4202/J-BR/2024

Eingelangt am 27.06.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

gem. § 61 GO-BR

 

der Bundesrät:innen Dominik Reisinger, Korinna Schumann, Michael Wanner,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend 4.000 fehlende Polizist:innen – handeln Sie endlich im Sinne der Sicherheit, Herr Innenminister!

 

Die Bevölkerung wächst, die Polizei schrumpft – weil ÖVP-Innenminister:innen seit Jahren die Sicherheit der Österreicher:innen vernachlässigen. Bei der Sicherheit dürfen wir aber nicht sparen. Wir wollen mehr Polizei auf der Straße und bessere Arbeitsbedingungen für unsere Polizist:innen.

 

Grafik: Immer weniger Polizist*innen sind für Österreichs Sicherheit zuständig[1]

22 Jahre ÖVP-Innenminister:innen und 2 Jahre eines FPÖ-Innenministers haben ihre Spuren hinterlassen. Heute gibt es 4.000 dienstbare Polizist:innen weniger als noch vor vier Jahren.

 

Parlamentarische Anfragen der SPÖ seit Beginn der Legislaturperiode haben einen starken und stetigen Abgang der dienstbaren Vollbeschäftigungsäquivalente (VBÄ) – also einsetzbare Polizist:innen – an den Polizeidienststellen im Innenministerium gezeigt. Der Abfall von 2020 auf 2021 war besonders dramatisch. Die Zahl der VBÄ sank von 28.582,13 im Jahr 2020 auf 25.100,83 im Jahr 2021. Bis 2023 sank diese Zahl auf 24.584,91 also um 4.000 VBÄs in vier Jahren.

Anstatt den Rückgang der dienstbaren Polizist:innen zu erklären, oder Wege aus diesem Loch zu finden, hat das Innenministerium versucht, seine eigenen Zahlen als falsch darzustellen, indem es den gesamten Personalstand im Innenministerium (in VBÄ) den Zahlen aus den Anfragen gegenübergestellt hat. So soll der Personalstand in der selben Zeit laut Informationen des BMI und des BMKÖS ein Plateau von etwa 34.100 VBÄs erreicht haben. Der Unterschied zwischen den dienstbaren VBÄs und den tatsächlichen VBÄs klafft damit aber immer mehr auseinander.

Und so stellen sich die Zahlen nach Bundesländern im Detail dar, wie Anfragebeantwortungen an die SPÖ aus dem Bundesministerium für Inneres zeigen:

Entwicklung VBÄ

2020

2021

2022

2023

Burgenland

            1 559,31

               1 426,20

             1 439,14

             1 347,14

Kärnten

            2 063,56

               1 808,31

             1 817,59

             1 829,19

Oberösterreich

            3 786,10

               3 301,40

             3 337,63

             3 329,10

Niederösterreich

            4 904,63

               4 264,58

             4 292,03

             4 226,80

Salzburg

            1 809,65

               1 569,28

             1 608,13

             1 623,18

Steiermark

            3 748,75

               3 301,98

             3 321,33

             3 233,65

Tirol

            2 288,45

               1 996,40

             1 980,70

             2 029,20

Vorarlberg

            1 007,55

                   874,40

                827,38

                817,53

Wien

            7 414,13

               6 558,28

             6 326,43

             6 149,12

Gesamt

          28 582,13

             25 100,83

          24 950,36

          24 584,91

 

Mehr Abgänge als Neuaufnahmen

Die Personalsituation in der Polizei wird immer angespannter. Besonders die Bundeshauptstadt Wien wird trotz besonderer Aufgaben auf Grund der Rolle als Metropole, aber auch als politisches Zentrum des Landes, und somit auch als Hotspot für beispielsweise Proteste, vom Innenministerium seit Jahren vernachlässigt.

