
parlamentarische
Enquete
des Bundesrates
„Die Zukunft dezentraler Lebensräume“
Stenographisches
Protokoll
Mittwoch, 1. Juni 2022
Großer Redoutensaal
Parlamentarische Enquete des Bundesrates
Mittwoch, 1. Juni 2022
(XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)
Thema
„Die Zukunft dezentraler Lebensräume“
Dauer der Enquete
Mittwoch, 1. Juni 2022: 9.00 – 13.17 Uhr
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Tagesordnung
I. Eröffnung und Begrüßung
Vorsitzende Präsidentin des Bundesrates Mag. Christine Schwarz-Fuchs
II. Keynotes
„Die peripheren Regionen stärken“
Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler (Mitglied der Europäischen Kommission a. D.)
„Regionale Ausgestaltung von arbeitsmarktpolitischen Programmen“
Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
„Die Energiewende als Zukunftschance für die Regionen“
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA
III. Panel 1
„Vorarlberg – die progressive Provinz“
Mag. Harald Sonderegger (Präsident des Vorarlberger Landtages)
„Unsere Initiativen für eine starke Region“
Mag. Hans Peter Doskozil (Landeshauptmann von Burgenland)
„Stärken und Schwächen der österreichischen Regionen“
Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung)
IV. Panel 2 – Strategien für starke dezentrale Regionen
„Landkreis Cham/Bayerischer Wald – auf dem Weg zur Scientific Open Region“
Prof. Dr. Markus Lemberger (Hochschule für angewandtes Management, München)
„Neue Rahmenbedingungen für die regionale Wirtschaft“
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Sibylla Zech (Technische Universität Wien)
„Die regionalen Wirtschaftsstandorte stärken“
Kommerzialrat Matthias Krenn (Wirtschaftskammer Österreich)
„Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für regionale Entwicklung“
Mag. Brigitte Hütter, MSc (Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz)
V. Statements der Fraktionsvorsitzenden
VI. Schlussworte der Präsidentin
Vorsitzende Präsidentin des Bundesrates Mag. Christine Schwarz-Fuchs
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Inhalt
I. Eröffnung und Begrüßung ......................................................................................... 4
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs .......................................... 4
II. Keynotes ..................................................................................................................... 6
„Die peripheren Regionen stärken“
Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler .......................................................................................... 6
„Regionale Ausgestaltung von arbeitsmarktpolitischen Programmen“
Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ................................................................... 10
„Die Energiewende als Zukunftschance für die Regionen“
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................................... 12
III. Panel 1 ...................................................................................................................... 15
„Vorarlberg – die progressive Provinz“
Mag. Harald Sonderegger ............................................................................................ 15
„Unsere Initiativen für eine starke Region“
Mag. Hans Peter Doskozil ........................................................................................... 21
„Stärken und Schwächen der österreichischen Regionen“
Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD ............................................................. 25
Diskussion:
Bundesrat Martin Preineder ........................................................................................ 31
MEP Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG ...................................................................... 31
Bundesrat Bernhard Hirczy ........................................................................................ 32
MEP Hannes Heide ....................................................................................................... 34
Abg. Martina Diesner-Wais ......................................................................................... 35
Silvia Karelly ................................................................................................................. 35
Bundesrätin Andrea Kahofer ...................................................................................... 36
Dr. Hatto Käfer .............................................................................................................. 37
Christoph Thoma .......................................................................................................... 38
Abg. Joachim Schnabel ............................................................................................... 39
IV. Panel 2 – Strategien für starke dezentrale Regionen ......................................... 40
„Landkreis Cham/Bayerischer Wald – auf dem Weg zur Scientific Open Region“
Prof. Dr. Markus Lemberger ........................................................................................ 40
„Neue Rahmenbedingungen für die regionale Wirtschaft“
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Sibylla Zech .............................................................................. 43
„Die regionalen Wirtschaftsstandorte stärken“
Kommerzialrat Matthias Krenn ................................................................................... 45
„Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für regionale Entwicklung“
Mag. Brigitte Hütter, MSc ............................................................................................ 48
V. Statements der Fraktionsvorsitzenden ................................................................. 51
Bundesrat Dr. Peter Raggl .......................................................................................... 51
Bundesrätin Korinna Schumann ................................................................................ 52
Bundesrat Josef Ofner ................................................................................................ 54
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................ 55
Diskussion:
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................... 57
Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster ......................................................................... 57
Abg. Clemens Stammler .............................................................................................. 58
Bundesrat Ferdinand Tiefnig ...................................................................................... 59
Bundesrat Stefan Schennach ..................................................................................... 60
Bundesrätin Barbara Tausch ...................................................................................... 60
Bundesrat Günter Kovacs ........................................................................................... 61
Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA ............................................................................. 62
Christoph Thoma .......................................................................................................... 64
VI. Schlussworte der Präsidentin ............................................................................... 64
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ........................................ 64
Beginn der Enquete: 9 Uhr
Vorsitzende: Präsidentin des Bundesrates Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Vizepräsident des Bundesrates Günther Novak, Vizepräsidentin des Bundesrates Sonja Zwazl.
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Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Ich eröffne die Enquete des Bundesrates zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ und danke Ihnen, dass Sie der Einladung so zahlreich gefolgt sind.
