4153/J-BR/2024
Eingelangt am 15.02.2024
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ANFRAGE
des Bundesrates Markus Leinfellner
an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung
betreffend Neues Stipendienmodell für Medizinstudenten
Die FPÖ Steiermark und andere freiheitliche Landesgruppen setzen sich seit Jahren für die Schaffung von sogenannten „Heimatstipendien“ für angehende Mediziner ein. Demnach soll eine bestimmte Anzahl der Studienplätze an den öffentlichen medizinischen Universitäten ausschließlich an Studenten vergeben werden, die sich vertraglich dazu verpflichten, nach ihrem Studienabschluss als Arzt im öffentlichen Versorgungssystem in Österreich tätig zu werden. Ähnliche Modelle gibt es unter dem Begriff „Landarztquote“ etwa bereits in Deutschland.[1]
Spät, aber doch soll es nun in Österreich bekanntlich zur Umsetzung eines ähnlichen Systems ab diesem Herbst kommen, wie etwa die „Kleine Zeitung“ Ende Dezember 2023 berichtete.[2] Demnach werden im Studienjahr 2024/25 fünf Prozent der Medizin-Studienplätze an den öffentlichen Universitäten reserviert, um den Bedarf an Ärzten „im öffentlichen Interesse“ abzudecken. Somit werden insgesamt 85 Plätze auf die Bundesländer, Innen- und Verteidigungsministerium und die Österreichische Gesundheitskasse aufgeteilt, um die späteren Absolventen dort in Kassenpraxen, in Spitälern oder bei der Polizei als Amtsarzt einzusetzen. Interessenten sollen sich noch vor dem Medizin-Aufnahmetest bei Land, Ministerium oder ÖGK melden und besprechen, in welchem Bereich sie später eingesetzt werden sollen und welche Fachrichtung dafür zu absolvieren sein wird
Die zuständigen Stellen wählen dann aus, wer einen der reservierten Studienplätze bekommt bzw. eine Verpflichtung unterschreibt, auch nach Studium und Ausbildung im zugewiesenen Bereich und Bundesland zu bleiben. Dann absolviert man den Medizin-Aufnahmetest und wird entsprechend betreut. 13 Plätze gehen im nächsten Jahr an die ÖGK für Kassenstellen, 10 können vom Verteidigungs- und 3 vom Innenministerium vergeben werden. Die 59 Plätze für die Länder verteilen sich nach der jeweiligen Einwohnerzahl, die Steiermark erhält 8 Plätze, in Kärnten sind es 4.
[…] Um einen der 85 Studienplätze zu bekommen, müssen die jungen Erwachsenen eine Vereinbarung unterzeichnen, die besagt, dass sie in ihrem bevorstehenden Studium nicht nur in der fixierten Fachrichtung, sondern auch für eine gewisse Zeit nach ihrem Abschluss im zugeteilten Bundesland oder im Ministerium bleiben müssen.
Die Vorteile für die Studierenden liegen auf der Hand: Sie konkurrieren mit deutlich weniger Bewerbern um einen Medizin-Studienplatz und müssen lediglich mindestens 75 Prozent der beim Medizinaufnahmetest zu erreichenden Punkte bekommen. Zudem haben sich die Länder darauf geeinigt, ihren Studierenden monatlich 1.000 Euro zu zahlen. Bei der ÖGK werde aktuell noch über entsprechende Stipendien nachgedacht. Darüber hinaus winkt den Absolventen der reservierten Plätze ein garantierter Ausbildungs- und Arbeitsplatz in der ausgewählten Fachrichtung.
Sollten es sich die Studenten nach der Absolvierung ihres Studiums doch anders überlegen, müssen sie laut Berichterstattung der „Kleinen Zeitung“ geringe Sanktionen befürchten.
Wer seine Meinung ändert oder die vertraglich festgelegte Vereinbarung anderweitig nicht erfüllt, muss das bisher erhaltene Monatsgehalt oder Stipendium zurückzahlen. Die allgemeinen Kosten einer Hochschulausbildung müssen hingegen nicht rückerstattet werden.
Das Ende letzten Jahres präsentierte Modell erscheint aus mehreren Gründen suboptimal. Zum einen werden viel zu wenige Plätze zweckgewidmet. Allein in der Steiermark werden in den kommenden Jahren dutzende Spitals-, Amts- und Kassenärzte fehlen. Zum anderen ist im Gegensatz zum deutschen Modell der „Landarztquote“ nicht vorgesehen, dass es entsprechende Vertragsstrafen für Studenten geben soll, die sich nach abgeschlossener Ausbildung doch nicht an die Abmachung halten. Schließlich müssen offenbar die allgemeinen Kosten der Hochschulausbildung nicht rückerstattet werden.
In der Praxis könnte dies den Effekt haben, dass sich zahlreiche – vor allem aus gut situierten Elternhäusern stammende – Absolventen relativ einfach aus der Verpflichtung freikaufen können. Geht man davon aus, dass die Studenten 1.000 Euro monatlich über sechs Jahre Studium erhalten, wären dies lediglich 72.000 Euro an Rückzahlungen (möglicherweise sogar unverzinst), wobei ein Teil davon sowieso für die Lebenshaltung angefallen wäre. Als junger Mensch wäre es dementsprechend praktisch immer von Vorteil, sich für das österreichische Stipendienmodell zu entscheiden, zumal man sich beim Aufnahmetest nicht gegen tausende andere durchsetzen bzw. im Falle eines Scheiterns beim Test nicht stattdessen eine teure Privat-Universität für rund 200.000 Euro (ohne Lebenshaltungskosten!) besuchen muss.