Im Jahr 2023 überstiegen die Abgänge aus der Wiener Polizei (540) die Aufnahme neuer Polizeischüler:innen (415). Der größte Teil davon ging in den Ruhestand (227), der zweitgrößte wurde jedoch in andere Bundesländer oder in die Zentralstelle versetzt (166). Das Innenministerium hat sich in den vergangenen Jahren weder auf die Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation eingestellt, noch besteht ein Interesse daran, die Polizei in Wien zu stärken, wie sich an den hohen Versetzungszahlen zeigt.

10 Millionen Überstunden

Die Personalsituation in der Polizei ist also beunruhigend. Weil die wichtige Arbeit der Polizei im Einsatz für die Sicherheit der Menschen in Österreich nicht aufgeschoben bzw. nicht geleistet werden kann, ist der Mangel an Polizist:innen auch für die in Dienst stehenden Kolleg:innen ein massives Problem. Der Mangel schlägt sich nämlich auch in horrenden Überstundenzahlen nieder. Rechnet man die Journalstunden – das sind billige Überstunden, die als Normstunden vergolten werden, jedoch über die Normalarbeitszeit hinausgehen – zusammen, leisten die Polizist:innen in Österreich mehr als 10 Millionen Mehrdienstleistungen pro Jahr. Pro Kopf sind das 374 Überstunden im Jahr – pro Kopf drei Monate zusätzliche Arbeitsleistung. Wir müssen zumindest wieder so viele Polizist:innen in den Dienst bekommen wie 2020.

Und so stellen sich die Überstunden laut Innenministerium aktuell dar:

 

Summe Überstunden

Summe JD

Summe JD+ÜS

JD+ÜS/Kopf

Vorarlberg

                       122 103,25

                  213 413,70

          335 516,95

373,21

Niederösterreich

                       682 553,98

              1 096 151,55

       1 778 705,53

361,89

Kärnten

                       357 407,81

                  442 813,94

          800 221,75

416,13

Steiermark

                       551 396,32

                  779 053,08

       1 330 449,40

375,20

Oberösterreich

                       597 563,47

                  764 076,92

       1 361 640,39

377,71

Tirol

                       288 031,94

                  468 589,00

          756 620,94

335,23

Salzburg

                       269 869,08

                  363 676,28

          633 545,36

354,73

Burgenland

                       212 096,52

                  382 794,61

          594 891,13

389,07

Wien

                   1 903 079,48

                  749 470,09

       2 652 549,57

381,83

Summe

                   4 984 101,85

              5 260 039,17

     10 244 141,02

373,78

 

Auf Grund der überbordenden Belastungen haben nun Personalvertreter:innen der FSG die Initiative ergriffen und ein Volksbegehren auf den Weg gebracht, in dem sie die dringend notwendigen Aufstockungen der Polizei auf ein Mindestmaß abhängig von der Wohnbevölkerung und somit eine Aufstockung der Exekutive von mindestens 25 Prozent, sowie die leistungsgerechte Bezahlung fordern. Dieses kann auch online unterschrieben werden: https://www.polizeigewerkschaft-fsg.at/zentralausschuss/volksbegehren-polizei-kritischer-personalmangel/

Die Polizei braucht eine Dienstrechtsreform

Es ist höchst an der Zeit, die Personallücke zu schließen. Dazu braucht es bessere und attraktivere Berufsbedingungen. Die SPÖ fordert dazu eine Dienstrechtsreform, die den Polizeidienst wieder attraktiver machen und so die Rekrutierung von Personal erleichtern soll. Im Fokus steht ein ordentliches Grundgehalt, das dem Stellenwert und der Gefahrenlage des Polizeiberufes entspricht und gleichzeitig mehr Rücksicht auf die privaten und familiären Interessen der Bediensteten nimmt.

Es braucht dringend mehr Polizist:innen auf der Straße. Dazu braucht es die genannten Attraktivierungen für den Polizeidienst, aber auch den Willen des Innenministeriums. Es kann nicht sein, dass ein derartiger Personalabbau in Kauf genommen wird.