Ich darf alle Anwesenden sehr herzlich willkommen heißen. Mein besonderer Gruß gilt den Referentinnen und Referenten dieser Enquete – in der Reihenfolge ihres Auftretens –: Herrn Kommissar a. D. Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler, Herrn Bundesminister für Arbeit und Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Martin Kocher sowie Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA, Herrn Mag. Harald Sonderegger, Landtagspräsident von Vorarlberg, Herrn Mag. Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann vom Burgenland, Herrn Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, Herrn Prof. Dr. Markus Lemberger von der Volkswirtschaftslehre München, Frau Univ.-Prof.in Dipl.-Ing.in Sibylla Zech von der TU Wien, Herrn Bürgermeister Kommerzialrat Matthias Krenn von der Wirtschaftskammer Österreich und Frau Mag.a Brigitte Hütter, MSc von der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Ich bedanke mich bei Ihnen allen sehr herzlich für Ihren Beitrag zu dieser parlamentarischen Enquete.
Mein besonderer Gruß gilt weiters Landtagspräsidentin Verena Dunst aus dem Burgenland, dem Dritten Landtagspräsidenten Josef Lobnig aus Kärnten, Dr. Hatto Käfer als Vertreter der Europäischen Kommission, Landesstatthalterin Dr. Barbara Schöbi-Fink, Landeshauptmannstellvertreterin aus Vorarlberg, Landesrat Dr. Leonhard Schneemann aus dem Burgenland, Landesrätin Mag.a (FH) Daniela Winkler aus dem Burgenland, Landesrat Johann Seitinger aus der Steiermark, dem Vizepräsidenten des Bundesrates Günther Novak, der Vizepräsidentin des Bundesrates Sonja Zwazl, der Fraktionsvorsitzenden Korinna Schumann, allen Mitgliedern des Bundesrates, des Nationalrates und der Landtage, den Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierungen und der Landtage, der Bundesministerien und der Sozialpartner sowie allen von den jeweiligen Institutionen namhaft gemachten Vertreterinnen und Vertretern, die als Expertinnen und Experten an der heutigen Enquete teilnehmen.
Ferner heiße ich auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich willkommen.
Es freut mich sehr, auch alle Zuseherinnen und Zuseher, die die Enquete auf ORF III beziehungsweise via Livestream im Internet verfolgen, herzlich begrüßen zu können.
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(Es folgen technische Mitteilungen in Bezug auf das Prozedere durch die Vorsitzende sowie der Hinweis, dass über diese Enquete ein Stenographisches Protokoll verfasst wird, das nach einiger Zeit im Internet unter www.parlament.gv.at abrufbar sein wird.)
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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zukunft dezentraler Lebensräume steht im Mittelpunkt meiner Präsidentschaft im Bundesrat. Schon meine Vorgängerinnen und Vorgänger haben den ländlichen Raum im Fokus ihrer Präsidentschaften gehabt. Das hat gute Gründe – unsere peripheren Regionen brauchen eine bessere Perspektive für die Zukunft.
Vor allem die Abwanderung, insbesondere von jungen Frauen, aus den ländlichen Gemeinden wirkt sich auf das gesamte Sozial- und Wirtschaftsgefüge negativ aus. Das oft unzureichende Angebot an Kinderbetreuung ist eine Ursache dafür. Es steht nicht nur dem Wunsch vieler junger Frauen, Familie und Beruf zu vereinbaren, im Wege, es führt auch dazu, dass sich viele junge Familien gezwungen sehen, aus den ländlichen in die städtischen Gebiete abzuwandern. Diese Entwicklung ist weder im Interesse der ländlichen Regionen noch in jenem junger Familien.
Zudem hat sich die Art und Weise, wie unsere Arbeit verrichtet wird, verändert. Viele Beschäftigte arbeiten öfters von zu Hause aus und benötigen dazu Breitbandinternet, das gerade in kleinen Gemeinden oft nicht zur Verfügung steht.
Auch stellen sich inzwischen mehr und mehr Menschen die Frage, ob die Zufriedenheit mit ihrem Job auch im richtigen Verhältnis zum persönlichen Einsatz steht. Besonders jüngere Beschäftigte äußern den Wunsch, ihr Familien- und Berufsleben besser in Einklang bringen zu können. Das ist gerade in kleinen Gemeinden am Land schwierig.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist aber zu einem wichtigen Faktor im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte geworden. Diese werden sich dort niederlassen, wo es eine gute Verkehrsverbindung gibt, Breitbandinternet zur Verfügung steht, eine gute Elementarbildung für Kinder angeboten wird und eine ganztägige Kinderbetreuung den Frauen die gleichen Chancen zur beruflichen Entwicklung wie den Männern bietet.
Der Fachkräftemangel hat negative Auswirkungen auf betroffene Betriebe, Branchen und Regionen sowie auf den gesamten Standort Österreich. Als zielführende Maßnahme gegen diesen Mangel wird von vielen Experten eine verstärkte Aus- und Weiterbildung, insbesondere im Bereich der Lehrlingsausbildung, angeführt.
Die Präsidiale des Bundesrates ist erst vor Kurzem von Arbeitsgesprächen in den USA zurückgekommen. Wir haben uns dort mit Experten und Beratern der Regierung, mit Senatoren, Kongressabgeordneten, Thinktanks und im Werk eines großen österreichischen Unternehmens unter anderem über die duale Ausbildung ausgetauscht. Wir können uns ob unseres Systems der Lehrlingsausbildung wirklich glücklich schätzen; es wird auch außerhalb Österreichs in höchstem Ausmaß gelobt. Wir müssen das Bildungs- und Ausbildungssystem aber noch verbessern, auch in Hinsicht auf frühkindliche Bildung, die den Grundstein für eine erfolgreiche berufliche und private Zukunft legt.
