4151/J-BR/2024

Eingelangt am 15.02.2024
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Dringliche Anfrage

gem. § 61 GO-BR

 

der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Dominik Reisinger,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Was tun Sie gegen Schlepperkriminalität, Herr Innenminister?

 

Seit Jahren und Monaten ist das Problem der Schlepperkriminalität im Burgenland bekannt, vor allem im letzten halben Jahr kam es vermehrt zu Aufgriffen von Schleppern, aber auch zu An- und Übergriffen durch Schlepper auf die Exekutive. Bis Jahresende 2023 kam es alleine im Burgenland zu 30.000 Aufgriffen von Geflüchteten sowie zu 289 Verhaftungen von Schleppern - also annähernd der Hälfte aller rund 600 Verhaftungen bundesweit.

 

Das Burgenland ist – speziell in den Grenzregionen – zum Hot-Spot der internationalen Schlepperkriminalität gemacht geworden, weil die zuständigen Innenminister:innen in den vergangenen Jahren ihrer Verantwortung nicht nachgekommen sind. Während die verantwortlichen ÖVP-Politiker:innen im Bund immer fälschlicherweise behauptet hatten, die Balkanroute geschlossen zu haben und sich der ehemalige FPÖ-Innenminister Kickl zwar damit brüstete, der Zuwanderung ein Ende zu machen, aber über den Tausch des Taferls in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen und der Anschaffung von Pferden für die Polizei nicht hinauskam, wurde die Bevölkerung, die tatsächlich vom Problem der Schlepperkriminalität betroffen ist, allein gelassen.

 

Da halfen auch zahlreiche Bilder von Migrationsgipfeln zwischen Bundeskanzler Nehammer mit seinen Amtskollegen aus Serbien, Alexandar Vučić und Viktor Orban aus Ungarn nichts. Auch, wenn diese öffentlichkeitswirksam suggerieren sollten, dass hier Lösungen gefunden wurden, sprechen die Zahlen eine andere Sprache.

Die Staatschefs Nehammer, Vucic und Orban, die sich zum Abschluss von Verhandlungen auf einem Anti-Migrationsgipfel die Hände reichen.

Abbildung 1: Nehammer, Vučić und Orban bei einem Anti-Migrationsgipfel[1]

Das lässt sich auch an folgenden Beispielen aufzeigen:

 

·   Über hundert Male durchbrachen Schlepper 2023 Verkehrskontrollen an der österreichisch-ungarischen Grenze, anstatt anzuhalten.

·    Im Mai 2023 wurden Verkehrsteilnehmer:innen durch Schlepper auf der Flucht gefährdet und zwei parkende Fahrzeuge in Oberpullendorf beschädigt.

·   Im Juli 2023 wurden im Bezirk Güssing Schlepper festgenommen, die in Litzelsdorf auf ein Taxi warteten, nachdem sie einen Kastenwagen mit zwei Geflüchteten in Ollersdorf zurückgelassen hatten.

·   Im September 2023 kam es an den Grenzübergängen Pamhagen und Klingenbach zu Verfolgungsjagden, die Polizeikontrollen durchbrachen. Durch Warnschüsse wurden die Schlepper gestoppt, in einem Kastenwagen befanden sich 42 Personen.

·   Im Oktober 2023 kam es zu einem Unfall mit mehreren Verletzten, als ein Schleppertransporter nach einem Unfall über die Leitschiene geschleudert wurde.

 

In den letzten zwei Jahren starben im Burgenland durch die Brutalität der Schlepper fünf geflüchtete Menschen und dutzende wurden schwer verletzt. Es passieren Übergriffe auf die Exekutive, Verfolgungsjagden und Verkehrsunfälle – auch mit Todesfolge – was wiederum die Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung erhöht. Hier müssten schon längst die Alarmglocken im zuständigen Innenministerium schrillen. Die Situation ist für die betroffene burgenländische Bevölkerung, aber auch für die Exekutivbeamten und das Bundesheer unzumutbar geworden.

 

Eine effektive Lösung für die hohen Asylantragszahlen kann nur auf europäischer Ebene verhandelt werden, weshalb der EU-Asyl- und Migrationspakt ein wichtiges Element zur Lösung der Herausforderungen im Bereich der ungleichen Verteilung innerhalb der EU sind. Der darin vorgesehene Solidaritätsmechanismus würde mit einem Schwung dazu führen, dass auch in Österreich die Antragszahlen sinken würden, weil Österreich seit Jahren eine der höchsten Zahlen im Bereich der Asylanträge hat und diese auch bewältigt. Der Innenminister und der Bundeskanzler posieren aber lieber für Fotos mit ihren Amtskollegen, die geltende Gesetze brechen, anstatt auf sie einzuwirken. Bezeichnend ist auch der Umstand, dass nach wie vor keine Konsequenzen auf Grund des fortlaufenden Bruchs von EU-Recht, der durch die Nichtzulassung von Asylverfahren in Ungarn täglich geschieht, gezogen werden. Der ÖVP geht es ganz offensichtlich nicht um die Lösung der Frage, wie man ein funktionierendes, europäisches Asylsystem auf die Beine bekommt, sondern um eine Polarisierung im aufkommenden Wahlkampf, um mit der FPÖ in ein Rennen zu kommen.

