4166/J-BR/2024
Eingelangt am 14.03.2024
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Anfrage
des Bundesrates Markus Leinfellner
und weiterer Bundesräte
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Patientenaufnahmestopp bei steirischen Kassenärzten
In den vergangenen Jahren häuften sich Berichte von Betroffenen über monatelange Wartezeiten auf Behandlungstermine und über Aufnahmestopps bei Kassenärzten, weswegen oftmals nur mehr der Weg zum (kostspieligen) Wahlarzt übrigbleibt. Diese Wahrnehmung wurde durch eine Ende Jänner 2023 veröffentlichte journalistische Recherche bestätigt. Konkret wurde österreichweit bei 135 Kassen-Ordinationen stichprobenartig um einen Kontrolltermin gebeten, ohne akutes Problem – je fünf Kinderärzte, fünf Augenärzte und fünf Gynäkologen pro Bundesland. In diesen Bereichen gebe es die meisten unterbesetzten Kassenstellen.
„[…] Kontaktiert wurden mehrere Hundert Arztpraxen. Die erste Hürde bestand darin, zu den angegebenen Öffnungszeiten überhaupt jemanden ans Telefon zu bekommen. Häufig meldete sich nur der Anrufbeantworter oder es war andauernd besetzt. Von den 135 erreichten Kassenpraxen verkünden 28 gleich einen Aufnahmestopp, zumindest für die kommenden Monate. Das ist rund ein Fünftel der Stichprobe, obwohl Kassenärzte das aufgrund des Vertrages nicht dürften. Bei 57 weiteren Ordinationen beträgt die Wartezeit mehr als 30 Tage.“
Das Ergebnis habe sich laut Berichterstattung regional stark unterschieden. So sei es in der Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und dem Burgenland einfacher gewesen, einen Termin zu bekommen, wenn auch oft mit monatelangen Wartezeiten verbunden. Bei jungen Patienten komme es mitunter auf die Adresse an. In der Steiermark sei der Bedarf an Kinderärzten in und rund um Graz so groß, dass die meisten Praxen nur Patienten aus dem unmittelbaren Stadtbezirk aufnehmen würden.
Zudem bestätigte sich durch die Recherche, dass Patienten einen Aufnahmestopp durch Extrazahlungen umgehen können: „Trotz voller Kassenpraxis einer Augenärztin in der Steiermark, wurde in der Privatpraxis bereits am übernächsten Tag ein Termin angeboten. Wie viel privat zu zahlen ist, ist oft unklar. […]“
Tatsächlich wird der Gang zum Privat- beziehungsweise Wahlarzt mittlerweile von vielen Menschen zähneknirschend akzeptiert, wobei sich wohl zahlreiche Betroffene fragen, wofür sie jedes Monat Kassenbeiträge bezahlen. Dazu wird von der Ärztekammer ausgeführt, dass in den Gesamtverträgen üblicherweise zwar eine Behandlungspflicht für Vertragsärzte gegenüber den Versicherten festgehalten sei. In begründeten Fällen könne die Behandlung jedoch auch abgelehnt werden, sofern es sich um keinen Notfall handle. „Wenn etwa die Kapazitäten einer Ordination überlastet sind, und keine ordnungsgemäße Betreuung der übrigen Patienten mehr möglich wäre und es so zu einem Qualitätsverlust käme“, wird seitens der Interessensvertretung mitgeteilt. (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/aerztemangel/6150208/Aerztemangel_Recherche-in-135-Ordinationen_Wie-lange-man-auf)
Die Ansicht der Ärztekammer wird auch seitens des Gesundheitsministeriums bestätigt. Demnach sind Vertragsärzte zwar prinzipiell zur Behandlung von Kassenpatienten verpflichtet. Die Mediziner können eine Behandlung jedoch aus sehr schwerwiegenden Gründen, wie etwa mangelndes Vertrauensverhältnis oder wegen Überlastung der Ordination, ablehnen. (Quelle: https://www.konsumentenfragen.at/konsumentenfragen/GesundheitUmweltundTierschutz/PatientenPflegeundPersonenbetreuung/Behandlungsvertrag.html) Somit besteht für jene Kassenärzte, die bereits zahlreiche Patienten versorgen, durchaus die Möglichkeit, einen Aufnahmestopp zu verhängen.
Inwiefern es für die Vertragsärzte dabei klare gesetzliche Vorgaben beziehungsweise Regelungen gibt, welche Meldepflichten bestehen, wann dennoch eine (Neu-)Aufnahme erfolgen muss und wie sich die Datenlage des zuständigen Ministeriums in all diesen Fragen derzeit darstellt, soll durch die gegenständliche Initiative in Erfahrung gebracht werden. Die unterfertigten Bundesräte stellen folgende
Anfrage
1. In welchem Umfang liegen Ihnen, Ihrem Ressort bzw. den Sozialversicherungsträgern aktuelle Daten hinsichtlich der Wartezeiten auf Kontrolltermine (ohne akutes Problem) für neue Patienten vor (Aufgliederung nach Fachbereichen und Bezirken)?
2. Falls Ihnen, Ihrem Ressort bzw. den Sozialversicherungsträgern keine derartigen, aktuellen Daten vorliegen, warum ist dies der Fall?
3. Wie stellen sich die durchschnittlichen Wartezeiten auf Kontrolltermine (ohne akutes Problem) für neue Patienten in den steirischen Kassenpraxen aktuell dar (Aufgliederung nach Fachbereichen und Bezirken)?
4. Inwiefern gibt es für Kassenpraxen rechtlich vorgeschriebene Höchstwartezeiten auf Kontrolltermine (ohne akutes Problem) für neue Patienten?