Gerade in der Elementarpädagogik und in der Pflege mangelt es uns aber an Personal. Da sind innovative Ideen gefragt. Vielleicht sollte man etwa eine Lehre für Assistenzkräfte nicht nur in der Pflege, sondern auch in der Elementarpädagogik andenken.
Wir werden heute also nicht nur über Herausforderungen für unsere Regionen sprechen, sondern vor allem auch über Chancen, die uns die Zukunft bietet – und davon gibt es genug.
Grüne Technologien sollen uns nicht nur vor der drohenden Klimakatastrophe bewahren, sie können auch neue nachhaltige Jobs in Stadt und Land schaffen. Wenn wir das richtig angehen, werden Wirtschaft und Arbeitsmarkt davon profitieren.
Homeoffice und Digitalisierung haben Arbeitgebern wie Arbeitnehmern schon während der pandemiebedingten Lockdowns neue Möglichkeiten aufgezeigt. Digitalisierung und flächendeckender Zugang zu Breitbandinternet sind damit ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Dort, wo Breitbandinternet verfügbar ist, wo auch im Homeoffice gearbeitet werden kann und zudem eine gute Kinderbetreuung vorhanden ist, gibt es bereits wieder Zuwanderung, auch in kleinen Gemeinden. Dort, wo Elementarbildung angeboten wird, wo es eine ärztliche Versorgung gibt und ältere Menschen eine Pflegebetreuung vorfinden, funktionieren auch periphere Regionen.
Viele dieser Themen betreffen auch die städtischen Gebiete; Personalmangel in der Pflege und in der Elementarpädagogik etwa. Es geht also nicht um eine Konkurrenz zwischen Stadt und Land, nein, es geht um eine Kooperation im gemeinsamen Interesse, um ein Miteinander auf Augenhöhe.
Ein Eckpfeiler für adäquate Bedingungen unserer Wirtschaft ist die konstruktive Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Bildung, Ausbildung, Forschung und technologische Entwicklung bieten schließlich allen Regionen Chancen für die Zukunft.
Wir werden nun hören, wie periphere Regionen gestärkt werden können, wie wir regional den Arbeitsmarkt beleben und die Energiewende als Chance für die Zukunft nützen können. Aus verschiedenen Bundesländern werden wir dann darüber informiert, welche Initiativen für starke Regionen dort gesetzt wurden und wo unsere Stärken und Schwächen liegen.
Ich danke Ihnen allen, dass Sie unserer Einladung heute gefolgt sind, und wünsche uns allen eine spannende Enquete der Zukunftskammer Bundesrat, die neue Wege für unsere Regionen aufzeigen wird. – Vielen Dank. (Beifall.)
9.11
09.11.19II. Keynotes
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich darf nun Herrn Kommissar a. D. Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler, Herrn Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher und Frau Bundesministerin Leonore Gewessler, BA um ihre Keynotes bitten.
Dazu ersuche ich die ReferentInnen, ihren Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben und die Zeit von einmal 20 beziehungsweise dann 10 Minuten pro Statement nicht zu überschreiten. Ich darf darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 2 Minuten vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt.
Zunächst darf ich Herrn Kommissar a. D. Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler um seinen Beitrag zum Thema „Die peripheren Regionen stärken“ ersuchen. – Bitte, Herr Kommissar.
Dipl.-Ing. Dr. Franz Fischler (Mitglied der Europäischen Kommission a. D.): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir wurde die Aufgabe gestellt – wie die Präsidentin schon gesagt hat –, über die peripheren Regionen und darüber, wie man sie stärken kann, zu referieren.
Ich möchte meine Überlegungen auf drei Themen konzentrieren. Zunächst, glaube ich, führt kein Weg daran vorbei – das ist nämlich nach wie vor ein ziemlich großes Problem –, ein bisschen zur Klärung dazu beizutragen, was denn periphere Regionen überhaupt sind und welche Regionen überhaupt periphere Regionen sind, sowohl in Österreich als auch auf der europäischen Ebene.
Dann möchte ich kurz darauf eingehen, dass die Europäische Kommission vor ungefähr einem Jahr nach einem langen ausführlichen Konsultationsprozess, den man in ganz Europa durchgeführt hat, für die ländlichen Regionen und für die peripheren Regionen eine Langfristvision bis 2040 entwickelt hat.
Drittens möchte ich einige Anregungen zu diesem Thema in Österreich machen, wobei ich mich in erster Linie auf prozedurale Fragen konzentrieren möchte, weil wir ja heute einige FachministerInnen hier haben, die dann ihre sektoralen Inhalte, glaube ich, ohnedies ausführlich behandeln werden – und doppelt gemoppelt brauchen wir eigentlich nicht.
Periphere Regionen stärken! – Da stellt sich die Frage: Was soll da konkret gestärkt werden? Was sind Regionen und was heißt peripher? Die EU-Kommission selbst hat kürzlich wieder festgestellt, dass es in der Europäischen Union keine allgemein akzeptierte Definition einer Region gibt. Auf der anderen Seite wissen Sie wahrscheinlich alle, dass die Kommission schon vor einigen Jahren verschiedene Hierarchien von Regionen festgelegt hat, nämlich die sogenannten Nuts-Gebiete.