Weil eine funktionierende und gut ausgestattete Polizei entscheidend für die Sicherheit der Menschen in Österreich ist und Polizist:innen eine Arbeitssituation verdienen, die ihrem wichtigen Beruf angemessen ist, stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte folgende

 

Dringliche Anfrage

1)      Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie gegen den massiven Mangel von Polizist:innen in Österreich?

2)      Wie erklären Sie, dass sie mehrfach behauptet haben, es gäbe kein Personalproblem bei der Polizei, obwohl Sie und ihr Vorgänger Karl Nehammer selbst die Zahlen der VBÄ in Anfragebeantwortungen an die SPÖ genannt haben, die zeigen, dass 4.000 Polizist:innen in Österreich fehlen?

3)      Wie hoch ist der Personalstand bei der österreichischen Polizei mit Stichtag 1. Juni 2024?

4)      Wie hoch ist der Personalstand des dienstbaren Personals mit Stichtag 1. Juni 2024?

5)      Wie hoch war der Personalstand bei der österreichischen Polizei mit Stichtag 1. Juni 2023, 2022, 2021, 2020, 2019 und 2018?

6)      Wie hoch ist der Personalstand des dienstbaren Personals mit Stichtag 1. Juni 2018-2023?

7)      Wie hoch ist der Stand der VBÄ mit Stichtag 1. Juni 2024?

8)      Wie hoch ist der Stand der dienstbaren VBÄ mit Stichtag 1. Juni 2024?

9)      Wie hoch war der Stand der VBÄ mit Stichtag 1. Juni 2023, 2022, 2021, 2020, 2019 und 2018?

10)  Wie hoch war der Stand der dienstbaren VBÄ mit Stichtag 1. Juni 2018-2023?

11)  Wie verteilt sich der Personalstand bei der Polizei in Österreich mit Stand 1. Juni 2024 auf die Bundesländer?

a.      In welchem Verhältnis stehen diese mit der Wohnbevölkerung im jeweiligen Bundesland? Geben Sie dieses bitte mit Polizist:innen pro 1.000 Einwohner:innen an.

b.      Wie hat sich das Verhältnis in den vergangenen sechs Jahren verändert?

12)  Wie verteilten sich die VBÄ bei der Polizei in Österreich mit Stand 1. Juni 2024 auf die Bundesländer?

a.      In welchem Verhältnis stehen diese mit der Wohnbevölkerung im jeweiligen Bundesland? Geben Sie dieses bitte mit Polizist:innen pro 1.000 Einwohner:innen an.

b.      Wie hat sich das Verhältnis in den vergangenen sechs Jahren verändert?

13)  Wie hoch ist der Personalstand in den Landeshauptstädten der Bundesländer und in welchem Verhältnis steht dieser zur Wohnbevölkerung? Geben Sie dieses bitte mit Polizist:innen pro 1.000 Einwohner:innen an.

14)  Wie hoch sind die VBÄ in den Landeshauptstädten der Bundesländer und in welchem Verhältnis stehen diese zur Wohnbevölkerung? Geben Sie dieses bitte mit Polizist:innen pro 1.000 Einwohner:innen an.

15)  Wie gestalten sich die Zahlen bzw. Verhältnisse der Fragen 9 und 10 in den jeweiligen Bezirkshauptstädten bzw. Bezirken? Geben Sie dieses bitte mit Polizist:innen pro 1.000 Einwohner:innen an.

16)  Wie viele Polizeidienststellen wurden seit 1.1.2018 in Österreich geöffnet bzw. geschlossen? Geben Sie bitte die Anzahl, das Bundesland und den Standort an.

17)  Bei wie vielen Polizeidienststellen wurden seit 1.1.2018 in Österreich der Dienstbetrieb dahingehend umgestaltet, dass diese nicht mehr durchgehend besetzt sind und somit – beispielsweise in den Nachtstunden – für die Bevölkerung nicht mehr greifbar sind?