Diese Überlegungen werden wohl der Grund dafür gewesen sein, dass im Rahmen der bayrischen „Landarztquote“ Studierende im Falle eines Vertragsbruchs eine Strafe von 250.000 Euro erwartet. Als Konsequenz werden wohl die meisten der ausgebildeten Mediziner die eingegangene Verpflichtung, im öffentlichen Versorgungssystem tätig zu werden, anschließend auch erfüllen.[3]
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Bundesrat an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung folgende
Anfrage
1. Wie viele Medizin-Studienplätze an den öffentlichen Universitäten sind im Studienjahr 2024/25 reserviert, um den Bedarf an Ärzten „im öffentlichen Interesse“ abzudecken?
2. Wie verteilen sich die reservierten Plätze auf die jeweiligen öffentlichen Medizinischen Universitäten?
3. Inwiefern können sich die am Modell teilnehmenden Studenten den Studienort aussuchen?
4. Wie verteilen sich die reservierten Plätze auf die jeweiligen späteren Dienstgeber (z.B. Körperschaften des öffentlichen Rechts, Kassen, Ministerien etc.)?
5. Inwiefern sind dabei auch Plätze für die Betreiber der öffentlichen Krankenanstalten (z.B. die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft, die Burgenländische Krankenanstalten-Gesellschaft etc.) reserviert (Bitte um konkrete Aufschlüsselung der für die jeweiligen Betreiber reservierten Plätze)?
6. Falls keine Plätze reserviert sind, warum ist dies nicht der Fall?
7. Inwiefern können sich die am Modell teilnehmenden Studenten den späteren Dienstgeber von Beginn an aussuchen?
8. In welchem Ausmaß findet das steirische Versorgungswesen bei den im Studienjahr 2024/25 reservierten Medizin-Studienplätzen Berücksichtigung (Bitte um Aufschlüsselung nach den späteren steirischen Dienstgebern wie z.B. die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft, das Land Steiermark, steirische Kassenstellen, steirische Polizeistationen, Kasernen in der Steiermark etc.)?
9. Wie verteilen sich die reservierten Studienplätze, welche dem steirischen Versorgungswesen vorbehalten sind, auf die jeweiligen öffentlichen Medizinischen Universitäten?
10. Wo sind die Parameter, nach denen das gegenständliche Stipendienmodell in Österreich ablaufen wird, festgelegt?
11. Inwiefern sind diese Regelungen öffentlich abrufbar?
12. Wie läuft das Anmeldeprozedere für die reservierten Medizin-Studienplätze ab?
13. Inwiefern wird dabei seitens des Bundes ein einheitliches Vorgehen vorgegeben?
14. Inwiefern sind die jeweiligen Einrichtungen selbst für das Anmeldeprozedere verantwortlich?
15. Wie viele Personen haben sich bisher für einen der reservierten Plätze interessiert (Bitte um Aufschlüsselung nach den späteren Dienstgebern sowie nach den öffentlichen Universitäten)?
16. Wie viele Personen haben sich bisher für das Auswahlverfahren für einen der reservierten Plätze angemeldet (Bitte um Aufschlüsselung nach den späteren Dienstgebern sowie nach den öffentlichen Universitäten)?
17. Wer trifft in den jeweiligen Fällen die Entscheidung, welche Personen einen der reservierten Studienplätze erhalten?
18. Nach welchen Parametern wird diese Entscheidung getroffen (bspw. Alter der Bewerber, Nationalität, schulischer Erfolg etc.)?
19. Falls die Entscheidung von den jeweiligen späteren Dienstgebern getroffen wird, inwiefern gibt es für diese entsprechende Vorgaben hinsichtlich der Auswahl?
20. Warum wurden keine zusätzlichen Studienplätze geschaffen, die im Rahmen des gegenständlichen Stipendienmodells vergeben werden?
21. Welche konkreten Verpflichtungen müssen die angehenden Mediziner eingehen, um einen der an den öffentlichen Universitäten im Studienjahr 2024/25 reservierten Plätze zu erhalten?
22. Welche Strafen bzw. Sanktionen sind angedacht, wenn sich Studenten doch nicht an die getroffenen Verpflichtungen bzw. Vereinbarungen halten?
23. Welche minimale bzw. maximale Sanktion müssen Studenten, die sich nicht an die getroffenen Verpflichtungen bzw. Vereinbarungen halten, befürchten?
24. Falls monatlich gewährte Stipendienzahlungen an die Studenten erfolgen sollen (offenbar planen zumindest die Länder 1.000 Euro pro Monat), inwiefern sind diese Beträge im Falle eines Vereinbarungsbruchs samt Zinsen zurückzuzahlen?
25. Falls keine Zinsen verrechnet werden sollten, warum nicht?
26. Sind auch Vertragsstrafen – etwa nach Vorbild der bayrischen „Landarztquote“ – geplant (dort sind Vertragsstrafen von 250.000 Euro für Verstöße vorgesehen)?
a. Falls ja, in welcher Höhe sind diese vorgesehen?
b. Falls nein, warum sehen Sie bzw. Ihr Ressort dazu keine Notwendigkeit?
27. Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort aus fachlicher Sicht das Argument von Kritikern am offenbar gewählten System ohne hohe Vertragsstrafen, dass etwa junge Erwachsene aus finanziell gut situierten Elternhäusern angeraten sind, sich für die reservierten Plätze jedenfalls zu bewerben, selbst wenn sie einen späteren Vereinbarungsbruch bereits planen, da die allfällige Rückzahlung von monatlichen Stipendien noch immer weit günstiger ist, als der Besuch einer Privatuniversität?
28. Inwiefern soll das gegenständliche Modell regelmäßig evaluiert werden?