Davon gibt es insgesamt vier. Die Nuts-0 sind die Mitgliedstaaten. Die Nuts-1 sind die Regionen der Europäischen Gemeinschaften, wie sie genannt werden. Für Österreich sind das drei, nämlich Ost-, West- und Südösterreich. Dann gibt es die Nuts-2-Regionen, das sind die Grundverwaltungseinheiten – in Österreich sind das die Bundesländer –, und schließlich die Nuts-3-Regionen. Die liegen noch einmal darunter, das sind Gruppen von Gemeinden; also unterhalb der Gemeinden gibt es keine Einteilung, das sind mindestens Gemeinden und in der Regel eine Gruppe von Gemeinden.
Bei den Nuts-2-Regionen – auch das ist, glaube ich, in Österreich bekannt – hat man schon vor einiger Zeit drei Untergruppen gebildet; je nach Entwicklungsstand hat man weniger entwickelte Regionen definiert. Das sind die berühmten Ziel-1-Gebiete – das Burgenland war ja eine Zeit lang ein solches Gebiet –, und solche Gebiete sind so definiert, dass das GDP pro Kopf weniger als 75 Prozent im Vergleich zum EU-Durchschnitt ausmacht. Dann gibt es die sogenannten Übergangsregionen – derzeit ist das Burgenland noch so eine Übergangsregion –, dort liegt das GDP pro Kopf zwischen 75 und 90 Prozent, und dann gibt es noch die stärker entwickelten Regionen mit über 90 Prozent.
Das ist nur eine Grundeinteilung. Man hat auf europäischer Ebene auch verschiedene andere Kategorisierungen vorgenommen. Sie kennen alle die benachteiligten Regionen oder – wie sie auch manchmal genannt werden, vor allem bei uns – die Berggebiete. Es gibt die sogenannten Regionen in Randlage. Es gibt – davon ist Österreich allerdings nicht betroffen – die überseeischen Regionen als eigene Kategorie mit einem eigenen Fördersystem, die auf jeden Fall Regionen in einer Randlage sind. Und es gibt natürlich Berg-, Tourismus-, Kultur-, Grenz- und sonstige Regionen, auch hier bei uns in Österreich.
Wann sind solche Regionen peripher? – In der Wirtschaftsgeographie wird das so festgelegt, dass periphere Regionen solche sind, die sich von den Zentren der Macht aus gesehen in einer Randlage befinden. Aber es gibt daneben auch eine zweite Definition, wonach sich periphere Regionen nicht von den Zentren der Macht aus, sondern von den Wirtschaftszentren aus in einer Randlage befinden. Und da muss man wiederum berücksichtigen, dass es natürlich auch eine Hierarchie der Zentren gibt. Es ist ein Unterschied, ob sich eine Region in Randlage peripher gegenüber dem Zentrum des Staates befindet oder innerhalb eines Bundeslandes weit weg von der Landeshauptstadt oder – auch noch darunter – weit weg von irgendwelchen Subzentren.
Damit ist, glaube ich, klar geworden, dass es sich um einen relativen Begriff handelt, wenn wir von peripher reden.
Es kommt auch immer wieder vor, dass man sich nicht so sehr damit beschäftigt, ob sie von irgendwelchen Macht- oder Wirtschaftszentren entfernt sind, sondern man nennt auch solche Regionen peripher, die einen deutlichen Entwicklungsrückstand aufweisen, oder manchmal werden sie auch mit Grenzregionen gleichgesetzt, und dann gibt es natürlich auch noch jede Menge Überschneidungen.
Also langer Rede kurzer Sinn: Wenn Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, eine gezielte Stärkung der peripheren Regionen vornehmen wollen, dann müssen Sie definieren, wen Sie konkret fördern wollen. Um diese Frage kommen Sie nicht herum, ansonsten bleibt das Ganze ein Torso.
Punkt zwei, die EU-Strategie: Wie ich schon gesagt habe, bezieht sich diese nicht ausschließlich auf die peripheren Regionen, sondern auf die ruralen Gebiete der Europäischen Union, und sie basiert auf einem breiten öffentlichen Konsultationsprozess. Die Kommission hat diese Vision im Juni 2021 herausgebracht, also insofern ist Ihre Enquete sehr passend: Nach genau einem Jahr reden wir darüber, und das ist, glaube ich, wichtig.
Das Motto, das die Kommission in ihrer Publikation gewählt hat, ist: Die ruralen Zonen sollen stärker, vernetzter, florierender und resilienter gemacht werden. Unter der Stärkung der Regionen versteht die Kommission, dass man die ländlichen Regionen ertüchtigt, dass man die Gemeinden, die Kommunen stärkt, dass die Rolle der Frauen in den Gemeinden gestärkt wird, dass die Stakeholder besser integriert werden und dass man maßgeschneiderte Entscheidungsstrukturen schafft.
Um die negativen Wirkungen der Peripherie zu reduzieren und zu kompensieren, ist es logisch, dass man Verbindungen stärkt, dass man stärkere Verbindungen schafft, dass man für Verbesserungen der Transportdienstleistungen und -wege sorgt, sowohl für den Personen-, als auch für den Güterverkehr, dass man die Frequenz, vor allem in Bezug auf die Öffis, steigert und dass man eine moderne, digitale Infrastruktur schafft. Die Anbindung an das Breitband ist für die ländlichen Regionen von ganz entscheidender Bedeutung. Die Vernetzung zwischen den Zentren und der Peripherie muss unbedingt gestärkt werden.
