
„Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt“

Parlamentarische Enquete des Bundesrates
Freitag, 23., und Dienstag, 27. Februar 2018
(Stenographisches Protokoll)
Parlamentarische Enquete des Bundesrates
Freitag, 23., und Dienstag, 27. Februar 2018
(XXVI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)
Thema
„Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt“
Dauer der Enquete
Freitag, 23. Februar 2018: 9.01 – 14.42 Uhr
Dienstag, 27. Februar 2018: 9.00 – 12.58 Uhr
*****
Tagesordnung
I. Eröffnung
Präsident des Bundesrates Reinhard Todt
II. Kurze Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber
III. Anfragen der Mitglieder des Bundesrates
*****
Inhalt
I. Eröffnung ..................................................................................................................... 7
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt ........................................................................ 7
II.
Kurze Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber sowie
III. Anfragen der Mitglieder des Bundesrates ............................................................. 7
Rechtsanwalt Dr. Helmut Blum ..................................................................................... 7
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................... 10
Bundesrätin Elisabeth Grimling ................................................................................. 10
Bundesrat Georg Schuster ......................................................................................... 10
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 11
Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Breitenfeld .............................................................. 11
Bundesrätin Sandra Kern ............................................................................................ 13
Bundesrätin Elisabeth Grimling ................................................................................. 13
Bundesrat Gottfried Sperl ........................................................................................... 14
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 14
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski ............................................................................... 15
Bundesrätin Sonja Zwazl ............................................................................................. 17
Bundesrätin Elisabeth Grimling ................................................................................. 18
Bundesrat Georg Schuster ......................................................................................... 18
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 19
Hofrat Mag. Dr. Nikolaus Bachler ............................................................................... 20
Bundesrat Mag. Roman Janacek ................................................................................ 21
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz ................................................................................ 21
Bundesrätin Ina Aigner ................................................................................................ 22
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 22
Rechtsanwalt Dr. Armin Bammer ............................................................................... 23
Bundesrat Edgar Mayer ............................................................................................... 24
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz ................................................................................ 24
Bundesrätin Ina Aigner ................................................................................................ 25
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 25
Mag.a Alexandra Baumann .......................................................................................... 26
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................... 28
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz ................................................................................ 28
Bundesrat Georg Schuster ......................................................................................... 28
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner ............................................................... 29
Bundesrätin Sandra Kern ............................................................................................ 31
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz ................................................................................ 31
Bundesrat Gottfried Sperl ........................................................................................... 32
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 33
Rechtsanwalt Dr. Johannes Hock .............................................................................. 33
Bundesrätin Sonja Zwazl ............................................................................................. 35
Bundesrat Jürgen Schabhüttl ..................................................................................... 35
Bundesrätin Ina Aigner ................................................................................................ 36
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 36
Rechtsanwalt Dr. Lothar Hofmann, LL.M. ................................................................. 37
Bundesrat Mag. Roman Janacek ................................................................................ 38
Bundesrat Jürgen Schabhüttl ..................................................................................... 38
Bundesrätin Ina Aigner ................................................................................................ 39
Rechtsanwalt Mag. Ralph Kilches .............................................................................. 40
Bundesrat Edgar Mayer ............................................................................................... 42
Bundesrat Jürgen Schabhüttl ..................................................................................... 43
Bundesrat Gottfried Sperl ........................................................................................... 44
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 45
Rechtsanwältin Dr.in Veronika Cortolezis .................................................................. 46
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................... 47
Bundesrat Jürgen Schabhüttl ..................................................................................... 48
Bundesrat Gottfried Sperl ........................................................................................... 48
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 48
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer ................................................................................ 50
Bundesrätin Sandra Kern ............................................................................................ 51
Bundesrat Stefan Schennach ..................................................................................... 51
Bundesrat Georg Schuster ......................................................................................... 52
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 53
Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M. ................................................................................... 54
Bundesrätin Sonja Zwazl ............................................................................................. 55
Bundesrat Stefan Schennach ..................................................................................... 55
Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml .............................................................................. 56
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 56
Rechtsanwältin Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J. ........................................ 57
Bundesrat Mag. Roman Janacek ................................................................................ 59
Bundesrat Stefan Schennach ..................................................................................... 60
Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml .............................................................................. 60
Bundesrat David Stögmüller ....................................................................................... 61
Hofrat Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy ........................................................................ 62
Bundesrat Edgar Mayer ............................................................................................... 62
Bundesrat Stefan Schennach ..................................................................................... 64
Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml .............................................................................. 64
Bundesrat David Stögmüller ....................................................................................... 65
Rechtsanwalt Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch .......................................................... 65
Bundesrätin Sandra Kern ............................................................................................ 67
Bundesrat Martin Weber .............................................................................................. 67
Bundesrat Georg Schuster ......................................................................................... 68
Bundesrat David Stögmüller ....................................................................................... 69
Rechtsanwalt Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner ............................................... 70
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................... 71
Bundesrat Martin Weber .............................................................................................. 71
Bundesrat Georg Schuster ......................................................................................... 72
Bundesrat David Stögmüller ....................................................................................... 72
Hofrat Dr. Gottfried Musger ........................................................................................ 74
Bundesrätin Sonja Zwazl ............................................................................................. 75
Bundesrat Martin Weber .............................................................................................. 76
Bundesrat Gottfried Sperl ........................................................................................... 76
Direktor Dr. Thomas Neumann ................................................................................... 77
Bundesrat Mag. Roman Janacek ................................................................................ 78
Bundesrat Martin Weber .............................................................................................. 78
Bundesrat Gottfried Sperl ........................................................................................... 79
Bundesrat David Stögmüller ....................................................................................... 79
Rechtsanwalt Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M. ................................................................ 81
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................... 82
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................... 83
Bundesrat Gottfried Sperl ........................................................................................... 83
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 83
Rechtsanwalt MMag. Dr. Michael Rohregger ............................................................ 84
Bundesrat Martin Preineder ........................................................................................ 86
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................... 87
Bundesrat Georg Schuster ......................................................................................... 87
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 88
Rechtsanwalt Mag. Rüdiger Schender ...................................................................... 89
Bundesrat Edgar Mayer ............................................................................................... 91
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................... 92
Bundesrätin Monika Mühlwerth .................................................................................. 92
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 93
Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer ...................................................................................... 94
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................... 96
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................... 97
Bundesrätin Monika Mühlwerth .................................................................................. 98
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ........................................................................... 99
Rechtsanwalt Dr. Michael Rami ................................................................................ 100
Bundesrätin Anneliese Junker ................................................................................. 102
Bundesrat Hubert Koller, MA .................................................................................... 102
Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................ 102
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 103
Hofrat Dr. Christian Ranacher .................................................................................. 104
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ..................................................................... 105
Bundesrat Hubert Koller, MA .................................................................................... 106
Bundesrat Georg Schuster ....................................................................................... 106
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 107
Rechtsanwalt Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser ....................................................... 108
Bundesrat Martin Preineder ...................................................................................... 109
Bundesrat Hubert Koller, MA .................................................................................... 109
Bundesrat Gottfried Sperl ......................................................................................... 110
Rechtsanwalt Mag. Dr. Kurt Retter, LL.M. ............................................................... 110
Bundesrat Edgar Mayer ............................................................................................. 111
Bundesrat Hubert Koller, MA .................................................................................... 112
Bundesrat Georg Schuster ....................................................................................... 112
Rechtsanwalt Dr. Wilfried Ludwig Weh ................................................................... 113
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ..................................................................... 114
Bundesrätin Inge Posch-Gruska .............................................................................. 115
Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................ 115
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 116
Rechtsanwalt Mag. Dr. Norbert Wess, LLM MBL ................................................... 117
Bundesrätin Anneliese Junker ................................................................................. 117
Bundesrätin Inge Posch-Gruska .............................................................................. 118
Bundesrat Gottfried Sperl ......................................................................................... 118
Rechtsanwalt Dr. Günther Millner ............................................................................ 119
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................. 121
Bundesrätin Inge Posch-Gruska .............................................................................. 121
Bundesrat Gottfried Sperl ......................................................................................... 121
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 122
Rechtsanwalt Dr. Adrian Hollaender ........................................................................ 122
Bundesrat Martin Preineder ...................................................................................... 124
Bundesrätin Inge Posch-Gruska .............................................................................. 125
Bundesrat Georg Schuster ....................................................................................... 126
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 127
Rechtsanwalt Mag. Werner Suppan ......................................................................... 128
Bundesrat Armin Forstner, MPA .............................................................................. 130
Bundesrätin Ingrid Winkler ....................................................................................... 131
Bundesrat Gottfried Sperl ......................................................................................... 131
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 132
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Tauböck, LL.M. ................................................................. 132
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................. 134
Bundesrätin Ingrid Winkler ....................................................................................... 135
Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................ 135
Notar Dr. Michael Umfahrer ...................................................................................... 136
Bundesrätin Anneliese Junker ................................................................................. 137
Bundesrätin Ingrid Winkler ....................................................................................... 138
Bundesrat Georg Schuster ....................................................................................... 138
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 138
Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner .................................................................................... 139
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ..................................................................... 141
Bundesrätin Ingrid Winkler ....................................................................................... 141
Bundesrat Georg Schuster ....................................................................................... 142
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................... 142
Geschäftsbehandlung
Unterbrechung der Enquete ........................................................................... 33, 49, 80
Beginn der Enquete: 9.01 Uhr
Vorsitzende: Präsident Reinhard Todt, Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann.
*****
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich zur heutigen parlamentarischen Enquete begrüßen, die ein Hearing der Bewerberinnen und der Bewerber um die Stelle eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes, für welches dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt, zum Gegenstand hat.
Der vom Bundesrat in seiner 875. Sitzung vom 8. Februar 2018 gefasste Beschluss auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zielt darauf ab, den Kandidatinnen beziehungsweise Kandidaten, die sich um die Stelle eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes beworben haben, die Möglichkeit zu geben, die Gründe für deren Bewerbung persönlich den Mitgliedern des Bundesrates darzulegen.
Ich darf zuerst die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Frau Dr. Brigitte Bierlein, entschuldigen. Sie wird heute vom Herrn Bundespräsidenten angelobt und kann daher nicht hier sein.
Meine Damen und Herren, ein Wort zum Prozedere des Kandidatenhearings: Was die Namen der Bewerberinnen und Bewerber sowie den Zeitpunkt ihrer Anhörung betrifft, möchte ich auf die vorliegende Information verweisen. Ich werde jeden Kandidaten/jede Kandidatin einzeln, ohne Beisein seiner/ihrer Mitbewerberinnen und Mitbewerber, aufrufen.
Zunächst wird jede Bewerberin beziehungsweise jeder Bewerber die Gelegenheit erhalten, sich den Mitgliedern des Bundesrates in einem zeitlichen Rahmen von 5 Minuten kurz vorzustellen. Sodann erhält jede Fraktion die Möglichkeit, der Bewerberin beziehungsweise dem Bewerber eine kurze Frage zu stellen. Inklusive Antworten stehen dafür jeweils insgesamt 10 Minuten zur Verfügung.
(Es folgen technische Mitteilungen.)
II. Kurze Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber
sowie
III. Anfragen der Mitglieder des Bundesrates
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich darf nun den ersten Bewerber, Herrn Dr. Helmut Blum, in den Saal bitten.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Dr. Blum, ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – dies wird auch für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Bitte sehr.
Dr. Helmut Blum: Einen schönen guten Morgen! Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Einladung. Es ist für mich eine große Ehre, heute an diesem Hearing teilnehmen und Ihnen meine Gründe darlegen zu dürfen, warum ich mich für den Verfassungsgerichtshof beworben habe.
Ich darf zunächst ein paar Aspekte zu meiner Person ergänzen: Ich bin 59 Jahre alt, komme aus Linz, Oberösterreich, bin verheiratet und Vater von sieben Kindern. Ich habe in Linz an der JKU Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre studiert und bin seit 1981 im Anwaltsberuf tätig, zunächst als Konzipient und seit 1987 als selbständiger Rechtsanwalt. Ich führe eine Allgemeinkanzlei mit einem sehr breiten Spektrum an Tätigkeitsbereichen, wobei ein wesentlicher Schwerpunkt meiner Tätigkeit im öffentlichen Recht, insbesondere im Menschenrechtsschutz anzusiedeln ist.
Ich habe mich während meiner gesamten beruflichen Laufbahn bemüht, meine Ausbildung fortzusetzen, Fortbildungsmaßnahmen zu setzen, um mein Spektrum zu erweitern. Aus diesem Grunde habe ich auch in Deutschland die Eignungsprüfung für Rechtsanwälte abgelegt, ich bin in Deutschland auch als Rechtsanwalt zugelassen, bin in Italien als europäischer Rechtsanwalt zugelassen und in der Rechtsanwaltskammer Modena eingetragen. Ich habe Zusatzausbildungen im Europarecht gemacht, bin eingetragener Mediator und habe auch in den Vereinigten Staaten ein Masterstudium in amerikanischem Recht gemacht, ganz einfach um mein Wissen und mein Spektrum zu erweitern und auch andere Rechtsordnungen kennenzulernen.
Ich bin auch als Opfervertreter im Weissen Ring und Vorstandsmitglied des Weissen Rings Oberösterreich sehr engagiert.
Warum bewerbe ich mich für den Verfassungsgerichtshof? – Das hat mehrere Gründe. Da hat es ein paar Schlüsselerlebnisse für mich gegeben, die ich ganz kurz anführen möchte:
Das hat mit der ersten Vorlesung an der Universität im Jahr 1977 begonnen. Das war eine Vorlesung bei Herrn Professor Bruno Binder, einem ausgewiesenen Experten im öffentlichen Recht. Da ist es gleich um die Einführung in das Verfassungsrecht gegangen. In der ersten Vorlesung war das Thema Hans Kelsen, die Reine Rechtslehre: Was ist der Staatsbegriff? Es ging insbesondere auch darum, dass der Einzelne verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte hat, die er gegenüber dem Staat in einem rechtsstaatlichen Verfahren durchsetzen kann. Bei meinem ersten Zusammentreffen mit der Rechtslehre, mit der Rechtswissenschaft ist also gleich der Begriff des Verfassungsgerichtshofes gefallen.
Ein weiteres wesentliches Schlüsselerlebnis für mich war Folgendes: Als ich später bei Professor Binder in der Kanzlei als Konzipient anfangen durfte, hat er mich zwei Monate, nachdem ich bei ihm begonnen hatte, zu einer Verhandlung zum Verfassungsgerichtshof geschickt. Ich war damals 22 Jahre alt, ein junger Konzipient, hatte die Rechtsanwaltsprüfung noch nicht, und der Chef hat gesagt: Ich fahre jetzt auf Urlaub, ich schicke Sie zum Verfassungsgerichtshof zu einer Verhandlung. Und ich hatte dann die Ehre, beim Verfassungsgerichtshof im November 1981 in einem Maßnahmenbeschwerdeverfahren zu verhandeln. Ich war natürlich sehr nervös.
Aber mein Chef hat mir mit auf den Weg gegeben: Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Kollege! Das ist ein so hoch qualifizierter und guter Gerichtshof, Sie können dort gar nichts falsch machen. Diese Richter wissen, was sie tun und worauf es ankommt. Es kann gar nichts schiefgehen.
Ich bin dort hingefahren, habe die Verhandlung verrichtet. Das war schon ein bleibender Eindruck für meine weitere Karriere. Da ist bei mir schon irgendwie der Wunsch entstanden, vielleicht gibt es ja einmal die Möglichkeit, in diesem Gremium, in diesem für den österreichischen Rechtsstaat sehr wichtigen Gremium mitzuwirken.
Das waren sozusagen die persönlichen Anlässe dafür, warum ich mich jetzt hier bewerbe. Dazu kommt noch, dass ich mich in meiner Anwaltstätigkeit sehr intensiv mit Menschenrechtsschutz beschäftige und immer wieder in Konstellationen vertrete, wo ich Schwächere gegen Stärkere und insbesondere Einzelpersonen auch gegenüber Behörden, gegenüber dem Staat vertrete.
Beim Schutz verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, wie sie im Art. 144 Abs. 1 der Bundesverfassung normiert sind, spielt natürlich der Verfassungsgerichtshof eine ganz besondere Rolle. Ich habe auch in Verhandlungen beim Verfassungsgerichtshof in Verfassungsbeschwerden viele Erfahrungen machen dürfen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich mich hier für den Verfassungsgerichtshof bewerbe.
Erlauben Sie mir, abschließend noch ein paar Worte dazu zu sagen, was ich glaube für diese Position, um die ich mich beworben habe, mitzubringen. Da gibt es ein paar Gesichtspunkte. Ein Gesichtspunkt ist, dass ich absolut unabhängig und objektiv bin. Ich bin nicht Mitglied einer Partei, irgendeiner Verbindung, die einer Partei nahesteht, ich bin absolut unabhängig. Ich erlaube mir als Freiberufler den Luxus in diesem schönen Staat, nicht irgendwo Mitglied zu sein oder Unterstützung zu haben, sondern ich bin ausschließlich dem Gesetz und der Verfassung und meinem Gewissen und als Anwalt den Interessen meines Klienten verpflichtet. Ich glaube, dass das grundsätzlich einmal eine gute Ausgangsposition für einen Richter ist, dass er völlig unabhängig ist, dass er nicht irgendwelchen Interessen von irgendwelchen Organisationen anhängt, sondern wirklich nur seinem Gewissen und dem Gesetz und der Verfassung verpflichtet ist.
Der zweite Punkt, warum ich glaube, dass ich an sich ein gutes Rüstzeug für diesen Gerichtshof mitbringe, ist ganz einfach meine jahrzehntelange Erfahrung in diesem Bereich. Ich bin jetzt seit über 31 Jahren selbständiger Anwalt, wenn man meine Konzipientenzeit noch dazurechnet, seit 36 Jahren, bin in Österreich und Deutschland als Anwalt tätig und habe einen wesentlichen Schwerpunkt im öffentlichen Recht. Ich habe zahlreiche Verfassungsbeschwerden, Verwaltungsgerichtshofbeschwerden, Revisio-nen an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Ich bin auch regelmäßig in Beschwerdeverfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte involviert, habe da durchaus auch ganz beachtliche Erfolge erzielt.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.
Dr. Helmut Blum: Ich bin schon am Ende. – Ich glaube daher, dass ich meine Erfahrung hier einbringen kann, um als Richter des Verfassungsgerichtshofes tätig zu sein.
Einen letzten Satz erlauben Sie mir noch: Ich glaube, dass es für den Verfassungsgerichtshof durchaus gut wäre, wenn dort auch ein Mitglied drinnen wäre, das jahrzehntelang rechtliche Interessen aus der Sicht der Vertretung der Einzelperson gegenüber dem Staat vertreten hat, damit auch diese Sichtweise des Verfassungsrechts entsprechend Beachtung findet. – Danke schön.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich durch Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen, und erinnere an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion pro Kandidat gestellt werden kann.
Bitte sehr, Herr Bundesrat Brunner.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Dr. Blum! Für uns als Vertreter der Bundesländer ist natürlich auch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eine sehr wichtige Frage. Jetzt wird in der ganzen Debatte über die Verwaltungsreform auch über die Abschaffung des Artikels 12, gemeinsame Zuständigkeiten Bund und Länder, diskutiert. Wie sehen Sie diese Diskussion über die Abschaffung des Artikels 12?
Dr. Helmut Blum: Das ist eine nicht sehr leicht zu beantwortende Frage. Ich glaube, dass unser Verfassungsgesetzgeber sich im Jahr 1920 durchaus etwas überlegt hat, wie er die Kompetenzverteilung geregelt hat. Daher spricht aus meiner Sicht einmal vieles für die Beibehaltung der derzeitigen Situation. Wenn man wirklich Kompetenzbereinigungen durchführt, dann müsste es meines Erachtens – das ist jetzt aber eine politische Überlegung von mir und weniger eine rechtliche oder juristische – wirklich so sein, dass das auch den Effekt hat, einerseits Strukturen zu entschlacken und zu vereinfachen und andererseits auch wirklich dazu zu führen, dass man zu effizienten Kosteneinsparungen in den Verwaltungsstrukturen kommt. Wenn das gelingt, dann könnte ich mich damit als Mensch und Staatsbürger durchaus anfreunden.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Die nächste Frage stellt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.
Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Herr Dr. Blum! Wie stehen Sie zur Einführung einer Dissenting Opinion beim Verfassungsgerichtshof?
Dr. Helmut Blum: Ich glaube, dass das System, das wir jetzt haben, wo keine Dissenting Opinions veröffentlicht werden, ein sehr gutes ist und dass das beibehalten werden sollte. Ich weiß, dass wir da jetzt im Vergleich zu anderen Höchstgerichten europaweit eher die Minderheit darstellen, aber die Beibehaltung des derzeitigen Systems hat auf jeden Fall den Vorteil, dass der Verfassungsgerichtshof nach außen als Einheit auftritt und seine Entscheidung auch als Einheit zu vertreten hat, auch wenn es vielleicht eine Mehrheitsentscheidung ist. Dadurch wird verhindert, dass man in der Öffentlichkeit Zuordnungen zu einzelnen Richtern vornimmt, was dann vielleicht wieder die Transparenz erhöht, aber die Souveränität des Gerichtshofs und die Akzeptanz der Entscheidungen beeinträchtigen würde.
Ich glaube daher, dass man gut beraten wäre, das derzeitige System beizubehalten und keine Dissenting Opinions zu veröffentlichen. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird zum Beispiel im Strafverfahren ja auch nicht veröffentlicht, wie entschieden wurde und wer wie entschieden hat. Ich halte das derzeitige System also für richtig, es sollte beibehalten werden.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für die Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Schuster, seine Frage zu stellen.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Dr. Blum! Ich habe folgende Frage: Wie bewerten Sie das Verhältnis Europäischer Gerichtshof, Verfassungsgerichtshof, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, und wie funktioniert Ihrer Einschätzung nach dieses Zusammenspiel?
Dr. Helmut Blum: Ich glaube, dass dieses Zusammenspiel sehr gut funktioniert. Unser Verfassungsgerichtshof ist auch in den letzten Jahrzehnten, was jetzt den Grundrechtsschutz betrifft, offensiver geworden, vertritt immer weitgehender einen materiellen Grundrechtsschutz und hat sich da sehr weitgehend auch an die Judikatur des EGMR angelehnt. Ich glaube, dass das also ganz gut zusammenpasst. Was jetzt das Zusammenspiel mit dem EuGH betrifft, vermisse ich ein bisschen die Vorlagefreudigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Aus meiner Sicht könnten in dem einen oder anderen Fall durchaus Vorabentscheidungsanregungen stärker vom Verfassungsgerichtshof an den EuGH herangetragen werden, als das derzeit der Fall ist. Ich glaube, dass da zum Beispiel Verwaltungsgerichte wesentlich vorlagefreudiger sind als unser Höchstgericht.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihre Antwort.
Frau Bundesrätin Dziedzic, ich bitte um die Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Ich finde, Ihre Vorstellung war sehr aufschlussreich, und die Qualifikation ist für mich unbestritten. Ich möchte diese erste Wortmeldung dazu nutzen, mich im Namen der grünen Fraktion bei allen Bewerbern und den drei Bewerberinnen zu entschuldigen. Für uns hat dieses Hearing tatsächlich einen Showcharakter, nachdem die Regierungspartner hier ihre Favoriten akkordiert zu haben scheinen. (Bundesrat Mayer: Es geht um Fragen!) Ich möchte mich bei allen bedanken, die sich trotzdem für dieses Höchstgericht bewerben.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Darf ich Sie bitten, die Frage zu stellen? (Bundesrat Brunner: Könntest du die Frage stellen oder hast du keine?)
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic: Ich verzichte somit auf meine Frage. (Bundesrat Mayer: Das ist auch Show!)
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Blum, möchten Sie noch ein Schlussstatement abgeben? – Bitte.
†Dr. Helmut Blum: Ich möchte mich noch einmal für die Einladung bedanken. Es ist eine große Ehre für mich, hier teilzunehmen, hier teilnehmen zu dürfen. Ich würde Sie in aller Höflichkeit und Demut bitten, meine Bewerbung zu unterstützen. – Danke schön.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke schön für Ihre Ausführungen und für Ihr Kommen.
*****
Aus bekannten Gründen hat sich Herr Dr. Brandstetter für das Hearing entschuldigt.
Ich darf den nächsten Bewerber, Herrn Prof. Dr. Breitenfeld, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Breitenfeld
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Einen schönen guten Morgen, Herr Dr. Breitenfeld! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen. Ich weise darauf hin – dies wird auch für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. Ich bitte um Ihre Ausführungen.
Prof. Dr. Michael Breitenfeld: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Vielen lieben Dank für die Einladung zu dieser parlamentarischen Enquete und die Möglichkeit, dass ich mich Ihnen persönlich vorstellen darf.
Ich bin Rechtsanwalt und Gründungspartner der Kanzlei Breitenfeld Rechtsanwälte in Wien. Diese Kanzlei besteht zurzeit aus vier Anwälten und zwei Konzipienten. Unser Haupttätigkeitsschwerpunkt ist die Beratung von Klientinnen und Klienten im Bereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Eine besondere Expertise haben wir auf dem Gebiet des Vergaberechts.
Doch nun zu meinem Lebenslauf selbst: Ich bin in Oberösterreich geboren und aufgewachsen, konkret in der Stadt Steyr, und habe dort maturiert und meinen Wehrdienst abgeleistet. Wie viele Oberösterreicher bin ich dann nach Wien zum Studium gekommen und – aufgrund noch spannenderer beruflicher Möglichkeiten – hier auch geblieben. Bereits während meines Jusstudiums hat mich das öffentliche Recht mehr als das Privatrecht interessiert, und so war es eine logische Konsequenz, dass ich mich nach Abschluss des Jusstudiums am Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Wirtschaftsuniversität Wien beworben habe und auch diesen Assistentenposten erhalten habe. Ich hatte das Glück, dort für die beiden Professoren Heinz Peter Rill und Karl Korinek tätig sein zu dürfen.
Von Heinz Peter Rill habe ich die Auseinandersetzung mit Hans Kelsen und dessen Lehren gelernt, und an Präsident Korinek – ich sage immer noch Präsident Korinek, weil er ja dann später Präsident des Verfassungsgerichtshofes war – hat mich fasziniert, dass er in der Lage war, komplexeste juristische Sachverhalte verständlich darzustellen und auch Theorie und Praxis in Einklang zu bringen. Er war also nicht nur im Elfenbeinturm der Universität, sondern es ging durchaus um praktische Entscheidungen.
Ich habe mich entschlossen, Rechtsanwalt zu werden, habe deshalb die Universität verlassen und wurde zuerst Konzipient und dann Partner einer bekannten Wiener Wirtschaftskanzlei. Dort habe ich das Team für öffentliches Wirtschaftsrecht aufgebaut. Einem Trend der Zeit folgend und auch meinen persönlichen Bedürfnissen entsprechend, habe ich vor vier Jahren eine eigene Kanzlei aufgebaut, wobei ich mein Kernteam mitgenommen habe und eben diese von mir bereits erwähnte Kanzlei gegründet habe.
Darüber hinaus bin ich in meinem Fachgebiet natürlich auch publizistisch tätig – meiner Bewerbung ist auch eine Publikationsliste beigeschlossen –, ich halte regelmäßig Seminare und Vorträge und halte Vorlesungen an der TU Wien – worauf ich besonders stolz bin, dass man als Jurist auch an der Technischen Universität Wien vortragen darf – und an mehreren Fachhochschulen.
Aber auch privat beschäftigen mich seit Studienzeiten Fragen der Grund- und Menschenrechte, und ich bin so seit vielen Jahren Mitglied der Österreichischen Juristenkommission. Seit 2010 bin ich deren Generalsekretär und maßgeblich an der Auswahl der Themen beteiligt, mit welchen sich die Österreichische Juristenkommission beschäftigt.
Zusammenfassend darf ich festhalten, dass ich im Laufe meiner mittlerweile dreißigjährigen Berufstätigkeit umfassende Erfahrungen im Bereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts gewinnen konnte.
Ich möchte aber auch über persönliche Kompetenzen sprechen, denn ich glaube, auch auf diese kommt es bei der in Aussicht stehenden Position an: Ich habe als Koschiedsrichter in Schiedsverfahren, als Mitglied in Aufsichtsräten, aber auch bei meiner standespolitischen Tätigkeit im Anwaltsstand gelernt, meine Überzeugung in Gremien durchzusetzen, ohne die Kolleginnen und Kollegen vor den Kopf zu stoßen. Ich sehe mich als Brückenbauer, dessen Meinung eben geschätzt wird, der aber auch seine Teamfähigkeit unter Beweis stellen kann.
Weiters sind mir einige Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes aufgrund meiner langjährigen Berufstätigkeit mittlerweile auch persönlich bekannt, und ich könnte mir vorstellen, dass ich mich in den Kreis der Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter gut einfügen könnte und dort meine praktischen Erfahrungen aus meiner langjährigen Anwaltstätigkeit einbringen könnte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für die Fragen zur Verfügung zu stehen. (Bewerber Breitenfeld: Gerne!)
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich durch Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und pro Kandidat gestellt werden kann.
Frau Bundesrätin Kern, bitte.
Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Herr Dr. Breitenfeld, danke für die Vorstellung.
Aktuell gibt es viele Diskussionen und Ideen zum Thema Staats- und Verwaltungsreform. Wo sehen Sie wichtige Schritte und Maßnahmen im Zuge solch einer Reform?
Prof. Dr. Michael Breitenfeld: Eine große Frage! Natürlich ist eine Staatsreform erforderlich – es war auch seinerzeit der Verfassungskonvent. Das Problem ist, dass man es in einer größeren Dimension sehen muss. Wir sind natürlich Teil der EU, die EU hat aber selbst wiederum Probleme, und ich denke, dass der Gedanke der Subsidiarität innerhalb der EU ein bedeutender ist und dort ausgebaut werden muss, wenn die EU weiter erfolgreich tätig sein soll. Das führt natürlich dazu, dass auch den Ländern und Gemeinden weiterhin Bedeutung zukommen muss. Das ist das Spannungsverhältnis, das wir sehen: dass auf der einen Seite die Tendenz besteht, den Staat zu verschlanken, und auf der anderen Seite das Erfordernis, auch eine vernünftige Verwaltung von Ländern und Gemeinden aufrechtzuerhalten. Innerhalb dieses Spannungsverhältnisses wird diese Reform erfolgen müssen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für die Antwort und bitte Frau Bundesrätin Grimling um ihre Frage.
Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Herr Dr. Breitenfeld! Wie stehen Sie dazu, Nebenerwerbstätigkeiten für Richter am Verfassungsgerichtshof zu verbieten und die Tätigkeit beim Verfassungsgerichtshof als ausschließlichen Beruf zu verstehen?
Prof. Dr. Michael Breitenfeld: Nicht nur, weil es mich als Rechtsanwalt selbst betreffen würde: Ich sehe den Verfassungsgerichtshof als etwas Besonderes. Das ist eine banale Aussage, aber ich glaube, dass neben der hohen Qualität der juristischen Fähigkeiten, die es braucht, dort auch – denn es werden im weitesten Sinne ja auch politische, nicht parteipolitische, aber politische Entscheidungen getroffen – Damen und Herren tätig sein sollen, die aufgrund großer Erfahrung auch Werte mitbringen. Ich weiß, das klingt alles schlagworthaft, aber ich bin davon überzeugt. Für mich ist das etwas ganz Besonderes – ich war, wie gesagt, seinerzeit Assistent, auch von Korinek, und habe die Atmosphäre mit der juristischen Muttermilch mitbekommen. Ich habe gerade eine Persönlichkeit wie Korinek immer vor mir, der einfach ausgewogen war, dem man besondere Werte unterstellt.
Deswegen glaube ich, dieser Mix aus unterschiedlichen Persönlichkeiten ist sehr gut, und ich glaube, es ist auch machbar. Ich habe mir selbst überlegt, als ich mich beworben habe: Ist das mit meiner Kanzlei vereinbar? Ich bin extrem erfolgreich, ich habe – das soll nicht überheblich klingen – so etwas wie einen Guru-Status im Vergaberecht in Österreich, bin in diesen ganzen Rankings, die jetzt modern sind, vorne, und ich habe mich gefragt: Ist das machbar?
Und ich habe mir gedacht – das ist auch mit ein Grund, wenn ich das durchaus persönlich sagen darf, warum ich mich aus der Großkanzlei entfernt habe: weil ich anders leben wollte –: Ich wollte nicht mehr Administration machen, ich wollte wieder zurück zum Akt. Und ich könnte mir einteilen, wie ich neben der Anwaltstätigkeit auch die Tätigkeit eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes ausüben könnte. – Das ist einmal der eigene Fokus.
Und der zweite ist, dass man einfach einen anderen Gesichtspunkt einbringt. Es ist in unterschiedlichen Gremien – ich sehe es in der Österreichischen Juristenkommission, die mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten besetzt ist – ganz toll, wenn man sieht, wie ein Universitätsprofessor tickt, wie ein Sektionschef tickt, und in Summe muss etwas Vernünftiges herauskommen. Deswegen halte ich dieses System für besonders wichtig: unterschiedliche Berufe und nicht reine Berufsrichter.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für die Antwort und bitte Herrn Bundesrat Sperl um seine Frage.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Professor Dr. Breitenfeld! Die Gesetzesflut ist so mächtig, dass ein Parlamentarier kaum mehr in der Lage ist, das zu bewältigen oder durchzusehen.
Daher meine Frage an Sie: Wie wollen Sie gegebenenfalls in Ihrer künftigen Tätigkeit daran mitwirken oder gewährleisten, dass der Zugang zum Recht nicht nur für die Parlamentarier, sondern auch für das normale Volk, für die Bürger erleichtert wird?
Prof. Dr. Michael Breitenfeld: Sie sprechen etwas aus, was mich permanent bewegt, da ich ja seinerzeit auch im Verfassungsunterausschuss für die Novelle des Bundesvergabegesetzes beratend tätig sein durfte. Wir haben mit schlanken 181 Paragraphen begonnen, sind bei 352 Paragraphen, und das nächste Gesetz wird über 400 haben. Wir reden von Userfreundlichkeit, wir reden von all diesen Dingen – und genau der gegenteilige Effekt ist der Fall.
Ich bin bei Ihnen, dass vermehrt darauf geachtet werden muss, dass auch der Gesetzgeber Normen schreibt, die lesbar sind. Es nützt nichts, wenn ein erlauchter Kreis von Wissenschaftern weiß, wie Normen auszulegen sind, es muss der Staatsbürger, die Staatsbürgerin das auch lesen können. Der Effekt ist, wenn er es nicht lesen kann, dass er sich noch weniger daran halten wird.
Ich darf nur ein Beispiel bringen: Im Bundesvergabegesetz hat man für die Userfreundlichkeit den § 2, Begriffsbestimmungen, eingeführt. Es gibt 98 Begriffsbestimmungen! – Sie kaufen sich am Wochenende ein Gerät, ein Elektronikgerät beim MediaMarkt, Saturn oder wo auch immer, nehmen es nach Hause und schlagen die Betriebsanleitung auf. Wenn Sie dort 98 Begriffsbestimmungen finden, werden Sie das Ding entweder am Montag zurückbringen oder die Betriebsanleitung nicht lesen. Und so ähnlich ist es auch bei Gesetzen: Sie müssen einfach lesbar sein – ich bin völlig bei Ihnen. Und das ist sicher ein Faktor: dass auch die Legisten, die das vorbereiten, dazu verhalten werden, Gesetze so zu machen, dass sie auch für den Normalsterblichen lesbar sind.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sie haben Herrn Korinek erwähnt. Es ist ja bekannt, dass er, nachdem er Präsident wurde, auf Distanz zu seiner Partei gegangen ist. Ich würde Sie gerne fragen, für wie wichtig Sie die parteipolitische Unabhängigkeit als Verfassungsrichter erachten.
Prof. Dr. Michael Breitenfeld: Ich tue mir relativ leicht, ich bin nicht Mitglied einer österreichischen politischen Partei. Natürlich hat man Werte, natürlich hat man eine politische Heimat, aber ein Grundprinzip ist die Unabhängigkeit dieses Gerichtes. Und das finde ich auch ganz wichtig, dass die Unabsetzbarkeit bis zur Vollendung des 70. Lebensjahrs beziehungsweise bis 31.12. des betreffenden Kalenderjahres gegeben ist. Allein dieser Umstand macht schon unabhängig. Und es ist für mich ein Grundprinzip, dass man nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet. Deswegen mein Respekt vor dieser Funktion.
Es ist ganz lustig: Als Anwalt bringst du etwas vor, behauptest etwas sozusagen relativ keck. Wenn ich Schiedsrichter bin, auf der Richterseite sitze, bin ich viel vorsichtiger, viel demütiger vor der Entscheidung, denn dann trifft man eine Entscheidung, die doch für die Parteien Bedeutung hat. Das sehe ich auch besonders bei Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes.
Der Vorteil ist: Es ist ein Gremium. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sehr oft bei gremialen Beschlüssen – ich sehe das bei Juryentscheidungen in Vergabesachen – etwas Vernünftiges herauskommt, dadurch, weil eben die unterschiedlichen Aspekte einfließen. Aber die Unabhängigkeit, die parteipolitische Unabhängigkeit halte ich für ein Grundprinzip eines Verfassungsrichters.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für die Antwort.
Ich bitte Sie nun um ein abschließendes Statement.
Prof. Dr. Michael Breitenfeld: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Es war lustig: Ich bin ja auch Professor und prüfe sehr oft, und ich hatte heute zum ersten Mal wieder das Gefühl einer Prüfungssituation auf der Passivseite. (Heiterkeit.) Ich möchte mich bei Ihnen herzlich bedanken. Ich habe mich wohlgefühlt, bin erleichtert und werde in Zukunft als Prüfer noch demütiger, nicht demütiger, aber noch netter sein. (Heiterkeit.) – Vielen Dank.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke sehr. Sie haben die Antwort auf die Frage, die ich Ihnen stellen wollte, nämlich ob das Auswirkungen auf künftige Prüfungen haben wird, vorweggenommen. (Bewerber Breitenfeld: Genau!) Ich danke Ihnen für Ihr Kommen.
*****
Ich darf nun den nächsten Bewerber, Herrn Univ.-Prof. Dr. Bydlinsky, in den Saal bitten.
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Professor Bydlinski, ich darf Sie recht herzlich begrüßen.
Ich weise darauf hin – das wird auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben.
Ich bitte Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung darzulegen.
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski: Grüß Gott! Guten Morgen! – 5 Minuten sind natürlich ein bisschen wenig.
Ich weiß nicht, ob Sie bei allen 40 Bewerberinnen und Bewerbern die Unterlagen genau durchgelesen haben, deswegen eine ganz kurze Vorstellung:
Ich bin seit über 25 Jahren ordentlicher Universitätsprofessor an Unis in Deutschland und Österreich – ich glaube, an insgesamt fünf habe ich bisher gelehrt; es ergibt sich das meiste aus meinem Lebenslauf. Dass ich heute gekommen bin, zeigt, dass ich glaube, dass das Ganze noch ernst gemeint ist. Ich habe meinen Familienurlaub abgebrochen beziehungsweise vorzeitig abbrechen müssen – wir haben jetzt unsere Ferien, aber ich bin gekommen.
Ich sage das jetzt auch deswegen, weil ich gerade in der Zeitung, im „Kurier“, irgendwelche Aussagen von mir gelesen habe – das werden Sie alle auch noch lesen. Das ist natürlich wieder sehr eigenartig: Gestern ruft mich ein Anwalt an und fragt mich irgendetwas. – Also aus Protest bin ich nicht hier – ich weiß nicht, wer das so gelesen hat –, sondern ich bin deswegen hier, weil ich denke, dass Sie nach bestem Wissen und Gewissen hier jemanden Geeigneten auswählen. Und wenn es so ist, dass dann alles so herauskommt, wie es bisher in den Medien steht, dann ist das natürlich nicht so schön.
Ich beginne mit zwei Argumenten, die auf den ersten Blick gegen mich oder gegen meine Bewerbung sprechen. Das erste Argument wäre – wer es vorbringen will, bringt es natürlich vor –, dass ich meinen Schwerpunkt im Privatrecht und nicht im Verfassungsrecht habe, und das zweite Argument, auf einer anderen Ebene, dass ich keinerlei parteipolitische Beziehung habe und nicht von irgendeiner Partei nominiert worden oder unterstützt worden bin. Deswegen war auch bisher noch nie irgendwo etwas zu lesen, dass ich mich beworben hätte – bis auf heute im „Kurier“, was mich ziemlich gewundert und geärgert hat, muss ich sagen.
Auf den zweiten Blick aber sind diese zwei Aspekte, die ich gerade genannt habe, meines Erachtens durchaus Vorteile. Zum einen – das habe ich in meiner Bewerbung ja auch schon geschrieben – ist die Expertise im VfGH, was das Verfassungsrecht anbelangt, natürlich extrem hoch, wogegen es meines Erachtens noch ein Manko gibt, was das Privatrecht anbelangt, das ich doch in einem weiten Sinn abdecke. Seit dem Parteiantrag auf Normenkontrolle werden immer öfter privatrechtliche Normen zur Prüfung vor den VfGH gebracht, und da ist es natürlich besonders wichtig, dass jemand auch mit diesen Normen umgehen kann, weiß, wie diese Normen entstanden sind, was ihre Zwecke sind, und sie entsprechend auslegen kann. Ich habe durchaus Signale von aktuellen Mitgliedern des VfGH bekommen, dass sie da an einer Unterstützung im privatrechtlichen Bereich sehr interessiert wären.
Der zweite Punkt – das ist eine Banalität, aber ich glaube, ich muss es doch sagen, wenn ich schon dieses Argument zunächst als ein Argument kontra mich gebracht habe –: dass man als Richter, egal, um welches Gericht es geht, streng zur Objektivität verpflichtet ist und dass da die parteipolitische Brille wahrscheinlich nicht so das Überzeugende wäre. Ich bin auch deswegen Rechtswissenschafter geworden, weil ich eben wissen möchte: Wie ist die Rechtslage tatsächlich, wie sieht das aus, wie sind die Normen auszulegen? Deswegen glaube ich, dass diese Objektivität natürlich auch im Bereich des VfGH kein Fehler ist.
Drei kurze Argumente noch zusätzlich: Zum einen beschäftige ich mich nicht nur mit Privatrecht. Ich habe natürlich aufgrund meiner Erfahrung – jetzt bin ich auch schon 60 – doch einige Breite zu bieten: Rechtsmethodik, europarechtliche Aspekte. Zuletzt habe ich einen umfangreicheren Aufsatz zu einem der doch relativ spektakulären Mietrechtserkenntnisse des VfGH geschrieben – Juristische Blätter 2007. Ich bin also in allen möglichen Bereichen tätig und bin auch bereit und, so glaube ich, fähig, mich dort einzuarbeiten, wo ich noch nicht so einen Schwerpunkt habe. Ich habe mich auch in relativ kurzer Zeit in das komplexe deutsche Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet und war sieben Jahre lang Professor an einer deutschen Fakultät.
Praktische Erfahrung ist vielleicht auch nicht unwichtig. Da kann ich zwei Dinge nennen: Erstens einmal habe ich mich mit über 130 Entscheidungen aller möglicher Gerichte ausführlich in Form von Entscheidungsbesprechungen auseinandergesetzt. Zum anderen werde ich immer wieder aufgrund meiner Zivilrechtsexpertise als Gutachter, Rechtsgutachter herangezogen, habe also viel Einblick in konkrete Fälle. Und da will ich auch noch auf Folgendes hinweisen – in letzter Zeit war das ja auch so eine suspekte Sache –: In letzter Zeit habe ich, würde ich sagen, im Schnitt zwei von drei Gutachtensanfragen nach kurzer Zeit ablehnen müssen, weil ich auf seriöse Weise zu keinem Ergebnis kommen konnte, das dem Auftraggeber genützt hätte. Also von Gefälligkeitsgutachten bin ich zum Glück weit entfernt – das ist auch mein Ruf, so glaube ich.
Letzter Punkt, der vielleicht gerade für dieses Gremium auch von Interesse ist: Seit einigen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Rechtssprache, mit der Verständlichkeit von Gesetzen. Es läuft seit 2015 ein großes Projekt zum ABGB.
Das ist ein Anliegen, das ich generell habe, also auch wenn ich irgendwo judikativ tätig wäre, wäre es für mich natürlich wichtig, darauf zu schauen, dass die Entscheidungen inhaltlich und sprachlich gut verständlich sind – vielleicht ein bisschen besser, als das bisher noch der Fall ist.
Ich glaube, das war einmal eine kurze Vorstellung.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen.
Ich bitte Sie, nun für Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere auch an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat gestellt wird.
Ich bitte Frau Bundesrätin Zwazl um ihre Frage.
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Professor, ich sage ein herzliches Dankeschön, dass wir heute die Gelegenheit haben, Sie kennenzulernen und auch zu befragen. Ich denke, ich kann für uns alle sprechen: Wir sind unvoreingenommen. (Heiterkeit.) Von meiner Seite her kann ich sagen, ich hatte heute keine Gelegenheit, die Zeitungen zu studieren.
Sie haben sehr viel von Privatrecht gesprochen. – Ich bin Bundesrat. Föderalismus ist mir wichtig, und deshalb ist mir auch folgendes Thema wichtig: Wie sehen Sie die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Föderalismus? Welche Bedeutung kommt aus Ihrer Sicht den föderalistischen Prinzipien in unserem Staatsgefüge zu? Welchen Stellenwert hat das föderalistische Prinzip aus Ihrer Sicht?
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich bitte Sie um Ihre Antwort.
†o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski|: Ich kann darauf nicht präzise antworten, weil das natürlich eine hochpolitische Frage und keine rechtswissenschaftliche oder keine rechtliche Frage ist.
Sie wissen ja, wie es derzeit aussieht und dass auch darüber diskutiert wird, ob man daran etwas ändern soll. – Also ich glaube nicht, dass es sehr sinnvoll ist, dass ich dazu jetzt Stellung nehme. Vermutlich wird einiges an Kompetenzbereinigung sinnvoll sein, aber natürlich in beide Richtungen. Da bin ich aber natürlich - - Da habe ich mir noch keine Sachen überlegt. Das ist auch keine Frage, die ein Gericht entscheidet, sondern eine, die natürlich das Parlament entscheidet.
Ob gewisse Kompetenzen allein dem Bund zugeordnet werden sollen oder gewisse andere allein den Ländern? – Also ich sozusagen ganz persönlich, aber das hat jetzt nichts mit der Tätigkeit zu tun, um die es hier geht, bin der Meinung, alles, was zu einer Vereinfachung beiträgt und zu einer Verwaltungsvereinfachung auch im Sinn von Einsparungen, wenn man Doppel- und Dreifachgleisigkeiten vermeiden kann, ist wahrscheinlich sinnvoll. Aber wie gesagt, mehr kann ich von meiner juristischen Warte dazu eigentlich nicht sagen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Grimling, ihre Frage zu stellen.
Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Herr Doktor, was war für Sie das bedeutendste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in der letzten Zeit?
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski: Ja, sicher das zur Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl. Das war das spektakulärste; ob es wirklich so bedeutend war? Es ist ja dann sozusagen nichts passiert, aber da würde ich tatsächlich sagen, das war natürlich schon bedeutend.
Und – also ich werde sicher keine Kritik am Gerichtshof üben, aber – natürlich war es heikel und umstritten, und es ist ziemlich darum gegangen, wie man eine konkrete Norm auslegt: Ob man sagt, dass das wirklich theoretisch, abstrakt das Ergebnis hätte beeinflussen können, oder ob das konkret wäre. Das haben Sie ohnedies überall in den Medien gelesen. – Manche Verfassungsrechtler haben das so gesehen, andere haben das so gesehen, aber ich glaube schon, dass es in letzter Zeit das Erkenntnis war, das natürlich das meiste Aufsehen erregt hat.
Als Privatrechtler hat mich besonders interessiert, was jetzt zuletzt – in den letzten zwei Jahren – zu Mietrechtsfragen gesagt wurde, aber das ist sozusagen - - Ja, das ist für die breite Bevölkerung auch wichtig, aber das war wahrscheinlich nicht ganz so aufsehenerregend.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Schuster um seine Frage.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Professor! Ich habe mir Ihren Lebenslauf durchgelesen, und Sie haben ja wirklich viel publiziert, viele Rechtsgutachten gemacht. Das war wirklich sehr bemerkenswert. Aber nur kurz - -
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski: Nicht in der Dienstzeit, wenn ich darauf hinweisen darf. (Heiterkeit des Redners.)
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Nicht in der Dienstzeit, das hoffe ich! – Um zu meiner Frage zurückzukommen: Der Verfassungsgerichtshof meldet sich ja hin und wieder auch kritisch zu Wort. Meine Frage im Speziellen lautet jetzt: Wenn Sie eben Verfassungsrichter werden sollten, welche Schwerpunkte würden Sie zukünftig im Verfassungsgerichtshof setzen?
o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski: Tja, ich muss sagen, ich habe mich natürlich in die Interna noch nicht wirklich hineingedacht, weil das Ganze so weit weg ist und die Hoffnung, muss ich zugeben, ja nicht so groß ist – obwohl ich das sehr gerne machen würde, und ich glaube, es wäre auch sinnvoll.
Natürlich gibt es dort offenbar einen Bereich, wo die privatrechtlichen Fälle, wo Privatrechtsnormen angefochten werden, vorbereitet werden. Ich meine, das wäre natürlich der Bereich, wo ich mich intensiv einbringen würde – ob jetzt als Referent oder dann als normales Mitglied in der Diskussion? Da weiß ich natürlich nicht, wie das Ganze organisiert ist. Ich glaube aber, der Kollege Grabenwarter hat bisher diesen Bereich gehabt; ob er den als Vizepräsident weiterhin hat, dazu weiß ich zu wenig.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
†Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Stichwort bedeutende beziehungsweise umstrittene Urteile: Vor Kurzem hat der Verfassungsgerichtshof das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben. Hier wurde sehr intensiv darüber diskutiert, inwiefern sich das an der Grenze von sozusagen weitreichender politischer Einschätzung bewegt; dazu würde mich Ihre interessieren.
†o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski|: Jetzt wollen Sie ja doch meine politischen Ansichten hier hören; ich antworte aber trotzdem wieder als Rechtswissenschafter.
Weltanschaulich, moralisch kann man zu dem natürlich so oder so stehen, juristisch gesehen habe ich mir schon seit Langem gedacht, da die eingetragene Partnerschaft Schritt für Schritt an die Ehe angenähert wurde, ist es schon aus rechtstechnischer Sicht – da komme ich wieder zur Verständlichkeit von Gesetzen – sicher die sauberste Variante zu sagen: Machen wir alles gleich! Machen wir eine Regelung, denn jetzt haben wir ein EPG, in dem es zig Paragrafen gibt, die fast alle das Ehegesetz wiederholen, und dann haben wir eben noch irgendwo Spezialnormen, wo dann immer Ehe und eingetragene Partnerschaft steht.
Es gibt fast keine Unterschiede mehr, deswegen ist es natürlich einfach rechtstechnisch sauberer zu sagen, - - Wie man das jetzt genau nennt? – Manche sind furchtbar verzweifelt und sagen: Das kann man doch nicht Ehe nennen!, aber das ist sozusagen nicht mein Problem, sondern wenn man etwas gleichbehandeln will, dann soll man das rechtstechnisch möglichst einfach machen, und das wäre jetzt dieser Weg.
Als Jurist würde ich also sagen, das ist eine sinnvolle Lösung, nachdem gesagt wurde, das soll eigentlich gleichbehandelt werden.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Sie haben jetzt noch Gelegenheit zu einem Schlussstatement. Ich bitte Sie darum.
†o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski|: Ja, Schlussstatement: Ich würde bitten, dass Sie das wirklich bedenken, denn Sie werden vielleicht dann doch noch den „Kurier“ lesen, dessen Inhalt mich jetzt gerade irgendwie überrascht hat, als ich hineingeschaut habe.
Sie haben vielleicht gemerkt, dass ich nicht aus Protest hierhergekommen bin, und um mich darüber aufzuregen, dass das Ganze eine Farce ist. – Das habe ich natürlich auch nicht gesagt, sondern ich habe gesagt – um das auch noch zu erwähnen –, dass ich es eher für unverständlich halte – wenn es so ist; das habe ich auch wieder nur als Gerücht gehört –, dass man 40 Personen einlädt. Unter 40 Personen kann man nicht wirklich auswählen, nicht?
Jeder Personalchef in der Situation macht das, oder auch, wenn wir an der Uni 65 Bewerbungen haben, dann wird einmal vorgesichtet. Fünf bis sieben kommen dann zu einer Vorstellung, und mit denen kann man sich beschäftigen. Wenn man sich 40 Leute anhört - - Sie werden es ohnedies dann Dienstagnachmittag sehen, wenn Sie erschöpft sind, welchen Eindruck Sie wirklich gewonnen haben.
Also nur der Hinweis: Ich bin nicht aus Protest hier, sondern ich bin hier, weil mich das wirklich interessiert, weil ich das ganz gern machen würde, weil ich den VfGH insofern mit meiner privatrechtlichen Expertise unterstützen würde. Und wenn alles schon ausgemacht ist, dann ist alles schon ausgemacht. Das kann ich nicht beurteilen. (Heiterkeit des Redners. – Die Bundesräte Schennach und Weber – auf die BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ weisend –: Da drüben!)
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihr Statement und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
*****
Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Hofrat Dr. Nikolaus Bachler, in den Saal bitten.
Hofrat Mag. Dr. Nikolaus Bachler
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Hofrat Bachler, ich darf Sie recht herzlich bei uns begrüßen. Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin – dies wird auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Bitte.
Mag. Dr. Nikolaus Bachler: Von meiner Seite zuerst einmal: Guten Morgen! Die Gründe meiner Bewerbung sind: Wie Sie vielleicht meinem Lebenslauf entnommen haben, bin ich Richter am Verwaltungsgerichtshof, aber seit 2009 auch Ersatzmitglied am Verfassungsgerichtshof. In dieser Funktion habe ich eigentlich an jeder Session teilgenommen und habe zu gewissen Sessionen ein Mitglied auch während der gesamten Session, in allen Plenarfällen, ersetzt.
Ich habe weiters aus meiner Sicht schon davor einen starken verfassungsrechtlichen Bezug gehabt, weil ich am Österreich-Konvent mitgewirkt habe, und zwar in zwei Ausschüssen: einerseits im damaligen Ausschuss 6 betreffend Reform der Verwaltung, und im Ausschuss 5 betreffend Kompetenzverteilung. Das war deswegen, weil ich eben als Beamter des Landwirtschaftsministeriums damals mitgearbeitet habe. Es war nämlich einerseits der Generalsekretär des Landwirtschaftsministeriums damals Vorsitzender des Ausschusses 6 betreffend Reform der Verwaltung, und ich habe dort operativ unterstützend für die Ausschussleitung gearbeitet, und im Ausschuss 5 war der damalige Bundesminister Pröll Mitglied, und auch dort habe ich anfänglich unterstützend mitgearbeitet und nach einigen Monaten dann den Bundesminister in den Ausschusssitzungen, aber auch im Konventsplenum, vertreten.
In diesem Zusammenhang – und das ist vielleicht für den Bundesrat von Interesse – war ich in Berlin und habe dort mit dem Chefjuristen des deutschen Bundesrates konferiert. Es war nämlich damals in den Diskussionen zur Kompetenzverteilung angedacht, eine dritte Säule einzuführen – also nicht nur Bund- und Länderkompetenzen, sondern eine gemischte Säule. Betreffend diese gemischte Säule stellte sich einerseits die Frage, womit, mit welchen Materien sie befüllt wird, und die andere zentrale Frage war, die Kompetenzen des Bundesrates – also des österreichischen Bundesrates – bei Konzeption dieser dritten Säule auszuweiten, das heißt stärkere Zustimmungsrechte im Gesetzgebungsprozess, eigentlich stark angelehnt an den deutschen Bundesrat.
Dieses Modell wurde auch erwogen und überlegt, aber politisch hat sich in der Kompetenzverteilung dann keine Entscheidung ergeben. Wie gesagt, das ist immer im Raum geschwebt, und damals habe ich eben den deutschen Bundesrat in Berlin besucht, habe mir das Ganze angesehen und dann in Österreich darüber berichtet.
Das ist sozusagen mein verfassungsrechtlicher Bezug, und darum glaube ich sagen zu können, dass ich womöglich ein geeigneter Kandidat für dieses Amt wäre. – Danke schön.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Ausführungen.
Ich bitte Sie, nun für die Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat oder Kandidatin gestellt wird.
Ich darf Herrn Bundesrat Janacek das Wort erteilen.
Bundesrat Mag. Roman Janacek (ÖVP, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Dr. Bachler! Sie haben über die gemischte Säule geredet und die Erfahrungen Ihrerseits, die Sie in Deutschland sammeln konnten. Wir haben ja im Zuge der Staats- und Verwaltungsreform immer wieder Diskussionen über Kompetenzverschiebungen. Wie sehen Sie das aus Ihrer Sicht, eben auch hinsichtlich gemischter Säule?
Mag. Dr. Nikolaus Bachler: Danke, das ist eine sehr interessante Frage. Man muss, glaube ich, von zwei politischen Konzepten ausgehen. Ich meine, es ist ja unbestritten, dass es Länder und Bund weiterhin geben muss, aber macht man jetzt eine strikte Trennung – und das ist, glaube ich, in jeder Organisationsüberlegung: möglichst wenige Überschneidungen; das ist die grundsätzliche Frage, die man beantworten muss – oder lässt man eben in der gemischten Säule Dinge sich überschneiden. Und wenn man Dinge sich überschneiden lässt, sind sie natürlich organisatorisch komplexer.
Gerade zum Beispiel die Zustimmungsregeln im deutschen Bundesrat sind ja - - Der hat dann eine wesentlich stärkere Machtposition, und das zeigt sich natürlich: Durch diese verstärkte Machtposition kommt es oft auch zu sehr langwierigen Verhandlungen, darüber muss man sich im Klaren sein.
Das bedingt aus meiner Sicht auch wiederum eine sehr professionelle Unterstützung der Abgeordneten des Bundesrates. Zum Beispiel verfügt der deutsche Bundesrat ja über einen riesigen Stab an Juristen.
Das alles müsste man sich also überlegen, wenn man so einem Modell nähertritt. Es ist, das muss man schon sagen, aufwendiger, wertet aber natürlich die Stellung enorm auf. – Letztlich ist das dann wirklich eine politische Entscheidung, die ich mir jetzt als Richter nicht anmaßen kann, aber das sind die Grundvoraussetzungen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für die Antwort.
Ich bitte nun Frau Bundesrätin Kurz um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Dr. Bachler! Das waren durchaus interessante Einsichten betreffend Ihre Haltung bezüglich der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Ich denke, da wird es in Zukunft auch noch einiges zu beraten geben.
Da Sie diese Frage jetzt schon ausführlich beantwortet haben, stelle ich Ihnen eine ganz andere Frage, und zwar frage ich Sie, wie Sie zur Cooling-off-Phase für ehemalige Regierungsmitglieder betreffend ihre Tätigkeit am Verfassungsgerichtshof stehen.
Mag. Dr. Nikolaus Bachler: Ja das ist sicherlich - - Ich meine, das Problem aus meiner Sicht ist, letztlich geht es dabei immer um die Frage der Befangenheit. Aus meiner Sicht ist dann das Problem, dass sich diejenige Person eben in gewissen Fällen womöglich für befangen wird erklären müssen. In der Verfassung ist es derzeit so, dass das nur für den Präsidenten und den Vizepräsidenten vorgesehen ist, aber letztlich ist das auch eine politische Entscheidung.
Von der Bewertung her muss man aber schon sagen, dass sich natürlich gehäuft Fragen der Befangenheit stellen werden, wenn es diese Cooling-off-Phase nicht gibt.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Aigner um ihre Frage.
Bundesrätin Ina Aigner (FPÖ, Niederösterreich): Herr Dr. Bachler, ich habe eine Frage, und zwar: Welche Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in der letzten Zeit halten Sie für richtungsweisend?
Mag. Dr. Nikolaus Bachler: Na ja, es fällt mir zum Beispiel eine, oder sagen wir, eigentlich fallen mir zwei Entscheidung ein.
Eine ist vielleicht ein bisschen technischer: Das ist die, dass es bei sehr hohen Strafen ja früher die Judikatur gegeben hat, dass nur Strafgerichte diese verhängen dürfen. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem jüngsten Erkenntnis im Zusammenhang mit der Finanzmarktaufsicht davon abgegangen und hat der Finanzmarktaufsicht zugestanden, als Verwaltungsbehörde auch bei sehr hohen Strafen diese zu verhängen. Das hat aus meiner Sicht natürlich enorme Konsequenzen im Datenschutz, denn dort haben wir die Datenschutzkommission, und da stellt sich jetzt sozusagen dasselbe Problem, nämlich dass in Hinkunft die Datenschutzbehörde in erster Instanz auch für diese hohen Strafen zuständig sein wird, also quasi eine Verlegung hin zur Verwaltung, was natürlich auch mit der Einführung der Verwaltungsgerichte jetzt zu tun hat.
Eine zweite sehr grundsätzliche Entscheidung, die sich aber ein bisschen fortführt, ist jene zum Staatsschutzgesetz. Diese ist Ende letzten Jahres gefällt worden, als der Verfassungsgerichtshof einem Drittelantrag, einem Anfechtungsantrag nicht Folge geleistet hat und einige sehr wesentliche Aussagen getroffen hat, warum bei gewissen Überwachungsmaßnahmen – ich will jetzt nicht ins Detail gehen – kein Grundrechtseingriff vorliegt. Ich glaube, das sind auch - - Aber da hat er auch schon viel von der Vorjudikatur rezipiert, und das ist wahrscheinlich auch für die hinkünftigen Vorhaben sicher eine wichtige Entscheidung.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Der Bundesrat hat sich wiederholt mit den Vorschlägen aus dem Österreich-Konvent beschäftigt und hat versucht, diese auch wiederzubeleben. Mich würde, da Sie da mitgearbeitet haben, interessieren, welche dieser Vorschläge Sie als so relevant betrachten, dass sie wieder aufgegriffen werden sollten.