5. Inwiefern sind Kassenpraxen verpflichtet, die durchschnittlichen Wartezeiten für neue Patienten auf einen Behandlungstermin an die Sozialversicherungsträger, die Ärztekammer, das Gesundheitsministerium bzw. an sonstige Stellen zu melden?
6. Falls es keine derartigen Verpflichtungen gibt, warum ist dies nicht der Fall?
7. Falls es keine derartigen Verpflichtungen gibt, inwiefern gibt es Überlegungen, derartige Verpflichtungen einzuführen bzw. wie stellen sich die dahingehenden Pläne konkret dar?
8. Aus welchen Gründen können Kassenpraxen für neue Patienten einen Aufnahmestopp verhängen?
9. In welchen konkreten Regelungen bzw. Gesetzen sind diese Gründe festgehalten?
10. Falls zu den gerechtfertigten Gründen für einen Aufnahmestopp auch „Überlastung der Ordination“ bzw. „überlastete Kapazitäten“ (oder so ähnlich) zählen:
a. Unter welchen konkreten Umständen liegt eine derartige Überlastung vor?
b. In welchen Regelungen bzw. Gesetzen sind die konkreten Parameter für das Vorliegen derartiger Umstände festgelegt?
c. Wer überprüft das tatsächliche Vorliegen dieser Umstände?
d. Wie stellen sich die Überprüfungsmodalitäten rechtlich und faktisch dar?
e. Falls es faktisch keine Überprüfungen gibt, ob tatsächlich eine Überlastung vorliegt, warum ist dies nicht der Fall?
11. Ist es für Grazer Kassenkinderärzte rechtlich möglich, die Aufnahme neuer Patienten mit dem Hinweis zu verweigern, dass das Kind in einem anderen Grazer Bezirk als jenem, in dem sich die Praxis befindet, wohnhaft ist?
12. Falls dies rechtlich möglich ist, wo ist dies festgehalten?
13. Falls dies rechtlich nicht zulässig ist, was entgegen Sie, Ihr Ressort bzw. die Sozialversicherungsträger auf die Kritik betroffener Eltern, dass dieses Vorgehen in Graz durchaus von Kassenkinderärzten praktiziert wird?
14. In welchem Umfang liegen Ihnen, Ihrem Ressort bzw. den Sozialversicherungsträgern aktuelle Daten hinsichtlich der von steirischen Kassenpraxen aktuell verhängter Aufnahmestopps für neue Patienten (ohne akutes Problem) vor (Aufgliederung nach Fachbereichen und Bezirken)?
15. Falls Ihnen, Ihrem Ressort bzw. den Sozialversicherungsträgern keine derartigen, aktuellen Daten vorliegen, warum ist dies der Fall?
16. In wie vielen steirischen Kassenpraxen besteht für neue Patienten aktuell ein Aufnahmestopp (Aufgliederung nach Fachbereichen und Bezirken)?
17. Aus welchen Gründen besteht in diesen Kassenpraxen ein Aufnahmestopp für neue Patienten (Aufgliederung nach Fachbereichen und Bezirken)?
18. Inwiefern sind Kassenpraxen verpflichtet, einen verhängten Aufnahmestopp neuer Patienten an die Sozialversicherungsträger, die Ärztekammer, das Gesundheitsministerium bzw. an sonstige Stellen zu melden?
19. Falls es keine derartigen Verpflichtungen gibt, warum ist dies der Fall?
20. Falls es keine derartigen Verpflichtungen gibt, inwiefern gibt es Überlegungen, derartige Verpflichtungen einzuführen bzw. wie stellen sich die dahingehenden Pläne konkret dar?
21. Unter welchen Umständen müssen Kassenpraxen, die einen Aufnahmestopp aufgrund fehlender Kapazitäten (oder so ähnlich) für neue Patienten verhängt haben, dennoch neue Patienten annehmen?
22. Ist Ihnen, Ihrem Ressort bzw. den Sozialversicherungsträgern die Praxis einiger Kassenärzte bekannt, wonach diese zwar keine Termine an neue Patienten im Rahmen Ihrer kassenärztlichen Tätigkeit vergeben, entsprechende Behandlungen jedoch im Rahmen einer (nebenberuflichen) privat- bzw. wahlärztlichen Tätigkeit anbieten?
23. Falls diese Praxis bekannt sein sollte, wie wurde von Ihnen, Ihrem Ressort bzw. den Sozialversicherungsträgern darauf bisher reagiert?
24. Falls bisher nicht darauf reagiert wurde, warum nicht?
25. Wie viele Kassenplanstellen gab es in der Steiermark in den Jahren 2018 bis 2024 jeweils per Stichtag 1. Jänner (Aufgliederung nach Bezirken und Fachbereichen)?
26. Wie viele dieser Kassenplanstellen waren in den Jahren 2018 bis 2024 jeweils per Stichtag 1. Jänner vakant (Aufgliederung nach Bezirken und Fachbereichen)?
27. Wie viele Kassenplanstellen gab es zum Zeitpunkt der Beantwortung der gegenständlichen Anfrage in der Steiermark und wie viele davon waren zu diesem Zeitpunkt vakant (Aufgliederung nach Bezirken und Fachbereichen)?
28. Welche Maßnahmen wurden in den Jahren 2020 bis 2024 ergriffen, um unbesetzte Kassenplanstellen in der Steiermark (schneller) wieder zu besetzen?
29. Inwiefern waren diese Maßnahmen von Erfolg gekrönt bzw. wie lässt sich dieser Erfolg belegen?