Ich glaube, dass es tatsächlich auch wert ist – aber auf sinnvolle Art und Weise –, darüber nachzudenken, was wo lokalisiert werden soll. Es muss nicht alles in den Zentren lokalisiert sein, es geht eben auch darum, die Regionen zum Florieren zu bringen. Da kommt es auf Diversifizierung, insbesondere der wirtschaftlichen Aktivitäten, an. Darauf, welche Möglichkeiten da bestehen, werden, denke ich, sowohl Frau Minister Gewessler als auch Herr Minister Kocher noch genauer eingehen.
Eines ist klar: Wir brauchen Innovationen, auch in den peripheren Zonen, nicht nur in den Zentren. Das ist schwieriger zu organisieren als in den Zentren, weil da die entsprechenden Einrichtungen nicht immer im notwendigen Ausmaß vorhanden sind. Es muss das, was man heute Businessenvironment nennt, gestärkt werden. Damit ist gemeint, dass wir dafür sorgen müssen, dass zum Beispiel die Internationalität und die Voraussetzungen für internationale Arbeitskräfte auch am Land verbessert werden. Ich denke zum Beispiel an die Notwendigkeit internationaler Schulen und Ähnliches; Bildungseinrichtungen sind überhaupt ein ganz entscheidender Faktor. Dann muss natürlich auch die ortsansässige Bevölkerung in ihrer Kompetenz, insbesondere in ihrer digitalen Kompetenz, gestärkt werden. Dazu kommen dann die Klassiker, die wir ohnedies alle kennen, auf die ich nicht näher eingehen muss: die Frage des Tourismus, der Landwirtschaft, der Forstwirtschat, der Landschaftspflege et cetera.
Die Resilienz der Regionen stärken, heißt, sie widerstandsfähiger gegen die Folgen zum Beispiel des Klimawandels, gegen Naturkatastrophen, gegen soziale und ökonomische Verwerfungen zu machen. Darüber hinaus wird, wenn man das anstrebt, gerade in den ländlichen Regionen die Kreislaufwirtschaft natürlich eine Schlüsselrolle spielen müssen. Der Umwelt- und Ressourcenschutz wird von zentraler Bedeutung sein.
Wir müssen auch darüber nachdenken, wie man die Angebotsketten kürzer machen und die langen Wege reduzieren kann. Mit einer solchen Reform ist ohnedies sozusagen vorgegeben, dass die Landwirtschaft auf Nachhaltigkeit setzen muss. Ich glaube auch, dass man vor allem die Regionen widerstandsfähiger machen muss, in denen zum Beispiel die Bevölkerungszahl abnimmt, in denen Strukturen zusammenzubrechen drohen. Da ist eine maßgeschneiderte Vorgangsweise ganz, ganz wichtig. Es braucht nicht nur in jenen Regionen, in denen ein Boom stattfindet, also zum Beispiel im Speckgürtel rund um Wien, Entwicklungspläne. Es braucht genauso geplante Konzepte in jenen Regionen, die ausgesprochene Problemregionen sind.
Für die Umsetzung hat die Kommission einen Aktionsplan vorgeschlagen, und im Rahmen dieses Aktionsplans hat sie auch vorgeschlagen, wie die Länder, wie die Regionen, wie die verschiedenen Institutionen, Stakeholder et cetera eingebunden werden sollen. Das ist nichts Besonderes, Neues, das ist, glaube ich, ein Standard, der angestrebt wird. Im Wesentlichen geht es um eine Stärkung und Verbesserung. Für die konkrete Umsetzung hat die Kommission – das ist jetzt sehr modern auf Kommissionsebene, wir sind jetzt in die Seefahrt eingetreten, es gibt für alles Flaggschiffe – insgesamt neun Flaggschiffe vorgeschlagen, die sie umsetzen möchte. Ich glaube, ich brauche hier nicht auf alle einzeln einzugehen
Letzter Punkt – Anregungen für die weitere Entwicklung in Österreich –: Wenn man eine spezifische Stärkung der peripheren Regionen will, dann müssen diese auch abgegrenzt und definiert werden. Zweiter Punkt: Diese Langzeitvision der Kommission dient nicht nur den peripheren, sondern auch den schwachen ruralen Zonen. Da ist klarzustellen, in welchem Ausmaß das, was mit dieser Vision angestrebt wird, speziell für die peripheren Regionen adaptiert werden muss. Eines ist klar: Alle Regionen, und vor allem auch die peripheren Regionen, brauchen, um zukunftsfähig zu sein, eine intakte Landwirtschaft. Aber, meine Damen und Herren, zu glauben, dass man Regionen primär über die Landwirtschaft entwickeln kann, ist eine Illusion. Da ist ein gewisser Widerspruch in sich vorhanden. Wie gesagt, ohne Landwirtschaft geht es nicht, aber auf Landwirtschaft allein zu setzen, geht nicht. – So könnte man das, glaube ich, ganz gut zusammenfassen.
