4128/J-BR/2023
Eingelangt am 08.11.2023
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ANFRAGE
des Bundesrates Michael Bernard
an die Bundesministerin für Landesverteidigung
betreffend Neubau der Kaserne Bolfras in Mistelbach
Die völlig überraschende Pressenkonferenz der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der dafür zuständigen Bundesministerin, welche Ende November 2022 in der Bolfras Kaserne stattfand, löste viele Unsicherheiten der dort lebenden Bevölkerung aus. Die größte Sorge der Menschen stellt die zukünftige Nachnutzung der alten Gebäude der Kaserne mitten in der Stadt als Asylheim oder als Erstaufnahmezentrum wie in Traiskirchen dar. Der Bürgermeister als auch die Gemeinderäte der Stadtregierung halten sich jedoch bei aufkommenden Fragen seitens der Bevölkerung wie auch die der Gemeinderäte der Opposition bis zum heutigen Tag zurückhaltend und bedeckt. Die Bevölkerung wird dadurch im Unklaren gelassen.
So hieß es in einer Presseaussendung des Ministeriums:
„Wien (OTS) - Heute, am 28. November 2022, besuchten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner die Bolfras Kaserne in Mistelbach. Grund des Besuchs war die Bekanntgabe des Neubaus der Kaserne. Das 150 Millionen Euro Projekt soll 2025 starten und im Bereich des aufgelassenen Munitionslagers „Totenhauer“, also außerhalb des Stadtkerns, entstehen.
„Wir brauchen für ein modernes Bundesheer vor allem auch eine gute Infrastruktur, daher werden jetzt unsere Kasernen auf Vordermann gebracht. In Niederösterreich befinden sich 80 Liegenschaften des Bundesheeres, in denen wir moderne Unterkünfte und ein modernes Arbeitsumfeld brauchen. Mit gut ausgestatteter Infrastruktur schaffen wir die Basis für ein moderneres und einsatzfähigeres Bundesheer“, so Verteidigungsministerin Klaudia Tanner.
Mit dem Neubau wird die regionale Wertschöpfung unterstrichen. Es sollen sowohl der militärische Dienstbetrieb verbessert, als auch die Wohnqualität der Anrainer gesteigert werden. Beim neuen Standort werden die Ausbildungsinfrastruktur sowie die Wohn- und Lagermöglichkeiten zusammengeführt. Die Anrainer profitieren, weil die Kaserne aus dem Stadtgebiet verlegt wird und sich damit die Lärmemissionen und das relativ hohe Verkehrsaufkommen verringern.
"Heute ist ein Freudentag. Nicht nur für das Österreichische Bundesheer und das Land Niederösterreich, sondern auch für die Mistelbacherinnen und Mistelbacher. Denn mit der Neuerrichtung der traditionsreichen Kaserne Mistelbach werden hunderte Arbeitsplätze gesichert und eine Win-Win-Situation geschaffen. Sowohl für die Menschen dieser liebenswürdigen Stadt, die mehr an Lebens- und Wirtschaftsraum zurückerlangen, als auch für die Soldatinnen und Soldaten des 3. Aufklärungs- und Artilleriebataillons, die mit dem Neubau der Bolfras-Kaserne am Garnisonsübungsplatz eine militärische Infrastruktur auf der Höhe der Zeit erhalten", betonte die Niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Für die neue Kaserne wurden Bauwertkosten von etwa 150 Millionen Euro erhoben. Die neue Kaserne soll 600 Personen Platz bieten, wobei 300 ständig präsent sind und für Milizverbände wird ebenso Raum geschaffen. 2023 werden die ersten Maßnahmen wie Widmungs- und Behördenverfahren, Umweltverfahren und Bodenanalysen durchgeführt. 2024 folgt dann der Planungsbeginn und mit 2025/26 soll mit der Realisierung gestartet werden.