Mag. Dr. Nikolaus Bachler: Na ja, ich fände schon - - Da will ich an das von vorhin anschließen: Gerade was die Rolle des Bundesrates betrifft, ist ja immer eine Stärkung der Position des Bundesrates im Raum gestanden. Das war eine wirklich verfassungsrechtliche Stärkung im Gesetzgebungsprozess, und wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen, könnte diese Aufwertung, schon angelehnt eigentlich auch an das deutsche Modell vom Bonner Grundgesetz, interessant sein, vor allem in dieser gemischten Säule. Da ist dann halt sehr entscheidend, welche Materien man dort, in die dritte Säule, hineinfüllt.
Das schiene mir aber durchaus überlegenswert, denn dann ist eines schon klar: Dann wären die Länder über den Bundesrat natürlich wesentlich stärker in die Gesetzgebung eingebunden. – Das zu Ihrer Frage.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort.
Ich ersuche Sie um ein kurzes Schlussstatement.
Mag. Dr. Nikolaus Bachler: Herzlichen Dank, dass Sie mich angehört haben. Ich möchte mich auch für Ihre sehr interessanten Fragen bedanken.
Letztlich glaube ich, wenn ich das abschließend sagen darf, ich wäre aufgrund meines Lebenslaufes und meines verfassungsrechtlichen Vorwissens ein geeigneter Kandidat. – Herzlichen Dank.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
*****
Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Armin Bammer, in den Saal bitten.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Dr. Bammer, ich darf Sie recht herzlich begrüßen und ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen.
Ich weise darauf hin – dies wird auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben und bitte Sie, mit Ihren Ausführungen zu beginnen.
Dr. Armin Bammer: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren, guten Morgen! Ich bin Rechtsanwalt, wie Sie meinen Bewerbungsunterlagen entnommen haben werden, und beschränke mich wirklich ganz kurz auf die Eckpunkte: Ich bin gebürtiger Wiener, habe hier Rechtswissenschaften studiert, war drei Jahre Assistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht bei Heinz Mayer und bei Felix Ermacora und bin dann Rechtsanwalt geworden.
Im Laufe meiner anwaltlichen Tätigkeit habe ich aber immer wieder sehr starke Bezüge zum Verfassungs- und Verwaltungsrecht gehabt. Ich bin seit über 20 Jahren Lehrbeauftragter für Verfassungsrecht am Institut für Publizistik, mache in meiner Anwaltskanzlei relativ viele Causen – streitig, nicht streitig –, die öffentlich-rechtlichen Bezug haben, darunter sind auch immer wieder Verfassungsgerichtshofbeschwerden. Das ist sozusagen das Berufliche, das ich in diesem Zusammenhang betonen möchte.
Zivilgesellschaftlich engagiere ich mich seit 2002 sehr stark im Rahmen der Österreichischen Juristenkommission. Die Österreichische Juristenkommission ist neben dem Österreichischen Juristentag die maßgebliche zivilgesellschaftliche Organisation, die sich mit Rechtsstaat, Grundrechten und Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber dem Staat befasst. Wir organisieren vor allem wissenschaftliche Tagungen mit sehr starkem Praxisbezug und veröffentlichen die Tagungsbände. Ich bin als Vizepräsident und vormaliger Generalsekretär sehr stark in die inhaltliche Gestaltung, Themenwahl, Auswahl der Referenten und in die Auswahl der Vorträge eingebunden. Unsere letzte Tagung im Frühjahr 2017 hatte – das wird Sie interessieren – das Thema „Krise der liberalen Demokratie?“. Wir haben ein Fragezeichen dahinter gesetzt und haben uns mit sehr vielen, sehr aktuellen Fragen in diesem Zusammenhang befasst.
Ich sehe mich also neben meinem anwaltlichen Standbein auch sehr stark als Exponent der Zivilgesellschaft und würde mich freuen, diese Erfahrungen in den Verfassungsgerichtshof einbringen zu können.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Ausführungen.
Ich bitte Sie nun, für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat gestellt wird.
Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Dr. Bammer, ich bedanke mich herzlich für Ihre Ausführungen und für die Informationen. Wir diskutieren ja seit Längerem, auch in Regierungsprogrammen, immer wieder die Verfassungs- und Verwaltungsreform.
Ich will zum Thema Verwaltungsreform eine Frage an Sie stellen, und zwar diskutiert man ja immer wieder Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern, und dass man auch den Ländern unter Umständen mehr Kompetenzen geben könnte. Wie stehen Sie allgemein zu einer Weiterentwicklung des Bundesstaates, vielleicht auch aus Sicht des föderalen Prinzips?
Dr. Armin Bammer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Frage ist klarerweise ein Dauerbrenner. Wie sich das entwickelt ist weniger eine Sache des Verfassungsgerichtshofes als eine Sache, die letztlich der Verfassungsgesetzgeber beantworten muss, weil eigentlich alle Kompetenzkonflikte, Kompetenzstreitigkeiten, die es gegeben hat, de facto ausjudiziert sind. Es gibt also praktisch keine Verfahren mehr, die in diesem Zusammenhang am Verfassungsgerichtshof geführt werden.
Ideen liegen genug am Tisch, wie man die teilweise sehr zersplitterte, unökonomische Kompetenzsituation bereinigen könnte. Ich erinnere an den Österreich-Konvent 2003 bis 2005, wo dieser Bereich, obwohl er nicht im zentralen Fokus gestanden ist, trotzdem sehr stark mitdiskutiert wurde. Ich glaube, wenn man eine Verwaltungsreform machen möchte, wird teilweise manches falsch herum aufgezäumt, weil zuerst einmal eine Verfassungsreform kommen müsste, und da gibt es ja genug Ideen, Kompetenzen zu bereinigen. Das ist natürlich keine Einbahnstraße in die eine oder andere Richtung.
Wenn es die Landtage und den Bundesrat weiterhin gibt, dann wäre es sinnvoller, in den Bereichen, in denen sich herausgestellt hat, dass es einfach unökonomisch ist, zehn parallele Rechtsordnungen, die sich teilweise widersprechen, beizubehalten – da kennen Sie die Beispiele wahrscheinlich aus Ihrer Tätigkeit noch besser als ich –, einen Schritt zu wagen und die Kompetenzen so zu bereinigen, dass kein Machtverlust oder Machtzuwachs einer Seite besteht, sondern eine homogenere Situation entsteht.
Welche Beispiele das betreffen könnte: Bei Artikel-12-Materien wäre zum Beispiel zu überlegeben, ob es diese Kompetenzen in Zukunft in dem Ausmaß geben sollte oder nicht. In anderen Bereichen, wie zum Beispiel beim Jugendschutz, zeigt sich ja immer wieder, dass da de facto ohnedies, mit welchem Instrumentarium auch immer, einheitliche Regelungen diskutiert und dann auch gefunden werden.
Ob man das in Zukunft auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene und nicht auf informeller Ebene machen sollte, muss hier entschieden werden, dazu kann ich nicht viel sagen; begrüßen würde ich es auf jeden Fall.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und bitte Frau Bundesrätin Kurz um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Herr Dr. Bammer, mich würde interessieren, wie sich die Gesetzesbeschwerde aus Ihrer Sicht bislang bewährt hat.
Dr. Armin Bammer: Vielen Dank für diese für einen Anwalt natürlich sehr interessante Frage. Die Gesetzesbeschwerde, die es seit 2015 gibt, ermöglicht es jetzt, sehr viele Verfassungsfragen oder Verfassungsprobleme, die bislang nicht erörtert werden konnten, vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Das betrifft vor allem Bereiche, in denen ich auch tätig bin, zum Beispiel zivilrechtliche Fragestellungen vor allem im Bereich des Internets oder Urheberrechts und so weiter.
Da hatten Sie bislang keine Möglichkeit, Verfassungswidrigkeiten, die Sie wahrzunehmen glaubten, vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Sie waren darauf angewiesen, dass ein Gericht gnadenhalber einen Gesetzesantrag stellt. Seit 2016 ist es aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes möglich, dass jede Partei des Ausgangsverfahrens, nachdem das Urteil vorliegt, egal, ob sie gewonnen oder verloren hat, den Verfassungsgerichtshof anrufen kann. Dieser ist nunmehr gezwungen, anders als früher, inhaltlich zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.
Aus meiner Sicht, um Ihre Frage abschließend zu beantworten, hat sich die Gesetzesbeschwerde bewährt, insbesondere deshalb, weil der Verfassungsgerichtshof auch einige Ausnahmebestimmungen und eben die Antragslegitimationsfrage im Sinne des Rechtsschutzes geklärt hat. Das ist eine außerordentlich positive und zu begrüßende Sache, das bestreitet auch niemand mehr.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und bitte Frau Bundesrätin Aigner um ihre Frage.
Bundesrätin Ina Aigner (FPÖ, Niederösterreich): Herr Dr. Bammer, würden Sie, wenn Sie Verfassungsrichter wären, dafür eintreten, dass Gesetze so abgefasst sind, dass auch Menschen ohne juristische Ausbildung diese verstehen können?
Dr. Armin Bammer: Der Verfassungsgerichtshof hat schon einige Gesetze wegen Unverständlichkeit aufgehoben. Das waren Extremfälle, das sind diese berühmten Denksporterkenntnisse und so weiter, mit denen sich jeder Jusstudent ausführlicher befassen darf.
Das ist eine sehr komplexe Frage. Man sollte sicherlich versuchen, Gesetze, die mittlerweile sehr, sehr unübersichtlich und sehr, sehr unverständlich geworden sind, wenn es eine größere Novelle gibt, auch in sprachlicher Hinsicht einer Bereinigung zu unterziehen, ohne den normativen Sinn zu verändern.
Das hat man zum Beispiel gemacht, als man vor einigen Jahren das Schauspielergesetz novelliert hat und daraus das sogenannte Theaterarbeitsgesetz gemacht hat. Da ist man alles durchgegangen und hat das in eine einigermaßen moderne Rechtssprache gebracht – die Legisten sind ja mittlerweile sehr gut, wenn man sie lässt –, dass man sagt, wir ändern einen Gesetzestext, seien es ganze Bestimmungen oder überhaupt den ganzen Gesetzestext, so, dass möglichst wenig Juristendeutsch da ist, sondern dass man es auch als Normalsterblicher versteht. Im Übrigen ist es auch so, dass man selbst als Jurist, wenn man manche Gesetze liest, sie sechs Mal liest und sieben Auslegungen hineininterpretieren kann; also das Problem ist, glaube ich, leider nicht aus der Welt zu schaffen.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für die Antwort und bitte Frau Bundesrätin Dziedzic, ihre Frage zu stellen.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sie haben ganz kurz das Thema „Krise der liberalen Demokratie?“ – mit Fragezeichen – erwähnt. Mich würde interessieren, wie Sie dieses Spannungsverhältnis zwischen direkter Demokratie und repräsentativer Demokratie beurteilen.
†Dr. Armin Bammer: Vielen Dank für diese Frage, das war natürlich bei unserer Tagung, aber nicht nur bei der letzten Tagung, sondern auch bei zwei vorangegangenen Tagungen immer wieder ein Thema, ob und wie direkte Demokratie ausgebaut werden kann und soll. Man muss da extrem behutsam und vorsichtig sein. Meine Meinung, die sich aus etlichen Diskussionen, tagelangen Diskussionen mit hochkarätigen Experten immer mehr verdichtet hat, ist, dass man nicht punktuell Dinge machen kann, die vielleicht gut klingen, die dem Wähler vorgaukeln, jetzt habe er mehr Macht oder mehr Einfluss. Die Dinge können extrem gefährlich sein, wenn man sie macht, ohne die Folgewirkungen zu bedenken. Aus meiner Sicht ist es so, dass man, wenn man hier etwas versuchen möchte, auf der Ebene, die am besten dafür geeignet ist, anfangen und einmal Erfahrungen sammeln sollte; das wäre die lokale Ebene, also die Gemeindeebene.
Man sollte versuchen, Dinge, die überschaubar sind, wo die Menschen einander auch kennen, wo es um Probleme geht, die plastisch und leicht verständlich sind, durch Volksbegehren, Volksbefragungen, Volksabstimmungen auf lokaler Ebene zu lösen und da einmal einige Jahre Erfahrungen mit den Instrumenten, die angedacht werden, sammeln. Ich glaube, dass es erst dann sinnvoll ist, aufgrund der gewonnenen Erfahrungen darüber nachzudenken, ob man das auf die Landesebene und später vielleicht einmal auf die Bundesebene ausweitet.
Es hat auf jeden Fall – und das ist hier auch ein geeigneter Rahmen, diesen Satz noch zu sagen – jede Ausweitung der direkten Demokratie massive Auswirkungen auf die repräsentative Demokratie, das heißt, wenn Sie eines Tages eine Ausweitung der direkten Demokratie in irgendeiner Form beschließen, stellt sich die Frage der Rückkoppelung auf Ihre Tätigkeit, ob Sie dann vielleicht umgangen werden können – Klammer auf: Volksgesetzgebung –, wie Ihre Legitimation ist, et cetera. Das bitte ich schon auch zu bedenken.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich danke für Ihre Antworten. Sie haben jetzt Gelegenheit, noch ein Schlussstatement zu bringen. – Bitte.
Dr. Armin Bammer: Vielen Dank, dass Sie mir Ihre Zeit gewidmet haben und für die interessanten Fragen; ich werde Sie in guter Erinnerung behalten.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke schön. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
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Ich darf nun die nächste Kandidatin, Frau Mag.a Alexandra Baumann, in den Saal bitten.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Frau Mag. Baumann, ich darf Sie sehr herzlich bei uns begrüßen und ersuche Sie, uns die Gründe Ihrer Bewerbung zu nennen.
Ich weise darauf hin – das wird auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben, und bitte Sie, zu beginnen.
†Mag.a Alexandra Baumann: Eingangs möchte ich mich bedanken, dass Sie mir die Gelegenheit geben, mich persönlich bei Ihnen vorzustellen. Ich habe 1992 an der Handelsakademie in Wiener Neustadt maturiert und mich dann nach einer kurzen Überlegungsphase entschlossen, nicht zu studieren, sondern ins Berufsleben einzusteigen. Ich habe dann in verschiedensten kaufmännischen Bereichen gearbeitet, ein Rechtsanwalt bot mir eine Mitarbeit in seiner Kanzlei an, und ich habe mich dann dort zur Kanzleileiterin weiterentwickeln können.
Begeistert von der Juristerei habe ich den Entschluss gefasst, Rechtswissenschaften zu studieren. Ich habe bereits während meines Studiums ein Rechtshörerpraktikum am Bezirksgericht Wiener Neustadt absolviert, der Wunsch, Richterin zu werden, ist herangereift, und nach einer Zeit, die Fleiß und Zielstrebigkeit erfordert hat, ist mein Wunsch auch in Erfüllung gegangen, und ich habe im Februar 2008 die Richterprüfung abgelegt.
Mit April 2008 bin ich zur Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Wien ernannt worden, war dort kurze Zeit, dann ist der Präsident des Landesgerichtes Wiener Neustadt an mich herangetreten und hat mich eingeladen, mich auf eine Richterplanstelle in seinem Haus zu bewerben. Ich war von September 2008 bis Dezember 2014 als Haft- und Rechtsschutzrichterin, als Hauptverhandlungsrichterin und im strafrechtlichen Rechtsmittelsenat des Landesgerichtes eingesetzt, habe auch über Anträge auf bedingte Entlassung entschieden und Ausbildungskurse für Rechtspraktikanten abgehalten, die die richterliche Übernahme angestrebt haben.
Im November 2014 ergriff ich die Chance, mich auf eine Planstelle einer Oberstaatsanwältin bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien zu bewerben. Die Strafverfolgung im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte reizte mich, weshalb mich auch meine Ernennung im Jänner sehr freute. Die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat mir kurze Zeit später die verantwortungsvolle Tätigkeit einer Mediensprecherin übertragen, für die ich eine spezielle Ausbildung im Umgang mit den Medienvertretern erhielt. Letztes Jahr habe ich auch noch einen Zertifikatslehrgang in Wirtschaftsrecht erfolgreich abgeschlossen.
Kurz zu meinen Beweggründen: Ich habe als Richterin, als Staatsanwältin, aber auch als Mitglied des Rechtsmittelsenates umfassende berufliche Erfahrungen im Bereich des Strafrechts gemacht. Derzeit kommen nur ein Mitglied und ein Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, eine Verstärkung aus diesem Bereich wäre günstig. Auch im Hinblick darauf, dass eine Vielzahl der Parteianträge, die an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden, das Strafrecht und die Nebengesetze betrifft, wären meine Berufserfahrung und mein Wissen von Vorteil und auch ohne Einarbeitungszeit einsetzbar.
Ich habe als Oberstaatsanwältin fast täglich mit Grundrechtseingriffen zu tun, sei es bei Anordnungen von Festnahmen, Hausdurchsuchungen oder anderen Ermittlungsmaßnahmen, und das Interesse dafür, welchen Maßstab der Verfassungsgerichtshof zur Prüfung von formellen und materiellen Normen anwendet, war meine Motivation zur Dienstzuteilung zum Verfassungsgerichtshof. Ich bin seit November 2017 dienstzugeteilt und habe ein besonderes Interesse für diese spannende und herausfordernde Tätigkeit entwickelt, die mich wirklich anspornt, mich weiter ins Verfassungsrecht zu vertiefen. Ich konnte meine Einsatzbereitschaft bereits durch die Erstellung von Entscheidungsentwürfen unter Beweis stellen.
Im Fall meiner Ernennung wäre ich außer Dienst zu stellen und könnte mich gänzlich auf die Anforderungen, die an ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes als ständige Referentin gestellt werden, konzentrieren. Sollten Sie einen Vorschlag meiner Person in Erwägung ziehen, kann ich Ihnen versichern, dass ich durch mein Engagement und meine Fähigkeit, mich rasch in Rechtsgebiete einzuarbeiten, ein wertgeschätztes Mitglied des Kollegiums wäre. – Herzlichen Dank.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat oder Kandidatin gestellt werden kann.
Ich bitte Herrn Bundesrat Brunner um seine Frage.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Mag. Baumann, danke für Ihre Ausführungen und Vorstellung! Ihr Fokus, haben Sie ausgeführt, lag bisher eher im Strafrechtsbereich. Für uns als Länderkammer ist natürlich auch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern, auch was die Kompetenzverteilung betrifft, sehr interessant. In den letzten Wochen wurde immer wieder auch über die Abschaffung des Artikels 12 B-VG diskutiert, also die geteilte Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern. (Bewerberin Baumann: Ja, ich weiß!) Wie sehen Sie die Diskussion und wie ist da Ihre Einschätzung und Meinung?
Mag.a Alexandra Baumann: Die Kompetenzverteilung ist Aufgabe des Gesetzgebers, das ist natürlich klar, und klarer Föderalismus, der ja auch im Regierungsprogramm steht, ist wichtig, auf jeden Fall muss aber die Länderbeteiligung erhalten werden. Den Artikel 12 abzuschaffen, wonach Grundsatzgesetzgebung beim Bund und Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung beim Land sind, darüber könnte man diskutieren; einerseits wird im Regierungsprogramm gesagt: abschaffen, andererseits spricht man bei der Mindestsicherung davon, dass man da möglicherweise eine Grundsatzgesetzgebung machen müsste und die Ausführungsgesetzgebung den Ländern überlässt.
Ob das sinnvoll ist oder nicht, kann ich jetzt hier ad hoc nicht beurteilen. Ich glaube, dass man Föderalismus nach dem Prinzip, auch wenn man auf EU-Ebene schaut, der Subsidiarität halten sollte, dass diejenige Stelle die Regelung und auch die Vollziehung machen sollte, die am besten dafür geeignet ist, um das Ziel der Maßnahme zu erreichen; das würde ich anstreben.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Kurz um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Mag. Baumann! Es ist ja so: Wenn der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde abweist oder ablehnt, dann kann die Abtretung an den VwGH verlangt werden. Wie beurteilen Sie diese Möglichkeit, diesen Abtretungsbeschluss nach Art. 144 Abs. 3 B-VG zu fassen?
Mag.a Alexandra Baumann: Ich kann Ihnen nur sagen, was ich jetzt am Verfassungsgerichtshof dazu gesehen habe, dass das in Asylfällen immer wieder beantragt wird. Bei Abweisung an den Verwaltungsgerichtshof zu überweisen, finde ich gut, weil dann eine weitere Instanz über die Beschwerde entscheidet. Es ist ja auch in den Medien immer wieder kolportiert worden, dass man die ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof in Asylsachen ausschalten möchte und nur mehr den Verfassungsgerichtshof anrufen kann. Das würde ich jetzt in einem so sensiblen Thema, wenn es um Menschenrechte geht, nicht als sinnvoll empfinden. Deswegen würde ich auch beides beibehalten und auch diese Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beibehalten und auch sinnvoll finden.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Schuster um seine Frage.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Mag. Baumann! Sie sind ja Strafrechtsexpertin. Meine Frage geht jetzt auch eher in diese Richtung: Für welche Bereiche im Strafrecht könnten Sie sich aktuell eine Verschärfung beziehungsweise eine Erhöhung des Strafrahmens vorstellen, oder ist es so in Ordnung, wie es gerade ist?
Mag.a Alexandra Baumann: Wenn Sie sich den Sicherheitsbericht aus dem Jahr 2016 anschauen, in dem ja die Gewaltdelikte und auch die Delikte im Sexualbereich vermehrt aufgetreten sind, kann man natürlich darüber diskutieren, ob man jetzt die Strafen erhöht. Ich habe am Landesgericht in Wiener Neustadt lange Jahre die Sitte verhandelt und kann Ihnen nur aus meiner Berufserfahrung sagen: Auch wenn ich jetzt für Vergewaltigungen oder Kindesmissbrauch hohe Strafen verhängt habe und ich der Ansicht war, dass das angemessen ist, haben die Obergerichte die Strafen meistens reduziert. Von daher könnte man sich überlegen, ob man vielleicht gerade bei Sexualdelikten die Mindeststrafe anhebt, um zu verhindern, dass die Strafe korrigiert wird. Nach oben würde ich sie nicht erhöhen. Wir haben jetzt einen Strafrahmen von ein bis zehn Jahre, auch bei Kindesmissbrauch. Das ist ein System, das aufeinander abgestimmt ist. Was die Tathandlung anlangt, wird die Strafe halt milder. Wenn man aber Untergrenzen erhöht, würde ich das als sinnvoll empfinden.
Den Bereich Gewaltdelikte gegen Leib und Leben und Vermögensdelikte hat man, glaube ich, jetzt sehr gut geregelt. Da würde ich einmal schauen, inwieweit sich das auswirkt, um dann möglicherweise zu evaluieren. Wenn es dann noch eine Erhöhung braucht, könnte man es sich überlegen. Aber gerade jetzt, wo bei den Vermögensdelikten durch die Wertgrenzennovelle eine gute Anpassung stattgefunden hat, würde ich einmal schauen, was die Judikatur daraus macht.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage. – Es kommt keine Frage mehr.
Ich darf Sie noch kurz um ein Schlussstatement bitten.
Mag.a Alexandra Baumann: Es hat mich sehr gefreut, dass ich mich bei Ihnen vorstellen darf. Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen guten Einblick in meinen Lebenslauf und meinen Werdegang geben. Vielleicht ist auch ein bisschen der Funke meiner Begeisterung für Verfassungsrecht auf Sie übergesprungen. – Danke schön.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihr Kommen und wünsche noch einen schönen Tag.
*****
Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Univ.-Prof. Dr. Gerhard Baumgartner, in den Saal bitten.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Professor Baumgartner! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und ersuche Sie, die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen. Ich weise darauf hin – dies wird auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. Ich bitte Sie um Ihre Ausführungen.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass ich mich heute hier vorstellen darf und Sie mir die Gelegenheit bieten, die Beweggründe für meine Bewerbung darzulegen. Ich darf zunächst mit meinem beruflichen Werdegang beginnen und möchte Ihnen dann auf dieser Basis meine Motive für die Bewerbung erklären.
Nachdem ich meine schulische Ausbildung in meinem Heimatbundesland Oberösterreich abgeschlossen habe, habe ich an der Universität Salzburg Rechtswissenschaften studiert. Ich habe dort dann auch das Doktoratsstudium mit einer Dissertation zum Thema EU-Mitgliedschaft und Grundrechtsschutz, die auch publiziert wurde, absolviert. Im Anschluss habe ich eine Stelle am dortigen Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht angetreten und habe zugleich mein Gerichtspraktikum am Bezirks- beziehungsweise Landesgericht Salzburg absolviert. Wenn Sie mir die Randnotiz erlauben: Beinahe wäre ich in der Justiz geblieben, dann gab es aber doch die Möglichkeit, eine Stelle am Institut zu bekommen. Ich war dann rund vier Jahre Universitätsassistent am Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Universität Salzburg, ehe es mich dann im Jahr 2001 nach Wien gezogen hat.
Ich bin Referent im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst geworden und habe dort unter anderem auch Gerichtsverfahren, sei es vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder auch vor dem Verfassungsgerichtshof, gewissermaßen von der Regierungsseite kennengelernt.
Im Anschluss ging es dann wieder zurück in die Wissenschaft. Ich habe ein Apart-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erhalten, das ich genutzt habe, um meine Habilitationsschrift zu verfassen. Im Jahr 2005 wurde mir dann die Lehrbefugnis für die Fächer Verfassungs- und Verwaltungsrecht einschließlich ihrer Bezüge zum Europarecht verliehen. Basis war eine Habilitationsschrift zum Thema Ausgliederung und öffentlicher Dienst.
Zu diesem Zeitpunkt war ich schon wieder in der Praxis tätig. Ich war bis 2007 Referent und Rechtsberater im Kabinett des Bundeskanzlers. Dann bin ich ins Finanzministerium gewechselt, war Referent und Rechtsberater im Kabinett des Vizekanzlers und des Bundesministers für Finanzen. 2009 bin ich dann wieder zurück in die Wissenschaft. Ich habe eine Professur für Öffentliches Recht an der Wirtschaftsuniversität Wien angenommen. 2011 erfolgte dann der Wechsel nach Klagenfurt, wo ich den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Alpen-Adria-Universität innehabe. Ich darf noch ergänzen, dass ich 2016/17 außerdem Prodekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Klagenfurt war.
Auf der Basis dieser beruflichen Laufbahn und meiner wissenschaftlichen Tätigkeit bin ich der Meinung, dass ich die Voraussetzungen mitbringe, um die Anforderungen an ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes entsprechend erfüllen zu können. Ich glaube, dass ich – wie wahrscheinlich wenige im akademischen Bereich – eine Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis herstellen kann. Ich verfüge einerseits aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit in der Wissenschaft, in Forschung und Lehre, aufgrund meiner Venia über umfassende Kenntnisse des Verfassungsrechts, des Verwaltungsrechts und des Europarechts. Das Ganze ist natürlich auch durch ein umfassendes Schriftenverzeichnis und eine umfangreiche Vortrags- und Lehrtätigkeit dokumentiert.
Auf der anderen Seite steht eine sehr reichhaltige Praxiserfahrung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, natürlich vor allem aufgrund meiner Beschäftigung im Bundeskanzleramt und im Bundesministerium für Finanzen, aber man ist natürlich auch im Zuge der Tätigkeit als Universitätslehrer vielfach mit Fragen der Praxis befasst. Konkret erwähnen möchte ich den Umstand, dass ich seit vielen Jahren stellvertretender Vorsitzender des Datenschutzrates bin, mich daher beispielsweise auch intensiv mit Fragen des Datenschutzes beschäftige.
Ich darf zusammenfassen: Es würde mich sehr freuen, wenn ich die Möglichkeit hätte, mein Wissen und meine reiche Erfahrung im öffentlichen Recht als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes zu nutzen. Sie können sich vorstellen, dass das für jemanden, der sich gewissermaßen sein ganzes Berufsleben mit dem öffentlichen Recht intensiv beschäftigt hat, eine sehr reizvolle und spannende Aufgabe wäre. – Danke.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie, nun für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat gestellt wird.
Ich bitte Frau Bundesrätin Kern um ihre Frage.
Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Danke für die Vorstellung. Aufgrund Ihres Lebenslaufs würde mich Ihre Beurteilung des Zusammenspiels von Europäischem Gerichtshof, Verfassungsgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte interessieren. Wie beurteilen Sie das Verhältnis und das Zusammenspiel?
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner: Wenn Sie diese drei Gerichte erwähnen, also den österreichischen Verfassungsgerichtshof und die beiden Europäischen Gerichtshöfe, dann sprechen wir von dem, was wir in der Wissenschaft als Mehrebenensystem bezeichnen. Wir haben hier keine Höchstgerichte mehr, die für sich gewissermaßen allein das Recht sprechen, sondern die Gerichte sind über verschiedene verfahrensrechtliche Instrumente miteinander verbunden und beachten daher natürlich auch ganz genau, was die anderen machen. Das hängt auch damit zusammen, dass es bei den Grundrechtsquellen, die hier einschlägig sind, weitgehende Überschneidungen gibt.
Wir haben diese besondere Situation in Österreich, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich Verfassungsrang hat und damit der Verfassungsgerichtshof diese Rechte als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte zu beurteilen hat, während sie der EGMR als Konventionsrechte beurteilt. Hier ist natürlich manchmal ein gewisses Spannungsfeld gegeben. Manchmal ist es auch so, dass der Verfassungsgerichtshof der Judikatur nicht folgt, im Regelfall erleben wir aber hier einen weitgehenden Gleichklang der Rechtsprechung.
Auf der anderen Seite haben wir den Europäischen Gerichtshof, für den wiederum die Europäische Grundrechtecharta in diesem Bereich von besonderer Relevanz ist, die wiederum im Wesentlichen auf Grundrechten der Europäischen Menschenrechtskonvention beruht. Auch hier haben wir diese spannende Verzahnung, dass der Verfassungsgerichtshof in einem sehr bemerkenswerten Erkenntnis die Auffassung vertreten hat, dass die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta, soweit sie in ihrer Formulierung und Bestimmtheit den Rechten der österreichischen Verfassungsrechtsordnung entsprechen, auch vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden können, dass auch der Verfassungsgerichtshof in die Situation kommt, die EU-Grundrechtecharta zu beurteilen.
Der Verfassungsgerichtshof scheut sich aber auch nicht – ich glaube, er hat hier durchaus eine prominente Rolle unter den europäischen Höchstgerichten –, den EuGH auch im Wege der Vorabentscheidung bei ganz bedeutsamen Fragen immer wieder anzurufen. Auf diese Art und Weise findet gewissermaßen ein Dialog der Gerichtshöfe statt, der, glaube ich, sehr fruchtbar ist.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und bitte Frau Bundesrätin Kurz, ihre Frage zu stellen.
†Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Dr. Baumgartner! Mich würde interessieren, wie Sie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Bundespräsidentenwahl sehen?
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner|: Das ist jetzt natürlich eine schwierige Frage. – Nein, sie ist gar nicht so schwierig. Für den Verfassungsgerichtshof war das sicher eine ganz besondere Herausforderung, ein solches Verfahren zu bewältigen. Der Verfassungsgerichtshof ist dadurch auch in besonderem Maße im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden, hat sich auch manche Kritik gefallen lassen müssen. Ohne jetzt natürlich jedes Detail dieses Aktes zu kennen, glaube ich aber, dass man sich als Verfassungsjurist nicht wundern darf, dass die Entscheidung so ausgegangen ist, wie sie ausgegangen ist.
Der Verfassungsgerichtshof ist im Grunde seiner Linie treu geblieben und hat festgehalten: Wenn es hier Unregelmäßigkeiten im Zuge des Wahlverfahrens gab und die Möglichkeit besteht, dass das Auswirkungen auf das Wahlergebnis hat, und es also nicht darum geht, ob und in welcher Form es dann tatsächlich zu diesen Auswirkungen gekommen ist, weil das natürlich auch wahnsinnig schwierig nachzuweisen ist - - Also er ist bei seiner Linie geblieben und hat diesen Wahlgang aufgehoben. Insofern glaube ich, dass das auch ein schönes Beispiel dafür ist, wie Verfassungsgerichtsbarkeit ganz wesentlich dazu beitragen kann, den Rechtsfrieden zu wahren.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Sperl um seine Frage.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Universitätsprofessor Dr. Baumgartner! Meine Frage geht auch ein bisschen in diese Richtung: Welche Bedeutung hat für Sie der Verfassungsgerichtshof heute? Gibt es Ihrer Ansicht nach noch auffällige Lücken oder Defizite in diesem Rechtsschutzsystem?
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner: Ich glaube, dass ich das bei der Antwort auf die vorhergehende Frage schon angedeutet habe: Der Verfassungsgerichtshof – die österreichische Verfassungsgerichtsbarkeit ist ja gewissermaßen auch ein Vorbild für andere Staaten gewesen – hat eine ganz zentrale Funktion für das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates, schafft Stabilität, indem eben politische oder potenziell politische Konflikte in Rechtskonflikte umgewandelt werden und damit auch einer rechtlichen Lösung zugeführt werden können. Ich glaube, dass das eine ganz zentrale Aufgabe eines Verfassungsgerichtshofes ist. So gesehen ist der Verfassungsgerichtshof nicht nur Garant der Rechtsstaatlichkeit im Land, sondern auch ein ganz wesentlicher Faktor für politische Stabilität.
Wenn Sie jetzt Rechtsschutzlücken ansprechen – ich sehe jedenfalls keine gravierenden. Es gab lange Zeit aus meiner Sicht ein Defizit, was die Möglichkeit der Anfechtung genereller Normen aus Gerichtsverfahren heraus anlangt, das hat man aber mittlerweile durch die Einführung des Parteienantrags auf Normenkontrolle oder der Gesetzesbeschwerde, wie das auch genannt wird, geschlossen. Das war, glaube ich, ein ganz großer Meilenstein für den Rechtsschutz. Man sieht ja auch, dass dieses Verfahren ganz intensiv genutzt wird. So gesehen sehe ich jetzt keine großen Rechtsschutzlücken.
Ich würde eher sogar die Beobachtung anführen, dass der Verfassungsgerichtshof zunehmend zusätzliche Aufgaben bekommt. Ich denke da jetzt an die zusätzlichen Kompetenzen, die er im Zuge der Reform des Rechts der Untersuchungsausschüsse erhalten hat. Es finden sich auch im Regierungsprogramm, etwa im Zusammenhang mit Volksabstimmungen, Hinweise darauf, dass man daran denkt, den Verfassungsgerichtshof mit zusätzlichen Kompetenzen auszustatten.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Antwort und bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sie haben neben Ihren vielfältigen Tätigkeiten auch die Kabinettstätigkeit im Kabinett Schüssel und Molterer erwähnt. Mich würde interessieren, welchen Stellenwert die politische Unabhängigkeit eines Verfassungsrichters für Sie hat.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner: Wenn Sie die jetzigen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes betrachten, werden Sie feststellen, dass es natürlich auch Mitglieder gibt, die in ihrer vorherigen beruflichen Laufbahn entsprechende Tätigkeiten ausgeübt haben. Das kann jetzt nicht heißen, dass man sozusagen frei von jeder Weltanschauung ist, das ist auch nicht der Sinn. Als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes ist man aber ausschließlich dem Recht verpflichtet und nicht einer Weltanschauung, keiner politischen Richtung oder dergleichen, sondern man hat die Aufgabe, die Verfassung zu beurteilen, die Verfassung auszulegen, die Übereinstimmung einfacher Gesetze, von Verordnungen, von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte am Maßstab des Verfassungsrechts zu beurteilen. Es ist selbstverständlich, dass die Tätigkeit in dieser Funktion in völliger Unabhängigkeit auszuüben ist. Das ist ein zentrales Merkmal jeder funktionierenden Gerichtsbarkeit.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und ersuche Sie, jetzt ein kurzes Schlussstatement abzugeben.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Baumgartner: Ich kann mich nur noch einmal bedanken, auch für Ihre Fragen. Sie haben mir die Gelegenheit gegeben, meine Sichtweise der Verfassungsgerichtsbarkeit punktuell darzulegen. Wie gesagt, glaube ich, dass ich aufgrund meiner beruflichen Erfahrung und meiner Tätigkeit die Voraussetzungen für dieses Amt in hohem Maße mitbringe. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie meine Bewerbung wohlwollend beurteilen. – Danke.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen recht herzlich und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
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Wir machen jetzt eine Pause bis 11.10 Uhr. Ich bitte Sie, um 11.10 Uhr wieder in den Saal zu kommen, damit wir die Enquete fortsetzen können.
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(Die Enquete wird um 10.38 Uhr unterbrochen und um 11.11 Uhr wieder aufgenommen.)
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Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und ersuche darum, den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Johannes Hock, in den Saal zu bitten.
Rechtsanwalt Dr. Johannes Hock
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Herr Dr. Hock! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen. Ich ersuche Sie, Platz zu nehmen und uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin, dass Sie – das wird auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten – für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. Ich bitte Sie, zu beginnen.
Dr. Johannes Hock: Ich danke sehr herzlich für die Einladung und ergreife gerne die Möglichkeit, Ihnen meine Kompetenzen und Haltungen zu präsentieren.
Meinen Lebenslauf haben Sie gesehen, er liegt Ihnen vor. Sie können aus diesem Lebenslauf erkennen, dass ich seit meinem 20. Lebensjahr sehr zielstrebig juristische Berufe ausgeübt habe, zunächst als Assistent am Institut für Zivilrecht an der Universität Wien bei Professor Welser, dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof, als Konzipient in einer Wiener Kanzlei mit sehr starker internationaler Ausrichtung. Seit 1987 bin ich als Rechtsanwalt in Wien selbständig.
Ich bin ein Praktiker. Ich bin auf dem Gebiet des Unternehmensrechts und des Zivilrechts, aber ebenso auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und des Verfassungsrechts zu Hause. Was ich am Beginn meiner Karriere als Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof lernte, habe ich nicht vergessen. Große Erfahrung habe ich durch mehr als 20 Jahre auf dem Gebiet der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit erworben. Häufig werde ich als Schiedsrichter in internationalen und österreichischen Schiedsverfahren nominiert. Viele Mandate habe ich in Schiedsverfahren erhalten, die nach den Regeln der Bundeswirtschaftskammer abgeführt werden, auch zahlreiche von der International Chamber of Commerce in Paris.
Ich will Ihnen damit eines vermitteln: Ich bin nicht nur mit langjähriger Erfahrung als Vertreter für meine Mandanten erfolgreich tätig, sondern ich habe jahrzehntelange profunde Erfahrung bei der Verfassung von Entscheidungen. Schiedssprüche sind letztinstanzliche, international vollstreckbare Entscheidungen – und diese habe ich in kommerziellen, internationalen Angelegenheiten geschrieben und zu verantworten –, bei denen die Effizienz, die Objektivität, die Präzision und juristische Kenntnisse die Basis richtiger Entscheidungen sind. Ich bin wirklich stolz darauf, dass keine einzige Entscheidung, die ich zu verantworten hatte, vor einem Gericht angefochten oder aufgehoben wurde.
Ich bin auch stolz darauf, dass ich von vielen Kollegen, die meine Arbeitsweise und meine Expertise kennen und erfahren haben, immer wieder als Schiedsrichter nominiert werde. Es ist eine hohe Auszeichnung für mich gewesen, dass ich zum Präsidenten der Österreichischen Vereinigung für Schiedsgerichtsbarkeit gewählt wurde; die heißt Arb/Aut und beschäftigt sich mit der Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit in Österreich.
Sie werden wahrscheinlich auch noch interessiert sein, welche Werthaltungen, welche Überzeugungen ich habe. Ich persönlich sehe mich gerne – und bin es, glaube ich, auch – als einen sehr aufgeklärten, der Freiheit, der Gleichheit, der Solidarität verpflichteten und kritischen Bürger, also das, was man als Citoyen bezeichnen könnte. Ich bin immer gerne bereit, Verantwortung zu übernehmen, um unsere verfassungsrechtlichen Prinzipien, die Menschen- und die Bürgerrechte unserer Republik umzusetzen und zu sichern.
Der Verfassungsgerichtshof ist mit seinen zahlreichen Kompetenzen eine ganz grundlegende Institution in unserem Staatsgefüge. Die Unabhängigkeit seiner Mitglieder ist eine Säule des Rechtsstaates und eine Voraussetzung dafür, dass die Prinzipien der Gewaltentrennung gesichert werden, dass die Menschenrechte gesichert werden und dass die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung und der Vollziehung gesichert ist.
Die Bundesverfassung erlaubt es, Richter in den Verfassungsgerichtshof zu nominieren, die nicht staats- oder parteinahe sind, dem Bundespräsidenten also praktisch tätige Juristen vorzuschlagen, die ein Korrektiv gegen zu starke Abhängigkeiten von der Politik, von der Gesetzgebung und von den Behörden sind. Die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofes und seiner Mitglieder ist ein ganz hoher Wert, ein ganz zentraler Wert.
Gestatten Sie mir einen Hinweis auf die Geschichte: Die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 1933 konnte nur deswegen geschehen, weil Mitglieder am Verfassungsgerichtshof tätig waren, die kein Rückgrat hatten und über einen Wink der Bundesregierung zurückgetreten sind, anstatt ihrer Verantwortung als Hüter der demokratischen Verfassung gerecht zu werden. Sie alle wissen, dass auch heute in der Europäischen Union in anderen Mitgliedsländern die Unabhängigkeit von Höchstgerichten in Diskussion steht. Keiner Diskussion sollte es bedürfen, dass die Sicherung der Unabhängigkeit und der Kompetenzen des Verfassungsgerichts unabdingbare Werte sind.
Ich kann Arbeitseinsatz und Arbeitsethos einbringen, das bin ich von meiner Tätigkeit als Anwalt gewöhnt. Effizientes Arbeiten ist für mich ein Synonym für die Übernahme von Verantwortung im Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und ist auch in meinem Alltag unerlässlich. Der Verfassungsgerichtshof benötigt Mitglieder, die bereit sind, Verantwortung nicht durch Worte, sondern durch effiziente Arbeit und persönlichen Einsatz zu übernehmen. Mit großer Freude würde ich diese Aufgaben erfüllen. – Danke.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat gestellt wird.
Frau Bundesrätin Zwazl, ich bitte um Ihre Frage.
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Dr. Hock! Sie haben einen sehr beeindruckenden Lebenslauf. Ich freue mich, dass ich Sie heute auch persönlich kennenlernen darf. Sie haben auch gesagt, dass Sie im Verfassungsgerichtshof schon Erfahrung gesammelt haben. Sie haben uns ein bisschen einen Blick in die Geschichte des Verfassungsgerichtshofes gegeben.
Meine Frage geht in folgende Richtung: Was sehen Sie jetzt wirklich als die aktuellsten Herausforderungen in Zukunft auf den Verfassungsgerichtshof zukommen?
Dr. Johannes Hock: Wenn ich sage, dass das die üblichen Herausforderungen sind, denen er sich schon immer stellen musste, dann ist das durch die Analysen in den Tätigkeitsberichten des Verfassungsgerichtshofes zu untermauern. Es gibt eine Vielzahl an Entscheidungen, eine Vielzahl von Fällen, vor allem im fremdenrechtlichen und asylrechtlichen Bereich, die abgearbeitet werden müssen. Das ist eine große Herausforderung für alle Mitarbeiter, nicht nur für die Referenten und für alle Verfassungsrichter, dass dieser sich immer weiter schleppende Rückstand abgebaut werden kann. Das geht mit Arbeit.
Die Herausforderung für den Verfassungsgerichtshof ist immer die konkrete Umsetzung der Grundwerte unserer Verfassung in Gesetzesprüfungsverfahren, in Verordnungsprüfungsverfahren, in Beschwerdeverfahren. Ich glaube, dass es bei dieser Vielzahl an Kompetenzen eigentlich keine Einschränkung geben darf, dass ein Fokus auf irgendetwas speziell gerichtet werden muss. Es sind alle diese Aufgaben voll, mit Verantwortung und auch möglichst effizient und auch möglichst rasch zu erfüllen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Schabhüttl um seine Frage.
Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland)|: Herr Präsident! Herr Dr. Hock! Ich möchte mich auch anfangs einmal für Ihr Eingangsstatement bedanken. Ich möchte mich auch bedanken, dass Sie sich heute hier diesem Hearing auch im Hinblick darauf stellen, was laut Medien vielleicht schon von den Regierungsparteien festgelegt worden ist. Nichtsdestotrotz werden wir diese Aufgabe jetzt hier wahrnehmen.
Wir hatten in der Pause eine kurze Diskussion über das sogenannte natürliche Rechtsempfinden. Dazu meine Frage: Welche Bedeutung messen Sie diesem natürlichen Rechtsempfinden im Gesetzgebungsprozess und im staatlichen Gefüge zu?
Dr. Johannes Hock: Die Frage ist fast ein bisschen philosophisch. Ich beantworte sie sehr gerne und ich beantworte sie sehr direkt. Als Rechtsanwender, egal ob als Schiedsrichter, als Anwalt oder wenn ich bestellt würde, hat das natürliche Rechtsempfinden überhaupt keine Chance. Ich bin ein Positivist. Das geschriebene Recht, ob das die Verfassung ist, ob das die Gesetze sind, hilft meistens. Ich sage vielen, die zu interpretieren anfangen und irgendwelche Ideen einbringen wollen, wie irgendein Gesetz interpretiert werden muss: zuerst den Gesetzestext lesen und verstehen, damit ist bereits sehr viel der Arbeit getan, und bitte nicht anfangen, persönliche Wertungen oder Ideen oder so etwas wie natürliches Rechtsempfinden als Werte hineinzubringen, die nicht erforscht sind und nicht legitimiert sind.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Aigner um ihre Frage.
Bundesrätin Ina Aigner (FPÖ, Niederösterreich): Herr Dr. Hock! Ich habe eine ganz andere Frage an Sie: Welche zusätzlichen Kompetenzen könnten Sie sich für den Bundesrat vorstellen, um seine Position zu stärken?
Dr. Johannes Hock: Ich bin nicht der Gesetzgeber und schon gar nicht der Verfassungsgesetzgeber. Ich sehe, dass der Bundesrat tatsächlich im Gefüge relativ wenig Kompetenzen hat. Wenn Sie mich um meine politische Überzeugung fragen, wie denn der Föderalismus, der ja im Bundesrat als mitwirkendes Organ bei der Gesetzgebung zum Ausdruck kommt, gestärkt werden könnte, dann denke ich eigentlich eher daran – das ist jetzt aber nur eine politische Idee dazu, das hat mit Verfassungsrecht, wie es jetzt gelebt wird, nichts zu tun –, dass man über das Wahlrecht nachdenken könnte.
Ich bin immer ein Verfechter des Prinzips, dass die zwei Kammern des Parlaments durch unterschiedliche Wahlsysteme gewählt werden sollten. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man ähnlich wie im amerikanischen Senat einfach direkte Wahlen aus den Bundesländern heraus macht und dem Bundesrat mit Leuten, die von der Bevölkerung direkt gewählt sind, etwas mehr Einfluss einräumt, als er wahrscheinlich tatsächlich hat. Außer heute zum Beispiel – heute haben Sie ja relativ viel Einfluss.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Ich möchte hier an die Frage nach den Herausforderungen anschließen. Sie haben erwähnt, dass es vielfältige Kompetenzen und natürlich die Unabhängigkeit als oberstes Gut gibt. Welche gilt es aus Ihrer Sicht vordergründig zu verteidigen und wie kann oder könnte die Unabhängigkeit im Allgemeinen aus Ihrer Sicht gewahrt werden?
Dr. Johannes Hock: Auch in meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof, das ist schon lange her, war nie ein Thema, dass Beeinflussungen der Richter von außen tatsächlich stattgefunden hatten. Das war nicht der Fall. Ich bin auch der Überzeugung, dass seither diese Beeinflussungen nicht stattfinden. Das liegt daran, dass die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes eine sehr starke Unabhängigkeit von der Verfassung auferlegt bekommen haben und dieser Verantwortung komplett gerecht werden.
Ich glaube also nicht, dass es da einen Verbesserungsbedarf gibt, ich glaube nur, dass man sich in der Diskussion über Entscheidungen immer vor Augen halten muss: Diese Unabhängigkeit ist einer der größten Werte, die in dieser Institution verankert sein müssen, und es muss sich jedes Mitglied dieser Unabhängigkeit und seiner Verantwortung bewusst sein. Ich glaube aber nicht, dass es irgendeine Möglichkeit gibt, das jetzt zusätzlich gesetzgeberisch zu verankern, denn das ist bei einem Höchstorgan eine Selbstverständlichkeit.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Dr. Hock! Ich danke Ihnen für Ihre Antworten und gebe Ihnen noch die Gelegenheit für ein kurzes Schlussstatement.
Dr. Johannes Hock: Ich kann mich nur wiederholen: Ich würde mich sehr freuen, wenn ich den Bundesrat davon überzeugen könnte, mich zu nominieren. Ich glaube, dass ich genau durch Rückgrat, Expertise, effizientes Arbeiten und strukturierte Vorbereitungen einen wesentlichen Beitrag liefern könnte, denn: Es geht nicht nur darum, dass die Entscheidungen von guter Qualität sind, es geht auch darum, dass Entscheidungen gerade von Höchstgerichten so schnell wie möglich gefällt werden können. Das sind nämlich oft wirklich wesentliche politische Entscheidungen im Gesamtgefüge unserer Republik, und es geht nicht, dass jahrelang auf Entscheidungen in wesentlichen Fragen gewartet werden muss. – Danke vielmals.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Lothar Hofmann, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Dr. Lothar Hofmann, LL.M.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Dr. Hofmann! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und Sie bitten, Platz zu nehmen.
Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin – dies gilt auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben.
Dr. Lothar Hofmann, LL.M.: Grüß Gott! Guten Tag! Die Gründe, warum ich mich für diese Position bewerbe, sind recht einfach: Ich denke, dass ich alt genug bin, das muss ich an meinem Alter feststellen. Ich bin Jurist, das bin ich eigentlich schon mein ganzes Berufsleben. Ich bin ein klassischer Anwalt, ich würde sagen, ein Wirtschaftsanwalt. Wenn ich mir die Mitgliederliste des Gerichtshofes anschaue, sehe ich dort eigentlich nicht so viele Zivilrechtler. Natürlich ist Verfassung ein öffentliches Rechtsgebiet, aber die Verfassung steht doch über allem, und ich glaube, dass es nicht so schlecht wäre, wenn in diesem Gerichtshof ein klassischer Wirtschaftsanwalt drinnen wäre.
Ich selber habe viele verschiedene Sachen gemacht, die von einer Assistententätigkeit angefangen über eine langjährige Prüfertätigkeit als Rechtsanwaltsprüfer gehen. Ich habe auch einige andere kolportierte Kandidaten geprüft, und das habe ich auch immer sehr gerne gemacht. Mir ist da immer das öffentliche Recht zugeteilt worden, weil das bei den Rechtsanwälten eher unbeliebt ist.
Dann bin ich auch seit fast 10 Jahren Mitglied des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien. Da habe ich einmal eine andere Position kennengelernt, denn davor war ich an sich immer der, der entweder in einer Verteidigungsposition war, weil jemand anderer etwas von uns wollte – ich mache durchaus auch Strafsachen, aber halt das zivilrechtliche Spektrum –, oder ich habe selber formuliert, was ich erledigt haben möchte. Ich habe eine Klage formuliert, ich habe selber etwas vorbereitet und habe vorgelegt, was das Gericht bitte entscheiden soll. In der Tätigkeit als Disziplinarrat habe ich dann einmal gesehen, wie es ist, wenn man über Dinge, die einem andere vorlegen, zu entscheiden hat. Das ist eigentlich durchaus auch eine interessante Sache. Deshalb glaube ich, dass ich für diese Sache trotz aller Realitäten, die da um einen so herumschweben, durchaus ein geeigneter Kandidat wäre.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie, nun für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere auch an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat gestellt werden kann.
Ich bitte Herrn Bundesrat Janacek um seine Frage.
Bundesrat Mag. Roman Janacek (ÖVP, Niederösterreich): Herr Dr. Hofmann! Wie aus Ihrem Lebenslauf hervorgeht, sind Sie auch international sehr weit herumgekommen und haben sicherlich schon viel gesehen. Mich beziehungsweise uns würde interessieren, ob Sie bei Deregulierung, Vereinfachung von Gesetzen, besserer Lesbarkeit eine Rolle für den Verfassungsgerichtshof sehen? Wenn ja, welche? Welche Erfahrung können Sie da aus Ihrer Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei mit einbringen?
Dr. Lothar Hofmann, LL.M.: Danke für diese Frage. Ich versuche, es kurz zu fassen: Natürlich hat der Verfassungsgerichtshof da auch eine Rolle, weil der Verfassungsgerichtshof unter anderem die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen prüft, und wenn die zu kompliziert wären, dann kann allein das schon ein Grund sein, denke ich, dass das ein Verfassungsproblem ist. Schon aus dieser einfachen Relation: Ja. Ich erspare mir große juristische Ausführungen.
Was kann ich da einbringen? – Na ja, um vielleicht noch einmal auf die Liste der Mitglieder zurückzukommen: Die meisten sind eigentlich von einer öffentlich-rechtlichen Tradition geprägt. Es gibt ein paar Anwälte, ja, natürlich. Ich glaube, dass Anwälte, und das nehme ich für mich in Anspruch, weil ich auch sehr viele verschiedene Sachen gemacht habe - - Ich lasse mich zwar nicht gern als Wald-und-Wiesen-Anwalt bezeichnen, das sind nämlich die, die alles machen. Ich denke schon, dass ich sehr viele Spezialgebiete bediene wie Kartellrecht, Vergaberecht, Gesellschaftsrecht, also durchaus schwierige Materien. Ich habe da viele Erfahrungen gesammelt, und ich hätte schon einige Ideen, wie man manche Sachen ein bisschen anders machen könnte. Gerade darum glaube ich, dass jemand, der sich doch viele Jahre in der Praxis mit solchen Dingen, nämlich mit der Anwendung der Gesetze, beschäftigt hat, ganz gut dazu geeignet wäre, da ein bisschen etwas beizutragen.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für die Antwort und bitte nun Herrn Bundesrat Schabhüttl, seine Frage zu stellen.
†Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Herr Dr. Hofmann! In den letzten Jahren beziehungsweise Monaten ist das Gesetz über den Umfang und auch die Rahmenbedingungen von Demonstrationen verändert worden. Können Sie die Judikatur des VfGH zu den Demonstrationsfreiheiten beurteilen?
†Dr. Lothar Hofmann, LL.M.: Das kann ich nicht, weil ich mich mit diesem Thema nicht so im Detail befasst habe, dass ich Ihnen das jetzt sagen könnte, sollte, wollte. Ich habe mich für dieses Hearing auch nicht so vorbereitet, dass ich Ihnen auf einem sehr hohen verfassungsjuristischen Niveau Auskünfte geben könnte. Deshalb kann ich zu dieser Frage rein fachlich nicht viel sagen.
Ich möchte aber grundsätzlich sagen, dass ich glaube – und das ist eigentlich auch wieder dieselbe Antwort wie die auf die letzte Frage –, dass es für einen Verfassungsrichter nicht darauf ankommt, dass er von vornherein in allen Facetten und auch für jede einzelne Frage die verfassungsrechtlichen Besonderheiten beherrscht und Ihnen sofort wiedergeben kann. Ich glaube, dass man da ein bisschen einen Common Sense braucht und sich dann mit diesen Fragen einfach auseinandersetzen sollte. Ich würde mir also eine Beantwortung jetzt nicht zutrauen.
Wenn ich noch eine persönliche Anmerkung anbringen darf: Ich habe mich gefragt, ob da jetzt so spezifisch verfassungsrechtliche Fragen kommen werden und wie das eigentlich ausschaut, wenn ein Anwaltsprüfer, der diese Sachen prüfen darf, muss, kann, Ihnen dann sagt: Eigentlich möchte ich mich jetzt von Ihnen nicht verfassungsrechtlich prüfen lassen. Dazu verweise ich wieder auf den ersten Teil der Antwort. Ich bitte also, das nicht als Unhöflichkeit aufzufassen. Dieses Demonstrationsrecht ist sicherlich eine sehr wesentliche Sache, ob so oder so und wie, das ist alles sehr wichtig, aber das ist bisher sicherlich nicht mein Fachgebiet gewesen.
Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland)|: Danke für Ihre ehrliche Antwort.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke auch für Ihre Antwort und bitte nun Frau Bundesrätin Aigner um ihre Frage.
Bundesrätin Ina Aigner (FPÖ, Niederösterreich): Herr Dr. Hofmann! Wäre es im Fall Ihrer Bestellung möglich, dass Sie Ihre bisherigen Tätigkeiten weiter voll ausüben?
†Dr. Lothar Hofmann, LL.M.: Danke für diese Frage. Da muss ich einmal schauen, was alles meine bisherigen Tätigkeiten sind. Ich gehe davon aus, dass ich selbstverständlich als Rechtsanwalt weiter arbeiten kann. Das ist meine Haupttätigkeit. Die kann man ausüben, eben in einem entsprechend adaptierten Ausmaß. Das ist gar keine Frage. Das kann und muss möglich sein.
Wenn ich mir allerdings anschaue, was ich sonst noch alles mache, dann muss man halt ein paar Sachen etwas zurückstellen, das muss man dann. Es ist dann immer die Frage, wie praktisch oder theoretisch so ein Ansatz ist, aber selbstverständlich muss man es dann so einrichten, dass man diese Aufgaben auch erfüllen kann. Eine derartige Anforderung trifft mich auch schon im Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer. Wenn ich dort nicht in der Lage bin, die mir zugeteilten Angelegenheiten in einer vernünftigen Zeit zu bearbeiten, dann kann ich es halt nicht machen, dann muss ich halt diese Funktion zurücklegen. Und das ist bei der Rechtsanwaltsprüfung ähnlich. Ich darf vielleicht sagen, es gibt nicht so viele Anwälte, die gleichzeitig Rechtsanwaltsprüfer sind und noch eine andere Kammerfunktion haben. Da haben Sie schon recht, wenn Ihnen das im Lebenslauf aufgefallen ist. Ich mache viele Gschaftln, das stimmt schon, aber man muss sich dann halt auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist.
Ich kann Ihnen noch aus meiner Tätigkeit als Anwalt sagen – das darf ich da jetzt sozusagen dazulegen, denn ich habe mir auch überlegt, was ich Ihnen zur Antwort gebe, wenn ich die Gelegenheit habe, ein bisschen darüber zu sprechen, was mich berührt; es ist halt leider nicht das Demonstrationsrecht im Detail bisher gewesen –, was mich wirklich berührt, und deshalb auch der zivilrechtliche Ansatz: Wir machen in letzter Zeit sehr viele strafrechtliche Dinge, das möchte ich jetzt gar nicht positiv oder negativ werten, sondern nur festhalten, dass eine halbwegs einheitliche Strafgesetzlichkeit schon schön wäre, wenn man da also nicht zu viel dauernd ändert. Das muss ich schon sagen.
Im Zivilbereich gehört aber schon viel gemacht, wenn ich Ihnen das so mitgeben darf: Wir haben zwar eine super Gerichtsbarkeit, und ich fühle mich bei den Gerichten gut aufgehoben, bin also nicht der, der sagt, man muss immer zu Schiedsinstitutionen ausweichen, aber die Verfahrensdauer – also nicht nur die Sprechdauer von mir hier – von Zivilgerichtsverfahren in Österreich ist teilweise wirklich katastrophal. Und das ist, so glaube ich, durchaus eine Sache, mit der sich über kurz oder lang wohl auch der Verfassungsgerichtshof zu beschäftigen haben wird.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Sie um ein kurzes Schlussstatement.
Dr. Lothar Hofmann, LL.M.: Meine Damen und Herren! Danke, dass Sie mir zugehört haben. Ich habe mich bemüht, Ihnen relativ frank und frei zu sagen, wie ich die Sache sehe. Ich weiß nicht, ob die Protokolle veröffentlicht werden; ich glaube, sie werden nicht veröffentlicht. Es hat schon Hearings gegeben, deren Protokolle wurden veröffentlicht. Wie das da ist, weiß ich gar nicht. Ich habe alles so gesagt, dass Sie es zur Not auch jemandem erzählen könnten. (Heiterkeit.)
Was mich allerdings ein bisschen gewundert hat, aber das habe ich auch nicht so genau recherchiert, ist, warum schon im Vorfeld die Listen bekanntgegeben wurden, die Listen den Medien vorliegen. Ich weiß nicht, warum man die herausgibt. Ich habe es als sehr unpassend empfunden, wie der ORF anfangs berichtet hatte. Ich möchte da keine Namen nennen, aber wie das vorige Woche berichtet wurde, habe ich wirklich sehr unpassend gefunden, weil auch die Abläufe schlicht und einfach falsch dargestellt wurden, weil man das einfach über einen Kamm geschoren hat: Die Regierung bestellt drei Mitglieder.
Ich habe mir dann erlaubt, beim ORF eine Gegendarstellung, würde ich einmal sagen, anzuregen. Die haben zwar keine Gegendarstellung gebracht, denn die war wahrscheinlich auch nicht wirklich als Gegendarstellung gemeint, aber ab dem Zeitpunkt war zumindest die Berichterstattung korrekt. Ich glaube, das dürfen sich alle Kandidaten, die sich dem Hearing hier stellen, erwarten. – Danke für die Aufmerksamkeit und viel Glück bei der Entscheidung!
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich will nur der guten Ordnung halber sagen, dass diese Veröffentlichung der Listen nicht vom Parlament ausgegangen ist.
Dr. Lothar Hofmann, LL.M.: Danke für Ihre Antwort; das ist nett, dass Sie darauf antworten.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Mag. Ralph Kilches, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Mag. Ralph Kilches
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Magister Kilches, ich darf Sie recht herzlich bei uns begrüßen.
Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – dies wird auch für alle anderen Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Ich bitte, zu beginnen.
Mag. Ralph Kilches: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Guten Morgen! Die Funktion, die mit einem Anwalt zu besetzen ist, setzt zwei Dinge voraus: politisches Feingefühl und Breite der fachlichen Erfahrung. Das ist der Sinn, warum Sie ein Mitglied der Anwaltschaft berufen können beziehungsweise sollten.
Dazu darf ich Ihnen kurz erläutern, wie mein Lebenslauf, wie meine Qualifikation aussieht. Ich bin Schulsprecher gewesen, Zentrallehranstaltensprecher. Ich war neben meinem Studium der Rechtswissenschaften und der Übersetzungskunde in Französisch und Englisch freier Journalist und auch Generalsekretär der Hochschülerschaft an der Universität Graz.
Ich habe einen Wahlkampf ausgefochten, habe Wahlanfechtungen hinter mich gebracht, bin nach der Gerichtspraxis in eine internationale Anwaltskanzlei eingetreten, nämlich Freshfields, und war dort einer der Jüngsten. Ich bin dort sehr breit ausgebildet worden.
Ich durfte dann zu Schönherr wechseln; auch diese Kanzlei wird Ihnen bekannt sein. Sie bearbeitet ein breites Spektrum an internationalem Bankrecht, Gewerberecht, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht.
Ich durfte bei Freshfields beziehungsweise Bruckhaus Westrick Heller Löber, wie die Kanzlei damals hieß, auch mit Dr. Heller gelegentlich zusammenarbeiten, der früher Mitglied des Verfassungsgerichtshofes war.
Ich bin dann zu einer kleineren Kanzlei gegangen, in der ich eine sehr dankbare erste Aufgabe hatte. Ich habe eine große Massenbeschwerde von 180 Verfahren zu den geringfügig Beschäftigten betreut, habe in dieser Zeit für das „Finanz Journal“ geschrieben, habe damals eines meiner Bücher zum europäischen Mehrwertsteuerrecht veröffentlicht.
Ich habe mich auch schon sehr früh mit anderen Rechtsgebieten befasst. Ich habe schon während meiner Studienzeit einen Kodex zum Landesrecht Steiermark gemacht. Warum? – Ich habe mich sehr viel mit Rechtsinformatik beschäftigt, mit IT-Einsatz, und damals, im Jahr 1996, gab es kein steirisches Landesrecht im RIS, wie wir es heute haben. Ich bin drangegangen und habe einfach das ganze steirische Landesrecht kodifiziert, auf den aktuellen Stand gebracht und durfte es beim Verlag Orac veröffentlichen. Das ist dann noch weitere Male erschienen. Ich habe dann ein ähnliches Werk für das niederösterreichischen Landesrecht erstellt.
Zum Hintergrund zu weiteren verfassungsrechtlich relevanten Tätigkeiten: Neben erfolgreichen 180 Beschwerden habe ich eine sehr breite Lehrtätigkeit ausgeübt, mit Frau Dr. Kotschy von der damaligen Datenschutzbehörde jahrelang Datenschutz-Rechtsseminare gehalten und auch Verfassungsgerichtshofbeschwerden zum Datenschutz gemacht. Ich habe an der Fachhochschule Joanneum gelehrt, am FH Campus 02 gelehrt und denke, dass ich auch internationale Erfahrung einbringen kann.
Ich mache seit 2006, seit ich meine eigene Kanzlei gegründet habe, auch internationale Schiedsverfahren, habe mich dort weitergebildet. Ich habe die Prüfung zum Fellow des Chartered Institute of Arbitrators gemacht. Ich bin seit 2011 vom ICC immer wieder als Schiedsrichter bestellt worden, immerhin schon im Alter von 37 Jahren, was eher ungewöhnlich ist, was aber sozusagen meiner Jugendlichkeit bei Freshfields entsprochen hat.
Ich kann daher etwas einbringen, was mir in der Diskussion mit Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes immer wieder auffällt beziehungsweise auch bei dessen Entscheidungen. Es fehlt derzeit die Breite in der anwaltlichen Besetzung des Gerichtshofes. Ich habe Fälle zum Asylrecht gemacht, internationale Schiedsverfahren zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit im öffentlichen Recht, obwohl die Haupttätigkeit meiner Kanzlei die Zivilgerichtsbarkeit ist. Das ist eher außergewöhnlich. Dieses breite Spektrum ist etwas, was mich gegenüber anderen Bewerbern hervorhebt.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie, nun für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere auch an die Vereinbarung, dass eine Frage pro Fraktion und Kandidat gestellt werden darf.
Herr Bundesrat Mayer, ich bitte um Ihre Frage.
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herzlichen Dank für Ihre Vorstellung, die imponierend ist. Das kann man hier erwähnen. Sie haben, was EU-Recht anbelangt, auch einiges publiziert. Sie haben EGMR-Beschwerden, die zugelassen wurden, verfasst und so weiter, Sie sind also jemand, der sich auch im Bereich der Europäischen Union sehr gut auskennt. Da Sie auch schon Verfassungsgerichtshofbeschwerden gemacht haben, bringt mich das darauf, Sie nach Ihrer Expertise zum Verhältnis Verfassungsgerichtshof, Europäischer Gerichtshof und auch Gerichtshof für Menschenrechte zu fragen. Wie funktioniert das Ihrer Meinung nach?
†Mag. Ralph Kilches: Darf ich Sie fragen: Sie meinen die Effizienz für den Rechtsschutzsuchenden? (Bundesrat Mayer nickt zustimmend.)
Es ist ja erst unlängst im Artikel 144 die Beschwerdemöglichkeit gerade im Zivilverfahren erweitert worden für Gesetzesbeschwerden nach Entscheidungen erster Instanz. Ich sehe das mit gemischten Gefühlen. Warum? – Sie müssen nunmehr, um den Rechtsschutz zum EGMR zu bekommen, dieses Rechtsmittel im Prinzip national ausschöpfen, was weitere Kosten, weiteren Schriftsatzaufwand bedeutet und das Verfahren nicht kürzer macht. Wir beobachten hier in der Praxis; wir haben bisher Fälle sowohl nach der StPO als auch der ZPO gehabt. Das aktuelle Problem ist, dass die Weiterleitung der Beschwerden, die wir beim Verfassungsgerichtshof einbringen, oftmals nicht unmittelbar erfolgt. Das heißt, das Zivilgericht oder das Strafgericht weiß zwar von uns, weil es die Kopie der Beschwerde hat, dass dort etwas läuft, aber das Zusammenspiel ist momentan noch nicht sehr effizient, und es ist sehr diffizil geregelt, wie dieses Zusammenspiel stattfinden soll, weil der Gesetzgeber gesagt hat: Na ja, grundsätzlich wollen wir den Gerichtsprozess nicht aufhalten, und das Gericht muss dann selbst entscheiden, ob es jetzt mit der Entscheidung wartet oder nicht. Das ist etwas, was momentan in der Praxis meines Erachtens erhebliche Probleme verursacht. Es gibt zwar Artikel von Dr. Musger und Dr. Grabenwarter dazu, wie das genau ablaufen soll, wie man es sich in der Praxis vorstellt, das geschieht aber de facto nicht.
Es gibt auch ein Problem, auch das hatten wir unlängst, mit Insolvenzverfahren unter Einbezug der Exekutionsordnung, ein sehr spezifisches Problem, Liegenschaftsverwertung. Hier hat der Gesetzgeber schon einmal eine Regelung reparieren müssen, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat. Es geht um die Verwertung von Liegenschaften und zu welchen Mindestbeträgen die veräußert werden sollen. Die neue Regelung schafft meines Erachtens die alten Probleme nicht ab, sondern vergrößert sie eigentlich, was ein Riesenproblem ist, weil eigentlich unser gesamtes Pfandrechtssystem darauf beruht. In der Endverwertung beruht es auf diesen beiden Vorschriften, und dabei gibt es zum Beispiel auch in den Verfahrensabläufen sehr massive Probleme.
Es ist begrüßenswert, ein Rechtsmittel zu haben, und es hat immer die Kritik gegeben, dass die Zivilgerichte nicht die Verfassungsjudikatur wie im öffentlichen Recht sozusagen parallel anwenden würden. Unbestritten ist, dass der Oberste Gerichtshof und auch die Gerichte darunter natürlich vor allem in der Strafjustiz sehr breit die Verfassungsrechtsprechung beachten, es hat aber immer auch die Kritik gegeben, warum das bei uns nicht so aussieht wie in Deutschland.
Man wird sehen, ob sich das in der Praxis verbessert; es gibt da keine beste Lösung. Es ist ja auch immer eine Kritik gewesen, dass die Verfassungsrichter anders als in Deutschland nicht auf zehn Jahre bestellt sind, sondern a) auf Lebenszeit, b) natürlich auch nach politischer Nähe. Man möchte auch kein Gerichtssystem haben, bei dem man als Endgremium ganz oben ein politisch eingesetztes Gremium hat. Das ist meines Erachtens völlig überzogen. Wenn Sie sich anschauen, was Politikwissenschaftler zur politischen Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes tatsächlich schreiben können, endet das momentan beim Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Das ist ein Miniproblem. Das betrifft nicht die breite Bevölkerung und nicht die breiten Probleme, die vom Gerichtshof zu lösen sind. Die Kritik ist also meines Erachtens nicht berechtigt.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Schabhüttl um seine Frage.
Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland)|: Herr Präsident! Herr Mag. Kilches, Sie haben hier wirklich, und da möchte ich Kollegen Mayer beipflichten, einen sehr beeindruckenden Lebenslauf oder Werdegang geschildert. Ich hätte auch eine Fachfrage für Sie vorbereitet, will aber stattdessen eine persönliche Frage an Sie richten. Sie haben sicherlich im Vorfeld zum Hearing hier in den Medien einiges gelesen. Wie stehen Sie persönlich dazu, wie das schon im Vorfeld kolportiert worden ist, auch in Bezug darauf, dass offensichtlich seitens der Regierungsfraktionen schon fix Kandidaten für die Besetzung bestellt worden sind. Wie gehen Sie damit persönlich um?
†Mag. Ralph Kilches: Ich muss Ihnen aufgrund verschiedener persönlicher Erlebnisse ganz ehrlich sagen, dass ich nicht alles so wirklich ernst nehme und für ausgegoren erachte, wie es in den Medien präsentiert wird. Die Kritik am Besetzungsmechanismus, sozusagen die Realverfassung, dass also die Bestellung nicht tatsächlich durch den Nationalrat oder Bundesrat erfolgen sollte, hat, so glaube ich, im Moment einen spezifischen Hintergrund, weil die Regierung noch sehr neu ist.
Wenn Sie sich frühere Bestellungen von Verfassungsrichtern und Ersatzmitgliedern anschauen, so haben Sie die, wenn Sie nicht regelmäßig auf der Webseite des Verfassungsgerichtshofes waren, medial überhaupt nicht mitbekommen. Das ist also meines Erachtens momentan eine Ausnahmesituation, dass die Medien das in dieser Form überhaupt reflektieren.
Von Bundesrat Mayer ist vor allen Dingen auch das Thema Qualifikation angesprochen worden. Hierzu muss ich sagen, mein Hintergrund ist die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Dort kommen wir auch in Investitionsschiedsverfahren, in denen es um Hunderte Millionen Euro geht, ohne „Qualitätskriterien“ – unter Anführungszeichen –, formelle Qualitätskriterien aus. Tatsächlich werden Sie dort keine Leute finden, die nicht hochqualifiziert sind und die Sache nicht gut können. Wenn man in den Medien liest, dass einige Mitbewerber sozusagen nur eine Fachrichtung abdecken würden, muss man dazu sagen: Das sind in ihren Fachgebieten Leute, die hohe Qualifikation haben und die wissen, wie Qualität zu produzieren ist. Ich muss sagen, es war bei Freshfields oder Schönherr hausinterne Praxis: Das, was gemacht wird, muss fachlich tipptopp sein, egal in welchem Fachgebiet wir das machen.
Ich bin überzeugt, dass jeder der Bewerber den Willen mitbringt, sich diese fachliche Qualifikation anzueignen. Das muss auch jeder in der Geschwindigkeit machen. Das Problem ist eher ein anderes: Das Problem ist, ob sie, wenn sie sich hier bewerben und wenig Erfahrung mitbringen, mitargumentieren können und sehen, was andere Varianten sind, wie man eigentlich auch entscheiden könnte. Ich habe im letzten Jahr zwei oder drei Entscheidungen wahrgenommen, zu denen ich sagen muss, dass ich mich da für andere Themen starkgemacht hätte.
Die Realverfassung wird man wie gesagt nicht abschaffen können. Auch in anderen Verfassungen ist es so, dass gewisse Interessengruppen Nominierungen vornehmen können. Es gibt viel extremere Beispiele: USA, der Präsident: Ein Mann ernennt den Höchstrichter. Ich verstehe, dass eine Regierung sich absichern möchte und es notwendig ist, Personalbesetzungen zu akkordieren, einfach um die Ruhe und die Sicherheit zu wahren, dass man regieren kann. Das ist etwas, was ganz normal ist. Ich muss Ihnen dazu sagen, dass auch in der Hochschülerschaft die Büros ausgeräumt wurden, als es einen politischen Wechsel gab, und das bei etwas so relativ Harmlosem wie einer Hochschülerschaft. Das ist also durchaus nichts Ungewöhnliches. Ich würde das nicht überbewerten.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Sperl um seine Frage.
†Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Mag. Kilches! Ich möchte Sie betreffend einen etwas anderen Bereich etwas fragen. Wie beurteilen Sie die überbordende Gesetzesflut, deren Durchführbarkeit und vor allem die Transparenz dieser Gesetzesflut?
†Mag. Ralph Kilches: Das erste und größte Problem, das ich momentan sehe, ist die Implementierung von EU-Recht, Stichwort Gold Plating. Das heißt, man soll etwas umsetzen und man übertreibt es. Schlimmstes Beispiel: Registrierkassenpflicht. Darf ich mich deshalb dazu äußern, weil ich, wie gesagt, ein Standardwerk zum europäischen Mehrwertsteuerrecht verfasst habe?
Ich darf Ihnen noch etwas sagen: Ich habe mich mit angewandter Legistik befasst. Das ist etwas, was an einer Universität heute eigentlich nicht gelehrt wird. Das heißt, das Thema EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien, interne Kommissionsdokumente, wie Gesetze gemacht werden, und daraus resultierend muss man den Befund erstellen: Es wäre wichtig, dass man mehr auf die praktische Umsetzbarkeit achtet. Beispiel Steuerrecht: Ich habe fünf Jahre die Publikation eines Steuerrechtswerks betreut. Ohne die Erläuterungen der Regierungsvorlagen hätte ich ehrlich gesagt selbst als Experte nicht verstanden, wie genau das jetzt umgesetzt werden soll. Wichtig für unsere künftige Gesetzgebung ist, dass detailliert geklärt wird, wer das personell machen soll und welche Entscheidungen mit welchem Verfahrensaufwand produziert werden sollen.
Das gilt zum Beispiel auch, wenn Sie sich Asylverfahren anschauen. Wenn Sie die mehr formalisieren, etwa auch Formulare beim Verfassungsgerichtshof einführen würden, könnten Sie sehr viel Zeit und Aufwand sparen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sehr gute Erfahrungen mit formalisierten Verfahren gemacht, und wir müssen dazu übergehen, Verfahren klarer zu strukturieren und dem Entscheidungsträger zu sagen: Das will ich haben, das will ich nicht.
Es ist umgekehrt kein Geheiminis, dass der Verfassungsgerichtshof in der Vergangenheit von den politischen Parteien in Fragen, die von allgemeinem Interesse waren, dadurch befasst worden ist, dass man Gesetze gemacht hat, von denen man gewusst hat, dass eigentlich noch entschieden werden muss, wie sie ausgelegt gehören. Man hat das delegiert, um sich den Diskurs zu ersparen.
Also natürlich: Weniger ist weitaus mehr; andererseits haben auch Gesetze sozusagen ein Ablaufdatum und haben umgekehrt aktuelle Erfordernisse. Dem wird man in Wirklichkeit nicht auskommen, außer man stockt die personellen Ressourcen auf. Nur dann kann man die Qualität heben, alles andere ist illusorisch.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
†Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Da Sie eine Frage beziehungsweise deren Beantwortung schon vorweggenommen haben, und Sie es selbst angesprochen haben, will ich Sie fragen, wie Sie zum Urteil des Verfassungsgerichtshofes bezüglich Aufhebung des Eheverbot stehen, da es aus meiner Sicht doch weitreichende zumindest gesellschaftspolitische Auswirkungen hat.
†Mag. Ralph Kilches: Dazu muss man eines wissen: Wenn man sich das auf europäischer Ebene anschaut, was in Straßburg vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits seit Längerem judiziert wird, ist dieses Urteil keine Überraschung, noch weniger, wenn wir uns anschauen, dass die europäische Grundrechtecharta und die Judikatur des EuGH auf der anderen Seite stehen.
Wenn Sie diese Entscheidung oder andere ansprechen, ist die Frage: Wollen Sie beziehungsweise will man einen Gerichtshof haben, einen Verfassungsgerichtshof, der einen Mindeststandard an Grundrechten judiziert, oder will man einen Gerichtshof haben, der vorrausschauend judiziert, wie wir es unter Adamovich junior beziehungsweise Karl Korinek hatten. (Vizepräsidentin Ledl-Rossmann übernimmt den Vorsitz.)
Was ich derzeit sehe, ist, dass man sich sehr genau anschauen muss, ob man seitens des Gesetzgebers den Grundrechtsschutz ausbauen und differenzieren muss oder ob man in der Besetzung des Gerichtes einen Trend setzen kann, indem man sagt: Wir haben eine spezifisch österreichische Interpretation unserer Grundrechte, wie wir sie verstanden haben wollen. – Sie dürfen nicht übersehen, dass das, was Straßburg judiziert, der Konsens von Staaten vom Atlantik bis nach Aserbaidschan ist. Die Wertungsstandards sind solche, die wir in Europa bereits anerkannt haben. Es gibt noch einige Länder, die nachhinken, aber im Wesentlichen hat sich der Gerichtshof damit eigentlich einer Rechtsprechung angeschlossen, die in vielen europäischen Staaten bereits etabliert ist.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Ich darf Sie ersuchen, noch ein ganz kurzes Schlussstatement abzugeben, weil wir aufgrund und dank Ihrer ausführlichen Antworten schon etwas über der vorgesehenen Zeit sind.
Mag. Ralph Kilches: Ein Schlussstatement: Ich glaube, es ist am einfachsten, zu sagen: Ich möchte nicht die Ursache dafür sein, dass die intern notwendige Entscheidung einer Regierung zur Personalverteilung destabilisiert wird. So möchte ich meine Bewerbung nicht verstanden haben. Ich glaube, dass das das Deutlichste ist, das ich hier sagen möchte. (Heiterkeit.)
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für das Schlussstatement und danke auch für Ihr Kommen.
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Ich darf nun die nächste Kandidatin, Frau Rechtsanwältin Dr.in Veronika Cortolezis, in den Saal bitten.
Rechtsanwältin Dr.in Veronika Cortolezis
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße sehr herzlich Frau Dr.in Cortolezis, und ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen. Ich weise darauf hin – dies gilt auch für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Bitte schön.
Dr.in Veronika Cortolezis: Vielen Dank, dass Sie mich hierher zum Hearing eingeladen haben und ich die Möglichkeit habe, mich vor dem Parlament und in dem Fall hier vor dem Bundesrat als Teil des Parlaments präsentieren zu dürfen.
Ich bin seit etwas mehr als 20 Jahren selbständige Rechtsanwältin in Wien und bin parteiunabhängig. Davor war ich sechs Jahre lang Assistentin am Institut für Öffentliches Recht in Graz, und zwar in der Abteilung Verfassungsrecht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre.
Ich habe mich in meiner Zeit unter verschiedensten Aspekten mit dem Verfassungsrecht beschäftigt: wissenschaftlich, dann in der Lehre, legistisch und praktisch als Rechtsanwältin. – Vielleicht ganz kurz zu den einzelnen Punkten.
Wissenschaftlich in Form von Publikationen: So habe ich beispielsweise einen Aufsatz über das politische System Tirols und Vorarlbergs geschrieben, habe über direkte Demokratie und Umweltschutz publiziert und beispielsweise auch über den Totalitarismusbegriff. Empirisch habe ich über den verfassungsrechtlichen Zugang zu Institutionen gearbeitet; das war mein Forschungsschwerpunkt an der Universität Berkeley in Kalifornien.
Als Lehrende habe ich schwerpunktmäßig das Verfassungsrecht systematisch dargestellt.
Legistisch habe ich im Rahmen einer wissenschaftlichen Expertenkommission mitgearbeitet. Dieses Expertenteam ist dem steirischen Landtag zur Verfügung gestellt worden, weil der steirische Landtag in den Achtzigerjahren seine Landesverfassung und die Geschäftsordnung des Landtages grundsätzlich erneuert hat und wir daran mitgearbeitet haben. Beide Texte sind dann letztendlich auch novelliert und beschlossen worden.
Praktisch als Rechtsanwenderin, natürlich als Rechtsanwältin: In erster Linie habe ich da mit Wirtschaftsrecht zu tun und mit all den Rechtsmaterien, die mit dem Wirtschaftsrecht in Zusammenhang stehen, aber immer wieder bin ich auch mit verfassungsrechtlichen Fragen konfrontiert. So habe ich beispielsweise auch UnternehmerInnen vertreten, die vor dem Verfassungsgerichtshof die Registrierkassenpflicht angefochten haben.
Mit einem Wort: Das Verfassungsrecht hat mich eigentlich meine gesamte berufliche Laufbahn über begleitet und auch beschäftigt. Es ist aber nicht nur das sachliche Interesse an dieser Materie, sondern für mich sind Grundrechtsfragen einfach auch faszinierende Wertnormen. Der Verfassungsgerichtshof als Hüter der Verfassung ist das Fundament für Rechtsstaat und Demokratie und der Garant dafür, dass die Grund- und Freiheitsrechte eingehalten werden und unsere Gesetze und Verordnungen verfassungskonform sind. Seine Unabhängigkeit macht ihn letztendlich zur unabdingbaren Instanz für alle grundsätzlichen Rechtsfragen, die das demokratische und rechtstaatliche Gesellschaftssystem aufrechterhalten.
Das ist natürlich keine leichte Aufgabe, insbesondere in Zeiten des Wandels, der immer wieder neue gesellschaftliche Fragen aufwirft und natürlich auch neue rechtliche Normen erfordert. Mein Interesse galt immer einem modernen Rechtssystem und dessen Herausforderungen. Daher ist für mich wichtig, neben der historischen Komponente, die immer auch zu berücksichtigen ist, die Interdependenzen zwischen den einzelnen verfassungsrechtlichen Institutionen mitzubedenken. Gesetzgebung, Verwaltung, Regierung, Justiz, politische Parteien, Kammern, Verbände – das Zusammenspiel dieser einzelnen Institutionen ist für das Verfassungsverständnis relevant. Vor diesem Hintergrund ist das Herzstück der Arbeit eines Verfassungsrichters, die rechtlichen und rechtspolitischen Fragen zu diskutieren, darauf basierend abgewogene und vor allem auch unabhängige Entscheidungen zu treffen.
Was qualifiziert mich als Verfassungsrichterin? – Ich glaube, ich habe anhand meines Lebenslaufes und meiner unterschiedlichen Zugänge zum Verfassungsrecht dargestellt, dass ich eine Expertin des Verfassungsrechts bin. Ich habe im Zuge meiner beruflichen Tätigkeit eine hohe Kompetenz entwickelt, komplexe Materien mit allen ihren Facetten zu reflektieren, wohlüberlegte und vor allem auch unabhängige Entscheidungen zu treffen.
Last, but not least bin ich parteipolitisch unabhängig. Daher würde ich mich freuen, als Frau und als kompetente Juristin einen Beitrag im Verfassungsgerichtshof zu leisten, um zukünftige Fragen zu lösen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich danke Ihnen für die Ausführungen und bitte Sie nun, für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich darf Sie daran erinnern, dass pro Kandidat beziehungsweise Kandidatin nur eine Frage pro Fraktion gestellt werden kann. – Bitte, Herr Bundesrat Brunner.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen und die Präsentation. Nicht erst seit den Bundespräsidentenwahlen, seit den verschiedenen Wahlgängen, ist die Transparenz der Entscheidungsfindung im Verfassungsgerichtshof Thema geworden. Was halten Sie von der Darstellung der Dissenting Opinions?
Dr.in Veronika Cortolezis: Zum Thema Dissenting Opinions: Es gibt den Supreme Court, wo diese sehr wohl veröffentlicht werden. Letztendlich sind da einfach zwei unterschiedliche Interessen oder Werte, die zueinander in Konflikt stehen. Man sagt einerseits, es soll Transparenz herrschen, damit man sieht, wie der Verfassungsgerichtshof, die einzelnen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes gestimmt haben. Auf der anderen Seite ist die Intention, unabhängige Entscheidungen treffen zu können. Der Hintergrund ist, dass es den Verfassungsrichtern erleichtert werden soll, in aller Unabhängigkeit entsprechend ihrer Stimmung und Meinung zu diskutieren, weil das eben nicht veröffentlicht wird. Insofern stehen einander zwei unterschiedliche Werte gegenüber.
Ich denke, dass das hier in Österreich basierend auf Hans Kelsen gewachsen ist, auf den letztendlich die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofes und die Abstimmung in ihm zurückzuführen ist. Ich denke, man sollte in dieser Tradition verbleiben, um die Unabhängigkeit der Verfassungsrichter wirklich zu gewährleisten, also es so belassen, wie derzeit die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofes ist und wie dort die Entscheidungen getroffen werden.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für die nächste Frage hat sich Herr Bundesrat Schabhüttl gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland)|: Danke für Ihr Kommen und dafür, dass Sie sich heute diesem Hearing stellen. Ich hätte eine Frage zur Pressefreiheit: Welche Erkenntnisse des VfGH sind Ihrer Meinung nach die bedeutendsten in Bezug auf die Pressefreiheit?
Dr.in Veronika Cortolezis: Wenn wir schon die historische Komponente mit Hans Kelsen kurz berührt haben, fällt einem zur Pressefreiheit natürlich immer die Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918 ein, in der letztendlich die Zensur – wir wissen alle, nicht auf ewig – doch einmal abgeschafft worden ist. Das jetzt nur einmal als Erstes. Das ist die historische Komponente.
Sonst möglicherweise das Facebook-Erkenntnis, wenn wir quasi in die Zukunft schauen: Vielleicht zur Erinnerung: Das ORF-Gesetz hatte vorgesehen, dass der ORF weder über soziale Medien kommunizieren darf, sie also nicht nutzen darf, noch eine Plattform, selbst soziale Medien betreiben darf. Das war letztendlich eine Absprache mit der Kommission des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Der Verfassungsgerichtshof ist zur Ansicht gelangt, dass dem ORF die Nutzung sozialer Medien nicht verwehrt werden darf, dass es ihm aber sehr wohl verwehrt bleiben muss, selbst Plattformen zu betreiben, also zum Beispiel selbst als Mark Zuckerberg zu agieren beziehungsweise sonst Social Media zu betreiben.
Ich denke mir, was die Rolle der sozialen Medien in Zukunft anbelangt, ist das eine Entscheidung, die im Zusammenhang mit der Pressefreiheit vielleicht doch wichtig war.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Sperl gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Frau Dr. Cortolezis! Würden Sie, wären Sie jetzt Verfassungsrichter, auch dafür eintreten, dass die Gesetze so abgefasst und formuliert sind, dass sie auch ein Bürger ohne juristische Vorbildung lesen, vor allem aber auch interpretieren kann?
†Dr.in Veronika Cortolezis|: Natürlich sollte es so sein, Sie haben völlig recht. Natürlich sollten Gesetze so formuliert sein, dass sie verständlich sind und sie auch jeder Bürger verstehen kann. Gleichzeitig wird aber natürlich einfach teilweise in so komplexen Rechtsgebieten formuliert und textiert, dass das wahrscheinlich ein hehres Ziel bleibt.
Was aber natürlich schon stimmt: Bei neuen Gesetzen sollte man schon darauf schauen und noch mehr Augenmerk darauf legen, dass sie zumindest grammatikalisch und auch von der Typologie her korrekt sind. Man sieht einfach, dass offensichtlich teilweise die Ressourcen so knapp sind, dass es bei Gesetzen teilweise manchmal wirklich gut wäre, noch einmal drüberzugehen, um es einmal so zu formulieren.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Die nächste Frage bitte, Frau Bundesrätin Dziedzic.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Der Bewerber vor Ihnen meinte, es gäbe zwei Zugänge in der Rechtsauslegung: einen, der sich am Mindeststandard orientiert, und einen, der sozusagen eher eine vorausschauende Interpretation beinhaltet, was die Grundrechte betrifft. Mich würde interessieren, wo Sie sich da verorten und wie Sie das begründen.
Dr.in Veronika Cortolezis: Das sind im Grunde zwei Richtungen bei den Grundrechten. Das spiegelt sich auch in den Grundrechten selbst wider. Es gibt Grundrechte, die im Grunde liberale Grundrechte sind, die in erster Linie den Einzelnen vor Eingriffen des Staates schützen sollen, und auf der anderen Seite – wenn ich ganz auf die andere Seite gehe; natürlich gibt es wie immer ein Dazwischen – sind das die sozialen Grundrechte, nach denen der Einzelne einen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat hat. Die österreichische Grundrechtsordnung ist letztendlich ein Mixtum, wenngleich die sozialen Grundrechte eigentlich noch relativ wenig vorkommen.
Insgesamt ist das Problem in Österreich mit dem Grundrechtskatalog, dass er sehr zersplittert ist. Es hat ja schon viele Ansätze gegeben, einen einheitlichen Grundrechtskatalog zu konzipieren, der überschaubar ist, das Problem dahinter ist aber, dass das natürlich auch ein sehr politisches Thema ist.
Die zwei Grundrichtungen, die einander gegenüberstehen, sind zwei Pole. Es gibt natürlich auch Gewährleistungsschranken und Gewährleistungsprinzipien dazwischen, die Grundrechte bieten sollen. Weil das so ein hochpolitisches Thema ist, konnte man sich bisher noch nicht einigen, aber man darf das ja nie aufgeben, und ich denke mir, das wird schon auch noch klappen, dass man sich auf einen einheitlichen Grundrechtskatalog einigt, der breit getragen wird und auch die vielen Facetten beinhaltet.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Wenn Sie wollen, darf ich Sie noch um ein abschließendes Statement ersuchen.
Dr.in Veronika Cortolezis: Als abschließendes Statement vielleicht nochmals: Ich bin davon überzeugt, dass ich eine Expertin im Verfassungsrecht bin, dass ich wirklich die Kompetenz habe, ausgewogen zu diskutieren und auch meine eigene Meinung zu reflektieren, verschiedene Meinungen, Standpunkte und rechtstheoretische Ansätze zu reflektieren und letztendlich dann darauf basierend auch wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen. Ich bin parteipolitisch unabhängig und ich bin eine Frau. (Heiterkeit.)
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für das Statement, und ich darf mich auch für Ihr Kommen bedanken.
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Ich unterbreche das Hearing bis 12.35 Uhr, damit wir pünktlich sind und pünktlich um 12.45 Uhr wieder starten können.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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(Die Enquete wird um 12.14 Uhr unterbrochen und um 12.45 Uhr wieder aufgenommen.)
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Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und ersuche darum, den nächsten Kandidaten, Herrn Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer, in den Saal zu bitten.
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Universitätsprofessor Dr. Hauer. Ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – und dies wird auch für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Bitte.
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte zunächst für die Einladung zu dieser Anhörung herzlich danken. Die persönlichen und fachlichen Eckdaten zu meiner Person können Sie meiner Bewerbungsunterlage entnehmen. Sie sehen, dass ich verheiratet bin, für vier Kinder sorge. Diese vier Kinder sind – wie man jetzt so sagt – aus dem Gröbsten heraus. Das gibt mir die Möglichkeit beziehungsweise kann ich es daher der Familie gegenüber verantworten, mich mehr für die Res publica, die gemeinsame Sache einzubringen.
Bevor ich auf meine Bewerbungsmotive eingehe, lassen Sie mich ein paar Worte zu meinem Lebenslauf sagen. Ich habe an der Universität Wien studiert, bei Professor Raschauer promoviert. Dann war die Überlegung, dass ich Rechtsanwalt werde. Dass ich an der Universität gelandet bin, war irgendwie Zufall. Es hat sich so ergeben, dass ich eine Habilitationsstelle bei Professor Oberndorfer angeboten bekommen habe. Professor Binder in Linz hat mich dann für öffentliches Recht habilitiert. Nach der Habilitation war ich zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof tätig, wo ich wertvolle Erfahrungen sammeln durfte. Schon damals hat mich natürlich der Verfassungsgerichtshof und die Art und Weise, wie man dort Probleme vertieft, diskutiert und angeht, in seinen Bann gezogen. Darauf ist dann die Ernennung zum Professor gefolgt. Ich habe dann bald die Möglichkeit bekommen, das Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz mitaufzubauen. Es gibt dort auch eine wirtschaftswissenschaftliche Seite, ich habe die rechtliche Seite zu betreuen gehabt.
Sie sehen an meiner Publikationsliste, dass ich einen fachlichen Schwerpunkt im Energierecht habe. Das ist natürlich nicht die einzige Materie, mit der ich mich beschäftigt habe. Ich habe mich insbesondere auch mit verschiedensten Bereichen des öffentlichen Rechts beschäftigt, wie es sich durch die Anfragen, Gutachtensanfragen von Unternehmen und so weiter, die aus der Praxis gekommen sind, ergibt. Damit liegen meine Schwerpunkte sicher auch im Anlagenrecht, im Umweltrecht oder beispielsweise im Raumordnungsrecht.
Daneben war natürlich auch die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts ein Schwerpunkt, weil sie in der Lehre eine große Rolle spielt. Das war zu einem gewissen Maß auch dadurch bedingt, dass ich gleichsam am Lehrstuhl – Oberndorfer war ja selbst Richter am Verfassungsgerichtshof und hat viel im Bereich der Gerichtsbarkeit geforscht – bis zu einem gewissen Maß in seine Fußstapfen getreten bin. Ich hab ein Lehrbuch zur Gerichtsbarkeit verfasst, das in der dritten Auflage vorliegt und wovon ich jetzt aktuell gerade die vierte Auflage überarbeite. Zuletzt bin ich seit 2014 auch stellvertretender Vorsitzender des Menschenrechtsbeirates bei der Volksanwaltschaft – auch eine sehr interessante Tätigkeit.
Ich darf Ihnen kurz meine Motive für die Bewerbung präsentieren. Da ist zunächst einmal der Punkt, dass eine Funktion als Richter des Verfassungsgerichtshofes natürlich für jeden Juristen, der im öffentlichen Recht tätig ist und dessen Herzblut am öffentlichen Recht hängt – und das kann man natürlich bei jemanden, der sich habilitiert hat, voraussetzen –, eine Faszination ausübt. Das ist einmal natürlich auch eine Motivation für mich.
Zum Zweiten glaube ich – in aller Bescheidenheit –, dass ich nach meiner bisher fast 30-jährigen juristischen Tätigkeit sehr viele praktische und wissenschaftliche Erfahrun-gen sammeln konnte, die ich nutzbringend einbringen kann. Schließlich glaube ich auch, dass eine Funktion beim Verfassungsgerichtshof umgekehrt auch wiederum meine wissenschaftliche Tätigkeit und meine Lehrtätigkeit befruchten würde. Ich glaube, dass eine sinnvolle Lehrtätigkeit – nämlich im Besonderen für die Studenten – nur dann möglich ist, wenn diese Lehrtätigkeit auch immer wieder von Rückkoppelungen mit der Praxis getragen ist.
Ich darf abschließend noch ein paar Worte zu meinem Verständnis vom Verhältnis der Verfassungsgerichtsbarkeit zur Politik sagen. Ich stehe da – und habe das auch in meiner Literatur immer wieder betont – für eine klare Trennung. Rechtspolitik zu machen, ist die Aufgabe des Parlaments, das dafür demokratisch legitimiert ist und das sich dafür in Wahlen immer wieder verantworten muss. Auf der anderen Seite ist es Aufgabe des Höchstgerichtes, das geltende Recht anzuwenden und nicht selbst Rechtspolitik zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nehmen Sie mich, falls Sie mir das Vertrauen schenken, als Fürsprecher für diese klare Trennung zwischen Rechtspolitik und Rechtsprechung. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und stehe für Fragen gerne zur Verfügung.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich bitte Sie, für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Ich erinnere an die Vereinbarung, dass pro Fraktion und pro Kandidat nur eine Frage gestellt wird.
Für die erste Frage hat sich Frau Bundesrätin Kern gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Vielen Dank Herr Dr. Hauer für Ihre Vorstellung und Ihre Ausführungen.
Mich würde interessieren, wie Sie aufgrund Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeiten die mittelfristigen und langfristigen verfassungsrechtlichen Herausforderungen beim Verfassungsgerichtshof sehen.
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer: Ja, das ist schwierig zu beantworten. Sie kennen den alten Kalauer: Prognosen sind immer schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. So ist es auch schwierig, die künftigen Herausforderungen zu prognostizieren.
Wenn man die Frage quantitativ anlegt, dann wird wahrscheinlich auch in der nächsten Zeit insbesondere das Fremdenrecht eine quantitative Herausforderung für den Verfassungsgerichtshof sein. Ein anderes Thema, die Gesetzesbeschwerde, ist noch relativ jung. Da wird sicher auch noch einiges an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden – Stichwort Parteianträgen auf Normenkontrolle. Nun ja, das Unionsrecht spielt schon eine starke Rolle, wird eine immer stärkere Rolle spielen, wobei da natürlich der Verfassungsgerichtshof bis zu einem gewissen Maß außen vor bleibt, weil er ja mit Ausnahme der Grundrechtecharta die Konformität des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht grundsätzlich nicht prüft.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Vorsitzende! Herr Professor! Danke schön für Ihre Bewerbung. Danke, dass Sie sie trotz Medienveröffentlichung aufrechterhalten haben. Meine Frage geht in folgende Richtung: Als der Gesetzgeber den Verfassungsgerichtshof seinerzeit begründet hat, war er ja noch ein einsamer Verfassungsgerichtshof. Später ist in Straßburg der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dazugekommen. Später ist der Europäische Gerichtshof hinzugekommen. Wie hat das Ihrer Meinung nach die Arbeit des Verfassungsgerichtshofes verändert und wie sehen Sie auch da ein Zusammenwirken zwischen diesen drei höchsten Institution in Verfassungsfragen?
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer: Danke, das ist eine sehr spannende Frage. Man muss da das Verhältnis vom Verfassungsgerichtshof zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf der einen Seite und das Verhältnis zum EuGH auf der anderen Seite auseinanderhalten. Was das Verhältnis zum EGMR anlangt, habe ich den Eindruck, dass sich der Verfassungsgerichtshof bemüht, der Judikatur des EGMR Rechnung zu tragen und sich einzuordnen – um nicht zu sagen: unterzuordnen.
Was das Zusammenspiel mit dem EuGH betrifft, gilt natürlich im Prinzip einmal Ähnliches. Das Verhältnis ist aber natürlich durch die Struktur des Unionsrechts zum nationalen Recht ein bisschen anders. Einen Gesichtspunkt habe ich schon angedeutet, nämlich dass der Verfassungsgerichtshof ja nach der österreichischen Struktur nicht das Organ ist, das Unionsrechtskonformität überprüft – mit gewissen Ausnahmen –, sondern dass das eher beim Verwaltungsgerichtshof liegt. Dennoch hat der Verfassungsgerichtshof, wenn es im Einzelfall darauf ankommt, immer wieder auch Vorlagefragen an den EuGH gestellt.
Die Zusammenarbeit ist natürlich einmal eine formale, juristische, so wie ich es jetzt ungefähr beschrieben habe. Es gibt daneben, soweit ich informiert bin, natürlich einen informellen Austausch; man versucht, die gegenseitigen Positionen immer wieder auszutauschen und sich rückzukoppeln, was an sich, glaube ich, auch sehr sinnvoll ist. Es gibt Richtertreffen in regelmäßigen Abständen, bei denen man einfach einmal über die verschiedenen Sichtweisen diskutiert. So würde ich das Verhältnis sehen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schuster gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Professor! Ich hätte eine Frage in Richtung Zeiterfordernis. Das Amt des Richters am Verfassungsgerichtshof ist ja doch eher ein sehr zeitforderndes. Wie würden Sie das mit Ihrer Professur an der Johannes Kepler Universität vereinbaren?
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer: Ja, das ist eine wichtige Frage, danke. Ohne Zweifel ist der Arbeitsanfall beim Verfassungsgerichtshof sehr hoch. Die jährlichen Tätigkeitsberichte, die der Verfassungsgerichtshof legt, sprechen da, glaube ich, eine klare Sprache. Gleichzeitig ist nach dem Konzept der Bundesverfassung vorgesehen – wenn ich das so formulieren darf –, dass die Tätigkeit des Verfassungsrichters eine – unter Anführungszeichen – „nebenberufliche“ ist. Der Verfassungsgesetzgeber hat sich dabei wohl etwas gedacht, hat gute Gründe dafür. Es soll nämlich auch die praktische, berufliche Erfahrung – und zwar die berufliche Erfahrung aus verschiedenen Berufskreisen – immer wieder einfließen. Die Verfassung steht dem nicht ablehnend gegenüber, dass man nebenbei noch eine Lehrtätigkeit ausübt.
Jetzt wäre ich, wenn Sie mir das Vertrauen schenken, nicht der erste und nicht der einzige Universitätslehrer am Verfassungsgerichtshof. Die Erfahrung lehrt, dass alle bisher tätigen Verfassungsrichter die Lehrtätigkeit auf der einen Seite mit der Tätigkeit als Richter auf der anderen Seite haben vereinbaren können. Ganz im Gegenteil bemerke ich bei einer ganzen Reihe von Kollegen einen ganz erheblichen wissenschaftlichen Output neben der judikativen Tätigkeit.
Auf der anderen Seite sehe ich natürlich auch, dass – bitte nageln Sie mich nicht fest, aber ich glaube, dass es so ist – so ziemlich alle Professoren ihre universitäre Lehrtätigkeit auf die Hälfte reduziert haben, also sich zur Hälfte freistellen lassen haben, sodass sie nur noch die halbe Lehr- und Forschungspflicht haben. Das ermöglicht der Universität, budgetneutral eine Ersatzkraft einzustellen, und das kommt den Universitäten immer recht entgegen. So würde ich es, falls ich ernannt werde, ebenfalls halten. Jedenfalls würde ich es so machen, wenn ich dann zum ständigen Referenten gewählt werde, denn das ist ja in Wahrheit eine noch einmal erhöhte zeitliche Herausforderung. Bei einer Tätigkeit als ständiger Referent würde ich sehr wahrscheinlich ebenfalls versuchen, mich an der Universität auf ein halbes Beschäftigungsmaß reduzieren zu lassen. Ich glaube, dass diese beiden Funktionen dann vereinbar sind und auch im Sinne der Bundesverfassung vereinbar sind. – Danke.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage hat sich Frau Bundesrätin Dziedzic gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Professor! Sie wurden beim Hearing im Nationalrat – soweit mir bekannt ist – schon danach gefragt, ob die schlagende Burschenschaft, bei der Sie Mitglied sind, auch völkisch ist. Ich würde Sie gerne fragen, ob Sie sich bei dem Hearing hier im Bundesrat ganz klar von jeglicher Ausprägung des Neonazismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus distanzieren können.
Außerdem frage ich, ob Sie in Zukunft von Ihrer doch manchmal provozierenden Sprache Abstand nehmen würden. Ich erinnere jetzt an Begriffe, die in den Medien waren, die Sie anlässlich des Akademikerballs 2017 verwendet haben – Begriffe wie „Bürgerkrieg“ und „Terror der Straße“. Sie haben angesichts der antifaschistischen Proteste auch von „Hass-Versammlungen“ gesprochen. – Danke.
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer: Danke, auch das ist eine sehr wichtige Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, einige Dinge klarzustellen. Die erste Frage betraf Neonazismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus. Selbstverständlich: Das ist ohnedies alles durch das Gesetz verboten, und ich habe mich selbstverständlich immer bemüht, die Gesetze peinlich genau einzuhalten. Darüber hinaus glaube ich, eine gute Kinderstube genossen zu haben, sodass das für mich gar keine Rechtsfrage ist, sondern gewisse Dinge macht man nicht.
Sie haben meine Mitgliedschaft beim Corps Alemannia seit 2014 angesprochen. Ich glaube auch, dass ich für das Corps Alemannia, oder ich bin sicher, dass ich dasselbe sagen kann - - Ich bin dort vor ein paar Jahren freundlich aufgenommen worden und habe mir das natürlich genau angeschaut, und ich muss sagen, ich habe dort nichts Gesetzwidriges gesehen und auch nichts gesehen, nichts wahrgenommen, was irgendwie den guten Sitten und dem Anstand widersprechen würde.
Das Zweite: die provokante Sprache. Sie sprechen einen Blogbeitrag an, den ich 2014 verfasst habe. Ich bitte Sie, das vor dem Hintergrund der damaligen, konkreten Situation zu verstehen. Es waren 2014 Geschehnisse, die ich vorsichtig als Ausschreitungen bezeichnen würde. Man muss sich die Bilder vielleicht noch einmal anschauen. Man kann sich im Internet anschauen, was da passiert ist. Das hat mich persönlich sehr empört, weil ich ja der Meinung bin, dass Gewalt in der politischen Auseinandersetzung keinen Platz haben darf. Als ich die Bilder von attackierten Polizisten gesehen habe, Übergriffe auf Ballbesucher, eingeschlagene Schaufensterscheiben und so weiter sind auch kolportiert worden, haben sich mir, wenn ich das so sagen darf, die Nackenhaare aufgestellt. Die Reaktion darauf war dann dieser Beitrag, der natürlich etwas zugespitzt formuliert worden ist. Das war aber ein Beitrag, den ich im Rahmen meiner Meinungsfreiheit abgegeben habe. Das ist natürlich kein wissenschaftlicher Aufsatz gewesen, das gebe ich jederzeit zu, und das ist keine Urteilsbegründung gewesen.
Um das noch einmal abzuschließen, möchte ich Folgendes sagen: Wenn ich diese Richterfunktion, dieses Richteramt bekleiden würde, wenn ich ernannt werden würde, dann gehört es zum Selbstverständnis des Richters, dass er sich in der Öffentlichkeit völlig zurücknimmt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich darf Sie jetzt noch um ein kurzes abschließendes Statement ersuchen.
o. Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer: Ich würde vielleicht nur noch das, was ich in meiner Eröffnungsvorstellung gesagt habe, nochmals betonen: Wenn ich dieses Amt erhalte, stünde ich für eine klare Trennung zwischen Rechtspolitik, von der ich glaube, dass sie ins Parlament gehört, und Rechtsauslegung und -handhabung nach streng wissenschaftlichen Kriterien, für die das Gericht zuständig ist. Ein Gericht sollte sich, was Rechtspolitik anlangt, möglichst zurückhalten, das ist immer mein auch wissenschaftlich dargelegter Zugang und meine Position gewesen. – Danke.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für das Statement, und ich darf mich auch bei Ihnen für das Kommen bedanken.
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Ich ersuche nunmehr, den nächsten Bewerber, Herrn Dr. Jürgen Pechan, in den Saal zu bitten.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Dr. Pechan.
Ich ersuche Sie, die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – und das gilt für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, das Zeitlimit von 5 Minuten bitte einzuhalten. – Bitte.
Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M.: Es ist natürlich ein Ausdruck größter Wertschätzung, wenn ich hier diese Richterstelle beim Verfassungsgerichtshof bekomme. Ich führe den Inhalt des Lebenslaufs mit den nackten Daten und Zahlen, den Sie auch vor sich haben, etwas aus: Mein Schwerpunkt innerhalb des Verfassungsrechts war das Staatskirchenrecht; dort habe ich meine Interessen entwickelt. Schon bei der Dissertation bin ich zunächst auf Widerstände gestoßen, weil ich Meinungen von Schinkele und Kalb nicht so vertreten habe. Ich habe daher Abstriche bei der Dissertation machen müssen, sie ist dann auch über den für die weitere Assistentenkarriere erforderlichen Stichtag hinaus verzögert worden. Ich habe mich darauf eingestellt, fachlich nach Deutschland auszuweichen. Dort ist dann auf Anhieb die Grundlage für meine Publikationstätigkeit geschaffen worden, zuletzt etwa im Jahrbuch des öffentlichen Rechts. Es hat doch einen gewissen Seltenheitswert, dass ein Österreicher mit einem Aufsatz in dieses Jahrbuch des öffentlichen Rechts hineinkommt.
In Österreich habe ich gleichfalls fachlich publiziert. Hier musste ich von Staatskirchenrecht auf öffentliches Wirtschaftsrecht umschwenken. Meine erste Publikationstätigkeit in Österreich war ebenso wie zuletzt auch die aktuelleren Vorträge in Deutschland und voriges Jahr dann etwa an der Polizeihochschule geprägt von den Fächern Strafprozessrecht und Strafrecht. Die Publikationstätigkeit hat sich dann auch etwas summiert – trotz aller Widerstände, die ich in Österreich gehabt habe, weil ich doch mein Ziel nicht aus den Augen verloren habe. Das hat in der Bestätigung einer habilitationsgleichen Leistung im Fach Staatskirchenrecht an der Universität Halle-Wittenberg kulminiert.
Als Ausdruck meines konsequenten Weges, den ich insbesondere im Staatskirchenrecht gegangen bin, aber auch angesichts der Tatsache, dass ich gezeigt habe, dass ich auch in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts Leistungen erbringen kann, ist vor dem Hintergrund einer nochmaligen beruflichen Umsattlung hin zur Anwaltschaft mit abgelegter Rechtsanwaltsprüfung als weiteren entscheidenden Qualifikationsausweis schon einmal die Tatsache, dass ich hier eingeladen bin, ein großer Ausdruck von Wertschätzung. Das Nonplusultra wäre dann der Erhalt einer Stelle als Verfassungsrichter. Dies sei zum Hintergrund meines bisherigen Werdegangs mit der Motivation, nach der Sie gefragt haben, gesagt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich darf nun auch Sie ersuchen, für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen.
Als erste Fragestellerin hat sich Frau Bundesrätin Zwazl gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Doktor Pechan, Ihr Lebenslauf ist sehr abwechslungsreich, aber das interessiert mich auch als Unternehmerin sehr: Sie sind akademischer Europarechtsexperte.
Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M.: Ich habe nur ein paar Eckpfeiler genannt, und ausgeführt, wo die Motivation besonders ist.
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Deshalb frage ich Sie auch: Wie sehen Sie das Zusammenwirken des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte mit dem Verfassungsgerichtshof?
†Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M.|: Ich meine, dass diese Vorgaben, die von europäischer Ebene kommen, in Österreich umgesetzt werden. Das funktioniert; Österreich hat sich sehr früh darauf eingestellt. Inhaltlich sind die Spannungsfelder weniger groß, sie sind mehr bezüglich der Grundrechtsträgerschaft zu konstatieren, weil in Österreich die Grundrechtsträgerschaft so an die Person geknüpft ist. Das macht es etwas strenger für die Umsetzung. Bei Personen im Werden, also das betrifft insbesondere juristische Personen im Gründungsstadium, besteht ein gewisser Nachholbedarf in der Umsetzung der Grundrechte wie von europäischer Ebene inhaltlich vorgegeben.
Inhaltlich sind die Standards recht gut, aber von der Grundrechtsträgerschaft ist Österreich mit dem starren Festhalten am Personenbegriff, an dieser Konstruktion insoweit rückständig. Das weitere Problem, bei dem ich Defizite in der Umsetzung sehe, ist die Frage, inwieweit auch juristische Personen des Privatrechts grundrechtsfähig sind, wenn an diesen Personen der Bund, das Land oder Gemeinden einen Anteil von 51 Prozent halten. Auch dieses Spannungsfeld ist in Österreich nicht ausreichend erkannt worden; und da gibt es noch Nachholbedarf in der Umsetzung und Defizite. Dazu habe ich vorhin Beispiele genannt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Danke sehr, Herr Dr. Pechan, für Ihre Kandidatur. Ich weiß nicht, ob Sie der erste Kirchenrechtler im Verfassungsgerichtshof wären. Das weiß ich jetzt nicht, aber da Sie gerade erzählt haben, dass Sie ja öfters mit Ihren Ansichten angeeckt sind, biete ich Ihnen jetzt mit meiner Frage auch aus aktuellem Anlass eine Möglichkeit des Aneckens: Wie sehen Sie das? Sollte es eine Cooling-down-Phase für ehemalige Regierungsmitglieder geben, wenn sie später Richter am Verfassungsgerichtshof werden wollen?
Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M.: Ich muss da noch einmal den ersten Aspekt betonen, das mit dem Anecken. Ich habe nicht die Meinungen von Schinkele und Kalb vertreten, es hat mich aber dennoch vorwärts gebracht. Ich bin etwa bei Peter Häberle ins Jahrbuch gekommen und an der Universität Halle-Wittenberg wurde mir die habilitationsgleiche Leistung bestätigt. Professor Schwendenwein hat die habilitationsgleiche Leistung bestätigt, bei Professor Pree ist das Studium einwandfrei gelaufen. Ich habe mich also von meinem Weg nicht abbringen lassen. Ich habe Widerstände in Kauf genommen und bin meinen Weg trotzdem weitergegangen. Das Wort anecken finde ich von der Terminologie her daneben.
Zur Cooling-down-Phase: Ein Richter muss sich mental von einem Tag auf den anderen umstellen können. Eine Cooling-down-Phase, um sich für eine neue Position von bisherigen Positionen zu lösen, ist als Richter nicht geboten. Ein Richter müsste sich von einem Tag auf den anderen für seine Position umstellen können, weil er sich derart dem Recht verpflichtet fühlt, dass es keine Diskussion gibt, ob es Loyalitätskonflikte aufgrund der Vergangenheit gibt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Raml gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Herr Dr. Pechan, meine Frage wird im Bundesrat für Sie keine große Überraschung sein. Sie sind ausgewiesener Staatskirchenrechtler. Natürlich interessiert uns die föderalistische Komponente. Wie sehen Sie da etwaige Aufwertungsmöglichkeiten für den Bundesrat als Länderkammer, wie sehen Sie die Sinnhaftigkeit des Bundesrates im Generellen und wie sehen Sie auch die Sinnhaftigkeit der föderalistischen Aufteilung zwischen Landtagen und dem Bundesgesetzgeber insgesamt?
Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M.: Meine Föderalismusmentalität mag dadurch gestärkt worden sein, dass ich den Hauptteil meiner Rechtsanwaltsanwärtertätigkeit in Vorarlberg verbracht habe – seit 2009. Dort ist dieses föderalistische Denken noch besonders ausgeprägt. Dementsprechend oft habe ich auch Schriftsätze an den Verfassungsgerichtshof konzipiert, die auch erfolgreich gewesen sind, in denen immer wieder der Föderalismusgedanke und die Abgrenzung der Kompetenzen bei den Gebietskörperschaften eine Rolle gespielt haben. Aufwertungsmöglichkeiten sind ja in letzter Zeit allein durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit massiv hinzugekommen. Wenn die Verwaltungsgerichtsbarkeit weiter rechtsschutzfreundlich ausgebaut wird, ist damit sogleich eine Aufwertung der Länderinteressen gegeben. Insbesondere gehört bei den Verwaltungsgerichten hinsichtlich der Möglichkeit einer sogenannten Leistungsklage aufgewertet, damit eben Sozialleistungen auch positiv eingefordert werden können. Insofern das Sozialrecht damit auch Landesrecht betrifft, erfolgt damit auch eine Aufwertung von Landeskompetenzen in einem wichtigen Bereich, den sich die Länder unter den Nagel reißen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage hat sich Frau Bundesrätin Dziedzic gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sie haben angegeben, dass Sie Referent am Institut für Daseinsforschung sind. Mich würde erstens interessieren, was dort passiert, und zweiten, inwiefern das für Sie eine mögliche ergänzende Kompetenz als Verfassungsrichter sein könnte.
Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M.: Ich bin aufgrund eines ausgearbeiteten Konzepts zum Thema Implikationen und Instrumente des Gewährleistungsstaates assoziierter Referent am Institut für Daseinsforschung geworden. Ich arbeite auch an einem Aufsatz, der eben gerade diese Problematik betrifft. Es geht um das Verhältnis Grundrechte und Menschenrechte, insbesondere das Grundrecht – das Menschenrecht wird schon ziemlich anerkannt –, das Grundrecht auf Daseinsvorsorge, damit auch die juristischen Personen davon betroffen sind. Damit beschäftige ich mich auch, nämlich ob für juristische Personen des Privatrechtes, an denen der Bund gewisse Prozentanteile hält, da geht es immer wieder um das Verhältnis 51 Prozent zu 49 Prozent - - Das ist dogmatisch sehr interessant und es ist eine wunderbare Ergänzung zu meinem öffentlich-rechtlichen Schwerpunkt im Staatskirchenrecht.
In Österreich habe ich aber, wie gesagt, ohnedies meine ersten Publikationen im öffentlichen Wirtschaftsrecht namentlich im Subventionsrecht hingekriegt. Ich halte das für eine hervorragende Ergänzung, weil sich das innerhalb des öffentlichen Rechts abspielt. Das öffentliche Recht war übrigens auch bei der Rechtsanwaltsprüfung meine Stärke.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Ich darf Sie jetzt noch um ein abschließendes Statement ersuchen, wenn Sie wollen.
Mag. Dr. Jürgen Pechan, LL.M.: Ich habe versucht, das Statement in mein Einleitungsplädoyer zu verpacken. Das Wort anecken ist übertrieben, aber Sie haben gesehen, ich gehe einen Weg. Ich habe Widerstände erlebt, ich habe immer wieder umgeschwenkt, neue Ziele erreicht. Ich habe weiterhin vor, im Staatskirchenrecht auszubauen und weitere Bereiche des öffentlichen Rechts zu bearbeiten. Sie haben bei mir keinen Lebenslauf wie bei anderen Bewerbern, der vor lauter Eigenlob übergeht, was auch sehr unangenehm ist. Sie haben gesehen: Es gab Rückschläge und Ausweichmanöver. Dennoch bin ich zuversichtlich. Wie gesagt: Allein, dass ich heute hier sitze, ist ein Ausdruck großer Wertschätzung, und der noch größere Ausdruck von Wertschätzung wäre, sollte ich tatsächlich eine Stelle als Verfassungsrichter bekommen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich bedanke mich für Ihre Ausführungen und auch für das Kommen.
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Das Hearing des nächsten Kandidaten wurde ja auf Dienstag verschoben. Ich würde vorschlagen, dass wir gleich mit Frau Rechtsanwältin Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser weitermachen, die schon da ist.
Rechtsanwältin Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Frau Dr.in Prunbauer-Glaser. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – und das gilt für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass die Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Bitte, Frau Doktorin.
Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.: Danke für die Einladung zu diesem Hearing. Sie erlauben mir, dass ich aus aktuellem Anlass etwas vorausschicken darf, auch persönlich. Sie werden verstehen, dass die Medienberichte der letzten Tage Anlass zu denken geben – zu denken geben müssen. Damit spreche ich die Berichte an, die nahelegen, dass die Ernennung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes, die hier auf Vorschlag des Bundesrates zu ernennen sind, eine angeblich längst zugunsten von schon öffentlich namentlich benannten Personen beschlossene Sache sei; dann hätte dieses Hearing folgerichtig nur noch eine Feigenblattfunktion zur Bedeckung einer vorgegebenen Entscheidung. Abgesehen von dem allseits eingetretenen schädigenden Effekt fragt man sich natürlich als Bewerberin, die ich hier bin, und auch als Staatsbürgerin: Kann denn das alles wahr sein? Ich habe beschlossen, trotz postfaktischen Zeitalters das Vertrauen in das verfassungsgemäß vorgesehene Funktionieren zu behalten.
Warum ich mich bewerbe, sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte, das ergibt sich aus meiner Sicht aus dem Curriculum Vitae, das Ihnen vorliegt, in dem ich auch meine Motivation schon dargelegt habe. Ich bin jetzt seit über 30 Jahren Anwältin, habe Berufsbefugnisse in zwei verschiedenen Jurisdiktionen eigens erworben – also auch in New York. Ich bin in meiner praktischen Tätigkeit in einem sehr weit aufgestellten Bereich anwaltlich tätig, primär natürlich zivilrechtlich und wirtschaftsrechtlich. Ich habe immer den Kontakt zur Wissenschaft gehalten – seit meinen Anfängen als Universitätsassistentin – und habe letztlich dann auch Spruchpraxiserfahrung in meiner Funktion als Mitglied des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senates gewinnen können. Diese Funktion ist jetzt abgelaufen. Der aktuelle Senat ist noch zuständig, bis es zu einer neuen konstituierenden Sitzung kommt.
Ich war seit über 20 Jahren in ehrenamtlicher Tätigkeit für die Anwaltschaft und dort schwerwiegend und überwiegend im europarechtlichen Bereich tätig und habe dabei nicht nur die anwaltlichen Agenden, sondern die gesamte Entwicklung des Europarechts mitbegleitet. Aus dieser Tätigkeit heraus meine ich, dass ich durch meine so breit aufgestellte Anwaltserfahrung mit diesem europarechtlichen Aspekt durchaus auch etwas für den Verfassungsgerichtshof einbringen könnte, denn der Verfassungsgerichtshof steht, seit er im Kontext des Unionsrechts steht, natürlich auch besonderen Herausforderungen gegenüber beziehungsweise ist diesen schon begegnet, sowohl in Sachmaterien als auch in Fragen der Auslegung. Wir werden von Europa mit Gesetzen konfrontiert, die für manche – auch für Juristen – nicht einfach verständlich sind, und mit Terminologien. Das sind Herausforderungen, die der Verfassungsgerichtshof schon angenommen hat, die aber noch nicht abschließend geklärt sind. Es wäre aus meiner Sicht ein Beitrag, eventuell auch Erfahrungen von der anderen Seite, nämlich von der Sicht der Rechtsanwender, der praktischen Durchsetzer und jener, die das in der Entwicklung begleitet haben, einzubringen.