Die Peripherie lässt einen die Nachteile von Distanz spüren, daher ist die Stärkung der Anbindungen, der Vernetzungen von so zentraler Bedeutung. Die peripheren Räume, das sollte man nicht vergessen, haben in der Regel auch periphere Räume als Nachbarn, und daher ist die Frage – wenn sie direkt aneinandergrenzen –: Wie kann man diese unterschiedlichen Zentren zugeordneten Räume stärken? Das ist ein Thema, das mit der Grenzlandpolitik zum Beispiel hier in Österreich zusammenhängt. Das ist aber auch ein Thema, bei dem man überlegen muss, wie man die Autonomie dieser Regionen grenzüberschreitend stärken kann, weil man auf diese Weise – da gibt es ja auch gerade in Österreich ganz gute Beispiele dafür –, glaube ich, bessere Chancen hat.
Meine Damen und Herren, die wichtigste Antriebskraft für die Entwicklung ist nicht die Förderung, sondern das Stimulieren der endogenen regionalen Kräfte. Wenn uns das nicht gelingt, wenn die Leute die Sache nicht zu ihrer Sache machen, dann hilft die Förderung in der Regel relativ wenig. In Regionen mit rückläufigen Bevölkerungszahlen und rückläufiger Wirtschaft braucht es, wie gesagt, auch Rückbaupläne, ansonsten entstehen zu viele selbstzerstörerische Kräfte und statt dass es einen gemeinsamen Vorteil gibt, gibt es gemeinsame Nachteile.
Schlussendlich: Es geht darum, vor Ort zwischen Wirtschaft, Umwelt und sozialer Einbettung eine neue Balance zu finden. Wir nennen das üblicherweise Nachhaltigkeit. – Danke schön. (Beifall.)
9.31
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für die Ausführungen.
Weiters darf ich Bundesminister Dr. Martin Kocher um seinen Beitrag mit dem Thema „Regionale Ausgestaltung von arbeitsmarktpolitischen Programmen“ ersuchen. – Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich ganz herzlich für die Möglichkeit, zu diesem wichtigen Thema einige Bemerkungen und Beobachtungen mit Ihnen teilen zu dürfen.
Wir sprechen ja sehr häufig über den Durchschnitt von Österreich, über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in ganz Österreich und relativ selten über regionale Unterschiede, regionale Herausforderungen und regionale Stärken. Ich glaube, das ist eine sehr gute Gelegenheit, das hier zu tun, weil Österreich, wie viele andere Länder in der Europäischen Union, bei doch großer Homogenität sehr, sehr große regionale Unterschiede aufweist. Gerade was den Arbeitsmarkt betrifft, und darauf werde ich mich heute konzentrieren, gibt es doch eine gewisse Heterogenität.
Bevor ich damit starte, nutze ich die Gelegenheit – heute ist der Erste eines Monats –, Ihnen ganz kurz zu berichten, wie der Stand am Arbeitsmarkt ist. Wir bekommen die Zahlen immer am Ende eines Monats. Derzeit sind in Österreich 311 500 Menschen arbeitslos gemeldet, ungefähr 73 000 davon befinden sich in Schulungsmaßnahmen oder Schulungen. Das ist eine Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent und glücklicherweise wieder ein Rückgang der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat um mehr als 15 000 Personen. Wir haben 138 000 gemeldete offene Stellen. Die Arbeitsmarktlage ist trotz einer Unsicherheit, die wirtschaftlich natürlich schön langsam zu spüren ist, trotz der geopolitischen Herausforderungen, trotz einer sich etwas abflachenden Konjunktur weiterhin sehr robust und gut. Ich bin froh, dass wir in diese schwierige Zeit, in die wir jetzt kommen – mit all den Herausforderungen von der Teuerung bis hin zum Krieg in Europa –, mit einer sehr guten Arbeitsmarktlage gehen.
Der Arbeitsmarkt ist aber, das ist der Startpunkt für die Betrachtung der regionalen Ebene, auch von sogenannten strukturellen Mismatchphänomenen geprägt. Wir haben zumindest drei, vielleicht sogar vier dieser Mismatchphänomene. Das Wichtigste dieser Phänomene ist der sogenannte regionale Mismatch: Die Arbeitslosigkeit in einigen Regionen ist um einiges höher als die Arbeitslosigkeit in anderen Regionen. Das betrifft nicht nur die Arbeitslosigkeit, das betrifft natürlich auch, und dazu komme ich gleich im Detail, die Lehre, die Lehrstellen, die Lehrstellensuchenden. Das ist für viele Regionen in beiderlei Hinsicht eine große Herausforderung, sowohl was die Personalsuche betrifft, als auch was die Unterstützung von arbeitsuchenden Menschen betrifft.
Neben diesem regionalen Mismatch gibt es natürlich weitere Mismatchphänomene, zum Beispiel qualifikatorisch. Wir wissen natürlich, dass die offenen Stellen oft Qualifizierungen, Qualifikationen erfordern, die die arbeitsuchenden Menschen nicht mitbringen. Wir haben immer noch einen sehr starken branchenmäßigen Mismatch. Das ist neu, das kam aus der Covid-Pandemie. Wir erleben das gerade in der Gastronomie, in der Hotellerie, wo es einen großen Fachkräfte- und Arbeitskräftebedarf gibt. Das ist eine Folge der Pandemie, weil sich viele – vor allem junge Menschen – entschieden haben, in anderen Bereichen, in denen die Konjunktur schon besser war, in denen es möglich war, zu arbeiten, anzufangen und nicht im Bereich der Gastronomie, im Bereich der Hotellerie. Das wird eine große Herausforderung für diesen Sommer und auch für den Winter. Ich hoffe aber, dass sich wieder einigermaßen Normalität einstellen wird.