 

Auf Grund dessen hat der Burgenländische Landtag auch einen Dringlichkeitsantrag beschlossen, in dessen Zuge der Innenminister endlich zum Handeln aufgefordert wird. Zentrale Punkte sind darin:

·   unverzüglich einen Aktionsplan gegen die eskalierende Schlepperkriminalität vorlegen und umsetzen,

·   die Kapazitäten für Kontrollen der Polizei und des Bundesheeres an den Grenzübergängen, der „grünen Grenze“ sowie im grenznahen Bereich im Burgenland erhöhen und damit auch die Rahmenbedingungen für die Polizeibeamten im Grenzeinsatz verbessern und

·   auf EU-Ebene sicherstellen, dass der EU-Migrationspakt rasch zu einer wirksamen Anwendung gelangt.

 

Nachdem jeden Tag erneut Gefahr durch die Schlepperkriminalität besteht, stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte nachfolgende

 

Dringliche Anfrage

 

 

 

1)Wie viele Polizist:innen sind zur Grenzsicherung im Burgenland im Einsatz?

a.      Wie viele von ihnen sind an den Grenzstationen postiert?

b.      Wie gestalten sich diese Zahlen für die anderen österreichischen Bundesländer?

2)Wie viele Angehörige des Bundesheers sind im Rahmen eines Assistenzeinsatzes zur Grenzsicherung im Burgenland im Einsatz?

a.      Wie viele von Ihnen haben die Grundausbildung bereits absolviert?

b.      Welchem Dienstgrad gehören diese an? Listen Sie diese bitte in absoluten Zahlen auf.

c.       Wie viele von ihnen sind an den Grenzstationen postiert?

d.      Wo sind jene Angehörige des Bundesheers positioniert, die nicht an Grenzstationen im Einsatz sind?

e.      Wie gestaltet sich diese Zahlen für die anderen österreichischen Bundesländer?

3)Inwieweit stehen Operation Fox, die sie ja als Vorzeigeprojekt von Österreich in Kooperation mit Ungarn verkaufen, und die Freilassungsaktion Orbans im vergangenen Frühjahr, bei dem er weit über 1.000 Schlepper aus der Haft entlassen hatte, sofern diese sofort im Anschluss das Land verlassen, in Widerspruch zueinander?

4)Wurden in Folge der Freilassungsaktion Orbans Schlepper in Österreich festgenommen, die zuvor bereits in Ungarn auf Grund von Schlepperei inhaftiert waren?

a.      Wenn ja: Wie viele?

b.      Wenn ja: Was geschah in weiterer Folge mit diesen?

c.       Wenn nein: Liegen Ihnen Daten vor, wie viele der inhaftierten Schlepper in Ungarn nach ihrer Freilassung nach Österreich ausgereist sind?

d.      Wenn nein: Wie können Sie sicherstellen, dass keiner dieser Schlepper in Österreich wieder mit Schleppereidelikten kriminell wird?

5)Wie viele verurteilte Schlepper werden nach Verbüßung der Haftstrafe nachweislich außer Landes gebracht?

a.      Bei wie vielen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie in Österreich bleiben?

6)Sie haben in einer Anfragebeantwortung (16920/AB[2]) angegeben, dass es 2022 insgesamt 712 Aufgriffe von Schleppern gegeben hat, 2023 660 Schlepper festgenommen wurden (Stand 18.12.2023), wovon 282 im Burgenland festgenommen wurden. Wie hoch war die Anzahl der festgenommenen Schlepper im Jahr 2023 gesamt?

7)Wie hoch ist die Anzahl der im Jahr 2024 aufgegriffenen bzw. festgenommenen Schlepper und wo wurden diese aufgegriffen?

8)Sie haben in derselben Anfragebeantwortung angegeben, dass es keine Auswertungen zu erweiterten Fällen von Straftaten (Sachbeschädigung, Gefährdung an Leib und Leben, Unfällen mit Schleppern, Todesfälle, etc.) im Rahmen von Schlepperkriminalität gibt. Aus welchem Grund werden diese Statistiken nicht geführt und ist das für die tatsächliche, realistische Gefahreneinschätzung durch Schlepper nicht essentiell?

9)Sie haben angegeben, dass Österreich rund 120 Polizist:innen nach Ungarn und Serbien entsendet sowie im Rahmen von Frontex in Albanien, Kosovo, Bulgarien, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Malta, Montenegro, Nordmazedonien, Rumänien und  Serbien eingesetzt. Wie wird sich diese Zahl im Jahr 2024 entwickeln?

a.      Kam es im Rahmen dieser Einsätze zu Verletzungen der eingesetzten Polizist:innen im Dienst?

b.      Wie viele Delikte von Schlepperkriminalität konnte durch diesen Einsatz verhindert werden?

c.       Wie hoch sind die Kosten für diese Einsätze für Österreich?

