4118/J-BR/2023

Eingelangt am 20.09.2023
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ANFRAGE

 

des Bundesrats Markus Leinfellner

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend Ausdünnung des Fachbereichs „Österreichische Geschichte“ an der Universität Graz

 

 

Aufregung herrscht aktuell an der Universität Graz. Wie die „Steirerkrone“ am 9. August 2023 berichtete, gibt es berechtigte Befürchtungen, dass der Fachbereich „Österreichische Geschichte“ aus dem Ausbildungsangebot verschwindet.[1]

 

Viele Studenten an der Karl-Franzens-Universität Graz, aber auch Professoren oder angesehene Akademiker, die das Studienfach einst belegt haben, fragen sich, ob unsere österreichische Identität wissenschaftlich nichts mehr wert ist. So auch Heinz Wassermann, Professor an der Grazer FH Joanneum, renommierter Politikwissenschafter und Uni-Graz-Absolvent mit einem Doktorat im Fach „Österreichische Geschichte“. Seiner kritischen Beobachtung nach werde das Geschichte-Institut „seit Jahren ausgehungert“. Es gebe keinen Ordinarius, also Inhaber des Lehrstuhls, mehr und Mitarbeiter-Verträge lasse man auslaufen, wie er gegenüber der „Kronen Zeitung“ kundtat.

 

Laut Berichterstattung vom 9. August hat der sogenannte „Arbeitsbereich Geschichte Österreichs und Zentraleuropas im 19. Jahrhundert“ seit vielen Jahren keine Leitung mehr und wurde zuletzt stets interimistisch geführt:

 

Die Uni besetzte freigewordene Dienstposten nicht nach und vergab Räumlichkeiten, die früher zum Fachbereich gehörten, anderweitig.

 

Auch im Bereich Germanistik gibt es offenbar ebenfalls gewisse Verwerfungen:

 

Ein Uni-Insider verrät der ‚Krone‘ nun darüber hinaus: Es gebe eine aktuelle interne Anweisung, dass Beschäftigte die Homepage des Faches nicht mehr aktualisieren sollen. Denn eine Professur in Österreichischer Geschichte sei nicht mehr vorgesehen, man könne das Fach mit den anderen ja einfach mitmachen. Klickt der Internet-Nutzer auf den Webseiten-Link der Österreichischen Geschichte, wird er nur mehr auf die allgemeine Uni-Webseite weitergeleitet. ‚Es ist ganz offensichtlich: Der komplette Bereich wird ausradiert‘, zürnt der Informant.

 

Seit den frühen 2000ern war eine zunehmende Ausdünnung des Fachbereichs Österreichische Geschichte zu erkennen. Emeritierungen, die Nachbesetzung von Stellen mit „Trendfächern“ wie „Geschlechtergeschichte“ sowie das Abdecken des Bereichs mit Personen, die eigentlich Spezialisten in anderen Fachbereichen sind, führten unaufhaltsam zu der nunmehr bekannten Situation. Inwiefern die Universität Graz sehenden Auges und bewusst auf dieses Szenario zusteuerte, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden, doch darf ein zielbewusstes „Aushungern“ durchaus im Bereich des Möglichen angesiedelt werden.

 

Welche Intention tatsächlich hinter dieser Ausdünnung des Fachbereichs „Österreichische Geschichte“ an der Universität Graz steckt und welche Schritte seitens des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung dagegen unternommen werden, soll im Rahmen der gegenständlichen Anfrage in Erfahrung gebracht werden.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Bundesrat an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung folgende

 

Anfrage

 

1.    Ist Ihnen als für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuständiger Bundesminister und früherer Rektor der Uni Graz der geschilderte Sachverhalt bekannt?

a.    Wenn ja, wann haben Sie von dem Sachverhalt bzw. der offensichtlichen Intention der Uni Graz, den Fachbereich „Österreichische Geschichte“ auslaufen zu lassen, Kenntnis erlangt?

2.    Wie bewerten Sie das Vorgehen der Uni Graz betreffend die Auslöschung des Fachbereichs „Österreichische Geschichte“ aus fachlicher Sicht?

3.    Befürworten Sie dieses Vorgehen der Uni Graz und wenn ja mit welcher Begründung?

4.    Haben Sie andernfalls bereits Schritte gesetzt, um dieser Vorgehensweise entgegenzuwirken?

a.    Wenn ja, um welche Schritte handelt es sich dabei konkret?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Soll stattdessen ein neuer Fachbereich auf den Weg gebracht werden und wenn ja, welcher?

6.    Welche Maßnahmen werden Sie künftig setzen, um das Studienfach „Österreichische Geschichte“ an der Uni Graz aufrecht zu erhalten?

7.    Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Verwerfungen im Bereich Germanistik an der Uni Graz entgegenzuwirken?

8.    Gibt es Bestrebungen, weitere Maßnahmen zu setzen, um Studienfächer betreffend die Österreichische Geschichte an den österreichischen Universitäten und Hochschulen allgemein aufrecht zu erhalten?

9.    Mit wie vielen und welchen Personen wurde ab dem Jahr 2000 am Institut für Geschichte nachbesetzt und welche Fachbereiche wurden damit abgedeckt?

10. Mit welchen Aufnahmen wurde dezidiert der Fachbereich „Österreichische Geschichte“ abgedeckt bzw. inwiefern war dies in der Arbeitsplatzbeschreibung oder im Stellenplan ausgewiesen?

11. Wie viele Personen wurden für den Fachbereich „Geschlechtergeschichte“ seit dem Jahr 2000 aufgenommen?

12. Wurden Abgänge von Personal des Fachbereichs „Österreichische Geschichte“ seit der Jahrtausendwende und damit das schrittweise Ausdünnen ebendieses Fachbereichs registriert und welche Schritte wurden seitens des Ministeriums bzw. seitens der Uni gesetzt?



[1] https://www.krone.at/3081222