Wir haben auch einen Mismatch, was das Alter betrifft – natürlich, das ist die Demografie –: Wir haben im Bereich der älteren Erwerbstätigen eine immer noch etwas höhere Arbeitslosigkeit als im Durchschnitt über alle Altersgruppen und gleichzeitig einen großen Mangel an jungen Menschen, Lehrstellensuchenden, und viel mehr offene Lehrstellen. Auch da gibt es regionale Unterschiede.
Betreffend regionale Unterschiede fange ich mit ein paar Zahlen an: Die Arbeitslosenquote in Österreich geht derzeit von 3,6 Prozent in Oberösterreich – das ist das Land mit der niedrigsten Arbeitslosenquote – bis 10,2 Prozent in Wien. Das ist also ein relativ großer Unterschied. Die westlichen Bundesländer Österreichs – Salzburg, Tirol und Vorarlberg – liegen sehr nahe an der oberösterreichischen Quote. Es gibt zum Beispiel die Hälfte aller Lehrstellensuchenden in Wien, allerdings nur ein Zehntel aller offenen Lehrstellen. In Bundesländern wie Oberösterreich sind 1 700 freie Lehrstellen und 330 Lehrstellensuchende beim AMS gemeldet – das heißt, auf jeden Lehrstellensuchenden kommen fünf offene Lehrstellen. Auch dort gibt es natürlich junge Menschen, die vielleicht trotzdem keine Lehrstelle finden, weil es regional trotzdem immer noch einen gewissen Mismatch gibt.
Wir haben zum ersten Mal seit langer Zeit in einzelnen Bundesländern, das sind in dem Fall Oberösterreich und Salzburg, mehr gemeldete offene Stellen als gemeldete Arbeitsuchende. Wenn man weiß, dass ungefähr 40, 50 Prozent aller Stellen, aller offenen Stellen beim AMS gemeldet werden – es werden einfach nicht alle Stellen dort gemeldet –, dann weiß man, dass der Fachkräftebedarf, der Arbeitskräftebedarf so hoch ist wie schon seit wahrscheinlich 20, 30 Jahren nicht mehr.
Deshalb braucht es maßgeschneiderte, auch regional abgestufte Arbeitsmarktpolitik. Wir haben in Österreich, glaube ich, eine sehr gute Struktur, was die Arbeitsmarktpolitik betrifft: Wir haben das Arbeitsmarktservice, das die Arbeitsmarktpolitik umsetzt, und einen sehr starken Föderalismus mit einer großen Autonomie, was die jeweiligen Länder betrifft. Wir haben zwar bundesweite Programme – im Moment zum Beispiel das Programm Sprungbrett oder die Coronajoboffensive –, aber in der Umsetzung dieser Programme gibt es relativ große Autonomie. Die Ziele sind für alle die gleichen, aber es geht darum, regional angepasste Maßnahmen zu wählen. Ich halte es für sehr, sehr gut, dass das so ist.
Ich glaube auch, dass wir beobachten können, dass gerade in den Bundesländern, in denen die Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung, den Sozialpartnern vor Ort und dem AMS gut ist, die Arbeitsmarkterfolge noch besser sind als in anderen Bundesländern. Das heißt, diese regionale Struktur ist ein großer Vorteil von Österreich. Es gibt andere Länder in der Europäischen Union, die ähnliche Strukturen haben, auch dort sieht man diese Erfolge. Ich bin überzeugt davon, dass wir diese grundsätzliche Struktur, die wir haben, mit einer Bundesländerebene beim AMS und einer Bezirksebene, also Regionalstellen, weiterführen müssen und immer bei allen Programmen auch mitdenken müssen.
Wir müssen vielleicht noch stärker in regionalen Arbeitsmärkten über Österreich hinaus denken. Wir sehen natürlich, dass Vorarlberg zum Beispiel andere Voraussetzungen am Arbeitsmarkt hat als Oberösterreich, obwohl beide Grenzregionen sind. Aber natürlich ist der Schweizer oder liechtensteinische Arbeitsmarkt anders zu bewerten als zum Beispiel der bayerische. All das, glaube ich, ist in der Zukunft noch wichtiger, weil natürlich der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte, egal ob sie aus dem Ausland kommen oder in Österreich aufgewachsen sind, stärker werden wird und es wichtig ist, dass Österreich und die Regionen in Österreich gute Arbeitsbedingungen anbieten und natürlich attraktiv für alle Beschäftigte sind.
Wir haben natürlich durch den Tourismus, und dazu möchte ich am Ende noch ein paar Worte sagen, eine Voraussetzung dafür, dass Regionen, die vielleicht sonst wirtschaftlich Schwierigkeiten hätten, wirtschaftlich sehr stark sein können. Das ist in Österreich am Arbeitsmarkt und auch in der Wertschöpfung spürbar. Das war in den letzten Jahren durch die Covid-Pandemie massiv gefährdet. Ich bin froh, dass sich in vielen Bereichen, wenn man jetzt vom Personalmangel in dieser Branche absieht, wieder eine gewisse Erholung eingestellt hat.
Für die regionale Entwicklung ist der Tourismus ganz, ganz entscheidend. Da geht es darum, dass ja vor allem über den Tourismus, die Gastronomie und die Hotellerie hinaus viele Betriebe vom Tourismus indirekt und direkt profitieren und damit in der Region aus dem Tourismus oft weit mehr als der Anteil von 7 Prozent am Bruttoinlandsprodukt generiert werden.
