4332/J-BR/2025

Eingelangt am 10.04.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Bundesrates Andreas Spanring

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Vorfall Bahnhof Tullnerfeld

 

Der Homepage der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ist zu entnehmen:

 

„Aktuell sind 7100 Kameras auf rund 320 Bahnhöfen mit unseren Mitarbeiter:innen im Einsatz. […] Die Zusammenarbeit mit der Polizei und der laufende Informationsaustausch sind in einer Kooperationsvereinbarung zwischen BM.I und ÖBB begründet. Diese erfolgreiche Kollaboration besteht bereits seit vielen Jahren und bedeutet gemeinsame Streifengänge, Übungs- und Fortbildungsveranstaltungen und natürlich eine reibungslose Kommunikation.“ [1]

 

Am 14. März 2025 berichtete Der Kurier, nachdem über zwei Wochen innerhalb der örtlichen Bevölkerung unterschiedliche, aber unbestätigte Gerüchte über eine Schlägerei oder einen Mord kursierten, nun über einen bereits zwei Wochen zurückliegenden Vorfall, bei welchem eine Person am Bahnhof Tullnerfeld tatsächlich tödlich verletzt wurde:

 

Ende Februar ereignete sich am Bahnhof Tullnerfeld in Niederösterreich ein folgenschwerer Vorfall, der nun Polizei und Staatsanwaltschaft intensiv beschäftigt. Ausgangspunkt war die Vermittlung eines Treffens zwischen einem Mann und einer Frau. Was als verabredetes Rendezvous begann, eskalierte schließlich völlig. Zwischen dem Vermittler, der das Treffen arrangiert hatte und dem anderen Mann, kam es aus bislang ungeklärten Gründen zu einem heftigen Streit. In der aufgeheizten Situation wollte der Mann mit seinem Auto den Ort verlassen, doch plötzlich sprang der etwa 25-Jährige auf die Motorhaube des Fahrzeugs.

 

Während der Fahrt hielt sich der Mann zunächst am Wagen fest, verlor jedoch nach wenigen Metern den Halt und stürzte mit voller Wucht auf die Fahrbahn. Durch den Aufprall erlitt er schwerste Kopfverletzungen. Ein Notarzt-hubschrauber brachte ihn umgehend in ein Krankenhaus, doch trotz aller medizinischen Bemühungen erlag er dort seinen Verletzungen.[2]

 

Auch die Kronen Zeitung steuerte am 14. März 2015 in ihrer Onlineausgabe interessante Fakten zu dem Vorfall bei:

 

„Wie erst jetzt bekannt wurde, soll es bereits Ende Februar zu dem Treffen für ein geplantes Schäferstündchen gekommen sein. Über eine Annonce war ein rund 30-Jähriger auf eine Dame gestoßen, die sein Interesse weckte. Er nahm Kontakt auf. Was er nicht wusste: Am anderen Ende gab sich ein ‚Vermittler‘ als besagte Frau aus und vereinbarte ein Treffen.

 

Dort angekommen, wunderte sich der Mann nicht nur über die ihm unbekannte männliche Begleitung, sondern auch über das Aussehen der bestellten Dame. Denn die etwas über 20-Jährige sah ganz anders aus als auf den übermittelten Fotos. Das wollte der rund 30-Jährige nicht hinnehmen und schließlich unverrichteter Dinge wieder fahren. Sehr zum Ärger des Vermittlers, der sich dem Fliehenden prompt in den Weg stellte. […] Bei dem Sturz erlitt der junge Mann massive Kopfverletzungen, die ihn schließlich das Leben kosteten. Er starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

 

‚Der Lenker hat sich einem Angriff ausgesetzt gesehen und ist davongefahren‘, erklärt Leopold Bien, Sprecher der Staatsanwaltschaft St. Pölten, gegenüber der ‚Krone‘. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nun in dem Fall.