Ich meine auch, dass die Sicht der Anwaltschaft oder einer in der Praxis tätigen Anwältin zusätzlich etwas zur Pluralität und zur Diversität, die der Verfassungsgerichtshof benötigt, beitragen kann, denn die Anwälte sind nicht nur der erste Ansprechpartner der Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, wenn sie Probleme haben, sondern sie sind auch sehr oft die Übersetzer dessen, was im Recht steht, aber auch dessen, was in den Erkenntnissen steht – einschließlich der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes. Beim Verfassungsgerichtshof sieht man, dass die sehr wohlbegründeten Urteile aus meiner Sicht in den letzten Jahren in ihrer Sprache immer wissenschaftlicher, oft auch sehr formalistisch verklausuliert wurden. Da mag es auch dazu beitragen, wenn man in der Verständlichkeit für den allgemeinen Staatsbürger in den Erkenntnissen vielleicht die Reputation, die der Gerichtshof hat, stärkt.
Die letzte Motivation, die ja letztlich auch aus meinem Lebenslauf folgt, ist schon etwas, was ich ansprechen möchte: Das Mitglied des Verfassungsgerichtshofes, das der Bundesrat zuletzt entsandt hat, war eine Frau und war eine Anwältin. Ich habe mir lange überlegt, ob ich kandidieren soll – auch in meiner standesamtlichen Funktion, die ich jetzt habe –, aber ich meine, dass es dem Verfassungsgerichtshof gut anstünde, die Frauenkomponente bei seinen Mitgliedern nicht zu reduzieren, wie das derzeit der Fall ist, sondern zumindest gleich hoch zu halten und aufrechtzuerhalten. Ich habe mich mein ganzes Berufsleben lang wirklich dagegen verwehrt, mich auf meine Funktion als Frau oder meine Weiblichkeit zu berufen. Ich habe mein Berufsleben gestaltet, nicht weil ich eine Frau war, sondern oft – erfolgsmäßig – obwohl ich eine Frau war. Da ist mir bei den schon vor Ablauf der Bewerbungsfrist medial verbreiteten Kandidaten aufgefallen, dass von einer Frau leider keine Rede war. Daher ist auch das – das muss ich ganz offen gestehen, obwohl mir das nicht liegt – eine der Motivationen, warum ich heute bei Ihnen sein darf. – Vielen Dank.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen! Ich bitte Sie, nun für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun bitten, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen.
Für die erste Frage hat sich Herr Bundesrat Janacek gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Mag. Roman Janacek (ÖVP, Niederösterreich)|: Frau Dr. Prunbauer- Glaser! Es freut uns natürlich sehr, dass wir eine Frau hier haben; meine Frau ist auch Juristin, also von der Warte her weiß ich ein Lied zu singen – auch im negativen Sinne. (Bewerberin Prunbauer-Glaser: Oje!) Sie ist immer gescheiter als ich. (Bundesrätin Zwazl: Ja sag einmal! – Heiterkeit. – Bewerberin Prunbauer-Glaser: Das wollte ich aber wirklich – für das Protokoll – nicht unterstellt haben!) – Nein, ein bisschen Spaß muss sein!
Sie haben ja sehr viele Fragen schon vorweggenommen, auch in puncto Lesbarkeit von Gesetzen, die für uns sehr wichtig ist, die mir als direktem Anwender, als Bürgermeister auch sehr wichtig ist. Was mir als Mitglied der Länderkammer von Ihrer Seite zu erfahren noch wichtig wäre, ist Folgendes: Was wären aus Ihrer Sicht die prioritären Aufgaben eines Verfassungsrichters hinsichtlich Staats- und Verwaltungsreform? Welches Know-how können Sie aus ihrer Rechtsanwaltspraxis dahin gehend einbringen?
Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.: Vielen Dank für die Fragen, die aus meiner Sicht wichtig sind. Zunächst: Als Verwaltungsrichter habe ich – leider – nicht die Funktion, etwas zur Staats- und Verwaltungsreform beizutragen; das ist Sache der gesetzgebenden Körperschaften. Allenfalls wird der Verwaltungsgerichtshof irgendwann einmal in späterer Folge gefragt, ob hier verfassungskonform agiert wurde. Ich persönlich als Staatsbürgerin bin aber der Meinung, dass es durchaus positiv und gut und wichtig wäre, bei den vielen Überlegungen, die es ja aus dem letzten Verfassungskonvent schon gibt, voranzuschreiten, aber ich sehe mich jetzt hier auch in der Kürze der Zeit gar nicht in der Position, auf Einzelnes einzugehen.
Was war die zweite Frage?
Bundesrat Mag. Roman Janacek (ÖVP, Niederösterreich)|: Was könnten Sie aus Ihrer Rechtsanwaltspraxis speziell beitragen?
Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.: Ich denke, dass ich sowohl aus meiner Rechtsanwaltspraxis, aber auch in meiner ehrenamtlichen Funktion als Vizepräsidentin des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, die ich noch habe, durchaus einiges einbringen kann. Das sind zum einen all die Überlegungen, die da auf der persönlichen Ebene kommen, wenn Staatsbürger von überbordender Bürokratie betroffen sind und wenn es darum geht, mit wem und in welchem Kompetenzbereich man sich beschäftigen muss. Zum anderen geht es auch um das zuletzt zu beobachtende Anwachsen der legislativen Tätigkeit, mit der sehr viele Klienten auch in der Praxis nicht mehr zurande kommen. Das ist durchaus etwas, was man einbringen kann – zusätzlich zu dem, was die Anwaltschaft meint, aber das ist ohnedies öffentlich bekannt. – Vielen Dank.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Anwältin! Doppelter Respekt von mir: erstens für Ihre couragierte Eingangsbemerkung und Ihre staatsbürgerliche Besorgnis darüber, ob das Farce oder ernsthaft ist; zweitens aber auch für Ihre Schlussbemerkung, die nicht in einem Gelächter untergehen sollte. (Bewerberin Prunbauer-Glaser: Ich habe es auch ernst gemeint!) – Ja, ich meine nur, die Reaktion, das Gelächter, das war etwas sehr ernst Gemeintes. Würden alle drei Positionen – eine ist schon männlich besetzt – männlich besetzt, hätten wir 75 Prozent Männeranteil im Verfassungsgerichtshof. Die Mehrheit der Bevölkerung ist weiblich.
Können Sie vielleicht noch einmal ausführen, wie wichtig es Ihrer Meinung nach ist, dass Frauen in gleicher Anzahl im Verfassungsgerichtshof, auch aufgrund der Materien – Gleichstellungsgesetz und so weiter –, vertreten sind?
Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.: Vielen Dank auch für Ihre Frage. Ich denke, ich war in meinem Beitrag schon sehr deutlich. Ich habe gesagt, dass ich der Meinung bin, dass Frauen auch in den Höchstgerichten und in der Justiz entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung vertreten sein sollten. Es ist mir aus meiner privaten Vita und meiner Berufstätigkeit bekannt, dass man sich in der Justiz und im Rechtsprechungsbereich in einem schwierigen, lange auch sehr männlich dominierten Umfeld bewegt. Dessen ungeachtet stünde es dem Verfassungsgerichtshof aus meiner persönlichen Sicht sehr gut an, die Frauenquote, die in der Relation ohnedies schon sehr niedrig ist, jetzt nicht noch zu reduzieren. Eine Richterin scheidet aus und – das darf man aus meiner Sicht nicht vergessen – man hat jetzt, wenngleich nur für kurze Zeit, eine Präsidentin, womit auch diese letztlich aus der sachlichen Mitarbeit und der Teamfindung ausscheidet. Im Ergebnis ist es absolut zu begrüßen, dass es eine weibliche Höchstgerichtspräsidentin gibt, aber de facto wird der Gerichtshof dann verdünnt, soweit die Sachentscheidungen und die Sachfallbearbeitungen betroffen sind.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Zur nächsten Frage hat sich Herr Bundesrat Raml gemeldet. – Bitte.
†Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Doktor! Meine Frage betrifft die Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes: Wo sehen Sie – sollten Sie Verfassungsrichterin werden – die Grenzen der Interpretation durch den VfGH, beziehungsweise sind Sie der Meinung, dass die Rechtsprechung, die Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes in den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren die Grenze der Interpretation stetig ausgeweitet hat?
†Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.: Das ist jetzt eine sehr schwierige und auch wertungspolitische Frage. Natürlich ist eine Interpretation, die der Verfassungsgerichtshof vornehmen muss, wenn er ein Gesetz auslegt, mit Bandbreiten und auch Ermessensspielräumen belegt. Es mag den Eindruck erwecken, dass in den letzten Jahren möglicherweise der Verfassungsgerichtshof mehr Spielraum genutzt hat oder auch nutzen musste, weil die Gesetzgebung oder die Gesetze, die ihm zur Prüfung vorgelegt wurden, zum Teil eben genau diesen Spielraum eröffnet haben.
Aus Sicht der Anwaltschaft haben wir in offizieller Funktion sehr oft in den letzten Jahren kritisch – durchaus konstruktiv kritisch – angemerkt, dass man an der Qualität der Gesetze selbst auch arbeiten muss. Wenn jetzt der Gesetzgeber gewisse Spielräume an den Gerichtshof oder an die Gerichte weitergibt – das kann ja auch der Oberste Gerichtshof sein, es muss nicht nur der Verfassungsgerichtshof sein –, dann mag sich bei einigen der Eindruck festigen, dass da mehr gewertet wird als bisher. Auch dazu, denke ich, wäre es aus der Sicht der Praxis und einer Praxisanwenderin ein guter Beitrag, die andere Seite des Spiegels bei dieser Bewertung einzubringen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Stögmüller gemeldet. – Bitte.
†Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Grüß Gott, Frau Prunbauer-Glaser! Vielen Dank, dass Sie sich heute bewerben! Meine Kollegin hat sich im Anfangsstatement schon bei einem Kandidaten für diese Feigenblattdiskussion oder ‑enquete entschuldigt. (Bewerberin Prunbauer-Glaser: Ja, das beschäftigt uns alle!) Das haben Sie ganz gut herausgearbeitet, weil es auch richtig ist: Das hier ist nichts anderes als eine Feigenblattenquete; sie überdeckt eigentlich, dass es schon etwas gibt.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ihre Frage, Herr Bundesrat!
†Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Auch betreffend Diversität, die Sie angesprochen haben, gebe ich Ihnen absolut recht.
Mich würde interessieren, welchen Stellenwert eine politische Unabhängigkeit des Verfassungsrichters für Sie einnimmt – eine politische Unabhängigkeit nämlich –, was das für Sie bedeutet, ob das wichtig oder nicht wichtig ist.
†Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.: Das kann ich nur zu 100 Prozent und mit vollem Herzen sagen: Für mich ist die Unabhängigkeit des Verfassungsrichters eine der obersten Maximen – jedenfalls auch die parteipolitische Unabhängigkeit. Das ist ein Qualitäts- und Qualifikationsvoraussetzungsmerkmal. Dass ich entsprechend unabhängig bin, hat mir zumindest die Vorgängerregierung schon dadurch bescheinigt, indem sie mich auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofes als Mitglied in den Parteien-Transparenz-Senat gewählt hat.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen! Ich darf Sie jetzt noch um ein kurzes Abschlussstatement bitten, wenn Sie wollen.
†Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser, M.C.J.: Ich glaube, das Abschlussstatement kann kurz sein, ich bin der Meinung, dass ich bei meinem Eingangsstatement ein bisschen überzogen habe. Ich unterstreiche all das und wiederhole all das, was ich schon gesagt habe. Ich bin auch eine Vertreterin der Bundesländer, das möchte ich im Bundesrat schon auch betonen, ich bin sozusagen die Salzburgerin in Wien, die hängen geblieben ist, wie es manchmal geschieht. Ich würde mich als zusätzliches Element der Pluralität und der Diversität im Verfassungsgerichtshof sehen, falls mir je die Auszeichnung zukommen sollte. Der Bundesrat ist nicht die Regierung. – Vielen Dank.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen und auch für Ihr Kommen heute!
*****
Ich darf nun den nächsten Bewerber, Herrn Hofrat Privatdozent Dr. Erich Pürgy, in den Saal bitten.
Hofrat Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße sehr herzlich Herrn Dr. Pürgy bei uns und darf ihn bitten, Platz zu nehmen.
Ich ersuche Sie, uns die Gründe für die Bewerbung zu nennen, und weise Sie darauf hin – und das gilt für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass die Ausführungen das Zeitausmaß von 5 Minuten nicht überschreiten sollten. – Bitte.
Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy: Sehr geehrte Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Name ist Erich Pürgy, ich bin 42 Jahre alt und Richter am Verwaltungsgerichtshof. Meine berufliche Laufbahn habe ich in der Salzburger Landesverwaltung begonnen, aufgrund meiner Ausbildung als Förster zunächst als Amtssachverständiger. Nach Abschluss meines nebenberuflich betriebenen Studiums bin ich dann auf die Juristenschiene gewechselt, war auf Ebene der Bezirkshauptmannschaften Gewerbereferent, bin im Anschluss daran in die Naturschutzabteilung des Amtes der Landesregierung gewechselt und habe in dieser Phase auch mein Doktoratsstudium abgeschlossen.
2004 bin ich im Rahmen einer Dienstzuteilung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof nach Wien gewechselt. Im Anschluss daran war ich fünf Jahre in mehreren Abteilungen des Verfassungsdiensts im Bundeskanzleramt tätig, zuletzt auch als stellvertretender Abteilungsleiter. Dort war ich unter anderem mit der Prozessvertretung in Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, aber auch in Verfahren vor dem EuGH betraut, ich habe vor beiden Gerichten plädiert. In dieser Zeit war ich auch Mitglied des Unabhängigen Umweltsenats, der damals noch eine Rechtsmittelinstanz in UVP-Angelegenheiten war.
2010 habe ich eine Habilitandenstelle an der Wirtschaftsuniversität angenommen und konnte meine wissenschaftlichen Arbeiten, die ich vorher schon betrieben habe, vertiefen. Ich habe in der Zeit ein dreibändiges Werk über das Recht der Länder herausgegeben, das auch im Bundesrat präsentiert wurde. 2013 wurde ich zum Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes ernannt. Im letzten Jahr konnte ich dann mein Habil-Projekt abschließen, mir wurde die Lehrbefugnis für die Fächer Öffentliches Recht und Gesetzgebungslehre verliehen. Neben meiner Tätigkeit als Richter am Verwaltungsgerichtshof bin ich auch wissenschaftlich tätig, halte Lehrveranstaltungen, bin Mitherausgeber der „Zeitschrift für Verwaltung“ und in der Gesellschaft für Gesetzgebungslehre aktiv. Ich bin auch in viele wissenschaftliche Projekte involviert und arbeite an beiden Großkommentaren der Bundesverfassung mit, also sowohl bei Korinek und Holoubeck als auch bei Rill-Schäffer.
Was qualifiziert mich jetzt als Verfassungsrichter? – Dem Verfassungsgerichtshof gehören Personen aus der Wissenschaft an, die habilitiert sind, Leute aus der Verwaltung, sowohl aus der Bundes- als auch aus der Landesverwaltung, aus der Anwaltei und auch Berufsrichter, idealerweise Höchstrichter. Ich denke, dass ich aus diesem Segment, aus den unterschiedlichen Sparten einiges abdecke, und glaube daher, dass ich das Anforderungsprofil sehr gut erfülle. – Danke sehr.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich bedanke mich für Ihre Ausführungen und bitte Sie, für die Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich ersuche die Damen und Herren Bundesräte, sich per Handzeichen für die Fragen zu melden.
Die erste Frage stellt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Danke, Herr Dr. Pürgy, für Ihre Ausführungen! Als Ländervertreter habe ich an Sie – da Sie immer wieder zum Recht der Länder und auch zum Bundesstaat, zur Gesetzgebung der Länder und so weiter im Verhältnis zum Föderalismus publiziert haben – die Frage: Wie stehen Sie insgesamt dazu?
Sie haben weiters zu „Risiken und Chancen der Verwaltungsreform und Deregulierung“ publiziert, was auch ein Punkt im Regierungsprogramm ist. Jetzt weiß ich schon, dass Sie uns nicht das ganze Buch erklären können, aber zumindest die aus Ihrer Sicht wesentlichen Punkte, das, was als Erstes anzugehen wäre.
Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy: Das ist natürlich eine sehr weitgehende Fragestellung. Es ist schwierig, das kurz zusammenzufassen, ohne in irgendwelche Stehsätze zu verfallen, da ja zu diesen Themen schon sehr viel gesagt und geschrieben wurde. Ich versuche, das jetzt halbwegs pointiert zu machen.
Am Anfang vielleicht gleich die These vorangestellt: Ich glaube, dass es einigen Reformbedarf in unserem Staatswesen gibt, und dazu gehört natürlich auch der Bundesstaat. Wenn man von Staatsreform spricht, ist ja meistens eine Bundesstaatsreform gemeint, denn viele unserer Strukturprobleme, die wir haben, werden immer dem Bundesstaat zugeschrieben. Wir sind halt sehr vielschichtig organisiert, sowohl in der Staatsfunktion der Gesetzgebung als auch in der Vollziehung; wir haben viele unterschiedliche Verwaltungsebenen. Also das, glaube ich – aber da sage ich jetzt nichts Neues –, würde reformiert gehören, aber dazu müsste man aus einer rein fachlichen Sicht, glaube ich, einmal Tabula rasa machen und sich fragen, ob man weiterhin eine Gesetzgebungskompetenz der Länder möchte. Das ist, glaube ich, die Grundsatzfrage, das würde auch, würde man diese Frage stellen, auf eine Gesamtänderung der Bundesverfassung hinauslaufen. Man müsste das Bundesvolk fragen, ob es das will.
Das wäre, wenn man es von ganz unten angeht, wahrscheinlich die erste Frage; es ist natürlich eine hochpolitische, und man muss sich halt ehrlich fragen: Gibt es einen differenzierten Regelungsbedarf? Die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen ist ja historisch gewachsen. Aus rein fachlicher Sicht müsste man fragen: Wo ist es gerechtfertigt, dass etwas neunmal unterschiedlich geregelt wird? – Das ist dann gerechtfertigt, wenn es unterschiedliche Sachgegebenheiten gibt, wenn ich sagen kann, es ist in Vorarlberg anders als in Wien oder im Burgenland und daher gehört das unterschiedlich geregelt. Das wäre die Frage, die man sich ehrlich stellen müsste, aber das ist natürlich auch eine sehr theoretische, denn bis jetzt sind Reformen immer so passiert, dass ein Abtausch von Kompetenzen und Verschiebungen – dort und da – erfolgte. Das ist natürlich politisch illusorisch, würde ich jetzt sagen, dass man so eine Herangehensweise wählt.
Ich glaube, realistisch ist, um jetzt auf das Regierungsprogramm zurückzukommen: Es gehört endlich der Artikel 12 abgeschafft; das ist wahrscheinlich ein Anfang, und da werden Sie einmal suchen müssen, dass Sie einen Experten finden, der den Artikel 12 verteidigt – trotzdem hat man es bis jetzt nicht geschafft. Dieser Punkt ist ja schon in einigen Regierungsprogrammen drinnen gewesen, aber man hat auch das nicht geschafft. Es wäre ein Anfang, dass man sich die Materien im Artikel 12 anschaut, und diese wird man dort und da zuschlagen; da sind – Krankenanstaltenrecht – schon ein paar Dinge drinnen, die man sinnvoll aufteilen könnte. Das wäre zumindest ein Anfang.
Zur großen Reform: Aus fachlicher Sicht kann man da, glaube ich, viel dazu sagen, aber es ist halt politisch schwierig, dass man wirklich Tabula rasa macht. Das ist das Thema der Bundesstaatsreform. Getrennt davon muss man natürlich das Deregulierungsthema und die Rechtsbereinigung sehen, die ja im Moment ein bisschen im politischen Vordergrund steht.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Hofrat, nach dieser innervorarlbergerisch langen Antwort gebe ich Ihnen vielleicht die Möglichkeit zu einer kürzeren Antwort. Sie haben ja die Erfahrung vom Verwaltungsgerichtshof, Sie sind umfassend tätig, darum frage ich Sie: Was finden Sie: Sollen wir zu Berufsrichtern und ‑richterinnen am Verfassungsgerichtshof kommen und Nebentätigkeiten untersagen, oder soll das so weitergehen wie bisher?
Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy: Ja, das ist natürlich ein Thema, das Für und Wider hat. Ich glaube, die Rekrutierung aus den unterschiedlichen Berufssparten hat sich jahrzehntelang bewährt – auf jeden Fall, das wird auch immer wieder betont. Es ist ja natürlich auch dadurch attraktiv, dass es eine Nebentätigkeit ist, in Verbindung mit dem Sessionsbetrieb. Dieses quasi En-bloc-Arbeiten, -Abarbeiten in Sessionen kommt natürlich einem Anwalt, einem Universitätsprofessor, also diesen Mitgliedern, entgegen. Ich glaube, die Frage stellt sich auch nur aufgrund der großen Arbeitsbelastung dort; das ist wahrscheinlich das Hauptargument, dass man sagt, es würde so besser laufen.
Ich glaube, bis jetzt hat es der Verfassungsgerichtshof ganz gut geschafft. Gerade Präsident Holzinger hat ja doch auch intern in der Justizverwaltung einiges reformiert. Wenn man jetzt nur auf die Verfahrensdauer schaut: Von daher kann man dem VfGH nicht vorwerfen, dass er ineffizient arbeiten würde. Ich würde nur bei den Nebentätigkeiten – das ist jetzt eine politische Antwort – einschränken, also dass man irgendwelche Aufsichtsratspositionen und solche Dinge, wo es zu Unvereinbarkeiten kommen kann, wahrnimmt; aber dass ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes daneben an der Universität Professor ist – die sind ja auch oft vom Umfang her reduziert –, also da hätte ich jetzt keinen Reformbedarf (Bundesrat Schennach: ... in der Asfinag: Nein!) – So, ja, ja.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Ich darf nur noch kurz erwähnen: Im Wissen, dass es oft schwierig ist, auf solche Fragen kurz zu antworten, aber in Anbetracht des Zeitlimits, das wir vereinbart haben, bitte ich, dies wenn möglich bei den nächsten zwei Fragen zu berücksichtigen.
Die nächste Frage kommt von Bundesrat Raml. – Bitte.
†Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Doktor, dann werde ich meine Frage da direkt anschließen, damit ich Ihnen eine kurze Antwortmöglichkeit einräume. Wie würden Sie denn das persönlich handhaben, welche zeitlichen Ressourcen, glauben Sie, könnten Sie dem VfGH zur Verfügung stellen? Würden Sie weiterhin als VwGH-Richter tätig sein, und würden Sie dem VfGH auch als ständiger Referent zur Verfügung stehen?
†Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy|: Also diese Fragen würde ich alle mit Ja beantworten. (Bundesrat Mayer: Wunderbar! – Heiterkeit.) Ich glaube aber, man muss dazu vielleicht schon sagen, was ich alles mache. Man muss sich da natürlich aus gewissen Dingen zurückziehen, was wissenschaftliche Projekte oder solche Dinge betrifft, denn irgendwo muss man umschichten, da der Tag nur 24 Stunden hat. Da müsste man sicher etwas machen, aber es hat etwas für sich und ist auch eine lange Tradition, dass Hofräte des Verwaltungsgerichtshofes auch Richter am Verfassungsgerichtshof sind, dass sich das ausgeht. Man muss halt früh aufstehen, und das mache ich, das habe ich in den letzten 20 Jahren gemacht.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage hat sich Herr Bundesrat Stögmüller gemeldet. – Bitte.
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Ich habe mir Ihren Lebenslauf durchgelesen. Sie würden – wir haben das vorhin gehabt mit der Diversität – als Förster und Jäger, glaube ich, auch gut dazu passen, das ist einmal etwas Neues. Was mich interessiert – und damit kann ich auch anschließen –: Wir kritisieren zum Beispiel an Brandstetter, dass es keine Cool-down-Phase gibt, sprich, dass er über Gesetze, die er selber beschlossen hat, auch wieder selbst entscheidet. Wie sehen Sie das? Brauchen wir eine Cool-down-Phase oder nicht?
Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy: Ich glaube, das ist eine Frage, die der Verfassungsgesetzgeber beantworten muss; beim Präsidenten ist es ja so. Das würde wahrscheinlich Sinn machen. Die Frage ist aber immer, wo man anfängt und wo man aufhört. Sind dann die Kabinettsmitarbeiter dort mitumfasst, sind es Sektionschefs dann vielleicht auch, Generalsekretäre? – Es ist dann natürlich immer eine Frage, wo man das abgrenzt, also das ist eine sehr politische Frage, und da gibt es Für und Wider.
Es wäre womöglich für die Akzeptanz doch etwas sehr Wichtiges – und das war ja auch ein sehr aktuelles Thema –, gerade wenn so brisante Entscheidungen wie jene betreffend die Wahlgerichtsbarkeit getroffen werden, dass natürlich der Verfassungsgerichtshof als Institution sakrosankt ist und da dann nicht angefangen wird, irgendwelche Zweifel an der Institution oder an einzelnen Mitgliedern aufzuwerfen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen und darf Sie um ein kurzes Schlussstatement bitten.
Priv.-Doz. Ing. Dr. Erich Pürgy: Ich habe versucht, es schon in meiner Vorstellung auf den Punkt zu bringen, warum ich mich für qualifiziert halte. Es ist schon jetzt so, dass mich meine Tätigkeit als Höchstrichter sehr fordert, aber mir auch sehr viel Freude macht. Ich glaube, durch meine Ausbildung, durch meine bisherigen Funktionen, auch was die Habilitation betrifft, auch im Verfassungsrecht, wäre ich für diese Tätigkeit sehr geeignet, und daher strebe ich sie auch an. – Vielen Dank.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Ausführungen. Ich darf mich auch für Ihr Kommen heute bedanken.
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Ich darf den nächsten Bewerber, Herrn Rechtsanwalt Univ.-Prof. Dr. Peter Lewisch, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Universitätsprofessor DDr. Peter Lewisch. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.
Herr Dr. Lewisch, ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – das gilt für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass ihre Ausführungen das Zeitlimit von 5 Minuten nicht überschreiten sollten.
Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch: Danke sehr, dass ich zu diesem Hearing hier eingeladen worden bin, danke sehr, dass ich kurz Gelegenheit habe, mich selbst und die Beweggründe meiner Bewerbung vorzustellen.
Ich bin Peter Lewisch. Alles hat vor 30 Jahren begonnen, da habe ich Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an der Universität Wien studiert, in beiden Fächern ein Doktorat erworben, war dann Assistent an der Uni Wien und bin für zwei Forschungsaufenthalte nach Amerika gegangen; danach wurde ich zunächst für Straf- und Strafprozessrecht habilitiert und ein Jahr später in einem zweiten Verfahren für Verfassungsrecht. Diese beiden Fächer gemeinsam sind im Europarecht auch die Fundamente meiner Arbeit in Theorie und Praxis – auch in der Praxis, denn ich habe nachher die Anwaltsprüfung gemacht und bin seit über 20 Jahren praktizierender Wirtschaftsanwalt in Wien.
Zum Akademischen: Bevor ich eine Professur an der Universität Wien angenommen habe, habe ich eine Professur für Verfassungsrecht, Europarecht, Strafrecht an der Imadec University gehabt, war Gastprofessor für EU-Recht in den Vereinigten Staaten, habe zwei Rufe nach Deutschland abgelehnt; und dann habe ich eine Professur, einen Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht bei uns in Wien angenommen, wo die Beziehungen zum Verfassungsrecht, nämlich sowohl von materiellem Strafrecht zum Verfassungsrecht als auch die Beziehungen von Prozessrecht zum Verfassungsrecht, Kernbereich meiner wissenschaftlichen Betätigung sind. Daneben habe ich noch zwei wissenschaftliche Hobbys, zwei Forschungsstellen, die ich leite. Das eine ist eine Forschungsstelle für Rechts- und Institutionenökonomie, das andere die für Wirtschafts- und Finanzstrafrecht.
In der Anwaltei hat mein Leben verfassungsrechtlich begonnen. Am ersten Tag hat man mir gesagt: Herr Dr. Lewisch, Sie sind doch Verfassungsrechtler, gliedern Sie die Mobilkom aus! Das habe ich dann gemacht und mich zehn Jahre lang mit Regulierungsrecht, Deregulierungsfragen, neuen zugehörigen Verfassungsfragen, ausgehend vom Telekommunikationsbereich, Luftverkehr, Flughäfen, Eisenbahnen, in Theorie und Praxis beschäftigt, Kommentare und Aufsätze dazu geschrieben sowie über hundert Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofbeschwerden im Bereich der Telekommunikation. Daraus habe ich zwei Spin-offs davongetragen, von dem das eine in Richtung Ausgliederungen und Privatisierungen gegangen ist – das war eine Zeit lang sehr aktuell und ist irgendwie ausgelaufen. Das zweite Spin-off – da bin ich immer noch drinnen – ist Kartellrecht und europäisches Wettbewerbsrecht. Das mache ich heute noch gerne.
Ich bin auch ein begeisterter Prozessualist als Rechtsanwalt. Ich vertrete vor allen österreichischen Gerichten, EuG, EuGH, EGMR, und habe für das Justizministerium die Festschrift anlässlich hundert Jahre Zivilprozessordnung herausgegeben; im Zusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren habe ich einen Kommentar zum Verwaltungsstrafrecht und den zugehörigen prozessualen Bestimmungen geschrieben.
Warum jetzt meine Bewerbung für diese Stelle? – Das kann ich mit einem kleinen Rückblick auf vor zwei Jahren beantworten, als ich auf dem Dreiervorschlag der Bundesregierung für den EGMR-Richter gestanden bin. Das ist eine verantwortungsvolle Position, und da macht man sich natürlich Gedanken, ob man bereit ist, ein solches Amt zu übernehmen. Ich habe mir damals die Entscheidung nicht leicht gemacht, habe in mich geblickt und doch eine Bereitschaft in mir festgestellt, ein solches Amt zu übernehmen, und das gilt auch heute.
Was kann ich mitbringen? – Ich glaube, man kann immer nur sich selber mitbringen – schlaue Bücher gibt es im Verfassungsgerichtshof genug –, und das, was ich mitbringe, ist ein juristisches Weltbild, wo der Mensch im Mittelpunkt steht und das Recht die zentrale Anreiz- und Steuerungsfunktion innehat, das zentrale Anreizinstrument für die Verhaltenssteuerung zur Friedenssicherung in der Gesellschaft ist.
Mein Verständnis vom Amt ist ein solches: verfassungsrechtliche Kontrolle, nicht Verfassungspolitik als Verfassungsrichter. Das führt mich zu drei Punkten, in deren Lichte ich ein solches Amt ausüben würde: erstens, mit größtem Respekt vor der Institution und Demut vor der Aufgabe; zweitens, mit judicial self-restraint was die Gesetzgebung anlangt; und drittens, in der Sache selbst aber mit allem Engagement und aller Begeisterung eines leidenschaftlichen Juristen. – Danke sehr.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Ich darf Sie bitten, jetzt auch für die Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich ersuche die Damen und Herren Bundesräte, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen.
Die erste Fragestellerin ist Frau Bundesrätin Kern. – Bitte.
Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Herr Dr. Lewisch, vielen Dank für die Ausführungen und die Vorstellung. Leidenschaftlicher Jurist, das habe ich früher als Gegensatz gesehen, aber es geht auch anders, wie ich jetzt weiß. Die Frage, die ich Ihnen stellen darf, wird Sie in diesem Gremium nicht überraschen. Es geht um die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Föderalismus. Wie sehen Sie den Stellenwert des föderalistischen Prinzips in unserem Rechtsstaat?
Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch: Ich sehe das Recht und das Verfassungsrecht in seiner funktionalen Eigenschaft als Lenkungsinstrument. Das bedeutet, Föderalismus ist kein Selbstzweck, sondern Föderalismus will gewisse Ziele erreichen. Welche Ziele sind das? – Das sind große Ziele der Freiheitssicherung des Einzelnen. Wenn man die Gesellschaft hat, unten beginnend: Wer weiß besser, was für mich gut ist außer ich selbst? – Die Antwort ist vielleicht, meine Frau, aber ansonsten ich. (Heiterkeit.) Wer weiß in einer Gemeinde, Gemeinde Ravelsbach in Niederösterreich, besser, was für die Bürger von Ravelsbach gut ist? – Die Bürger von Ravelsbach. Wer weiß am besten, was für die Bürger in Niederösterreich gut ist? – Die Bürger in Niederösterreich; für die Bürger in Vorarlberg die Bürger in Vorarlberg und so weiter. Das heißt, das ist ein Instrument der Freiheitssicherung, dass die Leute, die Entscheidungen angehen, selber den politischen Willen bilden dürfen und jene Gesetze hervorbringen, die nachher das Verhalten dort regeln. Ich bin ein großer Freund des Föderalismus – ich sage das mit Begeisterung –, auch das Wettbewerbsnebeneinander von verschiedenen Einheiten stärkt die Rechte des Einzelnen.
Daher, wenn Sie die Frage stellen, wie ich den Föderalismus sehe: Den Föderalismus sehe ich großgeschrieben. Das heißt nicht, dass man nicht in Einzelbereichen sozusagen bei Kompetenzwirrwarr im Interesse einer leichteren Orientierbarkeit des Rechts gewisse Nachschärfungen machen kann und soll – warum nicht, das steigert die Effizienz der Rechtsordnung. In der Sache selbst ist das ein unglaublich wertvolles Instrument der Freiheitssicherung.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage hat sich Herr Bundesrat Weber gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Herr Universitätsprofessor, ich möchte Danke sagen für Ihre sehr engagierte fachliche Einführung und auch für Ihre Bewer-bung, wenngleich es zumindest den Verdacht oder das berechtigte Gerücht gibt, es sei ohnedies bereits entschieden.
Die vergangene Bundespräsidentenwahl hat ja auch ein bisschen länger gedauert, als wir alle es uns erwartet haben. Dazu meine Frage: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Bundespräsidentenwahl?
Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch: Zum Ersten: Ja, ich lese auch Zeitungen; vielleicht sind die Medaillen schon vergeben, aber meinen olympischen Ambitionen soll das keinen Abbruch tun. (Heiterkeit.) Danke, dass ich da sein darf!
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes: Im Grunde kann ich es mir leicht machen. Der Präsident selber hat gesagt: alternativlos. In der Festschrift für Holzinger, die letztes Jahr erschienen ist, hat seine Tochter betreffend dieses Erkenntnis in den Titel geschrieben, „‚völlig alternativlos‘?!“ – Fragezeichen, Rufzeichen. Die Antwort war: ja, alternativlos. Das verwundert vielleicht nicht so, wenn der Beitrag von der eigenen Tochter kommt (Heiterkeit), aber ich glaube, es ist in der Sache nicht unberechtigt gewesen.
Warum? – Sie hat zweistufig argumentiert, einerseits muss eine Rechtswidrigkeit des Wahlvorgangs aufgezeigt werden, und dann muss dies die Eignung haben, die Wahl zu beeinflussen. Das geht auf eine 90 Jahre alte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zurück. Ich glaube, es ist genauso, wie der Präsident des Verfassungsgerichtshofes gesagt hat. Wenn es eine 90 Jahre alte Rechtsprechung gibt, dann kann man nicht aus Anlassfällen, wenn man ein anderes Ergebnis will, drüberhüpfen und eine andere Rechtsprechungslinie einschlagen. Das macht nicht nur einen schlechten Eindruck, sondern beschädigt auch das Ansehen des Amts. Man hätte von Anfang an vielleicht ein anderes Verständnis anlegen können. Ich glaube aber auch da wieder – das Recht funktional sehend –: Wie können diese Bestimmungen – es gibt ja nicht nur die über die Wahlanfechtung – funktional tauglich sein? – Indem es auf eine Eignung ankommt, nicht auf den Nachweis. Wenn man den Nachweis verlangt, läuft das ganze Instrument tot. Das kann nicht Sinn der Funktionalität dieser Bestimmungen sein. Daher glaube ich, es ist damals schon der richtige Weg eingeschlagen worden und jetzt – path dependency – war es alternativlos.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schuster gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor! Sie haben ja bei Ihrer Vorstellung schon angeführt, dass Sie Inhaber eines Lehrstuhls für Straf- und Strafprozessordnung an der Uni Wien sind. Meine Frage geht jetzt eher ins Strafrechtliche, weil es, glaube ich, auch immer wieder eine aktuelle Geschichte ist; das ist also eine persönlichere Frage. Für welche Bereiche im Strafrecht könnten Sie sich eine Verschärfung beziehungsweise eine Erhöhung der Strafrahmen vorstellen?
Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch: Danke für die Frage! Da muss ich mich im Interesse der Zeit ein bissl einbremsen. Es hat 2015 eine Strafrechtsreform gegeben, und jetzt stehen wir wieder vor der Frage: Wie tun? – Ich glaube, man kann sinnvoll tun, sinnvoll überlegen, weil die Reform 2015 eigentlich nur auf der Strafsatzebene, auf der Strafrahmenebene der einzelnen Tatbestände nachgeschärft hat, man sich aber das ganz zentrale Zusammenspiel der Straftatbestände des Besonderen Teils mit den Strafzumessungsregeln gar nicht angeschaut hat.
Wenn ich das von den technischen Einzelheiten her sagen darf: Immer wieder ist ein Problem im Strafrecht: fünf Diebstähle versus fünf Körperverletzungen. Fünf Diebstähle werden zusammengezählt – § 29 –, und wenn man durch die Summe der Einzelbeträge über Erwerbqualifikation kommt, ist man gleich in einer strengeren Strafandrohung – so weit, so gut. Fünf Körperverletzungen werden nicht zusammengezählt, sondern die Obergrenze der einen Körperverletzung bleibt die Obergrenze für alle anderen, und in diesem Rahmen ist die Strafe zu bilden. Ich meine, da geht die Schere auf – aus dem Zusammenspiel von den Strafbestimmungen des Besonderen Teils und des Allgemeinen Teils. Das ist kein leichtes Unterfangen, weil wir hier eine gewisse Tradition haben, aber diese Tradition ist, dass wir mehrere Straftaten immer nur im Rahmen des höchsten Strafsatzes zumessen.
Ich habe mir das einmal angeschaut: Ganz überwiegend haben die Länder in Europa ein anderes System. Wir sind da wirklich isoliert. Die meisten Länder haben entweder Additionsvorschriften, wie Spanien, oder ein Erschwerungsprinzip, wie Deutschland und andere Länder, so dass man bei Tatwiederholung – je nachdem wie die Länder das machen – zum 1,3-fachen, 1,5-fachen oder verdoppelten Strafrahmen kommen kann. Dieses System, das in anderen Ländern wohl bewährt und auch funktional sinnvoll ist, glaube ich, ist bei uns nicht – noch nicht – wohl bewährt.
Ich glaube, funktional sinnvoll wäre es. Da es aber doch eine Änderung, eine ziemliche Weichenänderung im Allgemeinen Teil bedeutet, muss das, glaube ich, breit diskutiert werden. Persönlich finde ich die Zeit durchaus geeignet, das breit zu diskutieren. Wenn man so diskutiert, vermeidet man auch, dass man jetzt nur irgendwie punktuell, sozusagen dem Ruf der Straße folgend, irgendwo etwas nachziseliert. Ich glaube vielmehr, man kann das Strafrecht insgesamt auf eine andere Grundlage stellen. Persönlich würde es mir sehr gefallen, wenn das geschieht.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Stögmüller gemeldet. – Bitte.
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Grüß Gott, Herr DDr. Lewisch! Ich habe Ihren Lebenslauf durchgelesen, er ist wirklich sehr beeindruckend, das muss man sagen – also: Hut ab!
Darum würde es mich umso mehr interessieren, warum Sie sich – Sie haben es schon angesprochen – trotz der Medienberichte heute hierhersetzen, Ihre Zeit wirklich investieren und sich bewerben sowie Ihre Einschätzung dazu, ob es einen unpolitischen Verfassungsgerichtshof braucht oder nicht, ob er politisch besetzt werden soll oder nicht.
Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch: Es ist Respekt vor dem Amt Verfassungsgerichtshof und Respekt für diese Institution hier, dass ich sehr gerne herkomme, selbstverständlich!
Bestellung von Verfassungsrichtern: Ich habe mir das, weil ich ja immer so ein bissl im Bereich Institutionenökonomie arbeite, einmal angeschaut. Es ist überall politisch. Wenn man einen Weltvergleich macht: Das ist eine hochpolitische Aufgabe, und sie wird überall politisch wahrgenommen. Das System, das wir haben – ich nenne es eine Art sequentielle Gewaltenteilung, dass immer nur Teile des Gerichtshofes erneuert werden – hat schon seinen Sinn, gerade wenn man weiß, dass politische Entscheidungen getroffen werden. Es ist eine Sonderkonstellation, dass gerade jetzt bei der vorgezogenen Wahl neue Verfassungsrichter zu bestellen sind. Dadurch hängt die alte Machtverteilung immer noch ein bisschen im Verfassungsgerichtshof nach und dämpft sozusagen den Eifer der Politik.
Andere Länder, die das traditionell nicht haben, wie Polen, wo immer schon dieselben, das Parlament angeschafft hat, gibt es zwar auch ein bissl eine sequentielle Abfolge, aber die haben viel größere Schwierigkeiten. Daher glaube ich erstens: Unpolitischer Verfassungsgerichtshof geht nicht, weil jene Institutionen, die Verfassungsrichter bestellen, politisch und sogar hochpolitisch sind und das auch sein müssen. Inhaltliche Anforderungen kann man formulieren und gegenüber dem jetzigen Rahmen vielleicht noch feinziselieren; nur: Politik ist Politik! Also die Kriterien sind natürlich gestaltbar. Dass man ein grundsätzlich anderes System der Verfassungsgerichtsbarkeit in Österreich einführt, halte ich leider für unvorstellbar.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der gestellten Fragen. Ich darf Sie jetzt noch einmal um ein kurzes abschließendes Statement bitten, wenn Sie es wollen.
Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch: Vielleicht zum Verfassungsgerichtshof – Verfassungsgerichtshof, goldener Schlussstein des Rechtsstaats, das glaube ich schon –: Der Verfassungsgerichtshof ist zum einen Referee, was das Zustandekommen von Gesetzen, was Wahlen und Ähnliches anlangt. Da hat er eine echte Referee- beziehungsweise Schiedsrichterrolle. Man sagt ja auch: Das Verfassungsrecht ist Prozessrecht, Prozessrecht im Sinne eines Prozessrechts für die Rechtserzeugung und auch für die zugrundeliegenden Wahlen. Da ist der Verfassungsgerichtshof Referee – eine zentrale Aufgabe.
Zweitens: Beim Menschenrechtsschutz ist er nicht nur Referee, sondern hat inhaltlich die Wertungen zu überprüfen, die Nationalrat und Bundesrat vorgeben. Da, glaube ich, muss man sich wirklich in self-restraint üben. Was ist die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes? – Nachzuprüfen und sozusagen feinst zu ziselieren. Geltendes Recht ist, was wirksam beschlossen und vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben ist. Was ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts? – Die Aufgabe der Politik zu übernehmen. Das ist sozusagen mein Verständnis des Gerichts.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für dieses abschließende Statement und danke auch für das heutige Kommen.
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Ich ersuche nunmehr, den nächsten Bewerber, Herrn Rechtsanwalt Hon.-Prof. Dr. Jörg Zehetner, in den Saal zu bitten.
Rechtsanwalt Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Professor Dr. Zehetner.
Herr Dr. Zehetner, ich ersuche Sie, Ihre Gründe für die Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – und das gilt für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass Ihre Ausführungen das zeitliche Limit von 5 Minuten bitte nicht überschreiten sollten.
Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner: Ich glaube, ich soll mich auch kurz vorstellen? (Die Vorsitzende bejaht dies.)
Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich freue mich, dass ich mich heute bei Ihnen vorstellen darf, dass Sie mir zuhören. Mein Name ist Jörg Zehetner. Ich bin in Amstetten in Niederösterreich geboren, habe dort maturiert und bin dann nach Wien gegangen. Hier habe ich Handelswissenschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und parallel dazu Jus an der Universität Wien studiert und beides abgeschlossen. Danach habe ich das Gerichtsjahr absolviert und wurde Assistent an der Uni Wien, am damaligen Handelsrechtsinstitut bei Professor Krejci, wo ich die Leidenschaft für die Juristerei, was das Vortragen und Publizieren anlangt, wirklich entdeckt habe. Mir war aber die Uni zu wenig, ich habe auch den Weg in die Praxis gesucht und die Anwaltsausbildung gemacht, habe die Uni aber nie aufgegeben. Ich lehre und publiziere seit mittlerweile mehr als 20 Jahren und mache das sehr gerne.
Das ist ein bisschen auch der Beweggrund. Vielleicht aber muss ich vorher noch sagen: Ich bin jetzt natürlich Anwalt und hauptsächlich mit unternehmensrechtlichen und zivilrechtlichen Fragestellungen konfrontiert. Ich habe aber versucht, mir den Blick für die Gesamtrechtsordnung zu bewahren, und habe daher auch immer wieder mit verfassungsrechtlichen Fragestellungen zu tun gehabt. Unter anderem habe ich das Hypo-Sanierungsgesetz beim Verfassungsgerichtshof angefochten oder auch schon das eine oder andere verfassungsrechtliche Gutachten erstattet.
Ich bin dann von diversen Leuten angesprochen worden, auch von Richtern aus dem Verfassungsgerichtshof, von Universitätsprofessoren, Rechtsanwälten und so weiter, ob das nicht etwas für mich wäre. Ich habe darüber nachgedacht und viele Gespräche geführt. Heute glaube ich, es wäre wirklich etwas für mich. Ich würde das sehr gerne machen. Ich glaube, dass ich da einen Beitrag zum Rechtsstaat Österreich leisten kann, und darum habe ich mich beworben.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich bedanke mich für Ihre Ausführungen und bitte Sie, jetzt auch für die Fragen zur Verfügung zu stehen, und die Damen und Herren Bundesräte, die Fragen zu stellen.
Zur Stellung der ersten Frage hat sich Herr Bundesrat Brunner gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Danke für die Vorstellung und die Präsentation!
Nicht erst seit der Bundespräsidentenwahl ist das Thema Transparenz in der Entscheidungsfindung im Verfassungsgerichtshof wieder zutage gekommen und diskutiert worden. Was halten Sie von dieser Diskussion beziehungsweise was halten Sie konkret von der Darstellung von Dissenting Opinions?
Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner: Da habe ich eine relativ klare Meinung, was vielleicht für einen Juristen ein bisschen überraschend ist. (Heiterkeit.) Ja, ich kenne natürlich die Diskussion, und ja, dieses Thema ist bei der Bundespräsidentenwahl wieder aufgekommen.
Natürlich ist Transparenz ein Thema, und sie hat ihre Vorteile, aber ich halte nicht allzu viel davon, im Wesentlichen aus zwei Gründen: Erstens einmal, glaube ich, würde es die Institution Verfassungsgerichtshof in ihrer Autorität beschädigen, wenn man Dissenting Opinions zulässt, weil dadurch die Entscheidung weniger Gewicht bekommt. Das soll man, glaube ich, nicht geringschätzen, denn: Die Entscheidung, dass man solche Fragen einem Gericht gibt, ist ja nicht selbstverständlich, aber wir haben das in Österreich gemacht, und ich glaube, es funktioniert auch gut, weil es eine enorm friedensstiftende Rolle hat. Es hat dann ein Gericht mit guten Gründen entschieden, und die Sache ist einmal geklärt. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt.
Der zweite Punkt: Ich glaube, dass es einen enormen Druck auf die Verfassungsrichter aufbauen könnte, wenn publik wird, wie jemand entschieden hat. Letztendlich sollen sich ja Verfassungsrichter in ihrer Entscheidung an der Verfassung orientieren und nicht vielleicht nach dem, was ihr gesellschaftliches Umfeld oder das politische Umfeld, aus dem sie ursprünglich kommen, von ihnen erwartet. Wenn man sich vielleicht einmal an der Verfassung orientiert und nicht so sehr weltanschaulich, dann würde man in seinem Umfeld einen sehr großen Druck bekommen. Ich glaube, das wäre auch nicht gut.
Um es kurz zusammenzufassen: Ich glaube, dass es sehr gut so ist, wie es derzeit ist, nämlich dass man keine Dissenting Opinions zulässt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Zur Stellung einer weiteren Frage hat sich Herr Bundesrat Weber gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Herr Professor Zehetner, mich würde interessieren, wie Sie zur Fassung eines neuen Grundrechtekatalogs und zu einer eventuell auch damit verbundenen Abkehr von der Europäischen Menschenrechtskonvention stehen.
Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner: Wir haben in Österreich tatsächlich keinen abschließenden Grundrechtekatalog, sondern haben ihn uns immer zusammengestückelt: Staatsgrundgesetz 1867, Bundes-Verfassungsgesetz, weitere Verfassungsgesetze und so weiter. Wir sind 1958 der Menschenrechtskonvention beigetreten. Da wir keinen eigenen Grundrechtekatalog hatten, haben wir sie zu unserem eigenen gemacht, indem wir sie 1964 rückwirkend in Verfassungsrang erhoben haben. Da sind wir, glaube ich, eines der ganz wenigen Länder, die das überhaupt im Verfassungsrang haben.
Ich glaube, dass man mit diesem Grundrechtskatalog sehr gut arbeiten kann. Mittlerweile ist noch die Europäische Grundrechtecharta dazugekommen, die sich aber in vielen Bereichen ohnehin mit dem deckt. Ein bisschen Unbehagen gibt es natürlich immer wieder, insofern als man sagt, man ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg ausgeliefert, wo es vielleicht manche Entscheidungen gibt, die man nicht so goutiert. Im Wesentlichen aber glaube ich, dass es keine wirkliche Option ist – aber es ist letztendlich eine politische Frage –, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention auszusteigen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Zur Stellung der nächsten Frage hat sich Herr Bundesrat Schuster gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Professor Zehetner, ich habe eine Frage zum Bundesrat. Es ist ja eine oft wiederkehrende Forderung, dass der Bundesrat abgeschafft werden soll. Da ist meine Frage, wie Sie dazu stehen, und als Zusatzfrage: Wie könnte der Bundesrat Ihrer Meinung nach zukünftig aufgewertet werden?
Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner: Dies ist letztendlich eine Frage der Staatsreform überhaupt, die wir vielleicht einmal angehen müssten und die jetzt auch angedacht ist: Kompetenzverteilung und so weiter. Letztendlich bietet der Bundesrat den Ländern eine Möglichkeit, an der Bundesgesetzgebung mitzuwirken. Ich glaube, wenn man zum Beispiel, eingebettet in eine Gesamtreform, zum Ergebnis kommt, dass man auf der Länderebene manche Kompetenzen in der Gesetzgebung wegnimmt, Stichwort Artikel 12 – wenn man diesen zum Beispiel abschafft und damit keine Durchführungsgesetze auf Länderebene mehr hat –, dann kann das natürlich auch damit verbunden sein, dass man vielleicht mehr Kompetenzen zum Bund gibt. Dann muss man aber meines Erachtens, wenn man den Föderalismus ernst nimmt, den Bundesrat stärken, denn dann müssten die Länder auf dieser Ebene stärker mitsprechen.
Der Bundesstaat ist im Artikel 2 Bundes-Verfassungsgesetz als ein Bauprinzip der Verfassung vorgegeben. Das heißt, den Bundesrat könnte man meines Erachtens ohnehin nicht abschaffen, ohne dass man eine Volksabstimmung durchführt, weil das eine Gesamtänderung der Verfassung wäre. Aber um es noch einmal politisch zu sagen: Ich glaube, wenn man dem Bund mehr Kompetenzen in der Gesetzgebung gibt, sollte man daran denken, den Bundesrat aufzuwerten. (Bundesrat Mayer: Sehr gut! – Heiterkeit.) – Diese Reaktion überrascht mich jetzt total! (Heiterkeit.)
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Sie war völlig überraschend für uns alle. – Vielen Dank.
Zur Stellung einer weiteren Frage hat sich Herr Bundesrat Stögmüller gemeldet. – Bitte.
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Die richtigen Worte im Bundesrat!
Herr Dr. Zehetner, vielen Dank, dass Sie sich, trotz der kolportierten, anscheinend bereits beschlossenen Vorschläge der Regierungsparteien für den Verfassungsgerichtshof, auch die Zeit nehmen, hier zu sein.
Deswegen vielleicht auch eine andere Frage – denn sonst frage ich immer das Gleiche –: Wie haben sich die Gesetzesbeschwerden aus Ihrer Sicht bis jetzt bewährt? Vielleicht können Sie uns hierzu eine Einschätzung Ihrerseits geben.
†Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner: Sie meinen die Parteianträge, die es seit 2015 gibt? (Bundesrat Stögmüller: Ja!) – Vielleicht noch zu Ihrem Eingangsstatement: Ja, ich finde es auch schade, dass man das schon den Medien entnehmen kann. Ich glaube, wir sind alle nicht naiv, aber es ist halt schon schade, dass man nicht einmal den Anschein wahrt. Das finde ich etwas betrüblich, aber ich habe mich trotzdem gefreut und bin gerne hier, weil es letztendlich nicht selbstverständlich ist, dass man sich vor dem Bundesrat präsentieren darf.
Zu den Parteianträgen, die es seit 2015 gibt: Man kann anlässlich eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung eines ordentlichen Gerichts auch den Verfassungsgerichtshof anrufen, wenn man der Meinung ist, dass hier ein Gesetz oder eine Verordnung zur Anwendung kommt, die verfassungswidrig oder gesetzwidrig wäre.
Vielleicht das eine – aber das hat man gewusst –: Man kann das gezielt – und da spreche ich jetzt aus anwaltlicher Sicht – einsetzen, um Verfahrensverzögerung zu betreiben. Das muss man ehrlich sehen, und das war auch klar, dass das kommt. Es trägt natürlich schon dazu bei, dass jetzt auch Rechtsfragen vom Verfassungsgerichtshof geklärt werden, die sonst vielleicht dort nicht hingekommen wären. Der Verfassungsgerichtshof ist dadurch jetzt auch mehr mit unternehmensrechtlichen und zivilrechtlichen Fragestellungen konfrontiert. Das war mit ein Grund, warum ich mich beworben habe: Ich komme aus diesem Fachbereich und glaube, dass ich in diesem Bereich etwas beitragen könnte.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Ich darf Sie jetzt noch um ein abschließendes Statement von Ihrer Seite ersuchen.
†Hon.-Prof. MMag. DDr. Jörg Zehetner: Es wäre mir eine große Ehre und Freude, wenn ich Mitglied des Verfassungsgerichtshofes werden könnte. Es war nie Teil meiner Lebensplanung. Ich hätte mir vielleicht einmal vorstellen können, in irgendeiner anderen Funktion noch etwas für das Land zu machen, aber in dieser Funktion wäre es natürlich sehr ehrenvoll.
Ich glaube, dass der Verfassungsgerichtshof eine ganz interessante Einrichtung ist. Er ist ja auch eine österreichische Erfindung. Er ist das älteste Verfassungsgericht der Welt. Das ist schon ein Aspekt, den man in Österreich oft zu wenig sieht: Es schauen andere Länder ganz stark auf den österreichischen Verfassungsgerichtshof. Viele Länder haben das nach unserem Vorbild nachgebaut. Es gibt auch eine sehr rege Reise-, Besuchs- und Beobachtungstätigkeit. Wir sind für viele ein Vorbild, und ich würde gerne dazu beitragen, dass das weiter so bleibt.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Zehetner, für Ihre Ausführungen und auch für das heutige Kommen. (Bewerber Zehetner: Ich danke Ihnen!)
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Ich ersuche nunmehr, den nächsten Bewerber, Herrn Hofrat Dr. Musger, in den Saal zu bitten.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Hofrat Dr. Musger.
Herr Doktor, ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe Ihrer Bewerbung zu nennen, und Sie darauf hinweisen, dass die Ausführungen, so wie bei allen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern, ein zeitliches Limit von 5 Minuten bitte nicht überschreiten sollten.
Dr. Gottfried Musger: Vielen Dank, dass Sie mir Gelegenheit geben, mich vorzustellen. Zunächst kurz zu meiner Person: Ich bin in Graz geboren. Mein Vater war Metallarbeiter, meine Mutter hat mit ihm zusammen eine kleine Landwirtschaft betrieben. Ich war der Erste in der Familie, der maturiert und studiert hat. Ich habe sehr früh während des Studiums begonnen, juristisch zu arbeiten, und war Assistent am Grazer Zivilrechtsinstitut. Ich habe 1988 ein Jahr in Deutschland Europarecht studiert – also lange vor dem EU-Beitritt; ich war damit einer der Ersten in Österreich, die sich damit beschäftigt haben. Ich habe anschließend weiter auf der Universität gearbeitet und das Doktorat gemacht, habe mich dann aber für die Justiz entschieden. Ich war Richter in Stainz – unter anderem auch in Weinstrafsachen –, in Graz und seit 2006 in Wien beim Obersten Gerichtshof. Mein Wohnsitz ist allerdings weiterhin in Graz.
Beim Obersten Gerichtshof habe ich zunächst vor allem Wirtschaftsrecht gemacht – Patentrecht, Markenrecht, Urheberrecht, Handelsrecht – und in den letzten Jahren verstärkt allgemeines Zivilrecht, das heißt Erbrecht und Schadenersatzrecht, und dabei sonst immer die ganze Breite des zivilrechtlichen Spektrums. Verfassungsrecht hat mich immer interessiert. Ich habe zum Verfassungsrecht mehrere Aufsätze publiziert und halte seit zwei Jahren in Graz mit einem Kollegen vom Verwaltungsgerichtshof und mit Präsident Holzinger ein Seminar an der Universität zu gemeinsamen Fragen des privaten und des öffentlichen Rechts.
Außerdem muss man sagen, dass der Verfassungsgerichtshof ja nicht das einzige Verfassungsgericht in Österreich ist. Natürlich ist jedes Gericht verpflichtet, die Verfassung nicht nur zu respektieren, sondern sie auch anzuwenden.
Ich allein war seit 2006 an über 200 Entscheidungen beteiligt – ich habe mir das noch einmal in der EDV angesehen –, bei denen wir das Bundes-Verfassungsgesetz, also das B-VG, oder die Europäische Menschenrechtskonvention zitiert haben. Der Verfassungsgerichtshof ist also nicht das einzige Verfassungsgericht – aber natürlich ist er das wichtigste –, wir machen das beim Obersten Gerichtshof genauso.
Warum glaube ich, dass ich für den Verfassungsgerichtshof geeignet wäre? – Es sind drei Punkte, die alle damit zusammenhängen, dass der Verfassungsgerichtshof ein breites Spektrum abbilden sollte.
Zunächst einmal ein breites Spektrum die juristischen Fächer betreffend: Wir haben am Verfassungsgerichtshof derzeit sehr gute Verfassungs- und Verwaltungsrechtler, mit Brandstetter haben wir dort nun auch einen hervorragenden Strafrechtler, das Zivilrecht jedoch ist unterrepräsentiert. Die Anwälte können es natürlich – keine Frage –, aber wohl keiner in meiner fachlichen Breite.
Zweitens soll der Verfassungsgerichtshof auch alle juristischen Berufsgruppen repräsentieren. Wir haben dort derzeit Professoren – hervorragende Professoren –, Rechtsanwälte, einen Steuerberater und Verwaltungsbeamte. Seit dem Ausscheiden von Dr. Müller, der Richter am Verwaltungsgerichtshof war, haben wir aber keinen einzigen Richter mehr.
Die Verfassung sieht jedoch ausdrücklich vor – allerdings nur für die Bundesregierung –, dass Richter vorzuschlagen sind. Das hat einen guten Grund: Richter sind es gewohnt, neutral und objektiv an die Sache heranzugehen, sich die Argumente anzuhören, nüchtern abzuwägen und dann die eigenen Argumente in die Diskussion einzubringen. Was das betrifft, glaube ich schon, dass ich da einiges bringen könnte.
Drittens ist der Verfassungsgerichtshof natürlich ein politisches Gericht, er soll das politische Spektrum vollständig abdecken. Daher ist es auch richtig, dass fachlich hoch qualifizierte Leute, die einer Partei nahestehen, auch zum Verfassungsgerichtshof kommen – wie wir es nun auch gesehen haben.
Die Bevölkerung besteht aber nicht nur aus solchen, denn es gibt auch solche, die keiner Partei in besonderer Weise nahestehen und vielleicht auch nicht immer dieselbe Partei gewählt haben. Auch diese sollten, glaube ich, beim Verfassungsgerichtshof repräsentiert sein.
Das alles hätten Sie mit mir: Einen breit ausgewiesenen Zivilrechtler, einen Richter und jemanden, der politisch – vor allem verfassungspolitisch – sehr interessiert ist, aber keiner Partei besonders nahesteht. – So, ich glaube, die 5 Minuten habe ich eingehalten. (Heiterkeit.)
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Fast eine Punktlandung!
Ich danke Ihnen, Herr Dr. Musger, für Ihre Ausführungen und bitte Sie, nun für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Die ersten Bundesrätinnen und Bundesräte haben sich schon zu Wort gemeldet. Zur Stellung der ersten Frage darf ich Frau Bundesrätin Zwazl das Wort erteilen. – Bitte.
Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Doktor, Sie haben ja einen sehr lebhaften Lebenslauf.
Sie haben hier sehr verständlich präsentiert, dass – so habe ich es aufgefasst – die Bevölkerung die Rechtsprechung auch verstehen soll. Wenn Sie sozusagen diese Funktion haben, habe ich dann als Bürgerin die Chance, dass die Rechtsprechung transparenter wird und auch so, dass ich juristische Texte, also das, was ich zu befolgen habe, überhaupt lesen kann? Wie sieht das aus?
