponierter Lage oder Naturschutzgebieten, zu exorbitanten Preisen, die Nachteile für Umwelt und Bewohner*innen mit sich bringen und meistens nur wenige Tage oder Wochen im Jahr als Nebenwohnsitz bewohnt sind.

 

Neben dem Ausverkauf von wertvollen Gebieten, die unberührt bleiben müssten, um erhalten werden zu können und die unter keinen Umständen versiegelt werden dürfen, geht es auch um die Nachteile, die Gemeinden aus der Spekulation mit Chalets haben. So müssen sie nicht nur die Infrastruktur – von Straßen über Strom- bis hin zu Wasserver- und Abwasserentsorgung sicherstellen – sondern vergeben auch wichtige Flächen, die für die Entwicklung von leistbarem Wohnraum oft weit dringender gebraucht werden würden. Investoren die ein Vielfaches bezahlen, bekommen eher den Zuschlag, als gemeinnützige Träger, die nicht über Marktwert kaufen können bzw. dürfen. Das bringt mehr Nachteile für die Bevölkerung vor Ort: durch die Errichtung und Erhaltung der neuen Infrastruktur steigen auch die Kosten für alle Bewohner*innen, die größer dimensionierte Infrastruktur funktioniert nicht richtig bzw. ist über große Teile des Jahres nur ein Kostenfaktor und es geht die Möglichkeit verloren, kostengünstigen Wohnraum für ortsansässige Menschen zu schaffen. Abwanderung junger Menschen, die sich dort kein Leben mehr aufbauen können, ist eine der vielen negativen Folgen davon.

 

Auch hier bräuchte es also dringend Regulative, die dazu führen, dass es mit Blick auf den Schutz von Boden und der Möglichkeit von leistbarem Wohnraum keinen Ausverkauf als Spekulationsobjekt gibt.

 

Und auch in der Frage der Schaffung von kostengünstigem Wohnraum müssten Initiativen gesetzt werden. So wäre es gerade jetzt, im Rahmen der Verhandlungen um den Finanzausgleich möglich, die Schaffung von günstigem Wohnbau zu befördern und über die Auszahlung der Mittel die Schaffung der Widmungskategorie „sozialer Wohnbau“ zu fördern. Darüber hinaus braucht es jedoch, wie auch bei der Frage des Leerstands eine saubere und vor allem verfassungsrechtliche Absicherung der Widmungskategorie.

 

Nachdem die Regierung nicht mehr viel Zeit hat und auch im Bereich der Makler*innenprovisionen sehr lange gebraucht und nur eine unzufrieden stellende Lösung geliefert hat, scheint es nicht sicher zu sein, ob die anderen Projekte im Bereich Wohnen noch zur Umsetzung kommen. Aus diesem Grund und weil die Einführung einer Leerstands- und Zweitwohnsitzabgabe so wichtig wäre, hat die SPÖ Fraktion im Bundesrat am 14.04.2023 eine dringliche Anfrage an den Bundeskanzler gestellt. Die drängenden Fragen wurden in der Länderkammer, in dessen Sitzung sich der Bundeskanzler von Staatssekretärin Plakolm vertreten ließ, teils oberflächlich, teils unzureichend oder teils gar nicht beantwortet. Daher stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgende

 

Anfrage

 

 

1)     Welche Schritte werden Sie setzen, um die Spekulation am Wohnungsmarkt einzudämmen und Möglichkeiten schaffen, um mehr leistbaren Wohnraum für die Menschen in Österreich zur Verfügung zu stellen?

2)     Im Regierungsprogramm wird im Bereich des Mietrechts der Finanzausgleich als Instrument dafür genannt, durch die Wohnbauförderung leistbare Mieten zu erzielen. Welche konkreten Schritte werden bei den aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen unter der Maßgabe dieses Ziels gesetzt?

3)     Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen des Finanzausgleichs in Hinblick auf die Wohnbauförderung?

4)     Werden Sie Initiativen setzen, um gesetzlich zu verankern, dass Bundesgrundstücke - also Grundstücke, die der Allgemeinheit gehören - zukünftig zum Wohnzweck nur noch durch geförderte Wohnungen bebaut werden dürfen, wie von AK und Mietervereinigung zuletzt vorgeschlagen?

a.      Wenn ja: Inwiefern werden Sie sich dafür einsetzen?

b.      Wenn ja: Bis wann sollen hier erste Ergebnisse erzielt werden?

c.      Wenn nein: Warum nicht?

5)     Welche Schritte werden Sie setzen, um eine Mietpreis-Spirale zu verhindern?

6)     Durch die fehlende bundesweite Mietpreisbremse haben mehrere Städte und Gemeinden (z.B. St. Pölten, Graz, Klagenfurt) Regelungen getroffen, um im Bereich der Wohnungen im Einflussbereich der Städte und Gemeinden, Mietpreisbremsen einzuziehen, die auch die kommunalen Budgets belasten. Werden Sie die Kosten für diese Maßnahmen den Gemeinden abgelten bzw. ersetzen?

a.      Wenn ja: Bis wann sollen die Kosten für die Städte und Gemeinden abgegolten werden?

b.      Wenn nein: Warum nicht?

 



[1] https://burgenland.orf.at/stories/3190543/

[2] Bundeskanzleramt, Regierungsdokumente: Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020 – 2024, S. 34: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:7b9e6755-2115-440c-b2ec-cbf64a931aa8/RegProgramm-lang.pdf (Stand 31.03.2023)

[3] Momentum Institut: Teures Wohnen: Es droht eine Mietpreis-Spirale: https://www.momentum-institut.at/news/teures-wohnen-es-droht-eine-mietpreis-spirale (Stand 31.03.2023).