 

Der Fahrer des Wagens befindet sich laut NÖN auf freiem Fuß und wurde angezeigt. Eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung bis hin zu Mord steht laut dem Staatsanwalt im Raum: ‚Eine rechtliche Einordnung der Geschehnisse ist aufgrund der laufenden Ermittlungen derzeit noch schwierig.‘“ [3]

 

Nun ist merkwürdig, dass sich der Fall bereits „Ende Februar“ ereignete, eine Berichterstattung jedoch erstmals am 14. März erfolgte, was bei einem mutmaßlichen Tötungsdelikt nur als höchst ungewöhnlich bezeichnet werden kann. Das öffentliche Interesse an einem solchen Vorfall ist auch dadurch evident, dass ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens noch am selben Tag von zumindest 12 verschiedenen Medien über den Fall berichtet wurde. Dabei wurde zudem mehrfach hervorgehoben, dass die Dauer von rund zwei Wochen zwischen dem Vorfall selbst und seinem medialen Bekanntwerden durchaus bemerkenswert erschien.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Bundesrat an den Bundesminister für Inneres nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Sind Sie über den genannten Vorfall am Bahnhof Tullnerfeld informiert worden?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, von welcher Abteilung bzw. welcher Dienststelle?

2.    Weshalb kam es zu keiner zeitnahen Berichterstattung (beispielsweise durch die Presseabteilung der Polizei)?

3.    Wurde eine Informationssperre über den Vorfall verhängt?

a.    Wenn ja, aus welchem Grund?

b.    Wenn ja, von wem?

4.    Welche Nationalität besaß das Opfer?

5.    Wurde die beteiligte weibliche Person bereits einvernommen?

6.    Welche Nationalität besitzt die weibliche beteiligte Person?

7.    Welche Nationalität besitzt der Tatverdächtige?

8.    Welche Polizeidienststelle wurde mit den Ermittlungen zum Vorfall betraut?

9.    Wann genau wurde die Polizei erstmals über den Vorfall informiert?

10. Wurde der betroffene Bahnhof videoüberwacht?

a.    Wenn ja, wurde das Videomaterial gesichert?

11. Existieren Videoaufnahmen des Vorfalls und wurden diese bereits ausgewertet?

12. Gab es Zeugen des Vorfalls?

a.    Wenn ja, wie viele?

b.    Wenn ja, gab es relevante Aussagen dieser Zeugen und was berichteten diese?

13. Wurden bereits Ermittlungen wegen des Verdachts auf ein Tötungsdelikt eingeleitet?

14. Wird derzeit gegen eine oder mehrere Personen offiziell als Beschuldigte ermittelt?

15. War der „Vermittler“ den Behörden bereits aus anderen Ermittlungsverfahren bekannt?

16. Wurde bei dem Vorfall ein Fluchtversuch festgestellt oder unterstellt?

17. Gab es im Vorfeld bereits polizeiliche Erkenntnisse oder Vorfälle im Zusammenhang mit einem der Beteiligten?

18. Wie beurteilt das Innenministerium den Umstand, dass die Öffentlichkeit über den Vorfall erst rund zwei Wochen später informiert wurde?

19. Gab es behördeninterne Kommunikation mit Ihrem Ressort oder nachge-ordneten Dienststellen hinsichtlich einer medialen Zurückhaltung?

20. Wurden die ÖBB durch die Polizei über den Vorfall informiert?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

21. Wurde mit den ÖBB vereinbart, dass die Polizei am Bahnhof Tullnerfeld verstärkt kontrolliert oder die ÖBB mit deren Security-Mitarbeitern eine verstärkte Überwachung des Bahnhofs durchführt?

22. Welche sonstigen Maßnahmen wurden nach dem Vorfall zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit am Bahnhof Tullnerfeld gesetzt?

23. Gab es in den Tagen rund um den Vorfall weitere sicherheitsrelevante Zwischenfälle im Umfeld des Bahnhofs?

24. Gab es seit Ihrem Antritt als Bundesminister für Inneres andere, ähnlich beschaffene Fälle auf österreichischem Staatsgebiet, bei denen zwar Personen zu Schaden gekommen sind, aber aufgrund einer Informationssperre bis heute nichts an die Öffentlichkeit gelangt ist?

a.    Wenn ja, um welche Fälle handelte es sich dabei? (Bitte jeweils um Aufschlüsselung nach Datum, Tatbestand und Nationalität aller Beteiligten)

b.    Wenn ja, weshalb wurden diese Fälle jeweils nicht veröffentlicht?

c.    Wenn ja, von wem wurde jeweils die Informationssperre in diesen Fällen angeordnet?



[1]   https://os.oebb.at/de/oeffentliche-sicherheit (aufgerufen am 01.04.2025)

[2]   https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/ermittlungen-tullnerfeld-polizei-bahnhof/403021739 (aufgerufen am 01.04.2025)

[3]   https://www.krone.at/3725533 (aufgerufen am 01.04.2025)