Dr. Gottfried Musger: Es gibt von Wilburg – das ist ein ganz großer Grazer Zivilrechtler, den ich noch gekannt habe – den Satz: Der juristische Text soll so klar und einfach sein wie ein Volkslied. – Das wird nicht gehen, denn juristische Texte brauchen Präzision, es kommt aufs Wort an. Man darf nicht umschreiben, wenn man Klarheit will.
Trotzdem ist es natürlich von höchster Wichtigkeit, dass man sowohl Gesetze als auch Entscheidungsbegründungen so formuliert, dass sie allgemein verständlich sind – zumindest für jemanden, der halbwegs lesen kann. Das ist etwas, wofür ich mich ganz besonders anstrenge.
Ich kann aufgrund des Beratungsgeheimnisses nicht sagen, welche Entscheidungen beim Obersten Gerichtshof wirklich aus meiner Feder stammen, aber wenn Sie sich Entscheidungen vom Zweiten oder vom Vierten Senat anschauen, werden Sie schon einige finden, die Sie – obwohl sie komplizierte Materien betreffen – vielleicht auch verstehen.
Dass juristische Texte verständlich sind, ist etwas ganz, ganz Wichtiges. Natürlich gibt es Grenzen. Wenn uns von der EU unglaublich komplizierte Texte vorgegeben werden, können wir nicht einfach werden, da hilft nichts. Und wie, bitte, soll das Recht einfach bleiben, wenn – das ist jetzt fast schon marxistisch – die realen Verhältnisse, die Wirtschaftsbeziehungen und die Familienbeziehungen immer komplizierter werden? Man muss also mit einer gewissen Komplexität leben. Der Versuch muss aber immer da sein, so einfach und verständlich wie möglich zu schreiben.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zur Stellung einer weiteren Frage hat sich Herr Bundesrat Weber gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Herr Hofrat Musger, also das Heimatbundesland würde schon einmal stimmen und passen!
Zu meiner Frage: Wie stehen Sie zu dem angekündigten Vorhaben, alle vor dem Jahr 2000 in Kraft getretenen Gesetze außer Kraft treten zu lassen, wobei das Vorschlagsrecht über den Verbleib eines Gesetzes im Rechtsbestand der Republik beim jeweiligen Minister liegen soll?
Dr. Gottfried Musger: Das ist eine technische Frage. Es ist die Verantwortung des Parlaments, also des Nationalrates und des Bundesrates, was es beschließt. Wenn das Parlament das Vertrauen hat, dass die richtigen Gesetze vorgeschlagen werden, ist das gut – wenn man das Vertrauen haben kann. Das ist natürlich eine ganz extrem heikle Angelegenheit, das wissen wir alle.
Es wäre gut, wenn das Parlament einen ordentlichen Rechtsdienst hätte, der, wenn es auf diesen Weg geht, dann selbst überprüfen könnte, ob wirklich nichts übersehen wurde. Die Gefahr, dass etwas übersehen wird, ist groß. Die Arbeit in den Ministerien muss natürlich in beiden Varianten ganz ordentlich sein, egal, ob man nun sagt, man nennt die Gesetze, die übrig bleiben sollen, oder man nennt die Gesetze, die aufgehoben werden sollen – das sind die beiden technischen Varianten.
In beiden Fällen muss, zunächst in den Ministerien und dann natürlich auch im Parlament, ganz, ganz ordentlich und präzise gearbeitet werden. Und da glaube ich, dass ein Rechtsdienst im Parlament, der Sie dabei unterstützt, damit Sie nicht von der Ministerialbürokratie abhängig sind, etwas sehr Gutes wäre.
Man kann Vertrauen in die österreichische Ministerialbürokratie haben, denn diese ist gut. Ich habe bei einzelnen Projekten für das Justizministerium sehr viel in Brüssel gearbeitet und dabei Beamte aus anderen Ländern kennengelernt: Glauben Sie mir, Österreich ist da gut aufgestellt. Dennoch ist es eine Vertrauenssache. Wenn die Liste der Gesetze, die aufgehoben werden, vor Ihnen liegt, dann wissen Sie eher, was Sie beschließen.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zur Stellung einer weiteren Frage hat sich Herr Bundesrat Sperl gemeldet. – Bitte.
†Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Dr. Musger, Sie haben uns schon erklärt, welche Bedeutung der Verfassungsgerichtshof für Sie hat. Eine Frage dazu: Gibt es Ihrer Ansicht nach noch auffällige Lücken oder Defizite im Bereich des Rechtsschutzsystems?
†Dr. Gottfried Musger: Lücken im Rechtsschutzsystem sehe ich nicht. Man kann natürlich alles anders machen.
Das österreichische Konzept ist eines mit drei prinzipiell gleichrangigen Höchstgerichten, wobei der Verfassungsgerichtshof eine besonders wichtige Funktion hat, nämlich die Prüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Insofern ist er den beiden anderen Höchstgerichten übergeordnet, aber ansonsten haben diese Gleichrangigkeit.
Es gibt natürlich das andere Modell, das deutsche Modell, bei dem das Bundesverfassungsgericht den anderen Höchstgerichten wirklich übergeordnet ist. Wenn es eine zusätzliche Instanz gibt, bedeutet das längere Verfahren. Ob es zu besseren Ergebnissen führt, weiß ich nicht.
Ich glaube, dass unser derzeitiges System sehr gut funktioniert. Man könnte technisch einiges verbessern, zum Beispiel bei der sogenannten Gesetzesbeschwerde. Diese ist ein Kompromiss gewesen, der, glaube ich, nicht besonders gut funktioniert.
Der Bürger soll die Möglichkeit haben, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, wenn er meint, dass ein Gesetz verfassungswidrig ist. Wie man das aber technisch löst – das ist nun wirklich eine technische Frage –, darüber könnten wir diskutieren. Das ist vielleicht nicht ganz ausgereift – ich will Sie aber mit diesen technischen Finessen nicht langweilen –, da könnte man etwas verbessern. Sonst aber, glaube ich, funktioniert es ganz gut.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich bedanke mich bei Ihnen für die Beantwortung der Fragen und darf Sie noch um ein abschließendes Statement bitten.
Dr. Gottfried Musger: Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, mich vorzustellen. Es ist für einen Richter immer schön, wenn er sieht, dass die, deren Gesetze er auszuführen hat, auch ihm eine gewisse Wertschätzung entgegenbringen. Die Verfassung ist ganz klar: Wir vollziehen. Sie geben uns das, was wir zu vollziehen haben.
Und speziell für den Verfassungsgerichtshof: Ich hielte es für wichtig, dass es da wieder zu einer Verschränkung kommt, dass das zuletzt vielleicht manchmal aufgetretene Spannungsverhältnis zwischen den Höchstgerichten entkrampft wird. Dazu könnte ich sehr gut beitragen. – Danke.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Musger, für Ihre Ausführungen und für Ihr Kommen.
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Ich darf den nächsten Bewerber, Herrn Direktor Dr. Thomas Neumann, in den Saal bitten.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Dr. Neumann. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
Herr Dr. Neumann, ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin – das gilt für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass Ihre Ausführungen das Zeitlimit von 5 Minuten nicht überschreiten sollten. – Bitte.
Dr. Thomas Neumann: Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke für die Einladung. Ich freue mich, hier meine Beweggründe darzulegen.
Ich habe mich als ausgewiesener Sozialrechtsexperte für den Verfassungsgerichtshof beworben. Das begründet sich dadurch, dass der VfGH in Österreich immer aus einer Mischung von ausgewiesenen Verfassungsrechtsexperten und Experten aus anderen Fachgebieten besteht und der Sozialrechtsexperte Professor Müller, der als ständiger Referent für diesen Bereich zuständig war, letztes Jahr in den Ruhestand getreten ist, weswegen ich diese Chance ergriffen habe.
Ich habe mich selbst auch ein wenig mit Verfassungsrecht beschäftigt, denn in den 1990er-Jahren habe ich als Universitätsassistent an der juristischen Fakultät Verfassungsgeschichte gelehrt. Seit 1998 habe ich mich aber auf das Sozialrecht fokussiert. Ich war in der gesetzlichen Interessenvertretung – in der Wirtschaftskammer Österreich – tätig und war in einer Nebenfunktion auch fachkundiger Laienrichter beim Obersten Gerichtshof. Ich habe also schon bescheidene Erfahrungen im Arbeits- und Sozialrechtsbereich bei einem Höchstgericht sammeln können. Ich war dann als Direktor und stellvertretender Generaldirektor in der Vollziehung bei einem Sozialversicherungsträger – der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft – tätig.
Ich habe mich seit 20 Jahren auf das Sozialversicherungsrecht spezialisiert, habe darüber auch entsprechend publiziert und bin für diesen Bereich Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Ich darf noch anfügen, dass ich mit Jahrgang 1971 das jüngste Mitglied beim Verfassungsgerichtshof wäre. Ich glaube, gerade im Bereich der sozialen Absicherung – Stichwort Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit – wäre meine Wahl ein guter Zugang, um innerhalb des Höchstgerichts eine entsprechende Ausgewogenheit einzurichten.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich bedanke mich für Ihre Ausführungen und darf Sie bitten, nun noch für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Als erster Fragesteller gelangt Herr Bundesrat Janacek zu Wort. – Bitte.
Bundesrat Mag. Roman Janacek (ÖVP, Niederösterreich)|: Herzlichen Dank, Herr Dr. Neumann, dass Sie sich als Sozialrechtsexperte zur Verfügung stellen.
Sie haben die Funktion eines ständigen Referenten erwähnt. Könnten Sie sich vorstellen, eine solche Funktion neben Ihrer jetzigen Tätigkeit auszuüben? Oder würden Sie diese stilllegen? Wie hätten Sie das geplant?
Dr. Thomas Neumann: Danke für die Frage. Grundsätzlich ist es ja so, dass das eine nebenberufliche Tätigkeit ist. Ich bin derzeit bei BDO Österreich, einer internationalen Steuerberatungskanzlei, tätig, bei der ich auch Sozialversicherungsrecht mache. Wir haben logischerweise aus berufsrechtlichen Gründen sehr strenge Unvereinbarkeitsregelungen. Es wäre keine entsprechende Gefährdung gegeben, ich würde also dann beide Tätigkeiten ausführen.
Ich denke, dass gerade die Erfahrungen, die ich einerseits im öffentlichen Wirtschaftsbereich und andererseits in der Privatwirtschaft gesammelt habe, für die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes förderlich wären, weil man ja die täglichen Erfahrungen in dem Rechtsgebiet, in dem man tätig ist, entsprechend einbringen muss.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zur Stellung einer weiteren Frage hat sich Herr Bundesrat Weber gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Herr Dr. Neumann, wie stehen Sie zur Einführung einer Dissenting Opinion beim Verfassungsgerichtshof?
Dr. Thomas Neumann: Diese Frage muss man, glaube ich, zweiteilen: Einerseits darf ich die Frage als Staatsbürger oder Jurist beantworten, andererseits als Bewerber für das höchste Gericht.
Als Jurist und Staatsbürger stehe ich dem sehr offen gegenüber. Ich glaube, dass durch einen entsprechenden Diskurs auch Rechtsfortentwicklung betrieben werden könnte und dass das auch für den Verfassungsgerichtshof förderlich ist.
Als Bewerber muss ich sagen, dass es die Sache des Verfassungsgesetzgebers ist, wie er die Position des Verfassungsgerichtshofes sieht. Der VfGH als Hüter der Verfassung – das haben Sie heute wahrscheinlich schon des Öfteren gehört – steht diesbezüglich in einem Spannungsfeld, wie weit er dem einfachen Gesetzgeber Schranken auferlegen soll.
Ich denke, dass in der Tradition der österreichischen Verfassung und auch in der Tradition der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Souverän als Gesetzgeber – Nationalrat, Bundesrat – da nicht zu stark eingeschränkt werden sollte und dass es daher die Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Positionierung vorzunehmen, und nicht die des Verfassungsgerichtshofes.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zur Stellung der nächsten Frage hat sich Herr Bundesrat Sperl gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Doktor, eine Frage von meiner Seite: Wenn Sie Verfassungsrichter werden, würden Sie auch dafür eintreten oder dafür sorgen, dass die Gesetze so abgefasst sind, dass sie auch Menschen ohne juristische Ausbildung lesen und verstehen können?
Dr. Thomas Neumann: Es ist nicht die Rolle des Verfassungsgerichtshofes, die Gesetze zu erstellen. Ich darf aber auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zurückgehen, das ich sehr begrüßt habe: In diesem wurde genau das sehr deutlich kritisiert, nämlich dass die Formulierungen derzeit zum Teil unverständlich sind und es daher eine enorme Herausforderung darstellt – ich glaube, so ähnlich waren sinngemäß die Worte des Verfassungsgerichtshofes –, die Gesetze zu verstehen. – Der Verfassungsgerichtshof kann also Hinweise geben, aber es ist Sache des Gesetzgebers, die Gesetze so zu formulieren, dass sie entsprechend nachvollziehbar sind.
Ich komme gerade aus einem Bereich – der Sozialversicherung –, der wahrscheinlich einer der am schwierigsten nachvollziehbaren Bereiche im österreichischen Rechtssystem ist. Meine Position dazu war immer, dass wir deutlich vereinfachen müssen. Ich begrüße auch ausdrücklich, dass im Regierungsprogramm eine Vereinfachung des Sozialrechts – eine Zusammenführung, eine Kodifikation – angestrebt wird. Das würde, glaube ich, auch den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land helfen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zur Stellung der nächsten Frage hat sich Herr Bundesrat Stögmüller gemeldet. – Bitte.
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Auch von meiner Seite vielen Dank für Ihre Bewerbung, ich habe sie mir sehr gut durchgelesen. Sie wissen ja, dass in den Pressemitteilungen schon kolportiert worden ist, wer der nächste Verfassungsrichter werden soll, daher ein wirkliches Danke, dass Sie gekommen sind und Ihre Zeit investieren.
Laut Ihrem Curriculum Vitae haben Sie als einer der wenigen oder sogar als Einziger, glaube ich, der Bewerberinnen und Bewerber nicht als Rechtsanwalt, sondern in Versicherungen beziehungsweise in anderen Institutionen gearbeitet. Sie sind also auch kein Verfassungsrechtler – wir haben heute relativ viele Verfassungsrechtler hier gehabt –, deswegen würde mich interessieren: Was spricht für Sie, was hebt Sie besonders hervor, da Sie doch hier irgendwie ein USP haben?
Dr. Thomas Neumann: Danke für die Frage. Ich glaube, der österreichische Verfassungsgerichtshof besteht in seiner Tradition immer aus einer Mischung aus ausgewiesenen Verfassungsrechtsexperten – die gibt es derzeit auch am Verfassungsgerichtshof – und aus Persönlichkeiten, die in anderen Rechtsbereichen eine besondere Erfahrung gesammelt haben. Mein Know-how ist das Sozialrecht, das Sozialversicherungsrecht, und durch den Weggang von Professor Müller, seinen Übertritt in den Ruhestand, ist eine Lücke im Verfassungsgerichtshof entstanden. Daher habe ich mich auch beworben. Das ist diese Expertise, mein Know-how, das ich ganz speziell für den Verfassungsgerichtshof anbieten kann.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der gestellten Fragen.
Ich darf Sie noch um ein abschließendes Statement bitten.
Dr. Thomas Neumann: Ich darf noch einmal wiederholen, dass ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass man im Verfassungsgerichtshof eine gewisse Generationenverteilung hat. Als Jahrgang 1971 wäre ich das jüngste Mitglied im Verfassungsgerichtshof; ich glaube, das würde ein ganz spezielles Asset sein.
Da zudem gerade in dieser Legislaturperiode einige Reformen im Sozialbereich anstehen – zumindest ist das im Regierungsprogramm zu finden – und davon auszugehen ist – dafür braucht man kein Prophet zu sein –, dass dann auch in diesem Bereich das eine oder andere vor dem Verfassungsgerichtshof landen wird, ist es wichtig, dass es dort auch einen Spezialisten für diesen Bereich gibt. – Herzlichen Dank.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Neumann, für Ihre Ausführungen und für Ihr Kommen.
Damit ist die Anhörung für heute beendet.
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Ich darf mich bei allen Kandidatinnen und Kandidaten, aber natürlich auch bei allen Mitgliedern des Bundesrates dafür bedanken, dass sie sich heute Zeit genommen haben. Ich vertage hiermit die Verhandlung bis Dienstag, den 27. Februar 2018, 9 Uhr.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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(Die Enquete wird am Freitag, den 23. Februar 2018, um 14.42 Uhr unterbrochen und am Dienstag, den 27. Februar 2018, um 9 Uhr fortgesetzt.)
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Fortsetzung
der Enquete:
Dienstag, 27. Februar 2018, 9 Uhr
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Ich nehme die am 23. Februar 2018 unterbrochene Sitzung wieder auf und darf Sie alle recht herzlich begrüßen.
Entschuldigen möchte ich die als Vizepräsidentin eingeladene und nunmehrige Präsidentin des VfGH, die durch die Session verhindert ist.
II. Kurze Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber
sowie
III. Anfragen der Mitglieder des Bundesrates
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich darf nun den nächsten Bewerber, Herrn Dr. Lorenz Riegler, in den Saal bitten und alle Anwesenden daran erinnern, dass sie für ihre Wortmeldungen bitte immer die Mikrofone verwenden.
Rechtsanwalt Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns sehr herzlich Herrn Dr. Lorenz Riegler.
Herr Dr. Riegler! Ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe Ihrer Bewerbung zu nennen und weise darauf hin – das gilt für alle Mitbewerberinnen und Mitbewerber –, dass Ihre Ausführungen ein Zeitlimit von 5 Minuten nicht überschreiten sollten. – Bitte.
Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M.: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Ich bedanke mich zunächst vielmals für die Möglichkeit, mich im Rahmen des heutigen Hearings einleitend kurz selbst vorzustellen.
Ich wurde im Jahr 1971 geboren, bin in der Steiermark, im Bergdorf Tauplitz aufgewachsen und habe dann im Stift Admont das humanistische Gymnasium und in der weiteren Folge das Jusstudium in Graz absolviert. Im Anschluss daran folgte dann schon der erste Bezug zum Verfassungsgerichtshof, ich bin nämlich dort aufgenommen worden und habe die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters erhalten. Damals hieß das Schriftführer des Verfassungsgerichtshofes. Diese Zeit am Verfassungsgerichtshof war natürlich für meine weitere Karriere sehr prägend.
Ich hatte damals glücklicherweise die Möglichkeit, an maßgeblichen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes mitzuwirken. Ich erinnere mich zum Beispiel an den Entwurf des ersten Gesuchs um Vorabentscheidung des Verfassungsgerichtshofes an den EuGH, den ich damals vorbereiten durfte. Das war damals schon eine ziemliche Aufregung, dass sich der Gerichtshof erstmals in seiner 130-jährigen Geschichte der Autorität eines anderen Spruchkörpers unterordnete.
Mit meinem Referenten, dem ehemaligen Mitglied des Verfassungsgerichtshofes Dr. Willibald Liehr – er ist leider bereits verstorben – habe ich dann darüber hinaus zahlreiche Publikationen verfasst. Wir haben gemeinsam Vorträge gehalten, insbesondere auch zur Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.
Seit etwa 20 Jahren lebe ich nun in Wien. Ich wohne in Hütteldorf, ich bin verheiratet und habe drei schulpflichtige Kinder. Wenn Zeit ist, betreibe ich gerne Sport, ich bin im Winter und im Sommer sehr gerne in den Bergen. Ich reise gerne und habe auch eine besondere Vorliebe für Musik.
Nach meiner Tätigkeit am Verfassungsgerichtshof bin ich dem Beruf des Rechtsanwaltes nachgegangen. Dem Verfassungsrecht bin ich aber treu geblieben und habe eben als Rechtsanwalt zahlreiche Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, zum Teil auch dem Verwaltungsgerichtshof, durchaus erfolgreich geführt, etwa auch Bescheidbeschwerdeverfahren und Normüberprüfungsverfahren. Dazu kommt, dass ich etwa seit 15 Jahren als Nebentätigkeit noch Lektor an der TU Wien bin. Ich unterrichte dort Verfassungsrecht, Raumordnungsrecht und vor zwei Jahren habe ich auch noch einen weiteren Lehrauftrag an der Universität Wien bekommen.
Erfreulicherweise ist es über die Jahre hinweg aber auch gelungen, einen kollegialen und wissenschaftlichen Austausch mit dem Verfassungsgerichtshof aufrechtzuerhalten. Ich habe ja mit den beiden ausgeschiedenen Mitgliedern, mit Frau Kollegin Dr. Berchtold-Ostermann und Herrn Dr. Rudolf Müller, auch laufend Kontakt gehabt. Zuletzt, im ver-gangenen Jahr, war ich im Rahmen einer internen Fortbildungsveranstaltung des Verfassungsgerichtshofes eingeladen, zum Thema Verfassung und Rechtsanwaltschaft einen Vortrag zu halten.
Dieser rund 20-jährige Bezug zum Verfassungsgerichtshof hat mich daher bewogen, mich für diese frei gewordene Stelle eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes zu bewerben.
Ich hoffe, dass ich das Zeitlimit eingehalten habe. – Danke.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Perfekt eingehalten. Vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Ich darf Sie bitten, jetzt für die folgenden Fragen zur Verfügung zu stehen. Die Bundesrätinnen und Bundesräte darf ich bitten, sich per Handzeichen zu melden, und ich darf daran erinnern, dass pro Fraktion und pro Kandidat eine Wortmeldung möglich ist.
Als erster Fragesteller hat sich Herr Bundesrat Brunner gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Dr. Riegler! Herzlichen Dank für Ihre Präsentation und Vorstellung. Wir sind hier Vertreter der Länderkammer. In letzter Zeit wird immer wieder eine Föderalismusreform und in diesem Zusammenhang auch über die Abschaffung des Artikels 12, die Aufteilung der verschiedenen Zuständigkeiten von Bund und Ländern diskutiert. Wie stehen Sie zu dieser Diskussion?
Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M.: Danke für die Frage. Ich glaube, das ist eine sehr wichtige Diskussion. Gerade in einer Zeit, in der die Verwaltung teurer wird, muss man sich, glaube ich, irgendwann einmal überlegen, vielleicht die Strukturen zu ändern, vor allem natürlich mit Bezug auf Europa. Da ist es schon ein gewisser Luxus, den man sich in Österreich leistet, dass man eben viele parallele Strukturen aufrechterhält.
Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass ich in der Auseinandersetzung um die Gemeindezusammenlegungen in der Steiermark intensiv befasst war. Ich habe auch Gemeinden vor dem Verfassungsgerichtshof vertreten, habe auch ein Gutachten erstellt. Ich kenne an sich die Problematik vor allem im ländlichen Raum, die sich insbesondere mit dem Vollzug ergibt. Eine Kompetenzänderung oder eine Änderung des Verfassungsstaates, des Bundesstaates ist natürlich sicher fällig. Die Frage ist aber eher, ob man die entsprechenden Mehrheiten dafür bekommt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Frau Bundesrätin Grossmann gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Dr. Riegler! Danke auch namens meiner Fraktion für Ihre Präsentation. Sie haben ja Ihre bisherigen Berührungspunkte mit dem Verfassungsgerichtshof geschildert. Das führt mich zur Frage: Wie beurteilen Sie die aktuelle Zusammenarbeit des Verfassungsgerichtshofes mit dem EuGH?
Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M.: Das ist eine gute Frage. Es gibt ja nicht sehr viele anhängige Verfahren, es gibt einige Vorabentscheidungsersuchen. Prinzipiell kann ich Ihnen, weil ich dort gearbeitet habe, sagen, dass es neben der offiziellen Zusammenarbeit auch einen informellen Informationsaustausch auf Ebene der wissenschaftlichen Mitarbeiter gibt. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. Ich persönlich bin ein überzeugter Europäer und ich bin auch davon überzeugt, dass es ein hochprofessionelles Verhältnis zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem EuGH gibt.
Ich möchte aber dazusagen, dass es in naher Zukunft mit Sicherheit viele Fragen zu klären geben wird, aus meiner Sicht vor allem im Umweltrecht, das ja auch sehr stark ins Unionsrecht und ins Verfassungsrecht hineinragt, vor allem im Zusammenhang mit der Durchsetzung von subjektiven Rechten. Wenn Sie mich fragen: Ich gehe davon aus, dass es hier in Zukunft stärkere Verbindungen, auch Verfahrensverbindungen zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem EuGH geben wird.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zur nächsten Frage hat sich Herr Bundesrat Sperl gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Meine Frage geht in Richtung der Gesetzesflut, die heute eine so mächtige ist, dass sie eigentlich für den Parlamentarier kaum mehr zu lesen und zu bewältigen ist. Wie beurteilen Sie eigentlich diese überbordende Gesetzesflut und die Durchführbarkeit und Transparenz für den normalen Bürger?
Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M.: Danke für diese Frage, sie geht natürlich auch eher in die Rechtspolitik. Ich bin der Meinung, dass das schon fast nicht mehr tragbar ist. Ich kann Ihnen sagen: Ich bin in meinem Gebiet als Rechtsanwalt hoch spezialisiert. Viele andere Rechtsanwälte hätten Schwierigkeiten, und es ist auch für mich manchmal schwierig, überhaupt die aktuelle Rechtslage festzustellen, weil es eine Flut gibt, weil sich Normen überlappen, weil es auch Konflikte gibt, natürlich mit dem Europarecht, aber auch in Österreich. Das ist ein Phänomen, dem man irgendwie entgegnen muss. Auf der anderen Seite ist es auch eine Herausforderung für die Verwaltung, für den Vollzug und insbesondere für die Gerichte, weil auch diese natürlich mit dieser laufenden Anpassung, mit dieser Änderung leben müssen.
Letztlich befürchte ich, dass es kurzfristig keine allgemeine Lösung geben wird, weil ja auch unser Leben immer komplizierter wird, immer schneller wird, immer mehr Änderungen erfordert und daher natürlich auch die Regelungen entsprechend anzupassen sind. Jede Vereinfachung, jede Transparenz, sodass auch der Bürger oder die Bürgerin das verstehen, wäre aber für alle Beteiligten wünschenswert.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Frau Bundesrätin Dziedzic gemeldet. – Bitte.
†Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Auch meinerseits vielen Dank für Ihre Bewerbung. Sie haben Ihren langjährigen Bezug zum VfGH erwähnt und können somit aus meiner Sicht wahrscheinlich die Entwicklung gut beurteilen. Was, denken Sie, sind aktuell die größten Hausforderungen, die vor allem auch die nächsten Jahre dieses Höchstgericht beschäftigen werden?
Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M.: Es ist sehr viel passiert, denn gerade in den letzten Jahren hat der Verfassungsgerichtshof einen großen Schritt in Richtung Professionalisierung gemacht, vor allem auch im Bereich der digitalen Verfahrensführung. Das ist ja für Anwälte oder Betroffene eine unglaubliche Veränderung gewesen. Ich glaube aber, dass in diesem Bereich noch sehr viel notwendig ist, um wirklich ein vollständig digitales Verfahren inklusive Akteneinsicht zu erreichen. Das heißt, dass es eher die Administration betrifft.
Das zweite fachliche Thema ist natürlich die Frage Asyl. Da weiß man, dass sehr viel Arbeit auf den Verfassungsgerichtshof zukommt. Es gibt ja Überlegungen, die Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang zu kappen. Das ist fachlich natürlich ein großes Thema, das wird sich auch nicht so schnell ändern.
Dann glaube ich, dass der Verfassungsgerichtshof gerade im Bereich der Abstimmung mit dem Europarecht noch eine stärkere Aufgabe wahrnehmen wird müssen, nämlich insbesondere dann, wenn es um Normen geht. Bei der Normenprüfung, das heißt also Gesetze oder Verordnungen, ist ja ausschließlich der Verfassungsgerichtshof zuständig, und wenn es hier einen Widerspruch zum Europarecht gibt, muss das der Verfassungsgerichtshof klären, es kann das kein anderes Höchstgericht machen.
Der dritte Punkt ist vielleicht jener, dass es ja jetzt auch neue Wege zum Verfassungsgerichtshof gibt, also auch diese Grundrechtsbeschwerden, die auch ins Zivilrecht hineinreichen. Da glaube ich, dass es durchaus noch Potenzial gibt, die Funktion dieses Gerichtshofes noch stärker auszuüben und umzusetzen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
In Anbetracht der Zeit darf ich Sie, wenn Sie wollen, noch um ein kurzes abschließendes Statement bitten.
Dr. Lorenz E. Riegler, LL.M.: Ich bedanke mich noch einmal. Es ist zwar sehr kalt draußen, aber es ist hier herinnen eine angenehme Atmosphäre. Ich bedanke mich für die freundliche Aufnahme. Rein fachlich würde ich, wenn es keine weiteren Fragen mehr gibt, nichts mehr sagen. Ich möchte mich nochmals bedanken und hiermit enden. – Danke sehr.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Riegler, für Ihre Ausführungen und Ihr Kommen heute.
*****
Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Michael Rohregger, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt MMag. Dr. Michael Rohregger
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Dr. Michael Rohregger.
Herr Doktor, ich ersuche Sie, uns Ihre Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin – das gilt für alle Bewerberinnen und Bewerber –, dass Ihre Ausführungen ein Zeitlimit von 5 Minuten nicht überschreiten sollten. – Bitte schön.
†MMag. Dr. Michael Rohregger: Guten Morgen an alle Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung zum heutigen Hearing. Ich freue mich sehr, dass ich und auch die anderen Bewerberinnen und Bewerber die Möglichkeit bekommen, dass wir uns persönlich kurz vorstellen und in einen kurzen Gedankenaustausch eintreten.
Ich habe der Einladung entnommen, dass Sie mit einer kurzen Vorstellung durch mich selbst beginnen möchten. Ich möchte das in aller Kürze tun. Ich glaube, es gibt zwei Punkte, die Sie interessieren werden. Das eine ist, wie mein bisheriger beruflicher Werdegang war, wie ich überhaupt auf die Idee komme, mich um eine solche Stelle zu bewerben. Zweitens möchte ich mich Ihnen auch ein bisschen persönlich vorstellen, wie mein Leben ausschaut, damit Sie ein Gefühl bekommen, mit wem Sie es denn überhaupt zu tun haben.
Ich fange chronologisch an: Ich bin in Linz in Oberösterreich aufgewachsen. Die Großelternfamilie mütterlicherseits kommt aus Salzburg, mein Vater stammt aus Mondsee, beide sozusagen in der Landwirtschaft verwurzelt. Erst mein Vater hat einen Branchenwechsel vorgenommen, war Beteiligungsmanager, das heißt, er ist in die Wirtschaft gegangen. Ich bin der erste Jurist in der Familie, habe sozusagen noch einmal einen Branchenwechsel vorgenommen und bin Rechtsanwalt. Ich habe 1986 in Linz maturiert, habe dann in Oberösterreich den Wehrdienst abgeleistet und bin dann nach Wien studieren gegangen. Ich habe an der Universität Wien Rechtswissenschaften und an der Wirtschaftsuniversität Wien Betriebswirtschaft studiert.
Es war von Anfang an klar, dass der Weg in die Juristerei geht, das Verfassungsrecht war eigentlich von Beginn an mein Favorit. Ich hatte das Glück, dass ich an der Wirtschaftsuniversität dann schon während des Studiums und auch danach einige Jahre lang eine Stelle als Assistent am Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht bei Professor Korinek bekommen habe. Ich bin nach einigen Jahren der Assistententätigkeit zu Professor Korinek an den Verfassungsgerichtshof gewechselt, war dort zwei Jahre lang sein wissenschaftlicher Mitarbeiter und bin dort sozusagen noch ein bisschen tiefer ins Verfassungsrecht eingestiegen. Es war eine spannende Zeit. Ich glaube, das hat mich als Jurist sicherlich sehr geprägt. Wer Professor Präsident Korinek kennt, weiß, er war ein sehr - - Ich weiß jetzt nicht, was das richtige Wort ist, aber man hat von ihm sowohl juristisch als auch in beruflicher Hinsicht viel lernen können.
Es hat sich dann die Frage gestellt, ob ich in die wissenschaftliche Richtung gehe, ob ich mich im Verfassungsrecht habilitieren will. Das wäre für mich eine Option gewesen. Ich habe mich dann doch entschieden, selbst in die Anwaltschaft zu gehen. Ich bin in meinem Herzen doch ein bisschen Unternehmer und wollte eine eigene Struktur aufbauen. Ich habe die Konzipientenzeit in großen Wirtschaftskanzleien verbracht und mich danach aber als Anwalt selbständig gemacht.
Ich bin im Jahr 2001 als Anwalt eingetragen worden und habe seither eine eigene Struktur in die Höhe gezogen. Wir sind derzeit neun Volljuristen in der Kanzlei. Meine Liebe zum Verfassungsrecht konnte ich mir im Beruf erhalten. Ich betreue schwerpunktmäßig Verfahren am Verfassungsgerichtshof, nicht ausschließlich, aber doch zu einem großen Teil. Der Schwerpunkt der Kanzlei insgesamt liegt im Bereich des Wirtschafts- und Wirtschaftsstrafrechts. Das heißt, wir machen viele große Wirtschaftsstrafsachen und halt auch M&A-Business.
Daneben hat sich das übliche Bündel an Nebentätigkeiten angesammelt. Ich halte Lehrveranstaltungen an der Universität Wien in Wirtschaftsstrafrecht, an Fachhochschulen, es sind ungefähr zehn Lehrveranstaltungen im Jahr, die ich betreue. Ich bin Prüfer für die Anwaltsprüfung und habe eine ganze Reihe an kleineren Nebentätigkeiten. Die wichtigste Nebentätigkeit, glaube ich, ist meine Funktion als Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer Wien. Ich bin dort für Verfahrenshilfen, für das anwaltliche Pensionssystem – das wird ja von den Kammern geführt – und für das anwaltliche Kostenrecht zuständig.
Ich führe dort mit meiner Abteilung wirklich Verwaltungsverfahren durch. Wir erlassen Bescheide, und ich bin es durchaus gewohnt – es wird sozusagen immer streitbarer –, dass meine Entscheidungen bei den Verwaltungsgerichten hinterfragt werden, und ich das dort auch wirklich als bescheiderlassende Behörde verteidigen muss.
Was gibt es noch? – Vielleicht zwei Worte zum privaten Umfeld, damit Sie dort noch ein bisschen einen Einblick gewinnen: Ich glaube, ich gehöre eher zur Kategorie Workaholic. Das hat zur Konsequenz, dass ich es noch nicht geschafft habe, in den Stand der Ehe einzutreten. Wenn der Verfassungsgerichtshof sagt: Ehe für alle, muss man sagen: für Rohregger leider noch nicht. Da muss ihm noch etwas einfallen, aber ich lebe in einer fixen Lebensgemeinschaft mit meiner Freundin. So gesehen ist alles in bester Ordnung. Ich bin 50 Jahre alt, und es gibt ja keine Altersgrenze fürs Heiraten. (Heiterkeit.) Es könnte ja noch werden.
Ich hoffe, ich habe damit nicht die Zeit überzogen und bin schon sehr gespannt, welche Fragen Sie mir stellen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Sie haben die Zeit genau erreicht. Vielen Dank für die Ausführungen.
Ich darf Sie bitten, für die folgenden Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich darf die Damen und Herren Bundesräte ersuchen, sich per Handzeichen zu melden.
Für die erste Frage hat sich Herr Bundesrat Preineder gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Dr. Rohregger! Danke für die Bewerbung, danke für die erfrischende Präsentation und Ihre Vorstellung. Zwei Fragen meinerseits: Wir sind immer bemüht, und Präsident Sobotka hat auch erwähnt, dass er in seiner Amtszeit dafür sorgen möchte, dass Gesetze für die Bürger lesbarer werden. – Zum einen.
Wie sehen Sie zum Zweiten die Stellung der Landtage als Gesetzgeber im Ablauf der Gesetzwerdung?
MMag. Dr. Michael Rohregger: Zum ersten Punkt: Legistik ist natürlich ein großes Thema. Es ist richtig, dass die Gesetze immer komplizierter werden. Das ist, glaube ich, nicht nur dem Gesetzgeber anzulasten, es wird auch unsere Welt immer komplizierter. Das ist einfach so. Wenn man von einer gewissen Situation ausgeht und sieht: Okay, da gibt es noch ein Problem, dann verfeinert man halt und landet irgendwann bei der fünften Dezimale.
An der sprachlichen Gestaltung könnte man aber, glaube ich, schon feilen, wenn man sich bemüht, die Sätze ein bisschen kürzer zu machen. Nur als Beispiel: Ich kommentiere derzeit die neue Regelung zur Bilanzfälschung. Die gibt es mittlerweile seit zwei Jahren, die hat man ins StGB integriert. Dieser Satz hat 177 Wörter, das ist ein Satz, der über eine Seite geht. Das ist für einen Juristen okay, das kann man sich schön in eine Systematik aufgliedern, für den Durchschnittsbürger natürlich nicht mehr fasslich. Das heißt, ohne einen Verlust an Regelungstiefe und Detailgenauigkeit könnte man, wenn man sich sprachlich mehr bemüht, hier schon einiges erreichen. Bloß pauschal, sozusagen mit dem Rasiermesser, zu sagen: Okay, ein Gesetz darf nicht mehr als 2 000 Zeichen haben, ist natürlich keine Lösung. Die Welt ist kompliziert.
Zur zweiten Frage, den Landtagen: Ich glaube, das steht im größeren Komplex des bundesstaatlichen Prinzips ganz allgemein, Bundesländer und Landtage sind dort ja ganz wichtige Organe. Ich denke, man sieht gerade auch in der Diskussion, wie das im Zusammenhang mit der Europäischen Union sein soll, dass sich dieses Subsidiaritätsprinzip – also der Gedanke, dass das, was man auf kleinerer Ebene regeln kann, dort auch bleiben soll – immer mehr durchsetzt und Sinn hat. Aus diesem Grund kommt den Landtagen die wichtige Funktion zu, jene Gesetze zu schaffen, die auf regionaler Ebene erlassen werden sollten und wo es keine Notwendigkeit gibt, das bundesweit einheitlich zu regeln oder womöglich gar unionsweit einheitlich zu regeln. So gesehen haben die Landtage seit Beginn an ihre Berechtigung, und ich habe eher das Gefühl, dass vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips diese Bedeutung und Sinnhaftigkeit ein bisschen zunimmt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Frau Bundesrätin Grossmann gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Dr. Rohregger! Zunächst möchte ich mich namens meiner Fraktion für Ihre Bewerbung und Ihre Präsentation bedanken. Sie haben ja geschildert, wie Sie durch die harte Schule eines Professors Korinek gegangen sind. Das führt mich zur Frage: Wie stehen Sie zur Einführung einer allfälligen Dissenting Opinion im Verfassungsgerichtshof?
MMag. Dr. Michael Rohregger: Das ist ein Dauerbrenner der Verfassungsgerichtsbarkeit. Ich glaube, es ist Ihnen allen bekannt, dass die bisherige Linie des Verfassungsgerichtshofes dahin ging, dass man eine Dissenting Opinion nicht möchte. Der Grund, den man nennt, ist: Der Verfassungsgerichtshof entscheidet als letzte Instanz, und man möchte hier nicht, dass das Gewicht, die Legitimität der Entscheidung gemildert wird.
Die Dissenting Opinion hat sich in anderen Jurisdiktionen aber durchaus bewährt. Ein Grund, der aus meiner Sicht dafür sprechen würde, ist: Der Verfassungsgerichtshof trifft sehr oft Entscheidungen, in denen sich gesellschaftspolitische Strömungen widerspiegeln. Nehmen Sie nur die Entscheidung zur Ehe für alle! Ich meine, wir haben jetzt einmal die Entscheidung, aber das ist etwas, was man nicht mathematisch präzise errechnen kann. Da fließen Wertungen ein. Mit einer Dissenting Opinion könnte man schon erkennen, ob sich hier alle Richter einig waren oder ob etwas etwa auf der Kippe stand. Das würde auch ein Signal geben: Kann es sein, dass der Verfassungsgerichtshof in Kürze seine Rechtsprechung doch ändert oder ist das total einzementiert?
Ich bringe ein anderes Beispiel, wo ich glaube, dass irgendwann eine Änderung notwendig sein wird, das Kumulationsprinzip. Da hat der VfGH schon mehrmals gesagt: Nein, das passt, das Kumulationsprinzip bei Verwaltungsstrafen geht. Ich glaube aber, da ist eine Tendenz, und es wäre nicht schlecht, zu wissen: Gibt es hier vielleicht schon im Rahmen des Gerichtshofes Stimmen, die dagegen sind? Wenn man diese Tendenzen erkennen könnte, dann wäre das vielleicht ein Gewinn.
Ich glaube, dass der Verfassungsgerichtshof in Österreich historisch so anerkannt ist, dass die Legitimität seiner Entscheidungen durch einzelne abweichende Meinungen insgesamt wahrscheinlich nicht zu stark geschwächt würde. Ich würde es also nicht völlig ausschließen, aber man muss zugeben, dass es ist eine umstrittene Frage ist.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schuster gemeldet. – Bitte.
†Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Dr. Rohregger! Ich habe auch eine Frage zu Ihren Erfahrungen mit dem VfGH. Wie sehen Sie als Rechtsanwalt das Sessionensystem des VfGH? Ist es Ihrer Meinung nach noch zeitgemäß und sprechen Sie sich für eine Beibehaltung dieses Systems aus? Welche Verbesserungen der Arbeit des VfGH würden Sie aus der Sicht eines Anwalts als dringend notwendig erachten?
MMag. Dr. Michael Rohregger: Zum Sessionensystem: Die Frage hat in Wahrheit zwei Komponenten: Will man die Tätigkeit am Verfassungsgerichtshof als Nebentätigkeit sehen und will man das Sessionensystem beibehalten? Das Sessionensystem, glaube ich, würde man selbst dann benötigen, wenn man die Tätigkeit am VfGH als Vollzeitjob nimmt, denn eine Session am Verfassungsgerichtshof bedeutet, dass wirklich das Plenum – ich meine, es bilden sich an bestimmten Tagen manchmal kleine Senate – zur Gänze von 9 bis 19 Uhr oder 9.30 bis 19 Uhr zusammensitzt und berät. Das kann man nur in bestimmten Zeiträumen im Jahr konzentriert so machen. Das haben Sie an anderen Höchstgerichten ja auch nicht. Wenn Sie am OGH Senate haben, sitzen die ja nicht nonstop beisammen. Es ist fast eine Notwendigkeit, das für 14 Personen zu bestimmten Zeitpunkten zu konzentrieren, das kann man nicht 52 Wochen im Jahr tun.
Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob man die Stellung am VfGH als Nebentätigkeit sehen will. Richter, Verwaltungsbeamte werden dienstfrei gestellt, für die ist es de facto dann der Hauptjob. Für einen Anwalt ist es aber eine Nebenbeschäftigung, er bleibt neben seiner Funktion am VfGH Anwalt.
Das hat aus meiner Sicht die Wurzel darin, dass man am Verfassungsgerichtshof eine gewisse Diversität der Berufsgruppen haben wollte. Wenn man Anwälte da drinnen haben will und sagt, die bringen Erfahrung aus der Praxis ein, gerade bei Parteianträgen – wofür aus dem Zivil- und Strafrecht jetzt vermehrt Anträge kommen –, dann macht es natürlich Sinn, dass der seinen Beruf beibehält, diese Expertise auch parallel dazu erhält, denn wenn man als Anwalt aufhört – ich meine, das ist ja eine Tätigkeit auf manchmal mehrere Jahrzehnte –, verliert man irgendwann ja den Zugang.
Ginge man davon ab, dann wäre es wahrscheinlich nicht mehr möglich, dass Anwälte ihre Praxisexpertise einbringen. Das ist nicht völlig ausgeschlossen, wäre aber schon ein Paradigmenwechsel. Daher glaube ich, dass das Sessionensystem bei einem 14-köpfigen Gremium, in dem man Praxiserfahrung von Anwälten dabei haben will, fast organisatorisch eine gewisse Notwendigkeit ist. Das schließt nicht aus, dass man das ein bisschen anders gestaltet, aber es hat Sinn.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage erteile ich Frau Bundesrätin Dziedzic das Wort. – Bitte.
†Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Ja auch meinerseits vielen Dank für Ihre Bewerbung. Sie sind ja vielfältig im Einsatz, unter anderem waren Sie auch in die Anfechtung bei der Bundespräsidentenwahl involviert. Das bringt mich zur Frage, wie Sie die Unabhängigkeit, die parteipolitische Unabhängigkeit eines Verfassungsrichters grundsätzlich beurteilen, aber auch – weil Sie das auch angesprochen haben – im Speziellen bei durchaus strittigen Fragen, wie zum Beispiel der Aufhebung des Eheverbots.
†MMag. Dr. Michael Rohregger: Ja, ich meine, das ist eine sehr berechtigte grundsätzliche Frage in einem Staat. Ich glaube, Sie haben parteipolitische Unabhängigkeit gesagt. Ich würde sagen, parteipolitische Unabhängigkeit: ja. Also dass jemand am Gängelband einer Partei wäre oder sich einer politischen Partei verpflichtet fühlt, das, glaube ich, wäre nicht der richtige Ansatz. Es ist aber schon so, dass gerade ein Höchstgericht wie der Verfassungsgerichtshof – Präsident Holzinger hat das im Oktober in seiner Rede zum Verfassungstag ja wieder ausdrücklich betont – ein Grenzorgan zwischen Recht und Politik ist.
Es kommen da Entscheidungen nach oben, die sich – ich habe es vorhin schon gesagt – nicht mathematisch exakt lösen lassen. 95 Prozent der Fälle sind reine Juristerei, da bedarf es juristischen Handwerkszeugs, in manchen Fällen kommt aber die Ideologie hinein. Ehe für alle: Das können Sie nicht mathematisch präzise lösen, das hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen ab, und da, glaube ich, ist es unvermeidlich, dass jeder Richter am Ende des Tages auch in gewisser Weise seine Weltanschauung mit hineinbringt.
Vor diesem Hintergrund ist es, glaube ich, auch durchaus in Ordnung, dass die Bestellung der Richter sozusagen durch Regierung, Nationalrat und Bundesrat erfolgt, denn diese Weltanschauungen sollen letztlich ja auch irgendwo das repräsentieren, was sich in der Bevölkerung repräsentiert, das heißt, eine vollkommene Unabhängigkeit von jeder Weltanschauung kann man von einem Verfassungsrichter nicht verlangen, aber ein Verfassungsrichter als parteipolitisches Gängelband, das, glaube ich, wäre aber unpassend.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Damit wir das Zeitlimit nicht sehr überschreiten, darf ich Sie, wenn Sie wollen, noch um ein kurzes, abschließendes Statement bitten.
MMag. Dr. Michael Rohregger: Also ich glaube, im Wesentlichen sind die wichtigsten Dinge gesagt. Ich möchte mich noch einmal für die Möglichkeit, dass Sie uns hier anhören, bedanken. Ich sehe da die Kritik in den Medien nicht ganz gerechtfertigt, ich sehe das schon als Wertschätzung, sich in solch einem Gremium äußern zu dürfen.
Ich glaube, es gibt sehr viele Bewerber, die sich hervorragend für diesen Job eignen würden. Ich kann überhaupt nicht sagen, dass ich davon der Beste bin, aber ich kann jedenfalls aus wirklicher Überzeugung sagen, meine bisherige berufliche Erfahrung lässt mich hoffen, dass ich diesen Job gut machen würde, aber schauen wir einmal, wie es ausgeht. – Vielen Dank.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Rohregger, für die Ausführungen und für Ihr Kommen.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Mag. Rüdiger Schender, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Mag. Rüdiger Schender
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße nun bei uns Herrn Mag. Rüdiger Schender. Ich darf Sie bitten, in der Mitte Platz zu nehmen.
Herr Mag. Schender, ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe Ihrer Bewerbung zu nennen, und darauf hinweisen – und das gilt für alle Bewerberinnen und Bewerber –, dass diese Ausführungen das Zeitlimit von 5 Minuten bitte nicht überschreiten sollen.
Mag. Rüdiger Schender: Danke schön, Frau Vorsitzende. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst möchte ich mich für die Einladung zu diesem Hearing bedanken, der ich sehr gerne gefolgt bin. Es ist mir eine Ehre, dass Sie sich meine Bewerbung und meine Argumente anhören.
Ich möchte, bevor ich auf die Gründe eingehe, ganz kurz meinen persönlichen Lebenslauf darstellen, wenn Sie mir das erlauben, denn ich glaube, dass das für die Beurteilung einer Person und für die Eignung für eine Position wichtig ist. Ich wurde 1974 in Linz geboren, bin dort aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe am Akademischen Gymnasium maturiert, und zwar im humanistischen Zweig, und habe danach den Präsenzdienst als Einjährig-Freiwilliger absolviert. Nach dem Bundesheer bin ich dann nach Wien gegangen, habe an der Universität Wien Rechtswissenschaften studiert und dieses Studium dann im Jahr 2000 auch abgeschlossen.
Zu meiner beruflichen Laufbahn möchte ich ausführen, dass ich bislang in allen drei Staatsgewalten tätig war. Ich glaube, das ist etwas, was mich für diese Position befähigt und mir eine gewisse Eignung gibt. Ich war Mitglied des österreichischen Nationalrates, also der Gesetzgebung, in der XXI. Gesetzgebungsperiode, in den Jahren 1999 bis 2002. Ich war dort Mitglied in den juristischen Ausschüssen, wenn ich das so allgemein sagen kann, also Justizausschuss, Verfassungsausschuss, Ausschuss für Menschenrechte, aber auch im Rechnungshofausschuss, also im Kontrollausschuss des Rechnungshofes, und war damals auch sehr stark in der Bildungspolitik engagiert.
Während dieser Zeit habe ich natürlich sehr, sehr viel vom Gesetzgebungsprozess an sich, vom Funktionieren des Gesetzgebungsprozesses persönlich mitnehmen und lernen können, das Zusammenwirken zwischen Nationalrat, Bundesrat und Bundesregierung, die Abstimmung verschiedenster Interessen auf Gesetzgebungsebene und dergleichen. Während meiner Tätigkeit im Nationalrat habe ich auch das Gerichtsjahr absolviert, ich bin ja relativ rasch nach dem Studium Abgeordneter geworden, war im Gerichtsjahr – wie das auch vorgesehen ist – im straf- und im zivilrechtlichen Bereich tätig und habe dort Praxis gesammelt.
Nachdem ich dann aus dem Nationalrat ausgeschieden bin, bin ich ins Justizministerium gewechselt, war dort im Ministerbüro tätig, zunächst bei Herrn Minister Böhmdorfer, dann bei Frau Minister Gastinger, damals noch Miklautsch. Das, muss ich sagen, war für mich eine sehr, sehr prägende Zeit, weil ich in dieser Zeit mit sehr, sehr vielen Rechtsgebieten in Verbindung gekommen bin, dort sehr stark die verschiedenen rechtspolitischen Standpunkte und Positionen kennengelernt habe, Abwägungen dogmatischer Natur, rechtspolitischer Natur getroffen werden mussten, die Abstimmung zwischen dem Justizministerium und dem Justizausschuss, mit den Bereichssprechern der verschiedenen Parteien war sehr prägend.
Letztendlich war in dieser Zeit, was für diese Position als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes vielleicht nicht ganz unerheblich ist, der sogenannte Österreich-Konvent gerade mit der Evaluierung der österreichischen Verfassung, der Verfassungsbestimmungen beschäftigt, und ich konnte dort aufgrund meiner Funktion im Justizministerium auch an den Vorbereitungen, den Beratungen und so weiter teilnehmen und unter anderem auch den damaligen Minister Böhmdorfer das eine oder andere Mal vertreten.
Insgesamt war diese Zeit, die Zusammenarbeit mit Juristen auf höchstem juristischem Niveau, mit den, wenn man so sagen will, mitunter besten Juristen des Landes für mich – ein damals sehr junger, unerfahrener Jurist – sehr prägend und hat mir einfach sehr viel gebracht. Es war eine sehr, sehr spannende Zeit für mich.
Danach bin ich ins Verkehrsministerium, ins Infrastrukturministerium gewechselt, war dort Kabinettschef, gleichzeitig auch Leiter des Büros des damaligen Vizekanzlers. In dieser Funktion waren natürlich ganz andere Themen maßgeblich, es ist um wesentliche Anteilsverwaltung des Bundes gegangen, es ist um Finanzierungsfragen und so weiter gegangen.
2007 war dann für mich eine Zäsur – wenn Sie mir noch 1, 2 Minuten gewähren –, 2007 war dann für mich insofern eine Zäsur, als ich damals für mich die Entscheidung getroffen habe, dass ich mich aus der Politik beziehungsweise dem politiknahen Bereich zurückziehe. Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, die Ausbildung zum Rechtsanwalt zu machen, ganz einfach deswegen, weil ich damals den Eindruck gehabt habe, dass jemand, der jung in die Politik kommt, auch etwas anderes machen muss, um nicht abhängig zu werden, um nicht von der Politik vereinnahmt werden zu können und um immer eine unabhängige Position haben zu können.
Ich war dann Konzipient, habe die Rechtsanwaltsprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg abgelegt, wurde im September 2010 eingetragen und bin seit Oktober 2011 selbständiger Rechtsanwalt gemeinsam mit meinem jetzigen Partner Dr. Böhmdorfer. Mir ist wichtig, zu betonen – und das ist wieder etwas, warum ich glaube, dass es wichtig ist, dass Rechtsanwälte Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sind –, dass ich in allen Verfahrensordnungen tätig bin: im Verwaltungsverfahrensrecht, im Zivilprozessrecht, im Strafprozessrecht, und das ist, glaube ich, wichtig, um einen Gesamtüberblick über die Rechtsordnung zu haben.
Ich bin unabhängiger Rechtsanwalt. Ich bin nicht abhängig, ich bin in keiner öffentlichen Funktion, ich habe keine Funktion in einer politische Partei, ich bin auch nicht Mitglied einer Partei, und ich bin auch nicht Parteianwalt der FPÖ; ich sage das nur abschließend, weil das manchmal in der Zeitung gestanden ist. Ich habe die FPÖ in meiner gesamten Tätigkeit mit Ausnahme der Vertretung im Zusammenhang mit der Wahlanfechtung der Bundespräsidentschaftswahl beim Verfassungsgerichtshof kein einziges Mal vertreten.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich bitte Sie, nun zum Schluss zu kommen.
Mag. Rüdiger Schender: Daher versichere ich Ihnen, dass ich, so ich Mitglied des Verfassungsgerichtshofes werden würde, diese Position parteiunabhängig, unparteiisch, mit höchstmöglicher persönlicher Integrität und rein nach den Vorgaben unserer Verfassung ausüben würde. – Danke sehr.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Ausführungen. Ich hoffe, wir machen die Zeit jetzt bei den Antworten wett, damit es für alle gleich und fair ist. (Bewerber Schender: Ich werde mich bemühen!)
Ich darf nun die Damen und Herren Bundesräte ersuchen, sich für die Fragen zu melden.
Als erstem Fragesteller darf ich Herrn Bundesrat Mayer das Wort erteilen. – Bitte.
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Vielen Dank, Herr Mag. Schender, für Ihre Vorstellung und Ihre Ausführungen.
Wir sind schon etwas knapp in der Zeit, deshalb schnell zu beantwortende Fragen: Wenn Sie bei Minister und Vizekanzler Gorbach waren, haben Sie oft mit Föderalismus zu tun bekommen, so wie alle Vorarlberger. Wie stehen Sie zu Föderalismus insgesamt? Wie stehen Sie zum bundestaatlichen Prinzip? Wie stehen Sie zur Diskussion, dass die Landtage immer wieder infrage gestellt werden, was dann natürlich einen unglaublichen Zentralisierungsschub mit sich bringen würde? Wie stehen Sie zur derzeitigen Situation betreffend Subsidiarität, insbesondere betreffend die EU, die sich damit auch im Juncker-Plan sehr stark beschäftigt?
Mag. Rüdiger Schender: Herr Bundesrat! Ich denke, dass der Föderalismus ein wesentliches Kennzeichen unserer Republik ist. Der Föderalismus ist sozusagen das Prinzip der Vielfalt in der Einheit und ist ein sehr, sehr bewährtes Strukturelement unserer Verfassung. Es ist auch völlig anerkannt, dass das bundestaatliche Prinzip ein fester Anker, ein Grundprinzip unserer Verfassung und damit eine der Säulen unserer Verfassung ist; es steht für mich völlig außer Zweifel, weil es einfach wichtig und sinnvoll ist, die Dinge dort zu regeln, wo sie zu regeln sind.
Das ist eben in vielen Bereichen im lokalen, im kleineren Bereich besser möglich, strukturierter, gezielter möglich, als in einem Bundestaat oder gar auf EU-Ebene. Daher glaube ich, dass diese Strukturierung, die wir haben, die Aufteilung zwischen Ländern, dem Bund und letztendlich übergeordnet auch der Europäischen Union eine sehr sinnvolle ist. Ich glaube, dass die Bundesländer weiterhin ihren wichtigen Platz in unserem Gesamtgefüge einnehmen müssen. Ich glaube letztendlich auch, dass die Bundesländer nach wie vor ein wesentliches Instrument für die Selbstbetrachtung und für das Selbstwertgefühl der Bürger sind, und dass dies weiterhin so bleiben wird.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Frau Bundesrätin Grossmann gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Mag. Schender, danke für Ihre Präsentation.
Mich würde interessieren, welche Bedeutung Sie dem quasi – unter Anführungszeichen –„natürlichen Rechtsempfinden“ im Gesetzgebungsprozess und generell im staatlichen Gefüge, auch in der Rechtsanwendung beimessen.
Mag. Rüdiger Schender: Ich glaube, dass es ein ganz wichtiger Aspekt des Verfassungs- und Rechtsstaates ist. Warum? – Weil dieses natürliche Rechtsempfinden, das Streben nach einer gerechten Rechtsordnung gerade den modernen Verfassungsstaat ausmacht und ihn von anderen Regimen, von Unrechtsregimen unterscheidet.
Auch Unrechtsregime können im formellen Sinn ein Rechtsstaat sein, also Gesetze haben, Rechtsmittel vorsehen und so weiter. Was diesen Unrechtsregimen jedoch fehlt, ist der Zugang zu einer gerechten Rechtsordnung. Daher ist es, glaube ich, in der heutigen Zeit ganz, ganz wichtig, dass man als Gesetzgeber, aber natürlich auch als Verfassungsgerichtshof, den Zugang zum natürlichen Rechtsempfinden, zu einer gerechten Ordnung hat und das auch immer im Auge behält.
Abgesichert ist dieses natürliche Rechtsempfinden, wie Sie es nennen – ich sage: die gerechte Rechtsordnung –, vor allem durch die Grund- und Freiheitsrechte, die ein Mindestmaß an individueller Freiheit und Absicherung zum Beispiel vor staatlicher Willkür gewährleisten, aber natürlich auch durch die rechtsstaatlichen Einrichtungen der ordentlichen Gerichte, der Landesverwaltungs- und der Bundesverwaltungsgerichte beziehungsweise der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Danke schön, Herr Dr. Schender für die Präsentation, aber auch für die Beantwortung der letzten Frage, weil es ja zeigt, wie wichtig es ist, dass man Zugang zum Recht, aber auch zu den höchsten Institutionen des Rechts hat.
Daraus ergibt sich meine Frage: Wie beurteilen Sie den Umstand, dass in der Vergangenheit sehr viele Gesetze – nach meiner Auffassung fast zu viele – in den Verfassungsrang gehoben wurden?
Mag. Rüdiger Schender: Ich glaube, dass das ein grundsätzliches Problem unserer Rechtsordnung ist, vor allem deshalb, weil man einerseits den Überblick über die Verfassung verliert, wenn zu viele Einzelbestimmungen in den einzelnen einfachgesetzlichen Materiengesetzen vorhanden sind, aber auch, weil es sozusagen die Bedeutung etwas schwächt.
Wenn man ein kodifiziertes Verfassungswerk hat, wie es zum Beispiel Deutschland oder auch die USA haben, mit einem Gebot, dass Verfassungsänderungen nur in der Verfassung vorzunehmen sind, dann stärkt das natürlich durch diese Kodifizierung, durch diese Einheit das Verfassungswerk und das Verfassungsbewusstsein der Bürger ganz wesentlich. Daher glaube ich, dass es grundsätzlich sinnvoll ist, nach Möglichkeit Verfassungsbestimmungen zentral und kodifiziert in der Bundesverfassung selbst zu behalten, oder aber Bundesgesetze – wir haben in Österreich eine Reihe davon –, die als Bundesverfassungsgesetze qualifiziert sind, dort festzuhalten.
Inhaltlich, glaube ich, ist man gut beraten, nur das in den Verfassungsrang zu heben, was auch materiell Verfassung sein sollte: also die Grundlagen unseres staatlichen Zusammenwirkens, Menschenrechte, Grundrechte und so weiter, aber nicht detaillierte Einzelregelungen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage erteile ich Frau Bundesrätin Dziedzic das Wort. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Meinerseits vielen Dank für Ihre Bewerbung.
Sie haben selbst erzählt, Sie waren viele Jahre sehr stark in der FPÖ aktiv und tätig, sind das – nach dem, was Sie gesagt haben –, glaube ich, nicht mehr, aber Sie sind, soweit mir bekannt ist, nach wie vor Mitglied einer Burschenschaft in Linz. Da Sie jetzt betonten, dass Sie ein unabhängiger Anwalt sind, würde mich interessieren, ob Sie noch ein wenig zu Ihrer verfassungsrechtlichen Qualifikation erzählen könnten.
Mag. Rüdiger Schender: Zunächst möchte ich korrigieren: Ich bin nicht Mitglied einer Burschenschaft, sondern einer Mittelschulverbindung, einer Sängerschaft in Linz, ich war also dort in meiner Mittelschulzeit aktiv.