Die in die Jahre gekommene Bolfras Kaserne hat in Mistelbach gute Dienste geleistet und soll künftig aus der militärischen Nutzung entlassen und im Rahmen der generellen Stadtentwicklung weitergestaltet werden. Das Aufklärungs- und Artilleriebataillon 3 ist in Mistelbach disloziert und beheimatet derzeit rund 230 Soldaten, davon 13 Frauen. Das Bataillon stellt den Informationsbedarf für die Brigade Schnelle Kräfte sicher und sorgt gleichzeitig für die weitreichende Feuerunterstützung mit Artillerie.“
(https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221128_OTS0101/bundesheer-mistelbach-bekommt-neue-kaserne)
Der Neubau außerhalb des Stadtgebietes schafft zudem zusätzlich viele herausfordernde Um- und Neustrukturierungen der Verkehrs- und Versorgungsstruktur der Stadt. Die Verbauung einer derart großen Naturfläche bildet eine weitere Versiegelung von kostbarer freier Fläche und widerspricht dem eigenen Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen.
So hieß es ironischerweise nur einen Tag später auf orf.at Niederösterreich:
„Land sagt Bodenversiegelung den Kampf an
Das Land investiert sechs Millionen Euro in die Entsiegelung von Flächen. Städte und Gemeinden sollen mit dem Geld ungenützte Asphaltflächen renaturieren. So sollen etwa auch die Ziele der Bundesregierung in Sachen Bodenverbrauch erreicht werden.
Rund ein Hektar Boden wird jeden Tag in Niederösterreich verbaut: durch Neubau, Parkplätze, Industrie- oder Gewerbeflächen. Dieser Wert ist zuletzt zwar gesunken, doch die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm das Ziel von nicht mehr als 2,5 Hektar Flächenverbrauch pro Tag verankert – bundesweit. Um das zu erreichen, müsste Niederösterreich seinen Anteil auf einen halben Hektar pro Tag halbieren.
Deshalb stellt das Land nun sechs Millionen Euro für einen „blau-gelben Bodenbonus“ zur Verfügung. Städte und Gemeinden können damit ungenützte versiegelte Flächen renaturieren, abgewickelt wird die Förderung durch die Energie- und Umweltagentur des Landes (eNu). Als Beispiel nannte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einen entsiegelten Dorfplatz, die Begrünung von Parkplätzen mit Rasensteinen oder die Renaturierung ehemaliger Industrieflächen. „Wir wollen unsere Böden wieder atmen lassen“, gab die Landeshauptfrau als Motto aus.“ (https://noe.orf.at/stories/3184331/)
Durch den neuen Standort der Kaserne am Stadtrand, ergeben sich neue Herausforderungen wie beispielsweise die Anreise zum Dienstort. War es bisher möglich mit dem Zug nahezu direkt bis zur Kaserne zu gelangen, benötigt in Zukunft jeder Bedienstete einen eigenen PKW, um zum Dienstort zu kommen. Das erhöhte Verkehrsaufkommen wird damit auf andere Anrainer verlagert bzw. das Verkehrsaufkommen in der Stadt Mistelbach generell dadurch erhöht. Auch eine weitere Nutzung der alten Kaserne, als Wohn-, Wirtschafts-, oder Industriegebiet, bringt ein erhöhtes Verkehrsaufkommen mit sich.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Bundesrat an die Bundesministerin für Landesverteidigung folgende
Anfrage
1. Wann wurde der Neubau der Kaserne in Mistelbach geplant?
2. Wer war in der Planung der Kaserne miteingebunden?
3. Wurde die Planung der neuen Kaserne mit der ÖVP Niederösterreich abgesprochen?
4. Wusste der Bürgermeister von Mistelbach, Erich Stubenvoll, und die dafür zuständige Stadträtin für Raumplanung, Stadtentwicklung, Bauen und Grundverkehr, Andrea Hugl, von diesen Plänen?
5. Gibt es bereits bestehende Ideen oder Pläne für die zukünftige Nutzung für das alte Areal der Bolfras Kaserne?
a. Wenn ja, wie sieht die zukünftige geplante Nutzung der Kaserne und des Kasernengeländes aus?
b. Ist ein Verkauf geplant?
c. Wenn ja, gibt es bereits Interessenten?
d. Wenn nein, ist eine Ausschreibung geplant?