18)  Aus welchen Gründen ist diese Veränderung geschehen?

19)  Wie viele Polizist:innen stiegen in den Jahren 2018 – 2024 in den Polizeidienst ein, verließen diesen aber in den ersten 5 Jahren wieder? Listen sie die Gesamtzahl nach Bundesländern auf und geben Sie an, wie viele im jeweiligen Jahr wieder ausgestiegen sind.

20)  Wie viele Polizeischüler:innen schlossen in den Jahren 2018 – 2024 ihre Ausbildung ab?

21)  Wie viele Plätze in den Polizeischulen waren in den Jahren 2018 – 2024 unbesetzt?

22)  Welche konkreten Maßnahmen haben Sie gesetzt, um die vakanten Plätze auch füllen zu können und welche Wirkung zeigten diese Maßnahmen?

23)  Wie viele der Polizeischüler:innen wurden nach Abschluss ihrer Ausbildung auch in den regulären Dienst übernommen?

24)  Aus welchen Gründen gibt es bis heute keine Definitivstellung, die Polizist:innen wirklich bei Dienstunfällen vor Kündigung schützt, bevor Sie vier Jahre in Dienst gestanden sind?

25)  Welche Maßnahmen setzen Sie, um hier Verbesserungen zu schaffen?

26)  Welche Maßnahmen setzen Sie, um gezielt Frauen für den Polizeidienst zu rekrutieren?

27)  In der Vergangenheit war eine häufig geäußerte Kritik, dass es keine passende Ausrüstung – beispielsweise bei Schuss- und Stichschutzwesten für Frauen gäbe. Wie ist die Situation in diesem Bereich aktuell? Hat jede Polizistin eine passende und für die weibliche Anatomie angepasste Ausrüstung, wenn sie im Dienst steht?

a.      Wenn ja: Seit wann?

b.      Wenn nein: Wieso nicht und bis wann wird dieser Missstand endlich behoben sein?

28)  Setzen Sie Initiativen, um den Polizeidienst auch für den Quereinstieg attraktiv zu machen?

a.      Wenn ja: Welche und wie wirken sich diese aus?

b.      Wenn ja: Welche Erfahrungen haben Sie mit diesen Maßnahmen sammeln können?

c.       Wenn nein: Wieso nicht?

29)  Unterstützen Sie die Forderung der Personalvertreter:innen im Volksbegehren „Polizei – kritischer Personalmangel“?

a.      Wenn ja: Wie?

b.      Wenn nein: Wieso nicht?

30)  Wie viele Polizist:innen treten in den Jahren 2024, 2025, 2026, 2027 und 2028 voraussichtlich in den Ruhestand?

31)  Wie viele der Posten, die durch voraussichtliche Pensionierungen in diesen Jahren frei werden, können nach heutigem Stand nicht nachbesetzt werden?

32)  In welchen Bundesländern werden die voraussichtlichen Pensionierungen stattfinden? Bitte um Auflistung nach Jahr und Bundesland.

33)  In welchem Bundesland kommt es zu wie vielen Stellen, die auf Grund von Ruheständen nicht nachbesetzt werden können?

34)  Wird die Pensionierungswelle zu Schließungen von Polizeidienststellen führen?

35)  Wie hoch ist der Anteil an Teilzeitbeschäftigten im Polizeidienst? Bitte listen Sie diese nach Bundesland und den jeweiligen Gründen der Teilzeit auf?

36)  Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um hier eine bessere Teilzeitquote bei angemessenen Personalstand möglich zu machen und so den Polizeidienst attraktiver zu gestalten?

37)  Welche Maßnahmen setzten Sie, um Menschen mit Migrationsbiografie in den Polizeidienst zu bringen?

 

 

 

 



[1] https://www.spoe.at/mit-herz-und-hirn-24-ideen-fuer-oesterreich/