Zu meiner verfassungsrechtlichen Qualifikation: Ich habe schon in meinen Einführungsworten gesagt, dass ich glaube, dass es sehr wichtig ist, in möglichst vielen Rechtsgebieten tätig zu sein, um einen Überblick zu haben. Das ist wichtig, da ja letztendlich Bestimmungen aus allen Rechtsgebieten an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden können und auch herangetragen werden. Daher ist es notwendig, den systematischen Überblick und die Gesamtsicht der Rechtsordnung, der Werte der Rechtsordnung zu kennen, um das beurteilen zu können. Wie gesagt, ich war in allen Verfahrensordnungen tätig und habe auch in diesen Verfahrensordnungen oder aus diesen Verfahrensordnungen heraus verschiedene Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof geführt.
Um Beispiele zu nennen: Bekanntermaßen hat unsere Kanzlei die Bundespräsidentenstichwahl angefochten, also sind wir in der Wahlgerichtsbarkeit an den Verfassungsgerichtshof herangetreten und haben dort vertreten. Ich hatte zum Beispiel aber auch ein Verfahren, in dem es um Kompetenzkonflikt gegangen ist, bei dem nicht klar war, ob etwas im Instanzenzug durch die ordentlichen Gerichte oder im Verwaltungsweg, sprich Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, zu entscheiden ist; also da wurde eine Kompetenzstreitigkeitsklage vor dem Verfassungsgerichtshof eingebracht. Ich habe diverse Parteienanträge eingebracht. Ein Parteiantrag ist übrigens, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiges Instrument, das in der täglichen Arbeit als Rechtsanwalt die Verfassungskonformität für den einzelnen Bürger gewährleisten kann und das Gott sei Dank auch sehr, sehr intensiv genutzt wird.
Letztendlich habe ich auch als jemand, der im Strafrecht tätig ist, immer wieder mit den Grund- und Menschenrechten zu tun, da gerade im Strafrecht Eingriffe in die persönlichen Grund- und Menschenrechte – ins Briefrecht, ins Familienrecht, ins Recht auf persönliche Freiheit, ins Hausrecht und so weiter – sehr massiv sind und einerseits immer Abwägungen über die Gerechtfertigkeit gemacht werden müssen, anderseits aber auch Grundrechtsverletzungen immer wieder Gegenstand von Rechtsmitteln etwa an den Obersten Gerichtshof, aber auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind, wo ich selbstverständlich auch Verfahren geführt habe.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Mag. Schender, für das Kommen und für die Beantwortung der Fragen.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Universitätsprofessor Dr. Martin Spitzer, in den Saal bitten.
Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Universitätsprofessor Dr. Martin Spitzer. Ich darf Sie bitten, in der Mitte Platz zu nehmen.
Herr Professor, ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und darf Sie darauf hinweisen, dass es – das gilt für alle Bewerberinnen und Bewerber – ein zeitliches Limit von 5 Minuten gibt. Ich bitte Sie, das nicht zu überschreiten. – Bitte schön.
Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer: Vielen Dank, Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren BundesrätInnen! Für das Zeitlimit habe ich großes Verständnis, weil ich gesehen habe, was Sie heute noch alles vor sich haben, und in der Zeitung gelesen habe, was Sie am Freitag schon alles hinter sich gebracht haben.
Ich gebe zu, ich habe in der Zeitung auch gelesen, dass diese Hearings teilweise sehr kritisch gesehen werden, glaube aber, wenn ich das sagen darf, dass das eine sehr gut investierte Zeit ist, denn wenn wir über den Verfassungsgerichtshof sprechen, reden wir sicher über eine der Institutionen, die in Österreich noch ein besonderes Vertrauen der Bevölkerung haben, und in Wirklichkeit steht und fällt das mit den Personen, die dort tätig sind. Wenn diese in einem möglichst offenen und möglichst transparenten Verfahren ausgesucht werden, dann ist das, glaube ich, eine sehr gute Idee – deshalb vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, und vielen Dank für die Einladung.
Was die Eckpunkte bei mir anlangt, hat die Frau Vorsitzende es schon angedeutet: Ich bin Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität, ich bin dort seit 2011 tätig und habe dort einen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht inne. Ich bin bei uns auch Programmdirektor für das juristische Studium, das heißt, ich habe derzeit noch – es kommt ja eine große Universitätsreform – jedes Jahr mit über 2 000 Studienanfängerinnen und Studienanfängern zu tun und bin dementsprechend auch relativ stark in der Lehre engagiert, werde mich heute aber logischerweise auf das Wissenschaftliche konzentrieren.
Wie sich das gehört, habe ich mich nicht an der Wirtschaftsuniversität – wo ich als Professor tätig bin – habilitiert, sondern an einer anderen Universität, nämlich der Uni Wien. Ich habe dort studiert, ich habe dort promoviert, und nach meiner Tätigkeit in der Rechtsanwaltschaft habe ich mich dort auch habilitiert, nämlich für die Fächer Bürgerliches Recht und Zivilgerichtliches Verfahren.
Was relativ früh für mich ein Punkt war, schon als Universitätsassistent, war, dass ich eigentlich immer versucht habe, meine beiden Fächer Bürgerliches Recht und Prozessrecht in Bezug zum Öffentlichen Recht zu sehen, das heißt, den Bezug zum Verfassungsrecht und den Bezug zu den Grundrechten herzustellen. Ich gebe aber zu, dass das die längste Zeit ein eher esoterisches Hobby von mir war, das wenig Leute geteilt haben. Es war schon allen irgendwie klar, dass der Privatrechtsgesetzgeber an die Verfassung und an die Grundrechte gebunden ist, das hat aber dann im Ergebnis trotzdem niemanden so wirklich interessiert, was, glaube ich, vor allem daran gelegen hat, dass der Weg zum Verfassungsgerichtshof aus dem Zivilrecht einfach sehr, sehr schmal war, in Wirklichkeit ja nur der Gerichtsantrag. Das hat sich radikal geändert. Seit wir die Gesetzesbeschwerde haben, also den Parteiantrag auf Normenkontrolle, wie es eigentlich korrekt heißt, ist der Weg zum VfGH viel, viel breiter geworden. Jede unzufriedene Partei in einem Zivilprozess hat die Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof zu wenden, und das war wirklich ein Game Changer.
Der Verfassungsgerichtshof ist mit einer Fülle von sehr, sehr speziellen Fragen und sehr schwierigen Fragen konfrontiert: die Mietzinsobergrenzen, die Schenkungsanrechnung im Erbrecht, die Bindungswirkung bei der Nebenintervention. Das sind alles sehr spezielle, sehr schwierige Fragen, um die es dort geht. Insgesamt weht ein bisschen ein neuer Wind, auch die Gerichte legen mehr vor; das BG Gänserndorf hat kürzlich einmal die Gewährleistungsfristen vorgelegt, derzeit liegt beim Verfassungsgerichtshof, wenn ich das richtig höre, die schadenersatzrechtliche Verjährung.
Das sind wirklich zentrale und zentralste Fragen meines Faches oder meiner Fächer, und ich glaube, dass man diese Fragen nur im Dialog über die Fächergrenzen hinweg lösen kann. Das ist ein Dialog, der an den Universitäten langsam beginnt. Ich freue mich, dass ich einer der Vertreter dieses Dialogs sein kann und sein darf, sowohl in Vorträgen als auch in wissenschaftlichen Beiträgen, ob das die Frage Verfassungsrecht und Verbraucherschutz betrifft, ob das die Frage ist, welche Leistungsfähigkeit eigentlich die Eigentumsgarantie als Maßstab für das Privatrecht hat, oder die Frage der Erziehungsautonomie, das heißt, wie weit Eltern eigentlich Entscheidungen über das Kindeswohl treffen können, Stichwort Impfgegner und so weiter und so fort. Das sind alles Themen, die mich beschäftigt haben, aber genauso etwa auch die Versammlungsfreiheit. Ich glaube aber, dass dieser Dialog nicht an den Unis bleiben kann, sondern der muss am Höchstgericht stattfinden, und der hat ja auch früher schon am Höchstgericht stattgefunden. Wir haben ja mit Karl Spielbüchler die längste Zeit einen ganz, ganz profilierten und ganz prominenten Zivilrechtsprofessor am VfGH gehabt.
Man muss sagen, jetzt, wo wir es am dringendsten brauchen würden, nämlich wo die Zivilrechtsfälle kommen, gibt es keinen Vertreter des Zivilrechts mehr. Ich glaube, es gibt einen großen Bedarf dafür, und ich glaube, dass sich so auch erklärt, warum sich diesmal ja vergleichsweise viele Zivilrechtsprofessoren beworben haben; Sie haben Peter Bydlinski, wenn ich das richtig gelesen habe, schon am Freitag gehört, Sie werden Stefan Perner heute noch hören. Das heißt, das hat schon einen Grund, die Ausgewogenheit der Fächer am Verfassungsgerichtshof ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.
Eines ist wahrscheinlich nicht nur bei mir, sondern bei allen Zivilrechtlern der Fall: Wir sind, wenn wir uns für Verfassungsfragen interessieren – was ich, wie ich schon darzulegen versucht habe, sehr stark tue –, stärker mit rechtsdogmatischen Fragen und viel weniger mit Verfassungspolitik beschäftigt, das heißt, wir haben keine Gutachten zu verfassungsrechtlichen Fragen. Das führt fast schon institutionalisiert dazu, dass wir in diesen Belangen relativ wenig politisch oder parteipolitisch sind.
Da das in den Medien ein großes Thema war, sage ich das auch ganz offen und lege das aus Transparenzgründen auch offen: Ich bin nicht Mitglied einer Partei und ich stehe auch mit keiner Partei in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis, etwa durch Gutachtensaufträge. Ich habe in der letzten Legislaturperiode ein Mal ein Mitglied der Bundesregierung bei einem gesellschaftsrechtlichen Problem im Ressort beraten, und ich engagiere mich bei einem Führungskräfteprogramm für weibliche Führungskräfte des Wirtschaftsministeriums, aber das war es im Wesentlichen auch schon mit Berührungspunkten.
Deshalb glaube ich, dass neben meiner fachlichen Qualifikation im Zivilrecht und im Zivilprozessrecht – wobei ich auch glaube, dass diese Zusammenschau ein ganz wesentlicher Aspekt ist – für mich schon auch sehr stark der Umstand spricht, dass ich einfach eine Äquidistanz zu den politischen Akteuren habe. Ich glaube, ich bin im besten und im engsten Sinne vollkommen unvoreingenommen, vollkommen unbefangen und vollkommen unabhängig, und das wäre zumindest als Staatsbürger das, was ich mir von einem Verfassungsrichter wünsche, und das ist, glaube ich, unterm Strich auch das, was sich der Verfassungsgerichtshof verdient hat.
Ich hoffe, dass ich die Zeit halbwegs eingehalten habe.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen! Ich darf Sie bitten, auch für die folgenden Fragen zur Verfügung zu stehen, und die Damen und Herren BundesrätInnen, sich zu melden.
Für die erste Frage erteile ich Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler das Wort. – Bitte.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Professor Spitzer, für Ihre Ausführungen, für Ihre engagierte und motivierende Bewerbung, danke auch, dass Sie hergekommen sind! Nicht nur Sie bedanken sich, sondern auch wir bedanken uns, dass Sie sich für uns zur Verfügung stellen.
Wir sind die Länderkammer – no na net – und daher muss ich Sie fragen: Wie sehen Sie die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Föderalismus? Welcher Stellenwert kommt aus Ihrer Sicht dem föderalistischen Prinzip in unserem Staatsgefüge zu? Wie sehen Sie die Länderkammer generell und wie sehen Sie auch die Gesetzgebungen der Länder an sich?
Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer: Ja, das ist natürlich eine schwierige Frage (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na ja, aber für uns - -!), und damit macht man ein ganz großes Fass auf. Das ist natürlich für Sie eine ganz zentrale Frage.
Ich glaube, wenn man sich verschiedene Staatsmodelle anschaut, vom wirklichen Zentralstaat wie Frankreich bis zum ganz starken Bundesstaat wie den Vereinigten Staaten, dann sieht man etwas, das man in unserer Verfassung relativ oft sieht, und es ist bemerkenswert, dass schon 1920 Kelsen eigentlich ein so feines Gespür hatte: Das ist kein Extrem, weder in die eine Richtung noch in die andere Richtung, und ich glaube – und das trifft auf viele Aspekte zu –, dass die österreichische Vorstellung oder die österreichische Prägung des Föderalismus, also so ein ausgewogener, ein ausdifferenzierter Föderalismus, gerade in der heutigen Zeit eine ganz enorme Bedeutung hat.
Ich möchte jetzt gar nicht davon anfangen, dass man sagt, wir haben jetzt durch die europäische Ebene noch einen zusätzlichen Aspekt und in Wirklichkeit verlagert sich vieles vom Nationalstaat noch oben und gleichzeitig werden die Regionen immer wichtiger; das liegt ohnehin auf der Hand. Ich glaube aber, dass das verfassungsgesetzliche Konzept, dass Dinge dort entschieden werden, wo sie stattfinden – mit Blick auf die Landtage –, ein grundvernünftiges Konzept ist.
Ich weiß natürlich auch – und das wissen Sie alle auch, das kann man auch ganz offen ansprechen –, dass dieser österreichische Föderalismus und gerade auch Ihr Gremium immer wieder im Gerede ist. Ich glaube, dass es ganz gefährlich ist, so aus plötzlichem aktuellen politischen Impetus an solchen Grundfesten zu rühren. Das hat schon alles einen guten Grund, dass die Dinge sind, wie sie sind. Ich würde etwa gar nicht auf die Idee kommen wollen, dass die Idee des Föderalismus und auch die österreichische Prägung des Föderalismus stark geändert werden sollte.
Was man sich schon wünschen kann, ist – und da nehme ich an, dass dieser Wunsch auch auf Ihrer Seite so ist –: Ich glaube, je mehr Profil der Bundesrat hat und je mehr Profil der Bundesrat auch für sich beansprucht – das sind in Wirklichkeit so ein bisschen kommunizierende Gefäße –, desto besser ist es. Ich glaube deshalb auch – das zeigt auch das ganze Hearing rund um die Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof –: Ja, genau so soll es in Wirklichkeit sein.
In der öffentlichen Wahrnehmung – wenn ich daran denke, was ich in den Medien lese – gibt es Verfassungsrichterinnen oder Verfassungsrichter, die von der Regierung bestellt werden – das können wir jetzt einmal außen vor lassen, das hat eh schon stattgefunden –, und dann gibt es einen Posten, den der Nationalrat besetzt, und einen Posten, den der Bundesrat besetzt. Das zeigt, finde ich, die Ausgewogenheit, das zeigt auch die Gleichberechtigung der beiden Kammern, und nach meiner Vorstellung soll das auch so sein.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Zu einer weiteren Frage hat sich Frau Bundesrätin Grossmann gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Professor Spitzer, ich möchte mich auch namens meiner Fraktion für Ihre Bewerbung und Ihre Präsentation bedanken.
Meine Frage führt mich in Ihr esoterisches Hobby, zu den Grundrechten, und da würde mich interessieren, wie Sie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Demonstrationsfreiheit, zur Versammlungsfreiheit generell beurteilen.
†Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer: Ich schicke voraus: Es ist die Demonstrationsfreiheit und Versammlungsfreiheit vor ungefähr einem Jahr recht stark in den Medien diskutiert worden. Es gab damals rechtspolitische Vorschläge, wie man vielleicht der Demonstrationsfreiheit oder Versammlungsfreiheit in breiterem Sinn einen stärkeren rechtlichen Rahmen, sagen wir so, geben sollte.
Ich mache da aus meinem Herzen keine Mördergrube: Ich habe mich damals ehrlich gestanden über die öffentliche Diskussion ein wenig geärgert. Die öffentliche Diskussion hat damit begonnen, dass damals ein Spitzenvertreter der Republik gesagt hat, er sei letztens wegen einer Demo mit dem Auto im Stau gestanden und da habe er sich gedacht, eigentlich ist das schon arg. – Da sage ich dazu: Eigentlich ist es arg, wenn das im Stau Stehen eines Spitzenvertreters der Republik dazu führt, dass man sich Gedanken über die Demonstrationsfreiheit macht. Das ist für mich ein bisschen dürftig, sage ich ganz ehrlich. Ich habe mich damals auch in den Medien, konkret in einem Gastbeitrag in der „Presse“, einerseits sehr stark zum Grundrecht der Demonstrationsfreiheit bekannt. Das ist ein Kerngrundrecht unseres Grundrechtskatalogs, und es ist ein Urgrundrecht unseres Grundrechtskatalogs; damit sollte man nicht leichtfertig spielen.
Ich glaube, dass man extrem vorsichtig sein muss, wenn man auf den ersten Blick so ganz unscheinbare oder vielleicht auch auf den ersten Blick unschädliche Rahmenbedingungen für die Demonstrationsfreiheit schafft; natürlich gibt es ohnehin welche, hat es immer gegeben. Die Demonstrationsfreiheit ist sicherlich ein normgeprägtes Grundrecht, da kommt man gar nicht umhin. Wenn ich aber an die Vorschläge denke: Na, vielleicht finden wir irgendeinen Platz – ich spitze es jetzt ein bisschen zu – am Stadtrand, wo man die Leute demonstrieren lassen kann! – Ich glaube, das ist nicht der Witz der Demonstrationsfreiheit. Ich habe die Vorstellung, dass der Verfassungsgesetzgeber sich etwas anderes darunter vorgestellt hat, nämlich: Das ist sichtbar und soll sichtbar sein.
Für mich hat sich bei diesem Demonstrationsfreiheitsthema damals auch sehr schön diese Verbindung zu meinem angestammten Fach des Zivilrechts ergeben, denn da gab es einen Vorschlag, der auf den ersten Blick komplett unschuldig ausschaut, und wenn man sich nicht intensiv mit den Dingen beschäftigt, denkt man sich vielleicht: Ja, das ist eine gute Idee! Da gab es den Vorschlag, dass quasi derjenige, der die Demonstration angemeldet hat – der Veranstalter der Demonstration –, für jedwede Schäden, die im Rahmen einer solchen Demonstration entstehen, haften solle.
Das wirkt auf den ersten Blick irgendwie so nach dem Motto: Ja, das ist ein Ausdruck des Verursacherprinzips, hätten die nicht demonstriert, dann hätte es ja auch keine Schäden gegeben! – Das ist eine Regel – eine Haftungsregel –, die uns im allgemeinen Schadenersatzrecht komplett fremd ist. Stellen Sie sich vor, Sie veranstalten ein Geburtstagsfest in einem Gasthaus und irgendein Gast beschädigt dort etwas! – Niemand kommt auf die Idee, dass Sie dafür haften sollen. Eine so kleine unscheinbare Änderung – geht nur demonstrieren, aber es gibt einen der haftet! – wäre aus meiner Perspektive eine hochproblematische Einschränkung eines absoluten Kernbereichs der Grundrechte.
Das heißt: Ja, ich bekenne mich da ganz stark dazu, und, wie gesagt, nachdem ich das auch schon öffentlich geäußert habe, bin ich da auch sehr undifferenziert, muss ich ehrlicherweise sagen. Klar ist, dass die Demonstrationsfreiheit Rahmenbedingungen hat; das hat sie aber jetzt auch schon. Ich glaube nur immer, wenn man an so ganz zentrale Fragen rührt, ist es immer besser, ein Stückerl langsamer unterwegs zu sein.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Professor, danke schön für Ihre Ausführungen! Sie haben am Beginn auch gesagt, dass der Verfassungsgerichtshof jetzt etwas breiter diskutieren kann, dass es Zeiten gegeben hat, in denen es ein sehr schmaler Weg war, der jetzt wieder breiter geworden ist. Dennoch glaube ich, man muss dann schon aufpassen, dass man ihn andererseits auch nicht überfordert.
Daher meine Frage: Welche Verbesserungen im Bereich des Verfassungsgerichtshofes wären aus Ihrer Sicht notwendig beziehungsweise möglich?
Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer: Das ist natürlich auch eine ganz zentrale Frage. Ich greife vielleicht eine Verbesserung auf, die ganz leicht wäre, nämlich indem man einfach nichts tut. Es hat beim Verfassungstag 2017 der damalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes Holzinger eine Idee in den Raum gestellt, über die ich mich damals, sage ich ganz offen, ein bisschen gewundert habe.
Der Parteiantrag auf Normenkontrolle ermöglicht es ja den Parteien, nicht das Urteil zu bekämpfen, sondern das Gesetz. Das heißt – ich sage das jetzt sehr zugespitzt –, egal, wie falsch das Urteil ist, und sei es krass falsch, ich kann es beim Verfassungsgerichtshof nicht bekämpfen, ich kann nur sagen, es basiert auf einem verfassungswidrigen Gesetz. In Deutschland war das immer schon ein bisschen anders. Die Deutschen haben die Urteilsbeschwerde.
Wie Sie alle viel besser wissen als ich, weil Sie die Gesetze machen, war es damals ein extremer Diskussionspunkt, wie man den Weg zum VfGH ausgestalten soll. Der Verfassungsgerichtshof war sehr offen – man muss ehrlicherweise sagen: no na –, da für ein Höchstgericht eine Ausweitung der Jurisdiktion auf den ersten Blick immer attraktiv ist. Der Oberste Gerichtshof war extrem zurückhaltend. Ich habe gefunden, dass der Gedanke, dass man nur das Gesetz zum Verfassungsgerichtshof bringen kann, aber nicht das konkrete Urteil, ein sehr, sehr schlüssiger Kompromiss ist, insbesondere wenn ich bedenke, welche Erfahrungen ich von deutschen Kolleginnen und Kollegen höre. Es ist nicht so, dass die alle mit dem System der Urteilsbeschwerde so glücklich sind.
Wenn ich ehrlich bin: Ich habe gedacht, das Thema ist jetzt gegessen; wir haben den Parteiantrag auf Normenkontrolle und das war es. Wenn aber ein Spitzenvertreter, nämlich der damalige Präsident des VfGH dieses Thema Urteilsbeschwerde wieder aufgreift und beim Verfassungstag 2017 sagt: Na, das wäre eigentlich schon eine gute Idee!, dann muss ich sagen, davor würde ich warnen. Warum? – Einerseits hat das dramatische Auswirkungen auf den Caseload des Verfassungsgerichtshofes. Ich wüsste nicht, wie das sinnvoll bewältigt werden soll, weil – und das ist meine Erfahrung aus dem Zivilprozessrecht – ja jede Partei alles nutzt. Es ist ja klar, wer verloren hat, und sei es das kleinste Besitzstörungsverfahren, fühlt sich ganz oft aus der psychologischen Situation des Verfahrens heraus elementar gekränkt und elementar verletzt. Wenn Sie dem sagen: Du kannst damit zum Verfassungsgerichtshof gehen!, dann wird der das auch tun. Wenn man schaut: Wir hatten letztens Frau Britz, Verfassungsrichterin in Deutschland, zu einem Vortrag an der Wirtschaftsuni. Sie hat erzählt, sie ist ausschließlich mit Obsorgeentscheidungen befasst. Das ist eine Verfassungsrichterin in Deutschland, die die ganze Zeit nur Obsorgeentscheidungen abarbeitet.
Es ist immer sehr attraktiv, mehr Rechtsschutz zu verlangen, aber es gibt immer, in jedem Rechtssystem, Grenzen, und ich würde das deshalb quasi diese Entwicklung antizipierend und aufgreifend, was der Herr Präsident damals gesagt hat, nicht für eine gute Idee halten – nicht nur, was den Caseload anlangt, denn sonst könnte man sagen: Nehmen wir halt noch ein paar Verfassungsrichter mehr, dann sind die Chancen für die Bewerberinnen und Bewerber höher! Ich glaube aber, es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, die einzelne Entscheidung zu kontrollieren, sondern die Aufgabe des Verfassungsgerichts ist in Wirklichkeit abstrakte Normenkontrolle, Kontrolle abstrakter Normen. Das wäre ein Punkt, der mir ein großes Anliegen wäre.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Herr Professor, vielen Dank.
Es gibt jetzt noch eine Frage, und ich darf Sie bitten, darauf kurz zu antworten (Bewerber Spitzer: Ich habe den Hinweis verstanden!), weil wir das Zeitlimit eigentlich schon erreicht haben.
Bitte, Frau Bundesrätin Dziedzic.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Das würde voraussetzen, dass meine Frage nicht kompliziert ist; ich versuche es. Vielen Dank auch meinerseits für die Bewerbung!
Es gibt ja zwei Schulen, würde ich einmal meinen, was die Rechtsauslegung anbelangt: eine, die sich wirklich am Mindeststandard orientiert, die konservativere, und eine eher vorausschauende. Nachdem Sie selber angesprochen haben, dass es jetzt gerade am Verfassungsgerichtshof sehr viele Fälle gibt, bei denen es um genau diese Interpretation geht, würde ich Sie bitten, einmal zu erzählen, wo Sie sich da verorten würden.
Univ.-Prof. Dr. Martin Spitzer: Das ist fast eine Suggestivfrage, denn wer möchte nicht gerne vorausschauend sein.
Es gibt unter Juristen so den Satz: Über Methode spricht man nicht, Methode hat man. Den Satz habe ich immer für falsch gehalten. Die Methodik der Juristen ist unser Handwerkszeug, und ich glaube, das Entscheidende ist – und darin bin ich sehr konservativ –: Wir sollen keine Zaubertricks machen. Der Jurist ist nicht dafür da, etwas zu erfinden. Der Jurist ist dafür da, die Rechtsordnung zu interpretieren und sie in den engen Grenzen, in denen es zulässig ist, vielleicht manchmal auch zu Ende zu denken – Stichwort: Analogie oder teleologische Reduktion. Das heißt, ich bin mir der Methodik sehr bewusst, das halte ich für ganz zentral. Mir sind Methodenfragen ein großes Anliegen. Ich schaue auch, dass ich bei meinen Assistenten und Assistentinnen dafür eine gewisse Begeisterung wecke. Jus ist keine Freestyle-Disziplin, auch wenn das manchmal so wirkt – Stichwort: zwei Juristen, drei Meinungen.
Also: Konservativ bei der Frage der Methodik, aber wenn die Frage zum Auslegungsergebnis kommt, dann, glaube ich, bin ich in Wirklichkeit als Zivilrechtler schon vorgeprägt. Wir Zivilrechtler denken – und da muss ich jetzt sehr aufpassen, insbesondere wenn die Öffentlichrechtler-Kollegen das hören – notwendigerweise ein bisschen großzügiger und liberaler als die Öffentlichrechtler, ein bisschen weniger an der Norm. Warum? – Die Öffentlichrechtler haben es mit einem ganz klaren Über- und Unterordnungsverhältnis zu tun. Ja, natürlich möchte ich eine starke Gesetzesbindung, wenn der Staat mir gegenüber einseitig Recht setzt, aber wir im Zivilrecht haben es mit Gleichordnung zu tun. Wir haben zwei Personen, und wir müssen zwischen den beiden Personen entscheiden und dort eine möglichst gerechte Lösung finden, aber das aus dem Gesetz.
Das heißt, die Kombination wäre: Ich bin konservativ beim methodischen Standard. Man muss wissen, was man tut, und nicht Freestyle unterwegs sein, aber beim Auslegungsergebnis bleibt einem Zivilrechtler nichts anderes übrig, als ein bisschen liberaler zu sein. Freilich bin ich mir der Bindung des öffentlichen Rechts sehr bewusst.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Herr Professor, im Sinne der Fairness allen Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber (Bewerber Spitzer: Ich entschuldige mich, es war wirklich eine schwierige Frage!): Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen und für Ihr Kommen heute!
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Michael Rami, in den Saal bitten.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Dr. Michael Rami. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.
Herr Dr. Rami, ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und bitte Sie, das Zeitlimit von 5 Minuten, das für alle gilt, nicht zu überschreiten.
Dr. Michael Rami: Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, mich Ihnen vorstellen zu dürfen!
Mein Name ist Michael Rami. Was kann ich Ihnen von meiner Berufslaufbahn erzählen? – Ich habe drei Standbeine: Erstens bin ich seit vielen Jahren Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Wien. Wir haben zwei Filialen, eine in Wien und eine in Klagenfurt. Ich bin in Wien tätig und auf nationales und internationales Wirtschaftsrecht, vor allem auf Zivilrecht und Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert.
In den Medien konnte ich lesen, dass ich vor allem Medienrecht praktizieren würde. Das ist nicht richtig. Richtig ist, dass Medienrecht eines meiner Spezialgebiete ist, allerdings macht das in meiner praktischen Tätigkeit vielleicht 10 Prozent aus. Der Grund, warum ich in den Medien damit oft verbunden werde, liegt sicher darin, dass es gerade die Medienrechtsfälle an sich haben, dass da interessante, schillernde Persönlichkeiten auftauchen, und gerade diese Fälle für die Medien interessant sind; aber in meiner Tätigkeit sind es vielleicht 10 Prozent.
Lesen konnte ich auch, dass ich Parteianwalt der FPÖ sei. Das ist nur bedingt richtig. Richtig ist, dass ich seit vielen Jahren die FPÖ und deren Funktionäre vertrete. Das mache ich auch sehr gerne, weil das eine sehr angenehme, professionelle Zusammenarbeit ist. Allerdings vertrat und vertrete ich auch hochrangige Funktionäre zum Beispiel der SPÖ und der ÖVP; so gesehen könnte man mich auch als Parteianwalt der SPÖ oder ÖVP bezeichnen. Es ist eher so: Ich verstehe mich als Spezialisten, der die bestmögliche Arbeit anbieten will. Noch nicht bei mir waren zum Beispiel die NEOS, aber ich würde mich sehr freuen, wenn sie eines Tages mit einer interessanten Causa kommen.
Das ist das erste Standbein, Rechtsanwalt; das zweite ist Lehre und Unterricht. Ich unterrichte seit vielen Jahren an der Universität Wien als Lehrvortragender. Ich habe eine eigene Lehrveranstaltung, und ich glaube, dass die bei den Studenten sehr gut ankommt, weil ich dort aufgrund meiner praktischen Erfahrung recht spannende, witzige Fälle präsentieren kann. Ebenso trage ich regelmäßig bei allen möglichen Institutionen vor. Ich war schon bei Ihnen im Parlament, ich habe schon vorgetragen vor dem Österreichischen Institut für Menschenrechte, vor dem europäischen Medienrechtsinstitut, vor der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und so weiter und so fort.
Zum zweiten Standbein, Lehre und Unterricht, ist noch eines zu sagen: Ich bin vom Fachverlag Manz als Leiter der Jahrestagung Strafrecht eingesetzt; diese findet einmal im Jahr statt. Dort trage ich nicht nur vor, sondern bin auch dafür verantwortlich, die Vortragenden, die sich aus den höchsten Kreisen der Jurisprudenz – Oberster Gerichtshof, Generalprokuratur, Universitäten, Rechtsanwaltschaft – rekrutieren, auszusuchen. Das war das zweite Standbein – Lehre und Unterricht.
Das dritte Standbein ist Wissenschaft, wissenschaftliche Veröffentlichungen. Ich nehme für mich in Anspruch, da sehr produktiv zu sein. Ich habe mittlerweile etwa hundert Veröffentlichungen aufzuweisen. Ich publiziere in allen bekannten Fachzeitschriften, die Sie vielleicht kennen, „Juristische Blätter“, „Österreichische Juristen-Zeitung“. Ich habe das gesamte Mediengesetz alleine kommentiert, das sind über 60 Paragrafen. Ich habe das gesamte Ehrenbeleidigungsrecht des Strafgesetzbuches alleine kommentiert, und ich habe zum Beispiel das gesamte Haftrecht der Strafprozessordnung gemeinsam mit einem Richter des Obersten Gerichtshofes kommentiert. Ich habe auch immer wieder zu verfassungsrechtlichen Fragen publiziert, zuletzt etwa zur Frage der verfassungsrechtlichen Absicherung der Unabhängigkeit der Richter.
Zu mir selbst kann ich sagen: Ich bin wirklich Jurist aus Leidenschaft. Ja, ich liebe es, diesen Problemen auf den Grund zu gehen, ich mag knifflige Rechtsprobleme, ich mag Diskussionen darüber. Ich bin da auch total uneitel: Wenn Sie mich morgen anrufen und mir sagen würden: Herr Dr. Rami, in Ihrem Kommentar auf Seite 60, in Fußnote 34 ist ein Fehler!, bin ich Ihnen ganz sicher nicht böse, sondern freue mich, dass meine Arbeit wieder ein kleines Stück besser geworden ist. Jeder, der mich kennt, weiß auch, dass ich sehr teamfähig bin; ich mag es, mit anderen zusammenzuarbeiten. Damit schließt sich, glaube ich, auch der Kreis, warum ich mich beworben habe. Die Aufgabe eines Richters des Verfassungsgerichtshofes ist nicht nur sehr ehrenvoll, sondern wäre auch eine fantastische juristische Herausforderung.
Ich hoffe, ich habe die Zeit eingehalten. – Danke schön.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Ausführungen! Ich darf Sie ersuchen, uns für Fragen zur Verfügung zu stehen. Die Damen und Herren Bundesräte bitte ich, sich per Handzeichen zu melden.
Für die erste Frage hat sich Frau Bundesrätin Junker gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Herr Dr. Rami, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen und vor allem auch für den Einblick in Ihre vielfältige Tätigkeit!
Wir sind hier in der Länderkammer und leben in unserer Kammer den Föderalismus aus Überzeugung, daher meine Frage: Es gibt aktuell Forderungen und Überlegungen hinsichtlich eines klareren Föderalismus, einer Kompetenzentflechtung, insbesondere der Abschaffung des Art. 12 B-VG, also der Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung. Wie ist Ihre Einschätzung in diesem Zusammenhang?
Dr. Michael Rami: Das ist eine sehr schwierige Frage. Zunächst einmal: Der Föderalismus ist ganz tief in der Bundesverfassung verankert, nicht nur in Art. 2 der Bundesverfassung, der sagt, dass Österreich ein Bundesstaat ist, sondern das zieht sich vielmehr wie ein roter Faden durch die gesamte Bundesverfassung.
Der Schöpfer unserer Bundesverfassung Hans Kelsen wollte bei der Verteilung der Kompetenzen eine möglichst klare Aufteilung – hier Bund, hier Länder und keine Überschneidungen. Artikel 12, Grundsatzgesetz und Ausführungsgesetz, ist eine Ausnahme davon, die ziemlich kompliziert ist, denn der Bund darf nur Grundsatzgesetze erlassen. Diese müssen natürlich ausreichend bestimmt sein, damit klar definiert ist, was hier geregelt wird, aber es darf auch nicht überbestimmt sein. Durch Artikel 12 wird eigentlich die Kompetenz der Länder ziemlich erschwert, glaube ich, zu einer eigenen Gesetzgebung.
Um Ihre Frage auf den Punkt zu bringen: Die Kompetenzen zu entflechten und zu vereinfachen wäre sicher eine gute Idee, ich glaube, dass sich das System des Artikels 12 in der Praxis als sehr schwierig erwiesen hat.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Koller gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Grüß Gott, Herr Dr. Rami! Danke, dass Sie sich bewerben! Sie haben erzählt, dass Sie einen Vortrag zum Thema Menschenrechte gehalten haben, deshalb meine Frage: Wie stehen Sie zur Fassung eines neuen Grundrechtskatalogs und einer eventuell damit verbundenen Abkehr von der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte?
Dr. Michael Rami: Also wir haben hier in Österreich mehrere Menschenrechtskataloge, zum Beispiel das Staatsgrundgesetz, die Menschenrechtskonvention und die europäische Grundrechtecharta, die alle ineinandergreifen. Ich persönlich halte nichts davon, die Grundrechte irgendwie einzuschränken. Woran man sicher denken könnte, wäre, die Grundrechte in einem eigenen Katalog zu sammeln. Es ist in den letzten Jahrzehnten auch schon versucht worden, das ein bissel zu modernisieren und zu straffen und in einem eigenen Katalog zu versammeln, aber an der Qualität der Grundrechte würde ich, wenn Sie mich fragen, persönlich gar nichts ändern.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Für die nächste Frage hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Dr. Rami, danke für Ihre Ausführungen! Sie haben am Beginn gesagt: Entgegen dem, was die Zeitungen schreiben, ist der Medienanteil Ihrer anwaltlichen Tätigkeit 10 Prozent. Die Medien gewinnen aber zunehmend an Bedeutung, es gibt auch nicht so wenige Stimmen, die sagen, sie sind die vierte Gewalt im Staat, daher die Frage: Welche Bedeutung könnten die Medien, das Medienrecht, in Zukunft für den Verfassungsgerichtshof haben?
Dr. Michael Rami: Das Medienrecht hat immer zwei Facetten. Die eine Frage ist: Was darf man alles sagen? – In Österreich gilt das Grundrecht der freien Äußerung, vor allem der freien Meinungsäußerung und überhaupt der freien Äußerung. Das ist in der Menschenrechtskonvention und im Staatsgrundgesetz verankert, daran sollte man keinesfalls rütteln. Allerdings muss man auch immer die Betroffenen im Blick halten. Ich habe ja beide Seiten im Blick. Ich vertrete ja nicht nur einzelne Betroffene, die in der medialen Berichterstattung unter die Räder gekommen sind, sondern auch Verlage. Ich glaube, dieser Kampf um die Äußerungsfreiheit und der Kampf um die Pressefreiheit ist einfach ein ewiges Ringen, da gibt es kein wirkliches, eindeutiges Richtig und Falsch, ich muss immer wieder neu abwägen.
Um Ihre Frage präzise zu beantworten: Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seiner medialen Darstellung schon geöffnet. Es gibt eine eigene Internetseite, auf der die wichtigsten Entscheidungen erklärt und auf den Punkt gebracht werden. Das ist sicher die Zukunft für überhaupt alle Gerichte, glaube ich, dass sie sich in ihrer medialen Darstellung öffnen und den Menschen auf der Straße die Fälle nahebringen und erklären.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank.
Zur nächsten Frage hat sich Frau Bundesrätin Dziedzic gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Auch meinerseits vielen Dank für Ihre Bewerbung! Ich schließe hier an die vorletzte Frage an und würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie das Zusammenspiel – jetzt einmal grundsätzlich – zwischen dem EuGH und dem Verfassungsgerichtshof und vielleicht auch die Schwierigkeiten, die sich genau aus diesem Zusammenspiel ergeben, beurteilen.
Dr. Michael Rami: In Österreich sind wir eigentlich mit fünf Höchstgerichten konfrontiert. Wir haben in Österreich drei – wir haben den Verfassungsgerichtshof, den Verwaltungsgerichtshof und den Obersten Gerichtshof –, die eigentlich nach dem Konzept der Bundesverfassung gleichrangig sind. Es gibt kein Vorrangverhältnis außer in einzelnen kleinen Dingen, aber ansonsten sind sie eigentlich gleichrangig, und zum Teil überschneiden sich auch die Aufgaben, Grundrechte müssen von allen drei Höchstgerichten wahrgenommen werden. Dann haben wir noch den Europäischen Gerichtshof und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit spezifischen Aufgaben, die haben beide einen gewissen Vorrang in gewissen Bereichen.
Ich habe den Eindruck, dass die Rechtsprechung dieser drei Gerichte, die Sie gerade genannt haben, sehr respektvoll ist, auch der Umgang miteinander. Ich habe den Eindruck, dass der Verfassungsgerichtshof sich nicht scheut, Fragen der Auslegung des Europarechts dem EuGH vorzulegen und dort entscheiden zu lassen. Also wenn Sie mich persönlich fragen, ich habe den Eindruck, dass das sehr präzise und gut funktioniert.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Rami, für die Beantwortung der Fragen; ich darf mich auch für Ihr Kommen heute bedanken.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Hofrat Dr. Christian Ranacher, in den Saal bitten.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße Herrn Dr. Christian Ranacher bei uns. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.
Herr Doktor, ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und auch darauf hinweisen, dass Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten, das für alle gilt, nicht überschreiten sollen. – Bitte.
Dr. Christian Ranacher: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst vielen Dank für die Einladung, dass ich mich heute aufgrund meiner Bewerbung hier vor Ihnen präsentieren darf. Sie wissen, ich komme aus Tirol, bin dort Leiter des Verfassungsdienstes – und das führt auch schon zur Motivation für meine Bewerbung: Ich bin eigentlich meine ganze Berufstätigkeit über sehr intensiv mit dem Verfassungsgerichtshof, mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes beschäftigt, nicht nur seit ich in der Landesverwaltung Tirol bin, sondern auch schon davor.
Ich bin Prozessvertreter am Gerichtshof und war das auch ein Jahr lang aufseiten der Bundesregierung. Ich bin in meiner Funktion immer wieder aufgerufen, Regelungsvorhaben verfassungsrechtlich und auch unionsrechtlich zu beurteilen und einzuschätzen und habe mir in diesen Fragen einen Zugang angeeignet, der mir, glaube ich, auch als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes dienlich wäre.
Wir werden meistens dann hinzugezogen, um etwas verfassungsrechtlich einzuschätzen, wenn es politisch brisant oder strittig wird. Das ist unser tägliches Brot. Trotzdem, so glaube ich, ist das Entscheidende, dass man nie den Fokus auf die Rechtsfrage aus dem Blick lässt und dies immer im Zentrum der Beurteilung steht; dass man dann schaut, was die Judikatur, was die Literatur sagt und was einen selber überzeugt, und dann vertritt, wovon man selber überzeugt ist, dass es die zutreffende Ansicht ist.
Weniger relevant ist das politische cui bono, wenn man als Verfassungsdienst arbeitet. Da geht es um eine fundierte präzise verfassungsrechtliche Beurteilung, und ich denke, das ist auch genau das, worum es dann im Verfassungsgerichtshof geht. Es sind natürlich politische Fragen, aber diese müssen aus einer unabhängigen Position heraus rechtlich beurteilt und entschieden werden.
Das Gleiche gilt für Fragen des Unionsrechts, die uns natürlich auch immer wieder beschäftigen. Dafür sind wir ebenfalls zuständig. Es betrifft auch den Verfassungsgerichtshof immer wieder, seit dem Grundrechtechartaerkenntnis etwas mehr und prominenter.
Was ich vielleicht aus meiner persönlichen Berufserfahrung sehr stark einbringen könnte, ist die Befassung mit der neuen zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ich habe das schon auf Landesseite mitverhandelt, dann in Tirol hauptverantwortlich umgesetzt und legistisch ausgeführt. Wir sind mit diesen Rechtsfragen seither immer wieder im Haus befasst, und auch der Verfassungsgerichtshof hat dazu schon einige Leitentscheidungen getroffen, um das neue System auszugestalten und zu verorten – gerade zwei Wichtige im letzten Jahr. Die letzte war zur materiellen Gewaltenteilung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Also auch da, denke ich, könnte ich eine spezifische Expertise neben meiner sonstigen Expertise aus dem Landesrecht einbringen.
Vielleicht ein Letztes zu meiner Motivation: Sie wissen vielleicht, der Westen Österreichs ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr im Verfassungsgerichtshof vertreten. 2010 ist Dr. Lass ausgeschieden, schon davor 2004 Professor Morscher, wenn man jetzt Vorarlberg und Tirol anschaut. Sie wissen gleichfalls, das B-VG sieht auch eine gewisse regionale Ausgewogenheit der Mitglieder im Verfassungsgerichtshof vor. Ich denke, dass das für die Tätigkeit des Gerichtshofes wichtig ist, weil damit auch Lebensrealitäten und Perspektiven aus dem gesamten Bundesgebiet in die Tätigkeit einfließen können. Ich glaube schon, dass das eine Bedeutung hat und eine Rolle spielt.
So viel als Eingangsstatement, und jetzt freue ich mich auf Ihre Fragen. – Vielen Dank.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für die Ausführungen. Wir freuen uns, wenn Sie uns für Fragen zur Verfügung stehen. Ich darf die Damen und Herren Bundesräte ersuchen, sich mit Handzeichen zu melden.
Für die erste Frage hat sich Herr Bundesrat Brunner gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Dr. Ranacher, herzlichen Dank für Ihre Präsentation. Ihr Argument, Westvertreter zu sein, ist mir als Vorarlberger durchaus sympathisch. (Heiterkeit.) Dem kann ich doch einiges abgewinnen, insbesondere wenn man sich die zeitliche Abfolge in den nächsten Jahren ansieht: Frau Dr. Bierlein geht nächstes Jahr in Pension, dann passiert einmal bis 2025 nichts mehr. Das ist also durchaus ein gutes Argument für Sie.
Ich habe aber eine inhaltliche Frage – Sie sind der Chef der Legistik, Sie bereiten natürlich auch legistisch einige Gesetze vor, die dann dem Landtag entsprechend zugeführt werden –: Wie sehen Sie die Position des Landtages und des Bundesrates als Gesetzgebungsorgan?
Dr. Christian Ranacher: Danke für die Frage. – Es wird Sie nicht überraschen, dass ich die Bedeutung der Landtage als wichtig einschätze. Ich glaube auch, dass eine bundesstaatliche Organisation eines Staates ein großer Vorteil sein kann, weil es zum einen die demokratische Legitimation der Willensbildung auf mehrere Ebenen verteilt – auf der Landesebene sogar bürgernäher als auf der Bundesebene – und weil es auch die Möglichkeit gibt, auf Basis der Kompetenzverteilung regional differenziert auf spezifische Bedingungen einzugehen und auch landesgesetzlich entsprechend innovativ tätig zu sein. Vorarlberg, das beispielsweise schon lange ein sehr innovatives Baurecht hat, ist ja auch immer wieder ein Vorreiter.
Ich denke, die Landtage sollten wirklich schauen, dass sie die Regelungsautonomie, die sie auf Basis der Kompetenzverteilung haben, auch für wohlüberlegte, regional abgestimmte Lösungen nützen. Wir versuchen das in Tirol. Wir haben beispielsweise vor zehn Jahren ein sehr innovatives Landesdienstrecht mit Leistungsanteil beschlossen; Vorarlberg schon einige Zeit davor. Wir haben im Wahlrecht sehr schnell auf die neuen Erkenntnisse aus den Erfahrungen mit der Bundespräsidentenwahl reagiert und die Briefwahl umgestellt. Ich denke also, man kann das sehr sinnvoll nützen.
In Österreich ist es ja oft so, dass wichtig ist, dass etwas einheitlich geregelt ist. Niemand fragt, ob es dann auch gut geregelt ist – Hauptsache, es ist einheitlich. Ich glaube, wichtig ist, dass etwas gut geregelt ist. Ob es einheitlich geregelt ist oder nicht, hängt davon ab, ob die Materie besser bundesweit einheitlich geregelt gehört oder nicht – das ist eine politische Beurteilung. Insofern denke ich, dass die Landtage eine große Bedeutung haben, die sie aber auch wahrnehmen müssen.
Für den Bundesrat, der natürlich auch als Ländervertretungsorgan in der Bundesgesetzgebung eine wichtige Rolle hat, gilt dasselbe. Wir würden uns vielleicht ab und an wünschen, dass er bei Kompetenzverlagerungen zum Bund hin ein bissl kritischer wäre, was er aber aus meiner Sicht sehr innovativ und auch europaweit vergleichsweise sehr gut wahrnimmt, ist die neue Aufgabe der Subsidiaritätskontrolle, die ja auch einen Schwerpunkt der Tätigkeit liefert. Da sieht man, dass der österreichische Bundesrat eine der aktivsten Parlamentskammern ist. Ich glaube, das ist auch wichtig, um auf europäischer Ebene im Sinne des Subsidiaritätsprinzips zu einer möglichst guten Aufgabenverteilung zu kommen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Zu einer weiteren Frage hat sich Bundesrat Koller gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Herr Dr. Ranacher, Sie bewerben sich aus dem schönen Westen für den schönen Westen am Verfassungsgerichtshof.
Da Sie gerade über die Kompetenzverteilung gesprochen haben, eine Frage zur Abtretung von Kompetenzen: Wie beurteilen Sie die Möglichkeit des Verfassungsgerichtshofes, nach Art. 144 Abs. 3 B-VG einen Abtretungsbeschluss an den Verwaltungsgerichtshof zu fassen?
Dr. Christian Ranacher: Danke für die Frage, die die Aufgabenverteilung zwischen den Höchstgerichten betrifft. Da geht es darum, dass man sich bei Einführung der neuen zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit dazu entschieden hat, die Möglichkeit der direkten Anrufung des Verfassungsgerichtshofes beizubehalten – früher war es die Bescheidbeschwerde, nun ist es die Erkenntnisbeschwerde.
Da der Verfassungsgerichtshof nur eingeschränkt prüft, nämlich im Wesentlichen, ob verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte durch ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes oder eben durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt sind, ist es schon wichtig, dass dann natürlich die weitere einfachgesetzliche Rechtskontrolle beim Verwaltungsgerichtshof erhalten bleibt. Insofern schließt dieser Abtretungsantrag genau diese Lücke, die sonst erhalten bleiben würde, weil man ja nicht gezwungen ist, gleichzeitig auch Revision zu erheben. Man hat also mit dieser Abtretung das alte System ins neue übernommen. Ich denke, das ist wichtig und richtig.
Ich glaube darüber hinaus, dass es richtig war – das stand auch im rechtspolitischen Prozess in Diskussion –, die direkte Anrufbarkeit des Verfassungsgerichtshofes in einzelnen Rechtssachen aufrechtzuerhalten, weil sich diese Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit sehr gut eingespielt hat und weil es diese immer gegeben hat. Insofern hat sich auch diese Aufgabenteilung zwischen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, denke ich, gut bewährt.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schuster gemeldet. – Bitte.
†Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Hofrat, ich habe eine ganz einfache Frage: Welche aktuellen verfassungsrechtlichen Herausforderungen sehen Sie kurz- und mittelfristig auf den Verfassungsgerichtshof zukommen?
†Dr. Christian Ranacher: Vielen Dank. – Ich denke, die Judikatur im Bereich der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in den nächsten Jahren weiterhin eine große Rolle spielen – ich habe das schon erwähnt –, weil doch noch einige Fragen gemeinsam mit dem Verwaltungsgerichtshof zu klären sein werden.
Ich glaube, dass in den nächsten Jahren – ich bin beim Nationalratshearing im Hinblick auf die Digitalisierung gefragt worden, wie ich das einschätze – die Abgrenzung zwischen dem legitimen staatlichen Interesse, auch im Bereich digitaler Medien strafrechtlich präventiv vorzugehen oder Strafverfolgung effektiv zu betreiben, gegenüber dem ganz wichtigen grundrechtlichen Interesse des Einzelnen auf persönliche Freiheit und Datenschutz relevant sein wird, das heißt, in einzelnen Fällen dann wirklich Vorgaben zu machen und eine Linie zu ziehen – Stichwort Vorratsdatenspeicherung, und: Gibt es die Judikatur schon?
Wir hatten letztes Jahr die Entscheidung zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz. Wir haben gerade aktuell im Parlament das Regelungsvorhaben mit der Frage nach weiter reichenden Möglichkeiten der Kontrolle im digitalen Bereich – das wird wohl dann auch beim Verfassungsgerichtshof landen.
Was den Gerichtshof auch die nächsten Jahre weiterhin sehr stark beschäftigen wird, sind wahrscheinlich auch Asyl- und Fremdenrechtsangelegenheiten, denn da gibt es bei den Behörden und beim Bundesverwaltungsgericht noch einiges abzuarbeiten, und da geht natürlich vieles gleich zum Verfassungsgerichtshof.
Ich glaube aber, dass das ganz große Thema der nächsten zehn bis 20 Jahre wahrscheinlich Datenschutz und die persönliche Freiheit sein wird, und natürlich auch im Hinblick auf Terrorismus und internationale Kriminalität die Frage, wie weit der Staat wirklich in Grundrechtspositionen eingreifen darf, um Verbrechen effektiv zu bekämpfen – das ist eine ganz delikate Grenzlinie. Da wird wahrscheinlich nicht nur auf den Verfassungsgerichtshof, sondern auch auf den EGMR und den EuGH – der Datenschutz ist weitestgehend schon unionsrechtlich geregelt – sehr viel an Herausforderung zukommen.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Frau Bundesrätin Dziedzic gemeldet. – Bitte.
†Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Vielen Dank für Ihre Bewerbung. – Sie haben den Datenschutz selber erwähnt, was mich zu meiner Frage bringt, denn erst gestern war eine große Demonstration am Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt betreffend das von der Regierung geplante Überwachungspaket. Da dies ohne Begutachtung beschlossen werden soll, würde ich gerne von Ihnen wissen, ob Sie denken, dass das eventuell auch den Verfassungsgerichtshof beschäftigen könnte, weil es doch weitreichende Folgen haben kann.
†Dr. Christian Ranacher: Vielen Dank für die Frage. – Ich denke, und zwar unabhängig davon, ob es nun dafür noch einmal eine Begutachtung gibt oder nicht – ein anderer Entwurf in diese Richtung war ja in der letzten Legislaturperiode in Begutachtung –, dass es wahrscheinlich den Verfassungsgerichtshof beschäftigen wird, weil wohl zu erwarten ist, dass Anlassfälle auftreten, bei denen es fraglich ist oder infrage gestellt wird, ob die Überwachungsmaßnahme auch verfassungsrechtlich legitim war.
Ich glaube – das kann ich an dieser Stelle vielleicht anmerken –, das ist auch eine Stärke unseres Systems der Normenkontrolle, dass man das im Nachhinein prüft, dass der Verfassungsgerichtshof dann auch Gelegenheit hat, die tatsächliche Anwendung und Auswirkung von gesetzlichen Regelungen in seine Beurteilung miteinzubeziehen.
Das war ja bei der Vorratsdatenspeicherung auch der Fall, bei der dann in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof gefragt wurde: In wie vielen Fällen hat denn diese Vorratsdatenspeicherung tatsächlich zur Verfolgung schwerer Straftaten geführt? – Das waren dann gar nicht so viele, was gezeigt hat, dass es wahrscheinlich doch etwas überschießend war, und der VfGH hat es ja dann auch als verfassungswidrig aufgehoben.
Auch da, denke ich, wird es Fälle geben, die vor den VfGH kommen. Ich glaube, das ist auch richtig und wichtig. Da spielt nun wohl auch der neue Parteiantrag auf Normenkontrolle eine große Rolle. Wir sehen das auch im Landesbereich: Das wird genützt, um aus Zivil- und Strafverfahren heraus nach der ersten Instanz direkt den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Das ermöglicht es diesem Gerichtshof, auch solche Fragen verstärkt über diese Schienen aufzugreifen und zu beurteilen.
†Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Herr Dr. Ranacher, wir bedanken uns bei Ihnen für Ihr Kommen und für die Beantwortung der Fragen.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Wir begrüßen Herrn Dr. Friedrich Reif-Breitwieser bei uns. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.
Herr Doktor, ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin, dass Ihre Ausführungen das Zeitlimit von 5 Minuten, das für alle Bewerberinnen und Bewerber gilt, nicht überschreiten sollten. – Bitte.
Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser: Meine Damen und Herren Bundesräte, ich danke für die Einladung zum Hearing. Ich möchte zunächst einmal meine Motivationslage für meine Bewerbung deponieren. Der Überlegungsansatz, den ich habe, ist, dass in der Nachbesetzung der Kollegin Berchtold-Ostermann sehr wohl wieder eine Anwältin oder ein Anwalt diese frei werdende Stelle einnehmen sollte, damit eine Ausgewogenheit zwischen Wissenschaft und Mitgliedern aus der öffentlichen Verwaltung beziehungsweise der Gerichtsbarkeit und eben der Anwaltschaft erhalten bleibt.
Wir haben derzeit im Verfassungsgerichtshof nur zwei Mitglieder, die der Advokatur angehören, das ist Herr Kollege Herbst und Frau Kollegin Gahleitner. Die beiden ausscheidenden Mitglieder Müller und Berchtold-Ostermann sind Anwälte gewesen beziehungsweise – Frau Berchtold-Ostermann – sind noch immer Anwälte. Ich bin der Meinung, dass kein Übergewicht zugunsten einer Kurie geschaffen werden soll.
Zu meinem persönlichen Lebenslauf und zu meiner persönlichen Geschichte: Ich bin seit 30 Jahren als Anwalt in Wien tätig. Ich habe zunächst in Graz maturiert, danach einen Hotelfachlehrgang für Maturanten am MODUL in Wien absolviert und übte zwei Jahre lang die Tätigkeit eines Hotelkaufmanns aus. Daran schlossen sich Universitätsstudien in Wien und Salzburg in Rechtswissenschaft, Volkswirtschaft, Soziologie und Politikwissenschaft an.
Die Gerichtspraxis vollzog ich in Wien wie in Salzburg. Danach wurde ich wissenschaftlicher Mitarbeiter von Herrn Univ.-Prof. Dr. Heinz Schäfer am Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Salzburg. Diese Tätigkeit habe ich zwei Jahre lang ausgeübt, dann wurde ich ins Bundeskanzleramt in den Verfassungsdienst berufen, wo ich ebenfalls zwei Jahre tätig war. Aufgrund mangelnder Aufstiegsmöglichkeiten zum damaligen Zeitpunkt habe ich das Kanzleramt verlassen und bin wieder Rechtsanwaltsanwärter geworden.
1988 habe ich die Rechtsanwaltsprüfung mit Auszeichnung bestanden und wurde am 14.2.1989 als Anwalt angelobt. Seit 1999 übe ich die Mediatorentätigkeit aus. Ich bin seit 1989 Mitglied der österreichischen Juristenkommission. An Kammerfunktionen übe ich derzeit das Amt eines Kammeranwalt-Stellvertreters aus und ich bin auch Prüfungskommissär für die Rechtsanwaltsprüfung, insbesondere auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.
Meine Schwerpunkte in der anwaltlichen Berufsausübung sind Sozialrecht, Steuerrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Zivilrecht, ich mache aber durchaus auch Scheidungen und Erbschaftssachen. – So, ich bitte um Ihre Fragen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Wir freuen uns, wenn Sie uns nun für Fragen zur Verfügung stehen. Ich darf die Damen und Herren Bundesräte bitten, sich per Handzeichen zu melden.
Als erster Fragesteller hat sich Bundesrat Preineder gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich)|: Geschätzter Herr Dr. Reif-Breitwieser, danke für Ihre Darstellung. Wenn ich mich zwischen Scheidung und Erbschaft entscheiden dürfte, wäre ich eher für die Erbschaft. (Heiterkeit. – Bewerber Reif-Breitwieser: Es gibt auch Scheidungen, die zu guten Ergebnissen führen!)
Sie haben durch Ihre Darstellung gezeigt, dass Sie ein sehr breites berufliches Spektrum abdecken (Bewerber Reif-Breitwieser: So ist es!), dass Sie sehr viele Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen gemacht haben. Das ist durchaus eine gute Voraussetzung.
Was mich interessieren würde – da wir ja einen dreistufigen Aufbau des Rechts als Landesgesetzgebung, Bundesgesetzgebung und europäische Gesetzgebung haben, und Subsidiarität etwas ist, das momentan sehr stark bearbeitet und behandelt wird, also von Kommissionschef Juncker bearbeitet wird –: Wie würden Sie einen vernünftigen Stufenbau betreffend Aufgabenstellung der Länder, des Bundes und der Europäischen Union sehen?
Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser: Sie haben das entscheidende Stichwort ja schon selbst gebracht: Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, es soll jede Gebietskörperschaft das ausführen, wozu sie selbst in der Lage ist. Der Transport in die nächsthöhere Instanz soll erst dann stattfinden, wenn die Einheit darunter überfordert wäre.
Ich habe im Nationalratshearing die Frage gestellt bekommen, welche steuerrechtliche Möglichkeit es gibt, auf internationale Konzerne zuzugreifen. Das ist sicher beispielhaft eine Aufgabe, die nur auf europäischer Ebene gelöst werden kann, weil ein Steuerwettbewerb zwischen den einzelnen Staaten stattfindet und es daher einer europaweiten Harmonisierung bedarf, um auf diese Konzerne zugreifen zu können.
Was das Verhältnis Bund-Land anlangt: Wir wissen, dass es eine verfassungsmäßige Generalklausel zugunsten der Länder gibt. Wir haben natürlich in verschiedenen Materien ungeheure Gemengelagen, die sehr schwierig zu behandeln sind, wo es der Auslegung des Verfassungsgerichtshofes bedarf, um zu klären, welche Kompetenz zum Bund und welche Kompetenz zum Land ressortiert. Der Verfassungskonvent hat diesbezüglich sicherlich schon Möglichkeiten aufgezeigt, das zu verbessern.
Es ist für mich beispielsweise nicht einsehbar, warum wir neun verschiedene Bauordnungen haben sollen. Ich will an der Zuständigkeit der Länder für Baurecht in keiner Weise rütteln, nur macht es Sinn, das bundesweit zu vereinheitlichen. – Ja, das wäre im Großen und Ganzen meine Antwort.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Koller gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Herr Dr. Reif-Breitwieser, danke für die Bewerbung. Wie stehen Sie zu einer Cooling-off-Phase für ehemalige Regierungsmitglieder betreffend die Tätigkeit eines Richters am Verfassungsgerichtshof?
Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser: Darauf eine Antwort zu geben, ist ein bisschen wie für eine Kuh, die eigentlich schon aus dem Stall ist, weil Herr Prof. Dr. Brandstetter ja bereits bestellt ist.
Ich persönlich erachte es für zweckmäßig und geboten, eine Cooling-off-Phase in der Dauer von zumindest einer Gesetzgebungsperiode wirken zu lassen. Das heißt, aus dem Blickwinkel der Gewaltenteilung erscheint es mir als nicht sinnvoll, dass man unmittelbar nach Abgang aus einem Regierungsamt sofort in den Verfassungsgerichtshof berufen wird.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für die nächste Frage hat sich Herr Bundesrat Sperl gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Doktor, Sie haben aus Ihrem reichen Erfahrungsschatz berichtet. Wie können Sie diesen in Ihre Arbeit als Verfassungsrichter einbringen?
Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser: Danke für diese Frage. – Ich glaube, das Entscheidende für einen Verfassungsrichter ist, dass er im konkreten Beschwerdefall nicht nur die hehren Ziele der Grundrechte, der Verfassung und der verfassungsrechtlichen Normen im Auge hat, sondern dass er jeweils im Einzelfall beurteilen muss, ob und inwieweit in Rechte eingegriffen wird.
