4158/J-BR/2024
Eingelangt am 28.02.2024
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möglich.
ANFRAGE
des Bundesrates Andreas Arthur Spanring
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Folgeanfrage: Nicht veranlasste Strafverfolgung von Eltern, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormunden bei Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen (FGM/C)
Am 7. Februar 2024 erfolgte die Beantwortung der am 7. Dezember 2024 unter der Nr. 4138/J-BR/2023 eingebrachten Anfrage des Bundesrates Andreas Arthur Spanring betreffend „Nicht veranlasste Strafverfolgung von Eltern, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormunden bei Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen (FGM/C)“ durch Justizministerin Alma Zadic. In der Anfrage wurde unter anderem nach neuesten Zahlen bzw. Statistiken über Genitalverstümmelungen von Mädchen und jungen Frauen bzw. nach dahingehenden Anzeigen oder Meldungen bestimmter Berufsgruppen gefragt. Durch das Gewaltschutzgesetz wurde erst 2019 Genitalverstümmelung (FGM/C) ausdrücklich in den § 85 StGB aufgenommen und damit festgelegt, dass FGM/C grundsätzlich eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen darstellt.
Konkreter Anlassfall für die schriftliche Anfrage war nicht zuletzt ein Antrag der FPÖ, der gleichlautend im Justizausschuss des Nationalrates wie des Bundesrates eingebracht, aber von den Regierungsparteien in beiden Fällen vertagt wurde. Teil der Beschlussformel war eine „Erweiterung der Strafbarkeit bei der Veranlassung und Zulassung von weiblicher Genitalverstümmelung“ und eine „Anzeigepflicht der Ärzte, wenn eine Genitalverstümmelung bei minderjährigen Mädchen festgestellt wurde“.[1]
Die Begründung der Vertagung war nun aber beachtenswerterweise, dass die Forderungen des Antrages bereits Gesetz seien. Dies ist jedoch nicht der Fall, da mit dem gegenständlichen Gewaltschutzgesetz 2019 zur Wirksamkeit kam, dass die Anzeigepflicht unterbleiben kann, sollte es sich im Falle von minderjährigen oder jugendlichen Betroffenen der Verdacht gegen einen Angehörigen wenden. Weiters wurde die Vertagung von Seiten der Grünen und Ihnen, Frau Bundesminister, damit begründet, dass „kein neueres Zahlenmaterial“ dazu vorhanden sei. Diesem Umstand wurde mit der gegenständlichen Anfrage versucht Abhilfe zu schaffen.
Leider wurden in der Anfragebeantwortung 3833/AB-BR/2024 die Fragen der Anfrage kaum bis gar nicht und zudem en bloc beantwortet. Auf viele einzelne Fragen wurde gar nicht erst Bezug genommen. Begründet wurde dies damit, dass „eine Auswertung nach Absätzen oder Ziffern des § 85 StGB nicht automatisiert“ durchführbar[2] und also zu umständlich sei. Dies obwohl erst kürzlich ein dafür eigens vorgesehener Absatz im §85 des StGB eingeführt wurde. Somit konnte dringend notwendiges Zahlenmaterial nicht erhoben werden, um betroffenen bzw. gefährdeten Frauen und Mädchen womöglich besser oder überhaupt – bspw. durch parlamentarische Initiativen - helfen zu können.
Nahezu absurd schlussendlich wird die vorliegende Angelegenheit jedoch, wenn erst am 6. Februar, also nur ein Tag vor der Veröffentlichung der gegenständlichen Anfragebeantwortung, erste Ergebnisse einer im Auftrag des Bundeskanzleramtes aufgegebenen Studie der Medizinischen Universität Wien und des „FEM Süd“ zu FGM/C publik gemacht wurden, welche von rund 11.000 betroffenen Frauen und Mädchen ausgeht.[3]
Offenbar ist es nicht nur durchaus im öffentlichen Interesse, sondern auch möglich, Zahlen zu angezeigten oder gemeldeten Fällen von Genitalverstümmelung zu erheben.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Bundesrat an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. War Ihnen die am 6. Februar 2024 präsentierte Studie der Medizinischen Universität Wien und des „FEM Süd“ zu FGM/C bekannt?
2. Hat das Justizministerium mittlerweile neueste Zahlen/Statistiken über Genitalverstümmelungen von Mädchen und junge Frauen?
a. Wenn nein, liegt es nicht im Interesse des Justizministeriums und der Justiz, Zahlenmaterial zu haben, um Statistiken anzufertigen, die Grundlage für Maßnahmen oder mögliche Gesetze wären?
3. Weshalb hatte das Bundeskanzleramt ein offenbar größeres Interesse, diese Zahlen zu erheben?
4. Wie viele Anzeigen oder Meldungen gab es durch Ärzte?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
5. Wie viele Anzeigen oder Meldungen gab es durch Kranken- oder Pflegepersonal?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
6. Wie viele Anzeigen oder Meldungen gab es durch Psychologen?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
7. Wie viele Anzeigen oder Meldungen gab es durch Psychotherapeuten?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
8. Wie viele Anzeigen oder Meldungen gab es durch Hebammen?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
9. Wie viele Anzeigen oder Meldungen gab es durch Medizinische- und Heilmasseure?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
10. Wie viele Anzeigen oder Meldungen gab es durch das Personal vom MTD?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
11. Wie viele Anzeigen gab es durch andere Personen, die zur Anzeige und Meldung gesetzlich verpflichtet wären?
a. Zu wie vielen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren kam es deswegen?
b. Zu wie vielen Strafverfahren kam es deswegen?
c. Zu wie vielen Strafverfahren kam es gegen Eltern, Erziehungsberechtigte oder Vormunde wegen Beitragstäterschaft?
12. Wie viele Verurteilungen wurden bedingt oder teilbedingt nachgesehen?
13. Haben Sie Zahlenmaterial, wie viele dieser genitalverstümmelten Mädchen und jungen Frauen dauerhafte Schäden davongetragen haben?
a. Wenn ja, gibt es Verfahren wegen Schmerzensgeldforderungen und entsprechende gerichtliche Verfahren von Geschädigten gegenüber ihren Eltern, Erziehungsberechtigten oder Vormunden?
i. Wenn ja, wie viele gab es von 2016 bis Ende 2023?
b. Falls Sie kein Zahlenmaterial haben, werden Sie und Ihr Ministerium nun mit dem Gesundheitsministerium und dem Gesundheitsminister zusammenzuarbeiten, um solch ein Zahlenmaterial zu erheben?
i. Wenn nein, warum nicht?