6. Wird die Gemeinde bei den Plänen der Nachnutzung miteinbezogen werden?
a. Wenn ja, inwieweit kann die Gemeinde überhaupt mitbestimmen, was zukünftig mit dem Areal passieren soll?
7. Können Sie die vollständige oder eine nur teilweise Nutzung der alten Bolfras Kaserne für ein Erstaufnahmezentrum oder eine Nutzung als Asylzentrum seitens des Bundes konkret ausschließen?
a. Wenn Ja, gilt dieses Verspechen dann auch noch, sollte eine Umwidmung für Neubauten nicht genehmigt werden?
b. Wenn nein, inwieweit würde der Bürgermeister hier ein Mitspracherecht bekommen?
c. Würde man die Einwohner der Stadt Mistelbach dazu befragen und die Sorge der Bevölkerung berücksichtigen?
8. Erwarten Sie ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und damit eine höhere Belastung für die Anrainer aufgrund der nicht vorhandenen Anbindungsmöglichkeiten?
9. Welche Infrastrukturen des öffentlichen Verkehrs sind geplant worden, um den Soldaten die Anreise zu ihrem neuen Dienstort zu ermöglichen?
a. Was kostet der Ausbau des öffentlichen Verkehrs?
b. Wer trägt die Kosten dafür?
10. Sind wirtschaftliche Infrastrukturen im Nahbereich der neuen Kaserne miteingeplant worden, um die Bedürfnisse des täglichen Bedarfs der Soldaten zu decken?
a. Wieviel würde der Ausbau dieser Infrastruktur zusätzlich kosten?
b. Wer übernimmt diese zusätzlichen Kosten für den Ausbau dieser notwendigen Infrastruktur?
11. Warum wird die bestehende Kaserne nicht renoviert und modernisiert, um einer weiteren Bodenversiegelung entgegenzusteuern, wie dies beispielsweise vom Land Niederösterreich im Zuge von Renaturisierungen verfolgt wird?
a. Wieviel Fläche in m2 wird durch den Neubau am Totenhauer verbaut werden?
b. Wieviel Fläche wird für den Bau der neu benötigten Infrastruktur verbaut werden?
c. Müssen durch den Bau auch Naturschutzersatzflächen geschaffen werden, wenn ja, in welchem Ausmaß?
d. Nachdem sehr viele Soldaten ihren Dienstort in Zukunft zwangsläufig mit dem Auto antreten werden, stellt sich die Frage der Bodenversiegelung für die Parkplatzfläche der neuen Kaserne. Wieviel m2 Parkplatzfläche wird dafür eingeplant?
12. Inwieweit kommt man mit dem Neubau eines gesamten Kasernenareals, und dem damit verbundenen Bau der notwendige Infrastruktur in der unmittelbaren Umgebung, der Bestrebung des Regierungsprogrammes nach?
13. Sind weitere Neubauten von Kasernen geplant oder gerade in Planung?
a. Wenn ja, welche Kasernen sind davon betroffen?
14. Sind Probebohrungen für die Feststellung einer etwaigen Kontamination geplant?
a.) Wer übernimmt die Kosten für diese Probebohrungen?
b.) Wer kommt für die Kosten der Dekontamination auf, im Falle
a. Wer kommt für die Kosten der Dekontamination auf im Falle einer Übereignung an die Stadt Mistelbach?
15. Wer trägt die Kosten für den Bau der Infrastruktur der Wasser- und Kanalversorgung?
a. Wer trägt die weiteren Kosten für die Erhaltung dieser Infrastruktur?
16. Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze wird die neue Kaserne insgesamt bieten?
a. Wie viele Grundwehrdiener können in der neuen Kaserne jährlich ausgebildet werden?
b. Wie viele ständige Arbeitsplätze werden durch den Neubau zusätzlich in der Kaserne geschaffen?
17. Ist der Regelflugbetrieb von unbemannten Fluggeräten (Drohnen) am neuen Militärgelände geplant?
a. Wenn ja, wie viele Soldaten werden dafür zur Verfügung gestellt werden?
18. Wird der neu geplante Militärstützpunkt zur Ausbildung von Drohnenbedienpersonal genutzt werden?