Dazu ist es eben auch nötig, die einzelnen Gesetze auf einfacher Ebene – wenn ich vielleicht zum Thema Vorratsdatenspeicherung kommen darf – im Auge zu haben: Wir haben da eben ein Telekommunikationsgesetz, ein Sicherheitspolizeigesetz und dann als drittes die Strafprozeßordnung. Die Kenntnis des einfachen Gesetzes ist also sehr nützlich. Die Anwendung des einfachen Gesetzes in der Praxis wird den Gerichtshof sicher weiterbringen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Reif-Breitwieser, für die Beantwortung aller gestellten Fragen und für Ihr Kommen.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Kurt Retter, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Mag. Dr. Kurt Retter, LL.M.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Ich begrüße bei uns Herrn Dr. Kurt Retter. Herr Doktor, ich darf Sie ersuchen, dass Sie uns die Gründe für Ihre Bewerbung nennen, und darf gleichzeitig darauf hinweisen, dass Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten, das für alle Bewerberinnen und Bewerber gilt, nicht überschreiten sollten. – Bitte.
Mag. Dr. Kurt Retter, LL.M.: Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, mich kurz vorzustellen. Ich habe im Nationalratshearing in Summe 12 Minuten gebraucht. Ich werde mich also bemühen, dass ich auch hier in der Zeit bleibe.
Worum geht es beim VfGH aus meiner Sicht? – Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass ein VfGH-Richter ein profundes verfassungsrechtliches Wissen hat, aber auch Erfahrungen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht aufweist, die ihn befähigen, Sachverhalte umfassend zu beurteilen. Ich hoffe, diese Qualifikationen zu erfüllen. Ich fasse kurz zusammen, was ich in den letzten drei Jahrzehnten gemacht habe, um Ihnen das nahezulegen.
Ich bin von 1990 bis 1996 Assistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität gewesen. Ich habe dort Verfassungsrecht unterrichtet, habe publiziert und meine Dissertation, die auch als Buch erschienen ist, fertig geschrieben. Ich war zu dieser Zeit auch insgesamt ein Jahr für ein Auslandsstudium in Amerika, und zwar an der Yale Law School, an der ich auch die Gelegenheit hatte, mich in Verfassungsrecht zu vertiefen, da die Yale Law School in diesem Bereich sehr stark ihren Schwerpunkt setzt. Ich habe dort die Gelegenheit gehabt, Höchstrichter zu hören, zum Beispiel aus Deutschland, Israel oder Amerika – US-Supreme-Court-Richter. Ich war also schon in dieser Zeit stark im Verfassungsrecht tätig.
Ich habe dann von 1996 bis 1999 meine Anwaltsausbildung gemacht, in der ich sozusagen ein breiteres Tätigkeitsfeld beackert habe, das heißt Unternehmensrecht, aber auch Familienrecht – alle Themen des breiten Gemüsegartens des Rechts.
Im Jahr 2000/2001 habe ich einen Ausflug – wenn man so will, das hat sich erst im Nachhinein herausgestellt – in die Wirtschaft gemacht. Ich war insgesamt eineinhalb Jahre Büroleiter des Generaldirektors der Allianz-Versicherung und habe dort die Wirtschaft von innen kennengelernt. Das ist sehr praktisch, wenn man bis dahin nur juristische Tätigkeiten ausgeführt hat und einmal wirklich von innen wissen will, wie die Wirtschaft funktioniert.
Die Juristerei hat mich aber nicht losgelassen, und ich bin dann wieder in die Anwaltei zurückgegangen. Ich habe in einer Kanzlei begonnen, bei der ich heute noch bin, nämlich bei Wolf Theiss, einer der größten Kanzleien in Wien. Seit mittlerweile schon gut 17 Jahren bin ich dort Partner und verantworte den Bereich Verfassungs- und Verwaltungsrecht, der sich bei uns Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht und Vergaberecht nennt. Ich habe in dieser Funktion natürlich sehr viel mit verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Themen zu tun, zum Beispiel mit Medizinrecht, Datenschutzrecht oder Regulierungsrecht im breitesten Sinne, also von Telekom bis zur Eisenbahn und anderen Themen.
Damit bin ich mehr oder weniger mit der beruflichen Seite fertig. Zu erwähnen wäre vielleicht noch, dass es bei mir keine inkompatiblen Organfunktionen gibt. Ich bin in einem Verein, im Kuratorium der „Forschungen aus Staat und Recht“. Das ist so eine graue Schriftenreihe, die die Juristen hier vielleicht noch kennen, die lange Zeit von Günther Winkler herausgegeben wurde, dann von Raschauer und momentan von Eva Schulev-Steindl. Ich bin dort im Kuratorium – sozusagen Teil der Herausgeberschaft –, das ist ein zehnköpfiges Gremium. Dadurch sei auch noch kurz meine Verbundenheit zum Verfassungsrecht belegt. – Danke für Ihre Zeit. Ich bin gespannt auf Ihre Fragen.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Wir freuen uns, dass Sie nun für Fragen zur Verfügung stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte bitten, sich per Handzeichen zu melden.
Als erster Fragesteller gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. – Bitte.
Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Danke, Herr Dr. Retter, für Ihre Ausführungen und Ihre Erklärungen, was Ihren Lebenslauf anbelangt.
Ich möchte an Sie die Frage stellen, wie Sie zum Juncker-Plan stehen, der sich mit der Subsidiarität auseinandersetzt. Der Bundesrat hat ja eine hohe Kompetenz, was Subsidiaritätsprüfungen anbelangt. Wir sind eine der führenden Kammern in Europa. Aus welcher Sicht betrachten Sie das? Wie betrachten Sie auch diese ganzen Subsidiaritätsgeschichten, mit Einwirkungen auf die Länder und natürlich auf die Gesetzgebung des Bundes? Wie ist Ihre Meinung dazu?
Mag. Dr. Kurt Retter, LL.M.: Aus meiner Sicht ist die Subsidiarität im Endeffekt eines der wichtigsten Prinzipien der Europäischen Union, die seit dem Maastrichtvertrag ausdrücklich verankert ist. Es gibt nun ja auch die Subsidiaritätsrüge, bei der Sie als Bundesrat sehr aktiv sind.
Ich sehe es – um es ein bisschen auf die verfassungsrechtliche Ebene zu heben – natürlich auch sehr klar, wenn man sich die Verfassung anschaut. Im B-VG hat man an mehreren Stellen, bei der Definition der Selbstverwaltung, die Subsidiarität verankert. Es soll immer diejenige Körperschaft oder diejenige Gruppe etwas erledigen, die etwas erledigen kann, soweit etwas geeignet ist, auch tatsächlich durch diese kleinere Gruppe erstbesorgt zu werden.
Aus dieser Sicht ist es für mich persönlich sehr wichtig, die Subsidiarität zu stärken und sie auch tatsächlich, so wie Sie es machen, „zu leben“ – unter Anführungszeichen. Das ist also ganz kurz gefasst meine Meinung zu diesem Thema. Die VfGH-Judikatur zum Thema Selbstverwaltung ist in diesem Bereich ja durchaus stark, sie achtet die Selbstverwaltung.
Es wird natürlich interessant sein, gerade, wenn man sich die Subsidiarität – wenn ich das noch sagen darf – vonseiten Österreichs anschaut, denn natürlich sind angedachte Reformen der Selbstverwaltung dann genau an diesem Subsidiaritätsgedanken zu messen – weil das ja auch immer wieder in den letzten Jahren vorkam. Das ist natürlich eine spannende Frage, die, je nachdem, wie die Reformvorhaben der neuen Regierung vorangehen werden, sicher auf den VfGH zukommen wird.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Koller gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Herr Dr. Retter, danke für Ihre Bewerbung.
Was ist Ihrer Meinung nach die wesentlichste verfassungsrechtliche Neuerung der letzten Jahre?
Mag. Dr. Kurt Retter, LL.M.: Da bin ich natürlich ganz Anwalt, und sage: unter anderem die Gesetzesbeschwerde, die an den Verfassungsgerichtshof gerichtet werden kann. Die ist für mich ein ganz besonders wichtiger Baustein, weil sie – das sieht man ja auch – sehr aktiv und stark angenommen wird. Wenn man sich die letzten Jahresberichte des VfGH anschaut, sind diese gleich unheimlich eingeschlagen, auch mengenmäßig. Insofern ist das für mich einer der wichtigsten Punkte. Man kann dann natürlich – wie es Präsident Holzinger gemacht hat – weitergehend über eine Urteilsbeschwerde nachdenken, die ich persönlich für sehr sinnvoll erachten würde, wie ich ehrlich zugeben muss. Das ist aber natürlich eine rechtspolitische Frage, weniger de lege lata.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Für eine weitere Frage hat sich Herr Bundesrat Schuster gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Doktor, da Sie erwähnt haben, dass Sie in Ihrer Rechtsanwaltskanzlei Partner sind, und ich in Ihrem Lebenslauf gelesen habe, dass Sie Mitglied der Rechtsanwaltskammer sind, habe ich folgende Frage: Sollten Sie als Verfassungsrichter berufen werden, könnten Sie Ihre derzeitigen beruflichen Funktionen und Tätigkeiten weiter ausüben oder müssten Sie etwas einschränken?
Mag. Dr. Kurt Retter, LL.M.: Ich müsste natürlich einschränken, weil man als VfGH-Richter mittlerweile ja nicht nur auf die Sessionen beschränkt ist. Es ist doch so, dass jeder Richter heutzutage auf lange Sicht auch einen Referentenposten übernehmen sollte.
Wir sind wie gesagt die größte Kanzlei in Österreich. Ich habe das mit meinen Partnern noch abgesprochen und ich habe dazu auch einen Partnerbeschluss, dass das insofern möglich wäre, als man dann intern in der Kanzlei umschichtet beziehungsweise ich meine Tätigkeit in der Kanzlei klarerweise runterfahren müsste. Man muss nämlich ganz direkt sagen, dass die Tätigkeit als VfGH-Richter kein Freizeitjob ist. Das erfordert nicht nur das Fachwissen, sondern klarerweise auch das zeitliche Commitment. Letztendlich ist das dann bei uns aber eine Frage der Umsetzung im Syndikatsvertrag; da habe ich die entsprechende Rückendeckung meiner Partner, das wäre also kein Thema.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Vielen Dank, Herr Dr. Retter, für die Beantwortung der Fragen und für Ihr Kommen.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Wilfried Ludwig Weh, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Dr. Wilfried Ludwig Weh
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt (den Vorsitz übernehmend): Herr Dr. Weh, ich ersuche Sie, die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin – dies wird auch für alle MitbewerberInnen gelten –, dass Sie für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von fünf Minuten haben. – Bitte sehr.
Dr. Wilfried Ludwig Weh: Wir haben beim Schachklub Bregenz drei Fragen: Was will der Gegner? Was kann ich nach den Regeln spielen? Und die dritte Frage: Ist der Zug nicht doch ein Topfen? Die dritte Frage bedeutet meiner Meinung nach für die Politik Folgendes: Nützt die Entscheidung, wenn der Verfassungsgerichtshof entscheidet, jemandem, oder ist die Entscheidung nur eine abstrakte Regelanwendung, ohne dass sie jemandem weiterhilft? Da, glaube ich, wäre es wichtig, dass Praktiker im Verfassungsgerichtshof in ausgewogener Mischung mit Theoretikern sitzen, damit der Verfassungsgerichtshof auch die Bedürfnisse der Praxis und der Politik besser umsetzen kann.
Ich komme aus Vorarlberg, und es gab lange Jahre einen Vorarlberger Richter im Verfassungsgerichtshof. Ich glaube, dass es wichtig wäre, dass ein Vorarlberger im Verfassungsgerichtshof ist, weil wir doch einen anderen Fokus haben. Ich bin glühender Österreicher und ich bin gerne in Wien, aber wir haben halt doch einen anderen Blick Richtung Westen. Dieser Blick in Richtung der Nachbarländer Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Frankreich, Luxemburg wäre für Österreichs Verfassungsgerichtshof, glaube ich, doch ziemlich hilfreich. Der zweite Punkt ist: Ich habe auch deswegen besondere Naheverhältnisse zu Westeuropa, weil ich für Englisch, Französisch und Spanisch Gerichtsdolmetscher bin und darum auch in diesen Ländern als Jurist gearbeitet habe.
Meine berufliche Laufbahn hat bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn begonnen, wo ich Polizeijurist war. Ich habe die Landesbeamtenprüfung gemacht und bin dann aus familiären Gründen in die Rechtsanwaltskanzlei meines Vaters gewechselt. Ich habe immer eine sehr starke Schlagseite Richtung Verwaltung gehabt. Ich bin dann auch immer wieder mit europäischen Fragen befasst gewesen – beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg und bei internationalen Gerichten. Ich habe in Paris plädiert, ich war in London, ich war in Luxemburg, ich war in Belgien. Ich möchte diese Ideen auch in den Verfassungsgerichtshof einbringen, der sehr stark von mitteleuropäischem Gedankengut geprägt ist, der einen ganz anderen Fokus hat. Hier wäre, glaube ich, ein Vorarlberger Verfassungsrichter wesentlich.
Meine Hobbys habe ich auch noch. Ich bin sehr gerne bei Vereinen und glaube, dass ich ein sehr kooperativer Mensch bin. Ich könnte mir vorstellen, dass ich in einer Gruppe von 14 Juristen durchaus kooperativ und konstruktiv wäre und in Einzelfragen dann keine Schwierigkeiten machen würde. Mich erfreut auch die Zusammenarbeit in einer größeren Gruppe. Auch wenn ich als Anwalt manchmal natürlich der Einzelkämpfer sein muss, bin ich auch gerne in der größeren Gruppe und würde darum sehr gerne beim Verfassungsgerichtshof in der Gruppe mitmischen.
Ich habe seit dem Jahr 1985, als ich das erste Mal beim Verfassungsgerichtshof mündlich verhandelt habe, sehr oft beim Verfassungsgerichtshof interveniert – sowohl mündlich als auch schriftlich. Ich glaube, ich kenne den Verfassungsgerichtshof sehr genau. Ich könnte sofort, glaube ich, als Referent beim Verfassungsgerichtshof beginnen und vom ersten Tag an mithelfen, die große Arbeitslast des Verfassungsgerichtshofes abzuarbeiten. Es wäre, glaube ich, wichtig für den Verfassungsgerichtshof, jemanden zu haben, der gleich von Beginn an wieder arbeiten kann, weil gerade momentan der Verfassungsgerichtshof sehr umfangreiche Tätigkeiten durchzuführen hat.
Ich habe eine Kanzlei in Bregenz. Die habe ich seit fünf Jahren so organisiert, dass ich die organisatorischen Agenden zu 100 Prozent abgetreten habe. Ich könnte also meinen Kanzleiaufwand jederzeit so reduzieren, dass ich problemlos beim Verfassungsgerichtshof Referent werden kann. – Ich danke Ihnen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie, nun für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun ersuchen, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Bitte stellen Sie pro Fraktion und Kandidat nicht mehr als eine Frage und verwenden Sie die Mikrofone.
Herr Bundesrat Brunner, darf ich Sie um Ihre Frage bitten.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Danke, Herr Dr. Weh, für Ihre Präsentation und die Darstellung Ihrer Kompetenzen. Insbesondere die Kompetenz, aus dem Westen zu sein, gefällt uns als Vorarlbergern natürlich schon. In den letzten Wochen wurde aber über andere Kompetenzen viel diskutiert, nämlich über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, insbesondere auch über die Abschaffung des Artikels 12 und die darauffolgende Zuweisung dieser Kompetenzen entweder an den Bund oder an die Länder. Was halten Sie von dieser Diskussion beziehungsweise inhaltlich auch von der Abschaffung des Artikel 12?
Dr. Wilfried Ludwig Weh: Ich glaube, wichtig ist, dass wir der nächsten Generation das Feuer des Föderalismus weitergeben und nicht die Asche. Derzeit ist der Föderalismus so kompliziert und so zersplittert, dass das keine Dauerlösung sein kann. Ich glaube, dass man den Föderalismus abschlanken in dem Sinn muss, dass man einen vernünftigen Tausch macht.
Es ist sehr gut, dass die Entscheidungen dezentral fallen. Auf der anderen Seite sollte man doch eine gewisse Koordination haben, die auch von Europa her vorgegeben ist. Ich frage mich, ob nicht der Artikel 12 der ideale Artikel für die Zukunft wäre und man nicht vielleicht den Artikel 10 abschlanken könnte – also die reinen Bundeskompetenzen. Damit gäbe man den Ländern eine weitergehende Möglichkeit der Ausführungsgesetzgebung nach Artikel 12, würde aber gleichzeitig dem Bund Zurückhaltung bei der Kompetenz nach Artikel 12 auferlegen, dort aber eigentlich den Schwerpunkt setzen.
Ich bin ja – das habe ich Ihnen erzählt – Beamter beim Land gewesen und war damals auf der Bezirkshauptmannschaft. Ich habe es sehr gut gefunden, wie die mittelbare Bundesverwaltung funktioniert hat – ein Mix aus Bund und Land. Wenn man das gescheit macht, ist das für die Bevölkerung, glaube ich, die nützlichste Form, anstatt für jedes Verfahren wieder andere Kompetenzen und andere Instanzen zu haben. Die Problematik hat sich etwas entschärft, weil ja durch die Landesverwaltungsgerichte die Kompetenzen in den Ländern beim Landesverwaltungsgericht zusammenkommen. Jetzt wäre es vielleicht noch gut, wenn man unten an der Basis die Kompetenzen entsprechend anpassen würde. Wichtig wäre aber, dass man vielleicht doch mehr delegiert, also nach unten abgibt, aber in Summe die Einheitlichkeit vielleicht forciert. Ich halte Artikel 12 für einen ausgesprochen guten Kompetenzartikel.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihre Ausführungen. Ich bitte nun Frau Bundesrätin Posch-Gruska um ihre Frage.
Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Dr. Weh, auch ich aus dem Burgenland freue mich über die Sicht der Vorarlberger, weil sie ja eigentlich immer eine sehr gute ist. Meine Frage ist aber – weil darüber viel diskutiert wurde –, wie Sie zu dem angekündigten Vorhaben stehen, dass alle Gesetze, die vor 2002 in Kraft getreten sind, außer Kraft gesetzt werden, wobei das Vorschlagsrecht, ob ein Gesetzes im Rechtsbestand der Republik bleibt, beim jeweiligen Bundesminister liegen soll? Wie stehen Sie dazu?
Dr. Wilfried Ludwig Weh: Gesetze, die in der Praxis nicht angewendet werden, zu liquidieren, ist für die breite Bevölkerung, glaube ich, nicht wirklich so ein wahnsinniger Fortschritt. Wo ich das Problem sehe, ist, dass der Verwaltungsgerichtshof früher eine ganz andere Aufgabenstellung als heute hatte. Öfter ist die alte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Problem als alte Gesetze. Man müsste sich überlegen, ob man nicht die Judikatur einbremst, denn der Verwaltungsgerichtshof entscheidet derzeit, soweit ich sehe, öfter über Amtsrevisionen als über Revisionen von Parteien und versucht dabei, seine alte Rechtsprechung aufrechtzuerhalten.
Zum Beispiel bekomme ich in Asylsachen Entscheidungen vom Verwaltungsgerichtshof zitiert, die 50 Jahre alt sind, während das Europäische Asylrecht, das eigentlich umzusetzen wäre, drei Jahre alt ist. Ich glaube, dass das Problem viel eher ist, dass die alte Rechtsprechung einmal beseitigt gehört, dass man einmal einen Strich zieht und sagt, die Zitierung von Rechtsprechung aus dem letzten Jahrhundert bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Da sähe ich, ehrlich gesagt, eher das Problem als bei der Gesetzgebung.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort. Ich bitte nun Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth um ihre Frage.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Dr. Weh! Danke für Ihre Ausführungen. Allein Ihr Lebenslauf ist ja schon beeindruckend und zeigt ein weites Spektrum. Unter anderem sagen Sie auch, dass Sie, wenn es um Unionsrecht geht, dessen Durchsetzung vertreten, wo es sinnvoll ist – das ist die eine Seite. Es gibt aber auch die Gegenseite, Sie vertreten nämlich auch Leute, die das bekämpfen, weil es überschießend ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, treten Sie überhaupt für eine praxisnähere Umsetzung des Rechts ein. Wie könnte man jetzt – auch aus der Sicht eines möglichen Verfassungsrichters – nationales und Europarecht in Einklang bringen?
Dr. Wilfried Ludwig Weh: Wir haben bis jetzt keine einzige Vorlage des Verfassungsgerichtshofes, in der er sagt: Österreichische Normen übererfüllen Europarecht. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass kein Richter des Verfassungsgerichtshofes so auf Europarecht spezialisiert ist, wie man es sein müsste, um eine solche Vorlage nach Luxemburg zu schicken. Ich habe immer wieder versucht, den Verfassungsgerichtshof zu animieren, in Luxemburg vorzulegen, und es ist bis jetzt noch nie passiert. Es ist auch anderen Kollegen gleich gegangen, nämlich dass er nichts vorlegt hat. Ich glaube, der Verfassungsgerichtshof wäre eigentlich schon ein guter Hebel, um einmal diese – Gold Plating sagt man dazu – Judikatur auszuhebeln.
Am Herweg ist neben mir im Flugzeug ein Banker gesessen, und der hat mir erzählt, wie die Bürokratie unter dem Einfluss von Basel explodiert. Ich habe einen kleinen Verein, der macht 200 Euro Umsatz im Jahr, und deshalb habe ich 24 Zettel bekommen, um sie zu unterschreiben. Das muss aber ein Praktiker machen. Da nützen keine Theoretiker; das kann nur jemand machen, der wirklich an der Basis ist. Genau deswegen, glaube ich, sollte man den Verfassungsgerichtshof durch Praktiker stärken.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte nun Frau Bundesrat Eva Dziedzic um Ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Auch meinerseits vielen Dank für die Bewerbung. Da Kollegin Mühlwerth meine Frage ein wenig vorweggenommen hat, schwenke ich jetzt um und frage Sie, wie Sie das Verhältnis zwischen direkter Demokratie – Sie haben die Schweiz erwähnt, deswegen wahrscheinlich auch meine Frage – und repräsentativer Demokratie beurteilen, da das gerade auch aktuell politisch sehr stark diskutiert wird.
Dr. Wilfried Ludwig Weh: Es gibt noch einen dritten Aspekt dieser Frage, nämlich die Rechtsstaatlichkeit. In der Schweiz gibt es keine Kontrolle der Einreichung von Volksabstimmungen und da kommen auch klar völkerrechtswidrige oder klar staatsrechtswidrige Vorlagen zur Abstimmung. Diesbezüglich müsste man also klar sehen, dass die direkte Demokratie am Rechtsstaat ihre erste Grenze findet. Die Demokratie muss also den Rechtsstaat respektieren.
Ich habe einiges im direktdemokratischen Bereich gemacht, ich war auch schon Aktivist in solchen Fragen. Ich finde die direkte Demokratie gut, wenn sie auf einem guten Fundament basiert. Wenn in den Medien polemisiert wird und so weiter, wenn die Parteien opportunistische Standpunkte einnehmen, wird es sehr schwierig. In der Schweiz haben die Leute über Jahrzehnte gelernt, mit den direktdemokratischen Instrumenten einigermaßen umzugehen, und so funktioniert der Prozess in der Regel. Bei sehr stark emotionalisierten Fragen wie diesen Initiativen von Blocher kann unter Umständen etwas anderes passieren. Da kann unter Umständen auch eine unsachliche Entscheidung herauskommen.
Ich bin unbedingt dafür, dass man Volksabstimmungen, bevor man sie durchführt, auf ihre Verfassungskonformität kontrolliert. Ich habe auch in zwei Fällen solche Volksabstimmungen beim Land Vorarlberg beantragt, dann hat man sie auf ihre Verfassungskonformität geprüft und dann war das Gegenstand einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Ich finde das schon wichtig. Wenn man direkte Demokratie forciert – und ich bin dafür, dass man sie forciert –, dann muss sie im Rahmen des Rechtsstaates erfolgen, denn die Fragen müssen in einem soliden Umfeld gestellt werden. Ich bin zum Beispiel immer für die Geschworenengerichtsbarkeit gewesen, aber auch nur dann, wenn der Richter fair ist, die Geschworenen gut instruiert sind und der Prozess unter einer ruhigen Atmosphäre abläuft, sonst ist das ein Problem. Es kann aber natürlich auch sein, dass eine normale Wahlabstimmung unter Aspekten stattfindet, die das Wahlergebnis verzerren.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Antworten und wünsche Ihnen weiterhin einen schön Tag. – Danke schön.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Norbert Wess, in den Saal bitten
Rechtsanwalt Mag. Dr. Norbert Wess, LLM MBL
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Rechtsanwalt Dr. Wess, ich darf Sie recht herzlich begrüßen. Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin, dass Sie – wie alle Bewerber – für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Ich bitte Sie um Ihre Ausführungen.
Mag. Dr. Norbert Wess, LLM MBL: Herzlichen Dank. Ich danke für die Einladung. Ich habe das ohnehin auch vorneweg den Unterlagen entnehmen können.
Mein Name ist Norbert Wess. Ich bin seit mittlerweile 15 Jahren Rechtsanwalt in Wien. Ich habe davor, wenn man so möchte, bei Cerha Hempel Spiegelfeld gelernt, einer großen Wirtschaftskanzlei, wo ich an der Schnittstelle zwischen Strafrecht und Verfassungsrecht und Wirtschaftsrecht tätig war. Das kann man auch meinem beruflichen Werdegang entnehmen. Ich habe ein Doktoratsstudium im Verfassungsrecht bei Prof. Mayer absolviert und noch ein LLM in Europarecht gemacht. Diese öffentlich-rechtliche Perspektive hat mich immer fasziniert.
Ich bin jetzt – auch medial nicht ganz unbekannt – im Strafrecht tätig, da aber wirklich vorwiegend im Wirtschaftsstrafrecht, genau mit diesem Werdegang und diesem Hinter-grund, weil mich diese Schnittstelle zu den verfassungsrechtlichen Fragen immer sehr interessiert und beschäftigt hat. Außerdem erlebe ich im Verfahren, dass das immer eine Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund steht bis zu einem gewissen Grad auch die Motivation zu dieser Bewerbung, weil ich glaube, dass gerade in diesem Bereich eine Expertise nie schaden kann und eine Sensibilisierung sicherlich gut und förderlich ist. Das war in kurzen Worten mein Werdegang.
Ich komme ursprünglich aus Mödling, bin aber seit mittlerweile 25 Jahren in Wien. Ich komme aus einer typischen Lehrerfamilie. Ich bin das einzige missratene Kind – wir haben, glaube ich, 25 Lehrer in der Familie und keinen Juristen. (Heiterkeit.) – Irgendwann brauchen 25 Lehrer auch einen Anwalt, vor allem einen Strafverteidiger.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun ersuchen, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Bitte stellen Sie pro Fraktion und Kandidaten nicht mehr als eine Frage und verwenden Sie das Mikrofon!
Ich bitte Frau Bundesrätin Junker um ihre Frage.
Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Dr. Wess, danke für Ihre Ausführungen. Wie ich in der Bewerbung lesen konnte, sind Sie in Ihrer Ausbildung sehr breit aufgestellt, und daraus resultiert meine Frage: Welche aktuellen verfassungsrechtlichen Herausforderungen sehen Sie kurz- und mittelfristig auf den Verfassungsgerichtshof zukommen?
Mag. Dr. Norbert Wess, LLM MBL: Na ja, es sind natürlich – so wie überall – jetzt neue Rechtszüge an den VfGH mit dem Parteiantrag ermöglicht worden, den ich zum Beispiel beruflich auch sehr gerne und viel verwende. Das heißt, es wird prinzipiell einmal von der Quantität alleine immer mehr eine Herausforderung. Man konnte auch den Medienberichten oder den Tätigkeitsberichten des VfGH entnehmen, dass das nicht weniger, sondern mehr wird.
In Bezug auf die Tätigkeitsbereiche als solche war die spürbarste Änderung, dass durch den Parteiantrag auf Normenkontrolle die Möglichkeit gegeben worden ist, grundsätzliche strafrechtliche Fragen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, was auch immer mehr der Fall ist. Diesbezüglich freue ich mich sehr, dass ein väterlicher Freund, Wolfgang Brandstetter, jetzt als Strafrechtsexperte dort tätig ist, denn ich glaube, dass diese Expertise wirklich nicht schaden kann. Ich glaube, dass die Expertise dort generell nicht schadet. Ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, diesen Bereich dort auszubauen, weil es da einfach um die einschneidendsten Themen für jeden Betroffenen geht. Dieser Bereich sollte nicht unterschätzt werden.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort. Ich bitte nun Frau Bundesrätin Posch-Gruska um ihre Frage.
Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Doktor, auch von meiner Fraktion ein herzliches Dankeschön, dass Sie sich heute die Zeit nehmen. Wir haben eine sehr viel Zeit in Anspruch nehmende Bundespräsidentenwahl hinter uns. Mich würde interessieren, wie Sie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Bundespräsidentenwahl sehen.
Mag. Dr. Norbert Wess, LLM MBL: Differenziert – das ist jetzt wirklich meine persönliche Meinung –, das ist durchaus differenziert zu sehen.
Ich kenne den Michi Rohregger sehr, sehr gut, ich war mit ihm bei Cerha Hempel Spiegelfeld. Ich traue mich also zu sagen, dass ich die Beweggründe der dortigen Vertreter nachvollziehen kann. Aber prinzipiell ist natürlich die Wahl als solche mit das wichtigste Gut in einer Demokratie. Wir brauchen gar nicht darüber zu reden, dass so etwas ordnungsgemäß ablaufen soll. Ob und inwieweit ich diese so anfechten kann – ich bin mir da nicht so sicher, das sage ich ganz offen. Es ist ja trotzdem dem ganzen Ablauf mit aller Demut und Vorsicht zu begegnen. Bei der Auszählung zum Beispiel wird man nie vor menschlichem Fehlverhalten gefeit sein, und zwar völlig verständlicherweise. Es können auch bei Auszählungen Fehler passieren. Man muss aufpassen, dass man auch bei diesem Thema nicht irgendwann in eine Diskussion gerät, bei der quasi aus formalen oder aus taktischen Gründen – weil vielleicht die eine Seite mit dem Ergebnis nicht ganz so zufrieden ist wie die andere – dann begonnen wird, aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen. Das muss man schon sagen.
Das war auch sicher Spitz auf Knopf, aber das hätte man meines Erachtens – das ist wirklich meine persönliche Meinung – auch anders entscheiden können. Genauso hätte man den Kostenersatz für Strafverfahren, den ich zum Verfassungsgerichtshof getragen habe, und der durch drei Sessionen gegangen ist, meines Erachtens auch anders entscheiden können. (Heiterkeit.) – Das habe ich jetzt anbringen müssen.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte nun Herrn Bundesrat Sperl um seine Frage.
†Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Doktor, ich habe gesehen, dass Sie umfangreiche Publikationen verfasst haben.
Meine provokante Frage: Sind die Gesetze bei uns so abgefasst, dass man so viel auslegen muss? Anders gefragt: Würden Sie als Verfassungsrichter dafür eintreten, dass die Gesetze so abgefasst sind, dass sie auch ein Bürger ohne juristische Vorkenntnisse lesen kann?
†Mag. Dr. Norbert Wess, LLM MBL: Ich komme aus einer Lehrerfamilie und da schreibt man halt gerne. Deswegen sind die Gesetze nicht mangelhaft.
Aber eine klare und einfache Sprache ist schon viel wert. Das gelingt aber auch nicht immer. Im Steuerrecht werden Sie es klar und einfach und ganz sachte formuliert und für jeden Nichtjuristen verständlich nicht hinbekommen. Aber es wäre natürlich wünschenswert – da brauchen wir gar nicht darüber zu reden. Es wäre natürlich wünschenswert.
Ich gebe nur Folgendes zu bedenken – und so habe ich das Jusstudium begonnen: Heinz Mayer ist bei der allerersten Vorlesung – es saßen 3 000 Leute im Audimax – hereingekommen und hat gesagt: Jeder Mensch mit roter Krawatte wird erschossen. Ist das eine klare Regelung? – Sie haben von einfachen Sätzen gesprochen. – Dann habe ich kleiner Wurm da hinten, frech wie ich war, aufgezeigt und er hat gesagt: Herr Kollege, warum widersprechen Sie mir? – Und dann habe ich gesagt: Na ja, eine Schalkrawatte, ist das eine Krawatte? Und weinrot, ist das dann auch schon rot? – Da hat er gesagt: Sie werden einmal ein toller Anwalt werden. (Heiterkeit.)
Es ist halt schwierig. Es ist schwierig, aber es wäre wünschenswert. Aber Sie sehen: Auch mit der roten Krawatte kann man dann noch gut verteidigen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antworten. Wenn Sie wollen, können Sie noch ein kurzes Schlussstatement abgeben.
Mag. Dr. Norbert Wess, LLM MBL: Ich bedanke mich für Ihre Zeit. Ich weiß, es gibt tolle Kandidaten und viele Bewerber. Ich freue mich, dass ich trotzdem die Gelegenheit nutzen durfte, vor so einem profunden Gremium kurz zu sprechen und freue mich, dass Sie mir Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. – Vielen Dank.
Ich glaube, ich brauche nicht viel mehr hinzuzufügen. Es war mir auf jeden Fall ein Vergnügen. – Danke sehr.
Und man darf nicht vergessen, was ich für einen Einfluss habe: Heute hat man den Buwog-Prozess nach einer halben Stunde beendet, damit ich rechtzeitig hierher zum Hearing komme. (Heiterkeit.) – Das war ein Scherz.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke schön. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
*****
Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Günther Millner, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Dr. Günther Millner
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Schönen guten Tag, Herr Dr. Millner! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und Sie ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen. Ich weise darauf hin, dass Sie – wie alle Bewerber – für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Bitte sehr.
Dr. Günther Millner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde versuchen, mich an das Limit zu halten.
Ich bin Anwalt in Graz, habe in Graz studiert und bin schon als junger Konzipient auf die Verwaltung gestoßen, als mein Chef mir damals einen Akt gab und sagte: Schau! Da ist ein Unternehmer, der wird von seinem Nachbarn erpresst, weil er ein Grundstück gekauft hat und ihm jetzt schaden könnte. Lassen Sie sich was einfallen! – Ich habe dann überlegt, was ich tun kann. Die Erhebung eines Aktes bei der BH, die Erkenntnis, dass bei diesem Nachbarn der Schornstein nicht den technischen Vorgaben entsprach, eine Kassiererin, die ins Krankenhaus eingeliefert wurde und einen Zeitungsartikel später war die Sache vom Tisch und mein Chef war hellauf begeistert.
Seit damals bin ich eigentlich immer in der Verwaltung tätig gewesen. Ich war dann bei zwei Anwaltskanzleien in Graz, wo ich ebenfalls die Akten bezüglich des Verwaltungsrechts übertragen bekommen habe. Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe des Wurstsemmelträgers der Konzipientenschaft. Das hatte damals folgende Bewandtnis: Bei den schriftlichen Prüfungen, bei denen man eine Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshofbeschwerde schreiben musste, war es üblich, dass so nach eineinhalb, zwei Stunden ein Kollege eine Wurstsemmel vorbeibrachte, damit der Kollege, der dort die Arbeit schrieb, sich an jemanden wenden konnte und sagen konnte: So und so habe ich mir das überlegt, also das ist die Sache. Liege ich da richtig? – Ich habe also zahlreiche Wurstsemmeln ausgetragen, bis ich diese ehrenvolle Tätigkeit beendet habe, als ich eingetragen wurde.
Ich war dann Gemeinderat in Lieboch, das ist ein 4 000-Einwohner-Ort in der Umgebung von Graz. Ich war in der FPÖ aktiv, war Wahlbeisitzer in der Landeswahlbehörde und so weiter. Meine politische Karriere hätte eigentlich damals relativ glatt in den Nationalrat geführt. Als ich nach Graz zurückkehrte, habe ich mir das überlegt und mich entschlossen, nicht in die Politik zu gehen. Ich habe keine politischen Ämter innerhalb der Partei mehr angenommen. Ich bin zwar noch Vorsitzender des Landesparteigerichts, was aber aufgrund des Verbots, gleichzeitig Vorstand der Landespartei zu sein, auch bedeutet, dass ich hier eher am Abstellgleis bin.
Im Zivilrecht ist bei mir vielleicht Folgendes hervorzuheben: Ich habe meinen Namen im RIS eingegeben und gesehen, dass sich eigentlich die veröffentlichten Entscheidungen beim Verwaltungsgerichtshof und beim Obersten Gerichtshof ziemlich die Waage halten. Ich war einige Jahre damit beschäftigt, Spieler gegen die Casinos Austria zu vertreten, weil ich das erste rechtskräftige Urteil erreicht habe, bei dem ein Spieler einen Schadenersatz zugesprochen bekommen hat. Ich habe dann zwar die Einladungen der Medien ausgeschlagen, aber es hat sich dann unter den Spielern doch bis nach Wien herumgesprochen und ich habe hier einige Prozesse geführt.
Aufgrund meines mathematischen und technischen Verständnisses habe ich dann, als das Zeitalter des Internets begann, mit Hilfe der Anwaltskammer den Vermittler zwischen den Technikern und den Kollegen aus der Anwaltei gespielt, da ich Vorträge und Übungen dazu gehalten habe. Über 10 Prozent der steirischen Anwälte waren damals bei mir, weil diese das Problem hatten, dass sie die Techniker nicht verstanden haben und auch keinerlei Vorkenntnisse hatten, was heute bei den jungen Kollegen anders ist.
Eine kleine Anekdote dazu: Frau Dr. Griss war in Graz zum privatrechtlichen Dialog bezüglich dieses Themas – wir nannten es damals völlig verkehrt Internetrecht oder Recht der neuen Medien – öfters eingeladen, weil sie ein hohes Wissen über diese technischen Dinge hatte, da der OGH, als die ersten Entscheidungen verlangt wurden, das Problem hatte, dass niemand im Gremium war, welcher sich auskannte. Da hat der Vorsitzende zu Frau Dr. Griss gesagt: Du bist die Jüngste, du kaufst dir jetzt einen PC und du wirst uns dann erklären, wie das funktioniert. Sie hatte also eine ähnliche Funktion im Obersten Gerichtshof wie ich in der Anwaltskammer, wo ich Vorträge in ganz Österreich zum Signaturgesetz gehalten habe.
Ich bin auch der Anwalt – ich hoffe, ich bin nicht zu lange - -
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Sie sind schon zu lang. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.
Dr. Günther Millner: Ich versuche, zum Schluss zu kommen. Ich bin in meiner Einstellung den liberalen Prinzipien sehr verbunden. Ich war bei der Anfechtung der Bundespräsidentenwahl Begleiter der FPÖ-Wahlbeisitzer bei ihren Einvernahmen. Es war mir damals, als ich das Rechtsmittel gelesen habe, klar, dass diese Wahl aufgehoben wird, obwohl ich rein politisch von dieser Anfechtung nicht besonders begeistert war. Damit Sie wissen, wie meine Einstellung dazu ist: Ich war eigentlich überrascht, dass auch von Verfassungsjuristen mit dem Argument sehr stark gegen die Entscheidung argumentiert wurde, dass eigentlich doch ohnedies alles ordentlich abgelaufen ist. Ich sehe das so wie der Verfassungsgerichtshof; daran gibt es nichts zu rütteln. Die Wahl war aufzuheben, ob einem das Ergebnis passt oder nicht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke schön.
Ich darf Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler das Wort erteilen.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Millner, vielen Dank für Ihre umfassende Vorstellung. Ich habe mir aufgeschrieben: Wurstsemmeln, Fast-Nationalrat – dann wären Sie in der anderen Kammer und würden dieses Hearing machen –, Spieler, politische Tätigkeit, Mathematik, Dr. Griss und Bundespräsidentenwahl – also sehr, sehr umfassend. Was mir als Vertreterin der Länderkammer jetzt noch abgeht: Welche Schritte und Maßnahmen halten Sie im Zuge einer Staats- und Verwaltungsreform für besonders vordringlich? Wie stehen Sie zum Föderalismusprinzip? – Das ist für uns natürlich sehr essenziell. Und: Welche Bedeutung hat für Sie Subsidiarität?
Dr. Günther Millner: Es ist mir etwas peinlich, Ihnen als Vertreter des Bundesrates Honig um den Mund schmieren zu müssen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das vertragen wir gut!) Ich bin wirklich aus tiefstem Herzen Föderalist. Ich bin aus tiefstem Herzen für das Subsidiaritätsprinzip. Es tut mir weh, wenn ich höre, dass das Baurecht Bundesrecht werden soll, dass die Landtage aufgelöst werden sollen und so weiter.
Ganz persönlich: Die Verfassung betreffend bin ich der Ansicht der Leute in der EDV-Branche, die sagen: Never change a running system. Wenn ich für etwas wäre, dann wäre ich dafür, dass man eben genau den umgekehrten Weg geht und sich überlegt, welche Aufgaben man eigentlich guten Gewissens den Ländern überlassen kann. Ich habe mir einmal erklären lassen, wie das in der Schweiz funktioniert. Ich halte das für ein vorbildliches System mit Fiskalhoheit auf den verschiedenen Ebenen. Ich bin als politisch denkender Mensch nicht guter Hoffnung, dass dies gelingen wird, aber von mir aus gesehen wäre das wünschenswert, weil ich auch auf der Ebene des Gemeinderates gesehen habe, in kleinen Einheiten lässt sich einfach besser entscheiden als in größeren Einheiten. Deshalb würde ich Entwicklungen in diese Richtung immer unterstützen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke.
Ich bitte nun Frau Bundesrätin Inge Posch-Gruska um ihre Frage.
Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Auch seitens meiner Fraktion: Danke für Ihre Ausführungen. Mich würde interessieren, wie Sie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Thema Demonstrationsfreiheit beurteilen.
†Dr. Günther Millner: Ich habe schon eingangs erwähnt, dass ich mich von meinem Verständnis her als Liberaler sehe. Gerade die Versammlungsfreiheit ist ein ureigenes Recht, in das einzugreifen man sehr vorsichtig sein sollte. Ich bin also für ein Mitglied der FPÖ vielleicht etwas überraschend doch sehr stark dafür, dass man die Verhältnismäßigkeit im Auge hat und immer im Auge hat, dass die Versammlungsfreiheit ein Gut ist, in das wir nur sehr vorsichtig eingreifen sollten.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke.
Ich bitte nun Herrn Bundesrat Sperl um seine Frage.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Dr. Millner, eine kurze Frage meinerseits: Sie haben Ihre Kanzlei, Ihren Lebensmittelpunkt in Graz in der Steiermark. Wie lässt sich eine mögliche Tätigkeit als Verfassungsrichter damit zeitlich vereinbaren?
Dr. Günther Millner: Ich habe die Absicht, in drei bis vier Jahren meine Kanzlei zu übergeben und in den Ruhestand zu gehen. Ich habe das jetzt mit meiner Gattin, die auch Kanzleikollegin ist, besprochen. Ich würde diesen Zeitpunkt vorziehen und mich als Verfassungsrichter ganz dieser Aufgabe widmen. Ich bin ja nicht wie andere Kandidaten in der Lage gewesen, dass ich mich in den letzten Jahren mit der Literatur ausführlich auseinandergesetzt hätte. Ich hätte also auch noch einen gewissen Nachholbedarf, um mich in die Materie einzulesen, und ich würde das eigentlich als eine hauptberufliche Tätigkeit sehen. Es ist Gott sei Dank für meine Gattin und mich finanziell kein Problem, wenn ich mich aus der Anwaltei mehr oder minder zurückziehe.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke.
Ich bitte nun Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Vielen Dank auch meinerseits für Ihre Bewerbung. Sie sind Parteianwalt, FPÖ-Mitglied und vielleicht nicht mehr so aktiver Funktionär. Sie haben jetzt ganz kurz erwähnt, dass Sie sich da eventuell zurückziehen würden aufgrund der Tätigkeit am Verfassungsgerichtshof. Ich würde Sie gerne fragen, was für Sie das weitreichendste Urteil der letzten Jahre war, das der Verfassungsgerichtshof verkündet hat?
Dr. Günther Millner: Was vor allem uns Anwälte sehr betrifft und wo ich schon sehr gespannt bin, wie der Gesetzgeber das lösen wird, ist natürlich die Entscheidung, dass eine Diskriminierung gleichgeschlechtlich orientierter Menschen vorliegt, wenn diese bei Angabe ihres Familienstandes sozusagen auch ihre sexuelle Ausrichtung bekannt geben müssen, obwohl sie es vielleicht gar nicht wollen, weil das ja leider in unserer heutigen Zeit immer noch ein Problem für die Menschen darstellen kann.
Ich bin aber andererseits doch etwas wertkonservativ und auch auf der Seite von Kardinal Schönborn, dass Ehe und Familie doch eine ganz eigene Institution ist. Hier sehe ich eine Diskrepanz, weil nämlich beide Seiten für mich völlig recht haben, und wie der Gesetzgeber - - Ich gehe davon aus, dass es für die ÖVP – ich sage es jetzt einmal gerade heraus – nicht ganz so einfach sein wird, zu sagen: Okay, dann ist es einfach Ehe für alle, und fertig. Das wäre die juristisch einfachste Lösung. Ob man hier versuchen wird, einen anderen Weg zu finden? Ich persönlich habe mir das schon überlegt. Mir fällt dazu nichts ein, weil es letztendlich immer wieder in der Diskriminierung endet, aber vielleicht ist der Gesetzgeber noch etwas schlauer als ich.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen und wünsche einen schönen Tag.
*****
Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Adrian Hollaender, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Dr. Adrian Hollaender
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Herr Dr. Hollaender, ich darf Sie recht herzlich begrüßen.
Ich darf Sie ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin, dass Sie – wie alle Bewerber – für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben.
Ich bitte Sie, zu beginnen.
Dr. Adrian Hollaender: Vielen Dank. – Nun, die Gründe für meine Bewerbung sind schnell erläutert: Ich hätte gerne die ausgeschriebene Position, deshalb habe ich mich dafür beworben. Ich glaube, ich bin dafür geeignet. Maßgeblich ist aber nicht, was ich diesbezüglich glaube, sondern maßgeblich ist, was Sie glauben, was das Hohe Haus glaubt. – Ich hoffe, dass es maßgeblich ist, was das Hohe Haus glaubt, denn vielleicht ist es auch völlig wurscht, was das Hohe Haus glaubt. Wenn man den Zeitungen Glauben schenkt, dann scheinen ja ganz andere Vorabbestimmungen zu gelten.
Nun, wollen wir hoffen, dass es nicht so sei. Man kann das ja immer noch eindrucksvoll widerlegen, indem man die vorab ausgemachten, angeblich so sicheren Sachen dadurch widerlegt, dass man eine faire Wahl aufgrund des Hearings trifft. Also lassen wir uns überraschen, was – ich glaube, übermorgen – herauskommen wird.
Davon ausgehend, dass doch das Hohe Haus, in unserem Fall hier der Bundesrat, bestimmend ist, zumindest für die Nominierung – die Ernennung wird ja dann der Herr Bundespräsident vorzunehmen haben –, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen darzustellen, was ich kann und was ich nicht kann.
Zu den formellen Voraussetzungen: Ich erfülle diese. Ich bin viele Jahre im Rechtsbereich tätig, sei es unterrichtend, sei es ausübend als Rechtsanwalt oder sei es schriftstellerisch.
Zum darüber hinausgehenden Inhaltlich-Materiellen: Ich habe mich immer mit der Verfassung intensiv beschäftigt. Ich habe bei Korinek, dem früheren Verfassungsgerichtshofpräsidenten, dissertiert. Und dort hatte ich auch mein Schlüsselerlebnis zur Verfassung:
Ich hatte die Verfassung sehr gut gelernt – habe von Korinek beim Rigorosum auch ein Sehr gut bekommen, insofern bestätigt sich das auch in der Außenwahrnehmung –, aber ich habe die Verfassung gelernt, wie ich Strafrecht gelernt habe, wie ich Zivilrecht gelernt habe: das Gesetz, die Kommentare dazu, aber vor allem das Gesetz. Und dann hatte ich mit Korinek ein – für mich – Schlüsselerlebnis. Er sagte: Schauen Sie, ich gebe Ihnen jetzt zur Vorbereitung fürs Rigorosum etwas ganz Kleines, einen Artikel: „Die Wertbetrachtung im Recht“. – Ich fragte: Was ist das? – Er sagte: Ja, das ist ganz kurz. Lesen Sie das!
Es war eine sehr schlanke Schrift, und sie zeigte mir, dass das Recht, insbesondere das Verfassungsrecht, nicht rein formell, sondern wertend betrachtet werden muss. Jeder, der sagt, ich tue das rein formell – judicial self-restraint –, hat entweder einen falschen Zugang oder sagt nicht das Richtige. Man kann es nur wertend betrachten, denn man muss unbestimmte Rechtsbegriffe wertend ausfüllen, und das ist die große Aufgabe. Und das hat mir Korinek dadurch damals so schön vermittelt: Du musst innerhalb des Wortlauts der Verfassung bleiben, aber nicht auf die Werterfülltheit verzichten. Das ist das Wesentlichste.
Nebstbei kam ich dann viel später durch historische Studien drauf, dass Kelsen, der Begründer der Reinen Rechtslehre, persönlich genau das Gleiche durchgemacht hat. Er hat theoretisch verfochten, dass das Recht, auch Verfassungsrecht, jeden beliebigen Inhalt haben kann, Hauptsache, es ist auf die Grundnorm zurückzuführen; es muss nur dieser Rechtserzeugungszusammenhang stimmen. Und dann hat er – im Nationalsozialismus, als er ausgewandert ist – selbst erlebt, dass formales Recht sehr wohl materielles Unrecht sein kann, und er hat dann in seinen amerikanischen Schriften, aus dem Exil, das Ganze relativiert. – Also das ist ein ähnliches, traurigeres Schlüsselerlebnis. Meines mit Korinek war positiver. Und seit damals bin ich der Ansicht und der Überzeugung, dass das Verfassungsrecht mit Wert erfüllt werden kann und werden muss.
Das kann ich durchaus. Ich habe mich intensiv mit dieser Materie befasst. Es gibt von mir, um ein paar objektive Sachen anzuführen, denn Meinungen kann man viele haben, aber was am Tisch liegt, hat vielleicht mehr Gewicht (der Bewerber legt eine Reihe von Büchern auf den Tisch, nimmt eins ums andere auf, nennt Titel sowie Teile davon und macht gegebenenfalls weitere Angaben dazu), Schriften in verschiedensten Verlagen – damit man hier nicht glaubt, das sei einseitig –: Leykam Verlag, ein führender Verlag, Leykam Recht: „Hüter der Verfassung“, von Adrian Hollaender – intensivste Judikatur-Recherchen und natürlich auch meine Meinungen dazu. Mein erstes Werk: „Die neue Beschwerde in Auslieferungssachen“ – sehr verfassungsrechtlich geprägt, weil menschenrechtlich geprägt; Vorwort von Professor Matscher, Vorwort von Rzeszut, dem früheren Präsidenten des Obersten Gerichtshofs. „Kompendium der Menschenrechte“, ebenfalls. „Grundrechte und Verfassungsprinzipien im österreichischen Strafprozessrecht“, das ist mit einem Vorwort von Rzeszut.
Ja, das kommt natürlich vom Strafrecht, Strafprozessrecht, das Strafrecht ist aber – warum?, weil es so grundrechtsinvasiv ist – ohne Verfassungsrecht nicht interpretierbar, die ganzen Grundrechtseingriffe. Und das habe ich probiert, hier herauszuarbeiten, und wurde auch sehr oft damit zitiert, positiv und negativ, aber zumindest zitiert, in Urteilen und so. Und ich glaube, dieser Zugang vom Strafrecht zum Verfassungsrecht ist ein sehr guter. Auch die Präsidentin Bierlein hat ja diesen Zugang gehabt und ist eine hervorragende Verfassungsrichterin.
Und dementsprechend auch – ich will Sie nicht langweilen damit, aber nur um es komplett zu machen –: Verlag Österreich, wieder ein anderer Verlag. „Das [neue] Haftrecht“ – auch sehr eingriffsinvasiv –, „Der Weg zum Freispruch“ – okay, ein bisschen ein reißerischer Titel, aber das war ein Werk für die Praxis. Es herrscht, glaube ich, diesbezüglich eine große Nachfrage. „Strafrecht“, das ist etwas wissenschaftlicher fundiert mit – (im Buch nachsehend) damit ich Ihnen nichts Falsches sage – 750 Fußnoten. Sehr viel drinnen, aber trotzdem - -
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Dr. Hollaender, ich bitte Sie, Ihr Statement - - (Bewerber Hollaender: Ist es schon aus?) Ja. Sie haben die 5 Minuten schon überschritten. (Bewerber Hollaender: Normalerweise leuchtet es immer!) Gut. Bitte zum Schluss - -
Dr. Adrian Hollaender: Gut. Also ich bin fertig mit meinen Büchern, ich bin auch fertig mit meiner Einführungsrede; alles andere können Sie mich ja noch fragen. Danke, dass ich mich aus - - Ich dachte, das beginnt hier so zu leuchten, aber gut, vielleicht habe ich es übersehen. – Danke.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für die Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun ersuchen, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Bitte stellen Sie pro Fraktion und Kandidat nicht mehr als eine Frage und verwenden Sie das Mikrofon.
Herr Bundesrat Preineder, bitte um die Frage.
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich)|: Herr Dr. Hollaender! Danke für Ihre Bewerbung, danke für Ihre Präsentation hier beim Hearing im Bundesrat. Sie haben einen weiten Bogen gespannt, sehr viele Werke von sich zitiert. Die Gesetzeslage wird immer diffiziler, wird schwieriger, der Umfang der Bestimmungen nimmt zu. Was könnten Sie als Verfassungsrichter dazu beitragen, dass die Gesetzeslage wieder einfacher wird und die Gesetze vor allem für den Bürger lesbarer, verständlicher und damit auch leichter umsetzbar werden?
Dr. Adrian Hollaender: Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Ich bin immer dafür eingetreten: Wenn Recht nicht verständlich ist, ist es Unrecht. Das habe ich auch irgendwo in einem Vorwort geschrieben. Man hat mir dann gesagt: Ui, wie plakativ!, und so. – Finde ich nicht! Ich finde das ganz wichtig. Ich habe mich aus diesem Grunde auch – ich beantworte die Frage gleich, das ist nur eine kleine Einleitung – immer bemüht, in Zeitungen etwas zu schreiben, in den „Salzburger Nachrichten“, dieser Beilage „Der Staatsbürger“ – sehr wichtig, weil Recht dort einfach dargestellt wird –, auch in der „Kronen Zeitung“. Man kann ja dort auch rechtlich fundiert schreiben und trotzdem verständlich sein und Vernünftiges verständlich bringen. Das ist ganz wichtig.
Die Gesetze derzeit sind katastrophal. Die neueren Gesetze sind noch katastrophaler als die älteren, weil immer etwas dazugeschrieben wird, und das ist furchtbar. Das versteht der Bürger nicht, es hat dadurch keine Leitungsfunktion mehr, hat keine normative Funktion, das ist ganz schlecht. Als Verfassungsrichter kann ich natürlich dagegen nur begrenzt vorgehen, denn ich kann ja Gesetze nur aufheben, ich kann sie dort ja leider nicht machen und ersetzen, aber selbstverständlich würde ich die Anforderungen an ein Gesetz punkto Verständlichkeit und Klarheit viel schärfer interpretieren. Das heißt, für mich erfordert der Artikel 18 Bundes-Verfassungsgesetz, dieses Legalitätsprinzip, dass ein Gesetz auch verständlich ist. Und wenn es nicht verständlich ist – auch wenn das vielleicht viele Parlamentarier jetzt nicht so gerne hören, denn da würden mehr Gesetze aufgehoben werden –, dann widerspricht es dem Legalitätsprinzip und kann auch deshalb verfassungswidrig sein. Und insofern würde ich im begrenzten Rahmen, der einem Verfassungsrichter zur Verfügung stünde, sehr wohl in diese Richtung zu wirken versuchen.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für die Antwort.
Ich bitte nun Frau Bundesrätin Posch-Gruska um ihre Frage.
Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Dr. Hollaender! Da Sie jetzt gerade ausgeführt haben, dass die Gesetze zurzeit katastrophal sind, und die neuen Gesetze noch mehr als die alten, weil immer etwas dazugeschrieben wird, würde mich interessieren, wie Sie zur Fassung eines neuen Grundrechtekatalogs und einer eventuell damit verbundenen Abkehr von der Europäischen Menschenrechtskonvention stehen.
Dr. Adrian Hollaender: Na ja, ich sehe das nicht unbedingt damit verbunden. Also prinzipiell: Grundrechtskatalog ja, denn es ist derzeit überall verstreut. Es ist in der Menschenrechtskonvention, es ist im Staatsgrundgesetz, es ist im Vertrag von Saint Germain, den kaum einer kennt, aber dort sind auch wesentliche Grundrechte im Religionsbereich zum Beispiel enthalten. Man muss sich das überall immer herauspicken, um einen Rechtsfall seriös zu bearbeiten. Das ist katastrophal, denn das ist ja nicht die Aufgabe. Natürlich gibt es Menschen wie mich, die dann stundenlang dasitzen und das herauspicken, aber das soll ja nicht sein. Es soll ein Grundrechtskatalog sein so wie die amerikanische Verfassung, die die Bürger, oder ein Teil der Bürger, und die Politiker, oder in Amerika auch ein Teil der Politiker, kennen und sich daran halten und sie verstehen. Das soll klar sein, das soll zitiert werden, und man soll wissen: Das sind unsere Grundrechte.
Das sollen außerdem auch echte Grundrechte sein, die durchsetzbar sind, nicht Grundrechtsverheißungen. Es gibt so programmatische Grundrechte, das finde ich nicht gut. Es sollen echte Grundrechte sein, sodass der Mensch weiß: Das steht mir zu, darauf kann ich pochen!, so wie die Amerikaner – nicht alle, aber viele – das Fifth Amendment kennen, und so. Das ist hier nicht so in der Bevölkerung verankert. Ich glaube, ein klarer Grundrechtskatalog würde da sehr hilfreich sein. – So viel zum ersten Teil der Frage.
Zum zweiten Teil der Frage: Ich sehe damit nicht notwendigerweise eine Abkehr von der Europäischen Menschenrechtskonvention verbunden, sondern ich würde die Grundrechte, die sich überschneiden, als ein Grundrecht definieren, und das sollte dem Bundes-Verfassungsgesetz, dem Staatsgrundgesetz, der EMRK, also allen im Verfassungsrang stehenden Gesetzen entsprechen. – So viel grundsätzlich.
Die Menschenrechtskonvention, um das ganz kurz auch anzusprechen, birgt aus meiner Sicht einige ganz andere Probleme in sich: Sie hat sehr viele unklare Gesetzesbegriffe, die dann von Straßburg noch mehr interpretiert werden, als es hier überhaupt der Fall ist. Schon hier ist das problematisch, dieses weitgehende Hineininterpretieren statt Herausholen, und das gibt es in Straßburg noch mehr, weil dort viele Rechtstraditionen zusammenkommen.
Ich bin kein Freund dessen, sozusagen, wenn da steht, das Blatt ist weiß, dann zu interpretieren, und nach einer Stunde sagen wir, das Blatt ist schwarz. Das finde ich falsch. Also die Interpretation des Rechts soll sich schon im Rahmen des Rechts halten. Deshalb bin ich mit einigen Straßburger Urteilen – Urteilen! – nicht einverstanden – es würde zu weit führen, jetzt Details zu bringen, außer Sie wollen sie hören –, aber prinzipiell die Konvention als solche, die Zielsetzungen sind sehr gut und sind ja auch in großen Teilen überschneidend und inhaltlich deckungsgleich mit dem Staatsgrundgesetz und so. Nur: Wir brauchen es nicht zweimal, wir brauchen es nur einmal, und dafür verständlich.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für die Antwort.
Ich bitte nun Herrn Bundesrat Schuster um seine Frage.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Dr. Hollaender! Sie sind ja ein Experte für Grund- und Menschenrechte, wie ich auch schon in Ihrem Lebenslauf gelesen habe. Da hätte ich eine Frage: Was konkret wären Ihre Lösungsvorschläge angesichts der Vielzahl der anhängigen Asylverfahren, die wir haben?
Dr. Adrian Hollaender: Mein Lösungsvorschlag aus rechtlicher Sicht wäre, die Verfahren schnell, gesetzeskonform und sachlich richtig durchzuführen. Sachlich richtig heißt: Was ist Asylwerben? Was ist Asylberechtigung? Das wird sehr oft in einem Graubereich vermischt. Werben kann natürlich jeder, das steht auch jedem zu. Berechtigt sind nur wenige, das steht nur in bestimmten Fällen zu. Dann gibt es noch Teilbereiche, subsidiär schutzberechtigt und so weiter. Auch hier ist das legistisch sehr schlecht, denn alles überlagert einander. Ich habe das rezensiert, diese ganzen Gesetze, fürs „Anwaltsblatt“. Das war furchtbar, das waren solche Pakete (mit der Hand einen hohen Stapel andeutend), und es sind einfachgesetzliche Regelungen durch europarechtliche Abkommen, Verordnungen und auch Primärrecht und zusätzlich auch noch durch menschenrechtliche Sachen überlagert, sodass man sich auch dort wenig auskennt – egal jetzt, in welche Richtung man das interpretiert hat, man kennt sich rein rechtstechnisch wenig aus.
Das führt auch zu einer sehr langen Verfahrensdauer, weil ein Richter, der das ordentlich machen möchte, sich mit all diesen Sachen befassen muss, und es sind dann viele Sachen mit unglaublichen Abwägungen in den Bescheiden verbunden. Das heißt, anstatt dass man eine klare Ziellinie hat, gesetzlich, die man exekutiert – man exekutiert das Gesetz im Sinne von: man wendet es auf einen Sachverhalt an –, muss man als Richter abwägen und wird quasi selbst ein kleiner Gesetzgeber, denn wie stark man abwägt, das ist das Problem, und dann kommt bei jedem Richter etwas anderes hinein. Das ist schlecht.