10)  Sie haben angegeben, dass Österreich in migrationsrelevanten Drittstaaten Projekte initiiert hat und führen dazu das gemeinsame Engagement mit Dänemark in Tunesien an. Was konkret geschieht dort und wie viele österreichische Einsatzkräfte stehen dort im Einsatz?

11)  Welche weiteren Projekte gibt es im Rahmen der Zusammenarbeit mit migrationsrelevanten Drittstaaten? Listen Sie diese bitte konkret auf und geben Sie an, inwieweit Österreich dabei involviert ist bzw. wie viele Kräfte dort im Einsatz stehen.

12)  Haben Sie im Gegensatz zu Ihren Vorgängern auch Projekte, die sogenannte „Hilfe vor Ort“ leisten, umgesetzt, oder geht es ausschließlich um sicherheitspolizeiliche Maßnahmen?

13)  Sie geben an, dass Ende 2023 rund 40 Polizist:innen im Rahmen der Operation Fox – einer „Maßnahme im internationalen Grenzkontrollraum“ im Einsatz standen. Im Jahr 2024 soll diese Anzahl auf 60 Polizist:innen anwachsen, wobei bereits 180 Schlepper durch die Operation Fox in Ungarn festgenommen werden konnten. Können Sie auf Grund der Lage in Ungarn sicherstellen, dass diese ihrer gerechten Strafe zugeführt werden und nicht in der Lage sind, weiterhin Menschen nach Österreich zu schleppen?

a.      Wenn nein: Welchen Sinn hat die Operation Fox, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Schlepper, die in deren Rahmen festgenommen werden konnten, dann auch ihre Strafe verbüßen müssen?

14)  Ist Ihnen bekannt, ob von den 180 Schleppern im Rahmen der ungarischen Freilassungsaktion solche freigekommen sind, die zuvor mühsam dingfest gemacht werden mussten?

a.      Falls ja: Wie viele?

b.      Falls ja: Haben Sie bzw. der Regierungschef im Rahmen ihrer vitalen Kontakte zu Ungarn ihr Missfallen darüber kundgetan und entsprechende Schritte eingefordert, dass dies nicht mehr geschieht?

15)  Wie hoch ist die Zahl der Schlepper, die im Jahr 2024 im Rahmen der Operation Fox bereits festgenommen werden konnte?

16)  Wie hoch sind die Kosten für die Operation Fox seit Beginn ihres Bestehens im Jahr und wie ist der Budgetpfad im kommenden Jahr bis Mai?

a.      Welche Mehrkosten sind bei der Operation Fox für Personal entstanden und wie setzten sich diese zusammen?

b.      Welche Beschaffungen wurden im Rahmen der Operation Fox getätigt und welche Kosten entstanden damit für die jeweiligen Beschaffungen?

17)  Wie hoch sind die Mehrkosten beim Personal für alle Auslandseinsätze und gelistet nach den einzelnen Ländern? Woraus setzen sich diese Mehrkosten im Detail zusammen?

a.      Wurde im Rahmen der Auslandseinsätze Beschaffungen getätigt? Falls ja, welche und wofür bzw. zu welchen Kosten?

18)  Wird die Operation Fox nach Mai 2024 weiterlaufen?

a.      Wenn ja: Aus welchen konkreten Gründen und für wie lange?

b.      Wenn nein: Wieso nicht?

19)  Führen Sie bzw. ihr Ministerium regelmäßig Gespräche mit der ungarischen Regierung und den ungarischen Behörden zur Evaluierung des laufenden Betriebs der Operation Fox?

a.      Falls ja: Wer führt diese auf welcher Ebene und in welchen Abständen?

b.      Falls ja: Was sind die bisherigen Ergebnisse dieser Besprechungen und welche wurden bereits umgesetzt?

c.       Falls nein: Wieso nicht?

20)  Der Burgenländische Landtag hat erst in seiner Sitzung am 25. Jänner 2024 einen Dringlichkeitsantrag[3] an Sie gerichtet, in dem ein Aktionsplan gegen die eskalierende Schlepperkriminalität gefordert wird. Werden Sie einen derartigen Aktionsplan vorlegen und wenn ja bis wann?

21)  Werden Sie sich dafür einsetzen, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten, den EU-Asyl- und Migrationspakt ehestmöglich zu einem positiven Abschluss zu bringen, um damit auch den Solidaritätsmechanismus in Europa in Kraft zu setzen?

a.      Wenn ja: Wie werden Sie das konkret tun?

b.      Wenn nein: Warum nicht?

22)  Mit wie vielen und welchen Staaten konnten in dieser Legislaturperiode neue Rückführungs- bzw. Rückübernahmeabkommen abgeschlossen werden?

 

 

Unter einem wird in formeller Hinsicht verlangt, die gegenständliche Anfrage nach § 61 Abs. 3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.



[1] EPA/Andrej Cukic, gefunden auf: https://www.derstandard.at/story/2000140949674/nehammer-vucic-orban-sechs-haende-gegen-die-migration

[2] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/16290/imfname_1604338.pdf

[3] https://www.bgld-landtag.at/parlamentarische-materialien/suche/