Ich wäre für eine sehr schnelle Verfahrensführung. – Noch einmal: Ich kann aus meinem Blickwinkel die Gesetze nicht ändern. Ich würde das vereinheitlichen; ich würde auch dieses ganze Asylwesen neu machen. So wie ich sagte, die Grundrechte, würde ich auch das neu machen. Diese Überlagerungen finde ich nicht gut, denn das führt zu sehr vielen unterschiedlichen Interpretationsansätzen. – Aber gut, das ist nicht die Frage gewesen. Ich wollte das nur dazusagen.
Von der Durchführung, von der Judikative und Verwaltung her: schnell, schnell, schnell, rechtsrichtig und möglichst sachrichtig. Das hat Rzeszut in diesem Vorwort zu meinem Buch „Grundrechte und Verfassungsprinzipien [...] Wege zur Gerechtigkeit“ geschrieben. Er hat gesagt: Es muss formell richtig sein, aber wir müssen schon auch an den Inhalt denken. Deshalb haben wir ja die Gesetze, um den richtigen Inhalt zu erfassen. Nicht immer gelingt es, aber darum muss man sich bemühen. Vor allem aber: schnell. Es ist die lange Dauer und auch die Entscheidungsdauer; es ist nicht nur, weil es so viele sind, es ist auch die Entscheidungsdauer viel zu lang.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Vielen Dank für Ihre Bewerbung! Die Reputation des Verfassungsgerichtshofes ist bekanntlich ein hohes Gut. Ich möchte Sie deshalb fragen, weil Sie in einen Gerichtsstreit involviert waren, nach dem Sie sich dann nicht mehr Universitätsprofessor nennen durften, und es auch eine Aufforderung an Sie gab, sich nicht Vorsitzender des österreichischen Grundrechtskonvents zu nennen, da so ein Verein angeblich nicht existiert: Was sagen Sie grundsätzlich dazu? Und auch: Wieso glauben Sie, dass der Presseausweis der „Kronen Zeitung“ als Qualifikation für dieses Höchstgericht von Relevanz ist? – Vielen Dank.
Dr. Adrian Hollaender: Die erste Frage, was ich dazu sage, verstehe ich nicht, denn was heißt: was ich dazu sage? – Diese Frage ist mir zu wenig konkret. Ich bin in viele Gerichtsstreitigkeiten verwickelt, weil ich wie jeder Mensch natürlich sehr viele Freunde und sehr viele Feinde habe. Die Freunde schicken mir Geschenke, die Feinde schicken mir was anderes. Und insofern sind ja solche Sachen nichts Aufregendes, zumindest für mich nichts Aufregendes.
Das Erste, was Sie ansprechen, das war ein wettbewerbsrechtlicher Streit. Na ja, da gibt es viele wettbewerbsrechtliche Streite, in denen ein Kollege oder eine andere Firma kommt und sagt: Nein, ihr dürft das in euren Geschäftsbedingungen nicht so benennen, ihr müsst das anders benennen. Da ging es, glaube ich, um einen ausländischen Universitätstitel, ob man den hier führen darf oder nicht führen darf, und soweit ich mich erinnere, haben wir das mit einem Vergleich beendet, wie so viele Rechtsstreitigkeiten.
Also was ich dazu sage? – Soll ich wirklich sagen, was ich dazu sage? Sie haben mich so offen gefragt. Ja, zu so wadelbeißerischen Aspekten sage ich eigentlich nichts.
Zum zweiten Teil der Frage: Der ist für mich interessanter, weil er inhaltlicher Natur ist. Ich habe gestockt, als ich zusammenstellte. Erst habe ich gar nichts vorgelegt. Ich habe nur geschrieben: Ich erbringe die Voraussetzungen und bitte ums Hearing.
Dann wurde ich aufgefordert, ich soll sagen, warum ich die Voraussetzungen erbringe. Na gut, da habe ich zusammengelegt, was ich in der letzten Zeit gemacht habe, und so. Und dann hatte ich da das Universitätszeugnis, das von Korinek, alles Mögliche, lauter schöne Sachen, Rezensionen und so, lauter echt juristische Sachen. Und dann hatte ich auch diesen Presseausweis in der Hand. Es ist ja nichts Böses, dass man auch da etwas geschrieben und gearbeitet hat. Da habe ich gedacht: Was machen wir jetzt damit? Na ja, juristisch - - Dann habe ich gedacht, genau was ich am Anfang gesagt habe: Recht muss verständlich werden. Deshalb habe ich das damals ja gemacht! Deshalb habe ich auch bei den „Salzburger Nachrichten“ geschrieben. Deshalb habe ich auch bei der „Kronen Zeitung“ etwas geschrieben.
Ich habe dort ja nicht über das Wetter geschrieben, sondern ich habe mich bemüht – vielleicht ist es mir nicht immer gelungen, aber ich habe mich bemüht –, rechtliche Themen verständlich darzustellen und Denkanstöße zu geben, und deshalb habe ich dann gesagt: Kopieren wir ihn, legen wir das vielleicht doch bei – denn es war eine Tätigkeit und es war aus meiner Sicht sehr wohl mit Recht und rechtlichen Zielen und rechtlichen Ansichten verbunden. Das ist der Grund, warum ich das – nach kurzem Nachdenken – auch beigelegt habe, denn man wollte wissen: Was habe ich bisher rechtlich gemacht?, und ich habe halt nicht nur Wissenschaftliches gemacht, sondern mich sehr wohl auch bemüht, das Recht allgemein bekannt zu machen. Es gab auch einmal im „Kurier“ eine Rezension über dieses Buch – weil man auch gesagt hat, „Der Weg zum Freispruch“ sei plakativ –, in der stand: Er macht Recht verständlich. – Damit bin ich an sich zufrieden.
Ich bin noch eine Antwort schuldig. Ich habe Ihnen ja groß versprochen, ich sage Ihnen auch, was ich nicht kann. Was ich nicht kann, ist: Ich kann mich mit meiner Meinung nicht zurückhalten. Ich werde auch im Verfassungsgerichtshof, falls ich dort sitze, meine Meinung sagen, vertreten und argumentieren. Ob das jetzt manchen gefallen wird oder nicht, weiß ich nicht. Für mich stellt sich die Frage nicht, weil ich mich mit meiner Meinung nicht zurückhalten kann. – Damit habe ich Ihnen auch das beantwortet.
Die Zustimmungen und Ablehnungen, die ich bekomme – das ist auch schon mein letzter Satz, außer man fragt mich noch etwas –, gehen, wie ich es auch vorzulegen oder zu den Unterlagen hinzuzufügen versucht habe, wirklich von links nach rechts. Ofner hat sehr befürwortet, dass ich das werde, Lansky hat das sehr befürwortet, jeder hat seine Aspekte aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln eingebracht. Natürlich könnte jeder auch viel Negatives aus seinen unterschiedlichen Blickwinkeln sagen. Ich glaube, gerade das zeigt, dass ich ein ausgewogener Kandidat wäre, denn wenn man Gutes und Schlechtes von allen Seiten des Spektrums hört, dann ist man ganz gut in der Mitte positioniert.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre umfassenden Auskünfte und wünsche Ihnen einen weiterhin schönen Tag.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Mag. Werner Suppan, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Mag. Werner Suppan
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Rechtsanwalt Dr. Suppan, ich darf Sie recht herzlich begrüßen. Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, und weise darauf hin, dass Sie – wie alle Bewerber – für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. Ich bitte Sie, zu beginnen.
Mag. Werner Suppan: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren Bundesräte! Herzlichen Dank für die Einladung. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich erstmals hier auch persönlich für Ihr Vertrauen Ende Dezember 2016 zu bedanken, als Sie mich mit 43 : 8 Stimmen zum Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes bestellt haben. Ich habe in diesem Jahr auch schon in einer spannenden und durchaus föderalistisch interessanten Angelegenheit im Verfassungsgerichtshof mitwirken dürfen, das war die dritte Piste in Schwechat.
Zu mir selbst: Mein Name ist Werner Suppan, ich bin 55 Jahre alt und Rechtsanwalt. Ich habe mein Studium, wenn ich so sagen darf, mit Kindern verbracht, nämlich mit meinen, war 20 Jahre verheiratet, dann haben wir uns scheiden lassen. Ich bin jetzt seit zwölf Jahren in einer glücklichen heterosexuellen Lebensgemeinschaft, und unsere sich mittlerweile im Volksschulalter befindlichen Enkel tummeln sich auch bei uns.
Warum erzähle ich Ihnen das in dieser epischen Breite? – Weil sich der Verfassungsgerichtshof mit Themen von Alpha bis Omega befasst. Unser Leben ist doch mit Themen befasst, die der Verfassungsgerichtshof, die die Verfassungssphäre streifen kann, und ich glaube, es ist natürlich Ihr primäres Recht, zu hören und zu wissen: Wie tickt denn der, der sich darum bewirbt, und wo steht der im Leben?
Ein Themenbereich, wie gesagt, ist natürlich die familiäre Herkunft und die Familie, ein anderer Themenbereich ist der ganze Wirtschaftssektor. Ich bin Rechtsanwalt, und ich habe mich eigentlich von 1994, von meiner Kanzleigründung an auch immer als Unternehmer verstanden. Wir sind Dienstleister, Rechtsdienstleister, und so habe ich auch meine Kanzlei aufgebaut. In diesen Jahren habe ich wahrscheinlich, würde ich einmal sagen, für 50, 60 Personen temporär Arbeitsplätze geschaffen. Heute sind wir zu zehnt in meiner Kanzlei. Zwei frühere Konzipientinnen sind mittlerweile Partner. Wir haben eine weitere Konzipientin, und das werden wir wahrscheinlich in nächster Zeit noch ausbauen, und die übrigen Mitarbeiter sind Fachmitarbeiter beziehungsweise Sekretariatsmitarbeiter.
Womit ich mich thematisch auseinandersetze, bestimmen natürlich die Klienten, und da habe ich mich immer bemüht, mit meiner Kanzlei eine möglichst große Bandbreite abzudecken, auch wenn das anstrengend ist. Themen, die man jeden Tag fünfzehnmal hat, sind schneller, leichter und möglicherweise auch ertragreicher zu bearbeiten, als wenn man einfach diesen juristischen Spaß hat, wieder ein neues Thema aufzugreifen und in die Tiefe zu gehen.
In unserem Klientenbereich vertreten wir sehr viele NGOs, und wir vertreten auch viele Klein- und Mittelbetriebe. Das heißt, der Themenbereich, den wir abdecken, beginnt beim Vereinsrecht, beim Gemeinnützigkeitsrecht und all den Verästelungen dazu. Es geht aber auch – was jeder Betrieb braucht – in den Bereich des Mietrechts, des Arbeitsrechts, des Liegenschaftsrechts, wobei sich im Liegenschaftsrecht in den letzten Jahren sicher ein verdichteter Beratungsaufwand ergeben hat. Das, was früher sehr flott mit einer elektronischen Meldung gemacht werden konnte, ist heute ein großes Rechenexperiment. Das weiß jeder von Ihnen, der vielleicht einen bäuerlichen Betrieb überschreiben möchte. Es beginnt mit der Immobilienertragsteuer, die anders zu berechnen ist als die Grunderwerbsteuer, die anders zu berechnen ist als die Eintragungsgebühr. Also das ist schon eine spannende Herausforderung für den Beratungsbereich.
Selbstverständlich habe ich mich in meiner Kanzlei immer mit Verfassungsrecht befasst und auch vom Handling her so ziemlich alles abgedeckt, was das bietet. Ich habe auch Wahlanfechtungen gemacht und gewonnen, da hat sich der eine oder andere Bürgermeister gefreut. Ich habe Anfechtungen, Drittelanfechtungen für Abgeordnete gegen Gesetze erhoben, zum Beispiel erfolgreich gegen das Wiener Verwaltungsgerichtsgesetz. Ich habe immer wieder auch Individualanfechtungen gemacht und natürlich Gesetzes- und Bescheidbeschwerden.
Persönlich bin ich auch, wenn man so will, in der Zivilgesellschaft tätig. Ich bin immer wieder nicht nur Mitglied in verschiedenen Vereinen und Organisationen, sondern auch als Funktionär bei einer großen Sportvereinigung tätig. Bei Kinderschutzorganisationen bin ich aber genauso tätig, wie ich in Kulturbereichen tätig war. Ich bin auch seit vielen Jahren in verschiedenen Aufsichtsräten tätig, etwa beim juristischen Verlag Facultas, aber auch bei der „Wiener Zeitung“, was auch eine spannende, herausfordernde Aufgabe ist, vor allem wenn uns der Gesetzgeber jetzt mit dem Amtsblatt näher rückt.
Mein Zugang zum Verfassungsgerichtshof ist auch der, den ich beruflich wähle: Der Verfassungsgerichtshof ist ein sehr spannendes Kollegialorgan, und das habe ich in diesem Jahr auch erfahren. Wenn 14 Top-Juristen miteinander verhandeln, ist das natürlich auf höchstem Niveau, das ist sehr, sehr spannend, und ich glaube, sagen zu können: Da hat Österreich eine sehr, sehr gute Einrichtung, und es ist natürlich eine Herausforderung, da mitzuwirken.
Was kann mein Beitrag sein? – Nun, ich glaube, ein Kollegialorgan lebt auch von der Vielfalt seiner Mitglieder. Da braucht man natürlich Spitzenverfassungsrechtler, die ja mit verschiedensten Professoren das Thema abdecken. Da braucht man natürlich Menschen aus der Verwaltung, die, vor allem – wie ich glaube, in diesem Kreis sagen zu können – wenn sie aus den Bundesländern kommen, wissen, wie Föderalismus geht, und da braucht man – und das decken halt auch die Anwälte in diesem Kreis ab – Leute, die eine thematische Bandbreite haben – Sie schauen schon auf die Uhr, ich bin gleich fertig – und vielleicht auch Themen abdecken können, die in den anderen Bereichen nicht so schnell abgedeckt sind.
Das war so weit meine kurze Vorstellung, aber ich nehme an, es wird dazu die eine oder andere Frage geben.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun ersuchen, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Bitte stellen Sie pro Fraktion und Kandidat nicht mehr als eine Frage und verwenden Sie das Mikrofon.
Ich bitte Herrn Bundesrat Forstner um seine Frage.
Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Herr Mag. Suppan, Sie haben sehr eindrucksvoll Ihre Tätigkeiten beschrieben. Ich habe mir Ihren Lebenslauf durchgelesen, der ja sehr interessant ist. Was mir bei der Schilderung Ihrer Tätigkeiten sehr gut gefallen hat, war die Vertretung der Klein- und Mittelbetriebe. Meine Frage betrifft die Lesbarkeit, die Verständlichkeit der Gesetze beziehungsweise Deregulierung, Vereinfachung für die Bevölkerung, aber auch für die Betriebe, für die es ja zusehends schwieriger wird, was wir ja auch aus Ihrem Statement herausgehört haben. Was kann man da in Zukunft ändern? Sie haben auch ein sehr spannendes zweites Thema: Medien und Persönlichkeitsschutzrechte, was sie alles verbindet, auch mit dem Datenschutz. Was, glauben Sie, kommt da in Zukunft noch auf uns zu?
Mag. Werner Suppan: Was die Verständlichkeit der Gesetze betrifft, muss ich natürlich den Ball an Sie oder an das andere Zimmer zurückspielen. Aber es ist natürlich auch ein Auftrag an uns Juristen, immer wieder streng zu sein und die Verständlichkeit der Gesetze immer wieder einzumahnen. Das ist, glaube ich, eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Was den verfassungsrechtlichen Teil davon – und auch den gibt es – betrifft: Ich glaube, es war der Oberste Gerichtshof, der einmal gesagt hat: Na ja, wenn das ganze Thema zu einer höchst komplexen Rechenaufgabe wird, die kein Normalbürger mehr nachvollziehen kann, dann ist sozusagen auch der Artikel 18, also dass man nur auf Basis der Gesetze agieren kann, überschritten. – Das ist das eine.
Was kommt auf uns zu? – Ich befasse mich jetzt relativ intensiv mit der Datenschutz-Grundverordnung, die ja ein völlig neues Regime bei uns einführt, wobei ich glaube, dass sich inhaltlich und materiell nicht so viel verschärft, weil ja das österreichische Datenschutzgesetz schon sehr streng war. Aber es ergibt sich die Notwendigkeit, die hier im Hause oder auch in der Regierung bearbeitet wird, zu allen Materiengesetzen, in denen datenschutzrelevante Punkte enthalten sind, Änderungen und Anpassungen zu gewähren. Also wo es früher eine pauschale Bestimmung – ich glaube, in § 26 – zum Auskunftsrecht im Datenschutzgesetz gegeben hat, die besagte, wenn Rechte anderer berührt werden, muss man die Auskunft nicht geben, fehlt eine solche in der DSGVO, aber im Artikel 23 wird dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, in den Materiengesetzen so etwas vorzusehen. Das wird, glaube ich, eine solche Vielfalt von Themen mit sich bringen, dass man das wahrscheinlich gar nicht fehlerfrei zusammenbringt, sondern dass möglicherweise noch Lücken übrig bleiben, die einer verfassungsrechtlichen oder einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich sein werden müssen.
Zu meinem Thema Persönlichkeitsschutz: Manchmal würde ich mir wünschen, weil ich in erster Linie Betroffene vertrete und weniger Verlage, dass beim einen oder anderen Punkt ein schärferer Blick – natürlich unter Bewahrung der Meinungsfreiheit – auf die Medienberichterstattung geworfen würde. Stichwort Unschuldsvermutung und Berichterstattung über Wirtschaftsstraffälle – und da rede ich jetzt nicht vom prominentesten Fall –: Bis man vor dem Richter steht, steht es in der öffentlichen Meinung schon 0 : 4. Wie gesagt, das ist nur die öffentliche Meinung. Natürlich sind die Richter unbefangen. Trotzdem, glaube ich, gibt es hier noch einiges nachzudenken.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort. Ich bitte nun Frau Bundesrätin Winkler um ihre Frage.
†Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Herr Mag. Suppan, herzlichen Dank vonseiten meiner Fraktion und von mir für Ihre Bewerbung! Das ist eine sehr schöne Überleitung zu meiner Frage: Ich gebe Ihnen recht in Ihrer Ansicht, die Sie in Ihrem End-Statement vermittelt haben, sie deckt sich sehr stark auch mit meiner. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die Pressefreiheit einer der wichtigsten Eckpfeiler unserer Demokratie ist. Und aus diesem Grund und aus dieser Sichtweise heraus darf ich Sie bitten, mir zu schildern, welches Erkenntnis des VfGH zur Pressefreiheit Ihrer Meinung nach das bedeutendste war.
Mag. Werner Suppan: Ich glaube, der Verfassungsgerichtshof war eigentlich in den letzten Jahren nicht so strapaziert mit den Einengungen, das hat sich eher beim Obersten Gerichtshof abgespielt – Hausdurchsuchung beim ORF und solche Fragen. Ich gebe Ihnen recht, da ist es ganz entscheidend, dass die Pressefreiheit hochgehalten wird. Verfassungsrechtlich sind, glaube ich, eher die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus Straßburg für Österreich entscheidend gewesen seit den Fällen Lingens und so, wo aufgemacht wurde für die Meinungsäußerungsfreiheit, für die kritische Analyse von öffentlichen Vorgängen. Dieser Weg ist natürlich unumkehrbar, und das ist gut so. Kritischen Journalismus darf und muss es geben.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für die Antwort.
Ich bitte Herrn Bundesrat Sperl um seine Frage.
Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Herr Mag. Suppan, meine Frage geht ein bisschen in die andere Richtung, vielleicht mehr auf uns bezogen: Welchen Stellenwert hat für Sie der Bundesrat als Zweite Kammer im Parlament?
Mag. Werner Suppan: Ich möchte vorwegschicken: Auch wenn ich ein Wiener Anwalt bin, bin ich gebürtiger Kärntner und weiß, wie das mit der Bundeshauptstadt und dem Föderalismus ist, auch aus früherem Erleben. Unsere Republik ist zweimal von den Bundesländern gegründet worden, das hat schon ganz große Bedeutung. Sie ist nicht von oben gegründet worden, sondern sie ist von den Bundesländern gegründet worden, und insofern halte ich es für ganz wesentlich, dass die Relevanz der Bundesländer auch in der Verfassung ihre Abbildung findet, wie sie auch jetzt gegeben ist. Dass man das natürlich weiterentwickeln kann, ist eine Frage des Gesetzgebers, also von Ihnen und dem Nationalrat. Aber ich glaube, eine bundesstaatliche Verfassung, wie wir sie haben, tut dem Land grundsätzlich gut. Und wenn man daraus noch Effizienzen hebt, tut es ihm noch besser.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für die Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Vielen Dank auch meinerseits für Ihre Bewerbung. Sie sind ja wirklich vielfältig aktiv und waren auch seinerzeit beim Wiener Landesparteivorstand der ÖVP aktiv. Mich würde interessieren, ob Sie aktuell irgendwelche Funktionen in der ÖVP innehaben.
Mag. Werner Suppan: In einer politischen Partei nicht, das geht ja auch nicht als Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes, also habe ich keine. Ich habe aber auch die Zeit als Bezirksrat in Ottakring sehr spannend gefunden, sage ich dazu, auch wenn das nicht mit Ihrer Tätigkeit vergleichbar ist, aber es ist doch eine Schnittstelle von Bürgeranliegen, Recht und Vertretung. Diese Zeit möchte ich nicht missen.
Ich sage aber dazu: Ich bin auch Mitglied beim ÖAMTC, bin auch Mitglied beim Alpenverein, jeder von uns steht irgendwo. Ich glaube, Sie haben in der Bundesverfassung sehr klare Regeln aufgestellt, was sein darf und was nicht, und selbstverständlich sehe ich auch eine Funktion im Verfassungsgerichtshof als eine, die mit absoluter inhaltlicher und sachlicher Unabhängigkeit verbunden sein muss.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Antworten und wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Tag.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Ulrich Tauböck, in den Saal bitten.
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Tauböck, LL.M.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Dr. Tauböck, ich darf Sie recht herzlich begrüßen. Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin, dass Sie wie alle Bewerber für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. – Ich bitte um die Ausführungen.
Dr. Ulrich Tauböck, LL.M.: Herzlichen Dank! Ich würde mich gerne anhand von drei ganz konkreten Argumenten vorstellen und bei dieser Gelegenheit auch begründen, warum ich glaube, dass ich für die Rolle des Verfassungsrichters ganz hervorragend geeignet wäre. Ich glaube nämlich, dass der Verfassungsrichterkandidat, den Sie in ein paar Tagen dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorschlagen werden, drei wichtige Voraussetzungen erfüllen sollte, damit das eine wirklich gute Entscheidung ist.
Die erste Voraussetzung ist, dass sich der zukünftige Verfassungsrichter in seiner bisherigen Tätigkeit zumindest in einem gewissen Rahmen schon einmal ganz fundiert mit dem Verfassungsrecht auseinandergesetzt haben muss. Ich glaube, wenn jemand zum ersten Mal aus Anlass der Bewerbung mit dem Verfassungsrecht befasst ist, ist es schwer nachvollziehbar, dass man denjenigen oder diejenige auswählt, und ich glaube, das wäre einfach nur die zweitbeste Entscheidung.
Ich für meinen Teil war zwischen 1999 und 2003 Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, habe daher bei Professor Raschauer, bei dem ich war, aber natürlich auch über die vielen Kollegen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, das Verfassungsrecht von der Pike auf gelernt, habe sozusagen ein gutes Rüstzeug mitbekommen, habe auch zu verfassungsrechtlichen Fragen dissertiert, die Dissertation ist auch mit Sehr gut beurteilt worden. Ich glaube, diese erste Voraussetzung erfülle ich. Ich denke, dass ich ein sehr gutes grundverfassungsrechtliches Rüstzeug für diese Rolle mitbringen würde.
Die zweite Voraussetzung ist, dass ich glaube, dass der zukünftige Verfassungsrichter generell ein Jurist mit herausragenden Qualifikationen sein muss. Das darf kein durchschnittlicher Jurist sein, sondern das muss jemand sein, der in seinem bisherigen Werdegang auch ganz nachvollziehbar schon unter Beweis gestellt hat, dass er aus der Masse herausragt. Was spricht unter diesem Gesichtspunkt für mich? – Ich habe unter den Top-1-Prozent meines Jahresgangs das Diplomstudium beendet. Ich habe wie gesagt mit Sehr gut die Dissertation absolviert, meine Rechtsanwaltsprüfung ebenfalls mit Sehr gut. Ich habe mir für mein Postgraduate-Studium die Harvard Law School ausgesucht, eine der renommiertesten der Welt, und auch die Zulassung zu dieser Uni ist so anspruchsvoll, dass natürlich nur ein kleiner Teil der Bewerber überhaupt die Gelegenheit bekommt. Für die zweite größere berufliche Station habe ich mir eine Wirtschaftsrechtskanzlei ausgesucht, Freshfields Bruckhaus Deringer, eine Kanzlei, die sicher in einem Topsegment der Rechtsberatung in Österreich tätig ist. Warum behaupte ich das?
Sie werden wahrscheinlich viele Kandidaten hören, die sagen, dass sie besondere Leistungen erbracht haben. Ich glaube, das kann man einfach auch dadurch begründen, dass diese Kanzlei wirtschaftlich seit Jahren zu den erfolgreichsten zählt, und ich glaube, ohne die Qualität in der Rechtsberatung würde man sich auch nicht dauerhaft in dieser Rolle halten.
Was habe ich inhaltlich in meiner Zeit bei Freshfields gemacht? – Ich habe mich mit unternehmensrechtlichen, wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen beschäftigt, mit großen Unternehmenstransaktionen. Wenn ich vielleicht zwei nennen darf: Ich habe beispielsweise die Übernahme der Bank Austria durch die UniCredit rechtlich betreut und auch den Erwerb der Austrian Airlines durch die Lufthansa-Gruppe, also recht große Transaktionen in diesen spannenden knapp acht Jahren von 2004 bis 2012 bei Freshfields. Ich denke, das sind auch recht gute Belege dafür, dass ich diese zweite Voraussetzung, die ich glaube, die ein neuer Verfassungsrichter mitbringen müsste, recht gut erfülle.
Abschließend zur dritten Voraussetzung: Ich meine, dass jedes professionelle Personalmanagement bei der Zusammensetzung von Teams darauf achten muss und auch darauf achtet, dass eine gewisse Diversität sichergestellt ist. In allen möglichen Gesichtspunkten muss sichergestellt sein, dass die einzelnen Teilnehmer eines Teams unterschiedliche Fähigkeiten einbringen und einander gut ergänzen.
Mir sind natürlich die Ernennungsvoraussetzungen vollkommen bewusst und dadurch auch der Schwerpunkt, der sich in der öffentlichen Verwaltung, in einem öffentlichen Dienst generell bei den Universitätsprofessoren ergibt. Aber ich glaube, dass ich hier Zusätzliches beitragen könnte. Ich bin seit 2012 bei der OMV, also beim größten österreichischen Industriekonzern, für die rechtliche Betreuung aller Vorstands- und auch Aufsichtsratsthemen verantwortlich. Ich mache das mit meinem Team und habe dementsprechend, glaube ich, einen Einblick in wirtschaftliche Themen, einen Einblick, in einer Detailtiefe, gleichzeitig in einer Breite, den man sonst auch als Anwalt hat, der natürlich immer mehrere Klienten zu betreuen hat, den kaum jemand mitbringt.
Ich glaube, dass ich mit dieser Erfahrung aus allererster Hand über doch einige Jahre, wie Dinge in einem großen, professionell gemanagten international tätigen Unternehmen laufen, zusätzliche Perspektiven in die Arbeit am Gerichtshof einbringen könnte, die vielleicht noch nicht in dieser Art am Gerichtshof vertreten sind.
Zusammenfassend glaube ich, dass ich das verfassungsrechtliche Rüstzeug mitbringe, dass ich auch gute Belege habe, dass ich bisher aus dem Durchschnitt herausgeragt habe und auch die Teamzusammensetzung am VfGH durch zusätzliche Perspektiven erweitern könnte.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Ausführungen. Ich bitte Sie, nun für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun ersuchen, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Bitte stellen Sie pro Fraktion und Kandidat nicht mehr als eine Frage und verwenden Sie das Mikrofon.
Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler, bitte um Ihre Frage.
†Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Dr. Tauböck, vielen Dank für Ihre Vorstellung und Präsentation vonseiten meiner Fraktion. Es war sehr beeindruckend, wie Sie uns das dargestellt haben.
Meine erste Frage: Weil Sie die OMV erwähnt haben, würde mich interessieren: Warum haben Sie sich entschlossen, sich aus diesem großen Gefüge OMV weiterzuentwickeln und Verfassungsrichter zu werden?
Und die zweite Frage, die ich natürlich als Vertreterin einer Länderkammer stelle: Wie stehen Sie zum Föderalismus und zur Subsidiarität und auch zu den Länderinteressen, Ländergesetzen et cetera? – Danke.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich bitte um Ihre Antwort.
†Dr. Ulrich Tauböck, LL.M.|: Warum habe ich mich weiterentwickelt? – Ich glaube, das ist kein Geheimnis: Wenn man sich als junger Jurist am Anfang einer Laufbahn mit dem Verfassungsrecht beschäftigt, verfolgt man natürlich die Entwicklungen, auch wenn man etwas anderes macht. Die Tätigkeit bei der OMV ist absolut spannend, sie macht mir großen Spaß. Aber als es jetzt die Gelegenheit gegeben hat, dass Positionen für die Rolle eine Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes ausgeschrieben sind, habe ich gedacht, dass ich einfach mit diesem zusätzlichen Blickwinkel, den ich einbringe, vielleicht auch etwas zusätzlich zur Entscheidungsfindung beitragen kann. Das war einfach das alte Steckenpferd, das sich dann hier aus der Gelegenheit ergeben hat.
Zur zweiten Frage Föderalismus, Subsidiarität, Landesgesetze: Ich kenne das Thema natürlich auch ein bisschen über meine Dissertation. Mein Dissertationstitel war „Landesgesetzlich geregeltes Wirtschaftsrecht“, also habe ich mich gerade mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben beschäftigt, die für den Landesgesetzgeber gelten. Ich habe mich da schon auch mit dem Thema intensiver befasst und habe natürlich eine große Sympathie, weil mir das auch großen Spaß gemacht hat, für den Gedanken, den ich auch unterstreiche, dass die Länder in vielen Fragen an den Wünschen und Bedürfnissen der Bürger viel näher dran sind.
Auf der anderen Seite muss man auch berücksichtigen, dass gerade durch die dritte Rechtsetzungsebene der Europäischen Union die Luft in gewissen Bereichen dünn wird, und ich glaube schon, dass es auch im Rahmen der bestehenden Verfassung noch Möglichkeiten gäbe, ohne das Gefüge komplett über den Haufen zu werfen, dass man die Kompetenzen etwas bereinigen könnte. Zum Beispiel dieses Konzept der Grundsatzgesetzgebung ist, glaube ich, eines, wo man schon auch noch Synergien heben könnte, würde man in der Wirtschaft sagen. Also ich denke, es hat seine Berechtigung. Die Nähe am Bürger ist ein ganz wichtiges Element und sollte auf keinen Fall aufgegeben werden. Aber ein kleines Feintuning in manchen Detailbereichen, glaube ich, könnte der Sache dienlich sein.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Winkler um ihre Frage.
Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Herr Dr. Tauböck! Herzlichen Dank von meiner Seite für Ihre Bewerbung und Ihre durchwegs sehr beeindruckende Expertise, die Sie uns dargestellt haben.
Wir haben heute schon sehr viele auch kritische Bemerkungen zu gewissen Neuerungen in verfassungsrechtlicher Hinsicht gehört. Ich würde Sie bitten, mir Ihre Sicht zu sagen: Was war die bedeutendste Neuerung der letzten zehn Jahre auf diesem Gebiet?
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Bitte um Ihre Antwort.
Dr. Ulrich Tauböck, LL.M.: Darf ich kurz rückfragen, die bedeutendste Neuerung in der verfassungsrechtlichen Entwicklung? – Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Länderebene, also die Wandlung der UVS in diese Landesverwaltungsgerichte, ist aus meiner Wahrnehmung der größte Schritt gewesen, der in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat. Da möchte ich aber auch gleich dazusagen, weil Sie vorhin die Kritik angesprochen haben: Ich halte das für einen sehr gescheiten Schritt, einen sehr guten Schritt, und was ich bisher mitbekommen habe, gibt es den einen oder anderen Anknüpfungspunkt natürlich auch jetzt und auch schon davor. Ich denke, die Landesverwaltungsgerichte machen auch eine sehr, sehr gute Arbeit.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte nun Frau Bundesrätin Mühlwerth um ihre Frage.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Die Gerichtshöfe sind ja alle von besonderer Bedeutung, sind also besondere Entscheidungsträger, der VfGH, der Europäische Gerichtshof, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Da würde mich jetzt interessieren: Wie sehen Sie das Verhältnis zueinander und wie soll sich das künftig weiterentwickeln?
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Bitte um Ihre Antwort.
†Dr. Ulrich Tauböck, LL.M.: Ich sage es nicht nur deshalb, weil es hier um diese Rolle geht, aber ich glaube, der Verfassungsgerichtshof hat hier schon eine Sonderstellung. Das Sessionensystem und die Ausgestaltung als Nebentätigkeit ermöglichen es einfach, auch während einer Tätigkeitsperiode als Richter zusätzliche neue Erfahrungen einzubringen. Ich glaube, dass hier der Verfassungsgerichtshof sicher bei den österreichischen Gerichtshöfen schon bisher eine Vorreiterrolle einnimmt und auch in Zukunft einnehmen wird.
Natürlich hat sich das seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union etwas gewandelt, weil die europäischen Instanzen mit der unmittelbaren Anwendung oft auch beginnen, den Takt für die Rechtsprechung vorzugeben. Wenn man sich die Grundrechtsjudikatur anschaut – gut, das ist eh schon ein alter Hut –, hat sich eine sehr zurückhaltende Interpretation, die ja der VfGH früher getätigt hat, durch den EGMR und die europäischen Instanzen, die Menschenrechtskonvention weiterentwickelt. Ich glaube, das ist sicher auch ein Trend, der in Zukunft weiter voranschreiten wird. Innerhalb von Österreich, traue ich mich, zu sagen, kommt über den VfGH da recht wenig.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antworten und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
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Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Notar Dr. Michael Umfahrer, in den Saal bitten.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Dr. Umfahrer! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen. Ich weise darauf hin, dass Sie – wie alle Bewerber – für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben, und bitte Sie, zu beginnen.
Dr. Michael Umfahrer: Vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit geben, meine Bewerbung hier zu erläutern und mich auch persönlich vorzustellen.
Soweit ich das überblicke, bin ich der einzige Notar unter den Bewerbern. Daher habe ich mir gedacht, ich möchte in einem ersten Punkt ein bisschen die Besonderheiten herausarbeiten, die diesen rechtsberatenden Beruf auszeichnen, soweit Sie mir für die Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle von Bedeutung erscheinen.
Der Notar arbeitet prinzipiell unparteiisch, er ist allen Parteien an einem Rechtsgeschäft verpflichtet und hat vor allem die Rechtsfürsorge im Zentrum seiner Überlegungen zu haben. Die Unparteilichkeit soll also dazu dienen, dass – vereinfacht gesprochen – jeder zu dem kommt, was ihm zusteht, und nicht Interessen von einem gegen den anderen durchgesetzt werden.
Wie setzen wir Notare das in der Praxis um? – Es funktioniert so, dass alle Parteien an einen Tisch gesetzt werden. Es wird durch Rechtsberatung, Aufklärung Problembewusstsein geschaffen, strittige Fragen kommen auf den Tisch, und man findet eine Lösung. Diese gefundene Lösung wird dann von mir als Notar mit den rechtlichen Mitteln gesichert, und zwar geschieht das durch Urkunden, durch Vertragsgestaltung. Auch vollstreckbare Urkunden, die wir als Notare errichten können, dienen dazu; und treuhändige Abwicklung sichert entsprechende Geldleistungen.
Das Ziel, das dabei immer vor Augen steht, ist, Rechtsfrieden zu schaffen und letztlich künftige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.
Eine zweite Besonderheit, die in dem Kontext interessant ist, ist die Tätigkeit als Gerichtskommissär. Wir führen gerichtliche Verlassenschaftsverfahren als gerichtliche Organe, sozusagen als verlängerter Arm der Justiz. Diese Tätigkeit ist von denselben Zielen getragen, wie ich sie oben skizziert habe.
Ich selbst – ich komme jetzt zu meiner Person – bin seit über 30 Jahren Angehöriger dieses Berufsstandes, seit 20 Jahren selbständiger Notar. Ich arbeite auf allen Gebieten, die dem Notariat zugewiesen sind, also Liegenschaftsrecht, Ehe-, Erbrecht und Familienrecht. Freilich ist mein Spezialgebiet, wie Sie in meiner schriftlichen Bewerbung sehen können, das Unternehmens- und Gesellschaftsrecht in allen Spielarten, einschließlich Umgründungsrecht und Fragen der Unternehmensnachfolge.
Ich führe dazu auch die dazugehörigen Verwaltungsverfahren, denken Sie beispielsweise an Gewerbeverfahren, Grundverkehrsverfahren oder die entsprechenden Steuerverfahren. Gelegentlich gibt es auch Anlass, wichtige Rechtsfragen zur Sicherung der Anspruchsgrundlagen vorweg vor den Höchstgerichten zu klären. Dazu sind Rechtsmittel an die Höchstgerichte, VfGH, OGH und VwGH von mir zu verfassen.
In letzter Zeit habe ich mich immer stärker auch auf die verfassungsrechtlichen Fundamente der Tätigkeit besonnen, weil ich glaube, dass das Verfassungsrecht nicht nur eine Domäne des öffentlichen Rechts ist, sondern auch das Zivilrecht speziell im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht wichtige Bedeutung besitzt. Daher würde ich mich in Zukunft gerne noch stärker mit dieser Frage im Rahmen einer Tätigkeit als Verfassungsrichter beschäftigen.
Neben meiner beruflichen Tätigkeit bin ich auf dem Gebiet Unternehmens-, Gesellschaftsrecht literarisch tätig, halte auf diesen Gebieten auch Vorträge und Seminare, bin mit Lehraufträgen am Juridicum der Universität Wien und an der WU laufend ausgestattet.
Was vielleicht auch noch von Bedeutung für die ausgeschriebene Stelle ist, ist meine vielfältige Tätigkeit in Kollegialorganen meiner Standesvertretung, die mir die Möglichkeit bietet, die Erfahrung zu bekommen, wie in Kollegialorganen gearbeitet wird, wie beraten wird, wie es zur Entscheidungsfindung kommt.
Last, not least habe ich auch Tätigkeit auf Rechtsprechungsebene vorzuweisen. Ich war nämlich eine Zeit lang fachkundiger Laienrichter in Arbeits- und Sozialrechtssachen am Obersten Gerichtshof.
Ich komme zum Schluss und möchte noch einmal die fünf Punkte zusammenfassen, die aus meiner Sicht dafür sprechen, dass Sie mich dem Herrn Bundespräsidenten zur Ernennung vorschlagen. Erstens: Ich bin unparteiliches Arbeiten in Kollegialorganen gewohnt. Zweitens: Ich bin persönlich völlig unabhängig, ich gehöre keiner politischen Partei an. Drittens: Ich würde den zivilrechtlichen Bereich im Allgemeinen und den Bereich des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts im Besonderen, der auf der Richterbank des VfGH aktuell unterrepräsentiert ist, erweiternd abdecken. Vierter Punkt: Ich würde im Fall meiner Ernennung alle meine erwähnten Standesfunktionen zurücklegen. Das würde zweierlei Vorteile schaffen, erstens, dass es zu keinen Interessenkollisionen kommen kann, und zweitens, dass dadurch zeitliche Kapazitäten frei würden, die ich zu 100 Prozent dem Gerichtshof zur Verfügung stellen würde, und daher auch als ständiger Referent zur Verfügung stünde. Fünfter und letzter Punkt, vielleicht auch einer der wichtigsten von meiner Person her: Nur durch meine Ernennung würde es zu der vom Bundesverfassungsrecht intendierten Erweiterung der Richterbank kommen, weil der Berufsstand der Notare aktuell auf der Richterbank überhaupt nicht vertreten ist.
In diesem Sinne hoffe ich, den Zeitrahmen nicht gesprengt zu haben. Ich danke für die Aufmerksamkeit und stehe für die Beantwortung Ihrer Fragen gerne zur Verfügung.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen und dafür, dass Sie nun für Fragen zur Verfügung stehen.
Die erste Frage stellt Frau Bundesrätin Junker. – Ich bitte darum.
Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Dr. Umfahrer! Sie erfüllen ja als Notar an und für sich alle Voraussetzungen, die für den Verfassungsgerichtshof vonnöten sind. In Ihren Ausführungen haben Sie auch erläutert, dass Sie in Ihrem Beruf ja schon ein sehr breites Spektrum bedienen. Für mich als Mitglied des Bundesrates und Verfechterin des Föderalismus stellt sich die Frage: Wie sehen Sie die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Föderalismus? Welcher Stellenwert kommt aus Ihrer Sicht dem föderalistischen Prinzip in unserem Staatsgefüge zu?
Dr. Michael Umfahrer: Der Föderalismus ist ja bekannterweise eine der Grundsäulen der österreichischen Verfassung, er gehört zu den Grundbausteinen. Der Verfassungsgerichtshof orientiert sich an diesen Grundprinzipien. Soweit ich die Judikatur überblicke und beobachten kann, wird das auch mitgetragen.
Ich denke, dass der Föderalismus in Österreich nicht nur eine gute Tradition hat, sondern auch von der verfassungsrechtlichen Seite her sehr, sehr gut abgesichert ist, wenn Sie an die verschiedenen Kompetenzbestimmungen denken. Ich glaube daher, dass die Frage des Föderalismus, was Änderungen anbelangt, keine ist, die den Verfassungsgerichtshof in irgendeiner Form bewegt, sondern dem Verfassungsgerichtshof eigentlich als Leitlinie für seine Entscheidungen im Sinne eines Grundbausteines der Verfassung dienen muss.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für die Antwort.
Ich bitte nun Frau Bundesrätin Winkler um ihre Frage.
Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Herr Dr. Umfahrer! Ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion für Ihre Bewerbung und auch für die durchwegs sehr umfangreiche Darstellung Ihrer Expertise, die sehr beeindruckend war.
Ich darf aber gleich zu meiner Frage kommen: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen dem VfGH und dem EuGH?
Dr. Michael Umfahrer: Die Frage der Zusammenarbeit zwischen VfGH und EuGH kann man so beantworten, dass sich da ja seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eine Änderung im Rechtsprechungsgefüge ergeben hat, in das sich aber nach meinem Dafürhalten der VfGH sehr, sehr gut eingegliedert hat. Daher entstehen da keinerlei Schwierigkeiten in der Rechtsprechung beziehungsweise irgendwelche Friktionen in der Anwendung der entsprechenden Rechtsgrundlagen, sondern da ist vielmehr ein sehr, sehr gutes und rechtssicheres Fundament entstanden, das uns in der Europäischen Union jetzt nun schon seit einer geraumen Zeit begleitet.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und bitte nun Herrn Bundesrat Schuster um seine Frage.
†Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Herr Doktor! Welche konkreten Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Verfassungsgerichtshof haben Sie bisher schon gesammelt?
†Dr. Michael Umfahrer: Ich habe schon erwähnt, dass ich in meiner Berufstätigkeit gelegentlich aus den Gründen, die ich genannt habe, unter anderem auch Verfassungsgerichtshofbeschwerden verfasst habe. Der Verfassungsgerichtshof hat aufgrund einer Beschwerde im Dezember vergangenen Jahres in der letzten Session ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet, das auf meine Beschwerde zurückgegangen ist, das zur Aufhebung des § 14 Bundesfinanzgerichtsgesetz geführt hat.
†Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort und bitte nun Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
†Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Auch meinerseits vielen Dank für Ihre Bewerbung! Sie haben die Antwort schon ein wenig vorweggenommen, meine Frage zielt nämlich darauf ab, ob Sie besondere Herausforderungen beim Verfassungsgerichtshof sehen, was das Europarecht und dessen Umsetzung anbelangt. Das haben Sie zum Teil schon beantwortet, ich stelle die Frage trotzdem.
Dr. Michael Umfahrer: Ich glaube, dass die Herausforderung darin besteht – wenn man es als Herausforderung sieht, und nicht als etwas, was ja grundsätzlich wünschenswert ist –, dass es eben durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu dieser Harmonisierung der Rechtssysteme gekommen ist oder laufend kommen muss. Daher muss natürlich auch die europäische Dimension bei allen Entscheidungen immer mitüberlegt werden.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke Ihnen für Ihre Antworten und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
*****
Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner, in den Saal bitten.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Herr Univ.-Prof. Dr. Perner, ich darf Sie recht herzlich begrüßen. Ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen und weise darauf hin, dass Sie – wie alle Bewerber – für Ihre Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten haben. Ich bitte Sie, mit Ihren Ausführungen zu beginnen.
Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal ganz herzlichen Dank für die Möglichkeit, meine Vorstellungen hier zu präsentieren und mit Ihnen darüber zu diskutieren, zumal Sie sich ja schon sehr viele Bewerberinnen und Bewerber anhören mussten und wahrscheinlich auch noch müssen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Durften!) – Durften, genau.
Daher ganz ohne Umschweife gleich zu meiner Person: Ich bin Professor für Zivilrecht an der Johannes Kepler Universität in Linz. Dort leite ich die Abteilung für Finanzmarktrecht und gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen seit ein paar Monaten auch das Zentrum für digitale Transformation und Recht. Meine ungefähr dreijährige Tätigkeit in Linz war natürlich nicht der Beginn meiner akademischen Tätigkeit. Davor war ich in Klagenfurt als Professor für Privatrecht an der Uni Klagenfurt tätig. Kärnten bin ich auch institutionell noch immer sehr eng verbunden, ich werde 2018 bis 2023 dem Universitätsrat angehören. Davor war ich während meiner Assistententätigkeit nicht unweit von hier am Juridicum. Dort habe ich mich dann 2012 für die Fächer Zivilrecht oder Bürgerliches Recht, Europarecht und Versicherungsrecht habilitiert.
Damit komme ich auch schon zum fachlichen Teil – Zivilrecht und Europarecht sind die beiden Stichworte –: Der Verfassungsgerichtshof ist bekannt dafür, dass es sich dabei um ein Gremium handelt, in dem verschiedene Sichtweisen, verschiedene Berufsgruppen – Anwälte, Richter, Notare, Professoren –, aber auch verschiedene Fachrichtungen aufeinandertreffen. Wir haben im Verfassungsgerichtshof Steuerrechtler, wir haben mit dem früheren Justizminister einen Strafrechtler, mit der jetzigen Präsidentin letztlich auch eine Strafrechtlerin am Verfassungsgerichtshof. Traditionell hatte auch das Zivilrecht einen ganz festen Platz am VfGH, man muss allerdings aus Professorensicht sagen: momentan einen unbesetzten Platz, denn seit dem Ausscheiden von Karl Spielbüchler ist aus Professorensicht niemand mehr aus dem Zivilrecht nachgerückt.
Das ist aus meiner Sicht schade. Wir kennen ja die vielen Entscheidungen in den letzten Monaten und Jahren, die zivilrechtliche Bestimmungen auf den Prüfstand des Verfassungsrechts stellen. Ich meine, da gibt es die Ehe für alle als prominentestes Beispiel, da gibt es sehr viele familienrechtliche Entscheidungen, ein gesellschaftspolitisch sehr wichtiges Gebiet. Es gibt aber auch Bereiche, die auf den ersten Blick aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts noch entlegener sind, würde ich jetzt einmal sagen, nämlich Verjährungsbestimmungen im Gewährleistungs- und im Schadenersatzrecht, die plötzlich auf ihre Verfassungskonformität geprüft werden, die Mietzinsobergrenzenbestimmungen oder das Anerbenrecht zum Beispiel.
Das Ganze hat natürlich auch einen Grund, nämlich die Gesetzesbeschwerde aus dem Jahr 2015, der Parteiantrag auf Normenkontrolle, der es eben der unterlegenen Partei in einem Zivilprozess in erster Instanz ermöglicht, in Wirklichkeit ihr Verfahren, also die Gesetze, die dabei angewendet wurden, vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen.
Neben dem Zivilrecht ist in meinem konkreten Fall auch noch das Europarecht das zweite Schlagwort, das ich Ihnen angekündigt hatte. Das Europarecht ist vom Verfassungsrecht aus zwei Gründen nicht mehr zu trennen. Erstens ist das Europarecht selbst zu einem Teil Verfassungsrecht. Das Europarecht besteht seit der Grundrechtecharta aus dem Jahr 2009, also dem Vertrag von Lissabon, aus europäischen Grundrechten, die seit einem Urteil des VfGH im Jahr 2011 zu einem großen Teil Teil des österreichischen Verfassungsrechts sind. Das heißt, Europarecht ist zu einem Teil Verfassungsrecht. Auf der anderen Seite ist Europarecht auch dort, wo es nicht Verfassungsrecht ist, jedenfalls einmal mit Anwendungsvorrang ausgestattet, und dieser Anwendungsvorrang bezieht sich auch auf Bestimmungen der österreichischen Bundesverfassung. Das heißt, Kenntnisse des Europarechts sind, glaube ich, ganz unverzichtbar.
Ich habe mich in meiner Habilitationsschrift sehr eingehend mit dem Verhältnis von europäischen Grundrechten und Privatrecht auseinandergesetzt, habe in England, in Deutschland, in Österreich in den maßgeblichen Institutionen vorgetragen. Das heißt also, Europarecht hat aus meiner Sicht auch einen ganz fixen Platz am Verfassungsgerichtshof. – Das waren jetzt die fachlichen Beweggründe.
Vielleicht noch kurz zu meiner persönlichen Motivation: Ich habe es vorhin gesagt: Der VfGH ist ein Gremium wie ein Melting Pot, wo sich eben verschiedene Sichtweisen treffen und verschmelzen. Das sind verfassungsrechtliche Fragen, die natürlich oft nicht von verfassungspolitischen oder von gesellschaftspolitischen Fragen zu trennen sind – die Ehe für alle ist dafür wieder ein gutes Beispiel. Das ist auch gut so, das ist auch in Ordnung, es sollten aber aus meiner Sicht möglichst parteipolitische Fragen herausgehalten werden. Diese parteipolitischen Fragen zeigen sich dann natürlich schon bei der Besetzung. Die sollte verfassungsrechtlich, die sollte durchaus auch verfassungs- und gesellschaftspolitisch sein, aber, wie ich glaube, nicht parteipolitisch. Warum? – Ab dem Zeitpunkt der Bestellung ist der Richter, ist die Richterin mit allen Garantien ausgestattet, niemandem mehr außer der Bundesverfassung verantwortlich, das heißt also, auch keiner Partei verantwortlich. Damit sollte man den Selektionsprozess auch so vornehmen, wie dann später die Qualifikation aussehen soll, nämlich am Maßstab der Bundesverfassung.
Ich bin in dieser Hinsicht insofern unverdächtig, als ich keiner politischen Partei angehöre und auch kein besonderes Naheverhältnis habe. Meine Vernetzung beschränkt sich auf die Professorentätigkeit an verschiedenen österreichischen Universitäten. Ich fühle mich also nur der Bundesverfassung verpflichtet, wenn man so möchte, und freue mich in diesem Sinn auf die Diskussion und vor allem auf Ihre Fragen. – Vielen Dank.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für Fragen zur Verfügung zu stehen.
Ich darf die Damen und Herren Bundesräte nun ersuchen, sich per Handzeichen zu melden und ihre Fragen zu stellen. Bitte stellen Sie pro Fraktion und Kandidat nicht mehr als eine Frage und verwenden Sie die Mikrofone.
Ich darf Herrn Bundesrat Brunner bitten, seine Frage zu stellen.
Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Danke, Herr Professor, für Ihre Darstellungen und Ihre Präsentation. Nicht erst bei der Entscheidung zur Bundespräsidentenwahl war Transparenz bei der Entscheidungsfindung innerhalb des Kollegiums im Verfassungsgerichtshof wieder ein Thema. Wie ist Ihre Meinung dazu, insbesondere natürlich zum Thema Dissenting Opinion?
Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner: Die Frage hätte ich eigentlich auch beim Nationalrat erwartet, weil sie natürlich für Ausrichtung und Steuerung des Verfassungsgerichtshofes ganz wichtig ist, des Gremiums, des Höchstgerichtes an sich. Ich meine, dass man da zwei Fragen voneinander unterscheiden soll. Die eine Frage ist die der Qualität der Entscheidungen selbst und die andere Frage ist die des politischen Willens: Inwiefern möchte ich, dass das Gremium nach außen als Einheit steht? – Wenn wir uns das ansehen, gibt es einen Grund für Dissenting Opinions und einen Grund dagegen.
Der Grund für die Dissenting Opinion ist, dass aus meiner Sicht sicher die Qualität der Entscheidung gesteigert wird, wenn die Möglichkeit besteht, die Person nicht nur zu überstimmen, sondern wenn man zugleich auch im Hinterkopf haben muss: Da wird jemand auch seine Gründe veröffentlichen, das wird transparent gemacht werden, und ich werde mit meiner Entscheidung vor dieser Dissenting Opinion bestehen müssen. Das kann aus meiner Sicht die Qualität nur heben.
Auf der anderen Seite ist das klassische Gegenargument, dass der Gerichtshof, das Höchstgericht mit einer Stimme sprechen soll. Die Entscheidung soll nach außen eine einheitliche sein, wie wir das ja bei vielen anderen entscheidenden Gremien auch kennen.
Aus meiner Sicht liegen die Argumente am Tisch, die Frage ist, wie man sie bewertet. Ich finde, dass die Qualität der Entscheidung immer im Vordergrund stehen muss. Ich hätte nichts gegen eine Dissenting Opinion einzuwenden, halte das System für grundsätzlich gelungen und glaube, es würde den Diskurs noch weiter stärken. – Ich bin dafür.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Winkler um ihre Frage.
Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Professor, ich darf Ihnen versichern, dass dieser Vormittag für mich und, wie ich denke, auch für alle meine Kollegen ein sehr spannender war. Insofern bedanke ich mich für Ihre Bewerbung.
Ich darf an Sie folgende Frage richten: Was war für Sie das bedeutendste Erkenntnis des VfGH in der letzten Zeit?
Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner: Das Bedeutendste? – Ich möchte jetzt nicht inhaltlich in der Form werten, dass ich sage, dass ich dafür bin oder gegen dieses Erkenntnis stehe, sondern aufgrund der gesellschaftspolitischen Bedeutung, denke ich, kann man – auch sozusagen fachlich Äquidistanz wahrend – aus verschiedenen Gründen zwei Erkenntnisse hervorheben.
Auf der einen Seite haben wir natürlich das Erkenntnis zur Aufhebung der Bundespräsidentschaftswahl. Ich meine, in wenigen Fällen ist ein Erkenntnis des VfGH auf der einen Seite so antizipiert und so erwartet worden, auf der anderen Seite hatte es dann solche Auswirkungen, dass man gesehen hat, dass ein solcher Fehler tatsächlich eine Präsidentschaftswahl zur Wiederholung bringen kann. Das war natürlich eine Breitenwirksamkeit, die den VfGH als solchen vermehrt in die Diskussion gebracht hat, wie das seit den Ortstafeln nicht mehr geschehen ist. Das heiß also, diese Wahl und deren Anfechtung war sicher ein wichtiges Erkenntnis, ich glaube auch, dass man zu diesem Erkenntnis gut stehen kann.
Auf der anderen Seite – da spreche ich ein bisschen als Vertreter meines Faches – war es natürlich die Entscheidung zur Ehe für alle. Ich meine damit gar nicht, dass man jetzt aus verfassungsrechtlicher Sicht zwingend sagen muss, dass es sich um eine Verschiedenbehandlung oder um eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung handelt, wie das der Verfassungsgerichtshof ja begründet hat. Das kann man sicher vertreten, das muss man aber nicht vertreten. Da hat man aber sehr gut gesehen, dass die Trennlinie zwischen Verfassungsrecht und Verfassungspolitik eine ist, die der Verfassungsgerichtshof auch zu wahren bemüht ist, dass nicht alles, was man schlecht findet, auch an den Verfassungsgerichtshof zu tragen ist, sondern vieles eben vom Gesetzgeber zu regeln ist.
Wir hatten im Nationalrat zum Beispiel die Frage nach der Verfassungswidrigkeit des Gebührengesetzes. – Die wurde nicht einem Notar gestellt, sondern mir; das ist ein Zeichen für die amikale Atmosphäre bei diesen Hearings. – Da ist es eben so, dass es sein kann, dass mir etwas nicht gefällt, dass ich etwas als ungerecht empfinde, aber es muss nicht gleich verfassungswidrig sein. Der Verfassungsgerichtshof hat die Aufgabe, wirklich die äußerste Schranke zu ziehen.
Von daher würde ich sagen: Aufhebung der Bundespräsidentschaftswahl auf der einen Seite und Ehe für alle auf der anderen Seite.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort.
Ich bitte nun Herrn Bundesrat Schuster um seine Frage.
Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Professor Perner! Ich komme wieder zum Bundesrat zurück und hätte folgende Frage: Welche zusätzlichen Kompetenzen könnten Sie sich für den Bundesrat vorstellen, um seine Position zu stärken?
Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner: Die Stärkung der Kompetenzen liegt in verfassungsrechtlicher Hinsicht seit Jahren und Jahrzehnten auf der Hand. Sie wissen natürlich, dass Sie beim Gesetzgebungsverfahren eine ganz wichtige Rolle spielen, auf der anderen Seite, wenn man das so matt sagen darf, auch vom Nationalrat overruled werden können. Man kann sich natürlich vorstellen, dass beispielsweise Beharrungsbeschlüsse, das ganze Prozedere bei der Gesetzwerdung, im Vorfeld einer strengeren Kontrolle oder – man kann es auch positiv formulieren – einer größeren Mitwirkung des Bundesrates unterzogen werden.
Das sind Diskussionen, die unter Rechtswissenschaftlern, unter Staatswissenschaftlern natürlich schon seit Langem geführt werden. Es ist eine Frage des politischen Willens – selbstverständlich! –, es ist auch eine Frage, wie sehr diese Anliegen von den einzelnen Gremien vertreten werden, aber um es auf den Punkt zu bringen: Ich glaube, dass die wichtigsten Agenden eben solche in der Gesetzgebung des Bundes selbst wären. Da müsste man schauen, dass man dem Bundesrat eine stärkere Position verschafft, als er sie derzeit innehat.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt: Ich danke für Ihre Antwort.
Ich bitte Frau Bundesrätin Dziedzic um ihre Frage.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Auch meinerseits vielen Dank für Ihre Bewerbung. Sie haben die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl auf der einen Seite, die Eheöffnung auf der anderen Seite angesprochen. Der Verfassungsgerichtshof wird sich sicher auch in Zukunft mit strittigen Themen beschäftigen – ich nenne nur das Demonstrationsrecht, womöglich das Überwachungspaket. Wo würden Sie die Herausforderungen der nächsten Jahre verorten? Womit, glauben Sie, wird sich ein Verfassungsrichter in den nächsten Jahren ganz intensiv beschäftigen müssen?
Univ.-Prof. Dr. Stefan Perner: Ich glaube, Sie haben schon ein sehr feines Sensorium für die Fragen, die sich stellen werden, gezeigt. Das sind zwei Bereiche, in denen es sehr wichtig sein wird, am VfGH auch die richtige Kompetenz, nämlich verfassungsrechtliche Kompetenz, zu verorten. Das sind nämlich Fragestellungen – ich rede jetzt nicht über das Zivilrecht –, die eben mit dem Bereich, den ich am Anfang kurz angesprochen habe, der digitalen Transformation, zu tun haben.
Wir haben viele Bereiche der Digitalisierung wie die selbstfahrenden Autos, wo man sagt: Die sind zwar technisch spannend, aber sie bringen in Wahrheit keine neuen Rechtsprobleme. Wir haben heute schon eine Gefährdungshaftung, die nicht an das Verschulden des Lenkers anknüpft, und das werden wir in weiterer Folge auch haben. Das sind in Wahrheit keine besonderen Fragen.
Aber es gibt natürlich – Cybercrime ist ein Beispiel, Big Data ist ein Beispiel – Bereiche, wo die Digitalisierung technische Möglichkeiten und dann auch rechtliche Reaktionen hervorruft, die ganz stark mit Grundrechtspositionen der Bürgerinnen und Bürger zu tun haben. Da ist Überwachung ein Beispiel, da sind Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch Überwachungsmaßnahmen und Ähnliches im Internet, in den sozialen Medien ein Beispiel. Da wird man schauen müssen, dass man als Gesetzgeber – weil eben durch den Verfassungsgerichtshof kontrolliert – die Balance findet zwischen auf der einen Seite notwendigen Einschränkungen, notwendigen Überwachungsmaßnahmen, während auf der anderen Seite in den Bereichen die Grundrechte nicht zu sehr eingeschränkt werden dürfen.
Wenn es neue technische Entwicklungen gibt, neigt man dazu, dass man gleich hergeht und sagt: Da müssen wir überwachen, da müssen wir kontrollieren, da müssen wir schauen, dass wir etwas dagegen tun. Auf der anderen Seite gibt es ja aber auch Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger, deren Position man eben angemessen achten muss. Das wird, glaube ich, eine große Herausforderung werden.
Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich danke Ihnen für Ihre Antworten auf unsere Fragen und wünsche Ihnen einen schönen Tag.
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Dies war unser letzter Bewerber. Ich danke für Ihre Mitwirkung.
Ich schließe die Sitzung.
Schluss der Enquete: 12.58 Uhr
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