Umso wichtiger ist es, hier eine Weiterentwicklung in Richtung qualitative Lebensräume vorzunehmen, und zwar für Bevölkerung, Unternehmen, Gäste und auch Arbeitskräfte gemeinsam – ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Faktor –, um auch in diesem Bereich für die Zukunft gestärkt zu sein.
Wir werden beim AMS natürlich weiter auch – und das ist der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte – die überregionale Mobilität fördern, wir unterstützen das über Mobilitätspakete und Mobilitätsförderungen. Wir versuchen, über Jobbörsen, die während der Pandemie zum Teil virtuell stattgefunden haben und auch weiter virtuell stattfinden können, Betriebe bei der Personalakquise zu unterstützen und auch die Möglichkeit zu virtuellen Vorstellungsgesprächen und so weiter zu geben. Das hilft natürlich den Regionen, die einen hohen Personalbedarf und geringe Arbeitslosigkeit haben, das hilft aber auch den Regionen in Europa, sage ich jetzt dazu, die vielleicht eine etwas höhere Arbeitslosigkeit haben, dass die Arbeitslosigkeit reduziert werden kann und dass zum Beispiel Menschen in Österreich für eine gewisse Zeit Qualifizierungen erwerben können und danach vielleicht wieder in ihr Heimatland zurückgehen können.
Ich halte es für ganz entscheidend, dass wir das so weiterführen. Es gibt in allen Bereichen natürlich im Detail Verbesserungsmöglichkeiten. Wir werden uns auf jeden Fall dafür einsetzen – ich gemeinsam mit Staatssekretärin Kraus-Winkler –, dass wir Österreich als Beschäftigungs-, Wirtschafts- und Tourismusstandort weiter stärken und die regionale Struktur immer in unseren Entscheidungen berücksichtigen. – Vielen Dank. (Beifall.)
9.41
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.
Zuletzt darf ich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler um ihren Beitrag zum Thema „Die Energiewende als Zukunftschance für die Regionen“ ersuchen. – Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates und des Nationalrates! Es ist mir eine große Freude – so oft hat man als Regierungsmitglied nicht die Gelegenheit, am Rednerpult im parlamentarischen Kontext zu sprechen, deswegen freue ich mich sehr, dass wir heute zu diesem wichtigen Thema sprechen können.
Franz Fischler hat es vorhin schon erwähnt: die Chance von Klimaschutzmaßnahmen für Regionen, und hat gesagt, wie wichtig eine Anbindung zum Beispiel an eine öffentliche Infrastruktur oder den öffentlichen Verkehr ist, damit Regionen ihre Zukunftschancen nutzen können.
Ich denke, gerade der öffentliche Verkehr ist ein gutes Beispiel für zwei Dinge, die auch bei der Energiewende gelten und auf die ich dann auch weiter eingehen werde: Das eine ist: Wir haben mit dem Klimaticket eine der großen sozusagen Benachteiligungen für Regionen abgeschafft, kann man sagen. Es macht nämlich beim Pendeln der Kilometerabstand keinen Unterschied mehr in der Geldbörse. Also die Distanz der Region, wie „peripher“ – unter Anführungszeichen – eine Region ist, macht bei den Kosten der Mobilität keinen Unterschied mehr.
Aber wir haben natürlich zwei weitere Säulen: Das ist die Anbindung an die Infrastruktur – da investieren wir massiv. Wir sehen, dass das eine Chance für die Regionen ist. Wir sehen aber auch – und das gilt für die Energiewende genauso –, das ist ein Kraftakt, der uns nur gemeinsam gelingen wird. Da brauchen wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor Ort, die sich für eine gute Anbindung ihrer Regionen engagieren, da brauchen wir die Bundesländer, die mitinvestieren, die in ihrer Verantwortlichkeit auch die Infrastruktur ausbauen. Und ja, da brauchen wir auch die Unterstützung des Bundes, die wir gerade mit Rekordinvestitionen in den öffentlichen Verkehr auch wirklich anschieben wollen.
Es wird uns nur gemeinsam gelingen, aber es kann uns gelingen. Ich glaube, das ist auch das Motto für das eigentliche Thema, nämlich: die Energiewende als Zukunftschance für die Regionen, denn auch da sieht man sehr deutlich, was Investitionen in die Energiewende, was Investitionen in erneuerbare Energien an Zukunftschancen, an Möglichkeiten für die Regionen bedeuten. Sie sind jetzt ein Thema, das, glaube ich, nicht aktueller sein könnte.
Sie werden verstehen, dass ich bei diesem Thema nicht von der aktuellen Situation abstrahieren kann: Wir haben einen Krieg in Europa, einen Angriffskrieg in der Ukraine, einen Krieg Russlands in Europa, der auch mit unserer Abhängigkeit von Energieimporten geführt wird. Der Krieg zeigt uns, wie verletzlich wir sind, wie erpressbar wir sind – dadurch, dass wir von russischen Energieimporten so stark abhängig sind. Genau das zu ändern, das meint Energiewende auch, denn Energiewende heißt Unabhängigkeit. Energiewende heißt Unabhängigkeit von Importen, von Autokraten, von Erpressbarkeit. Wenn wir die Dinge selbst in die Hand nehmen, dann haben wir auch Kontrolle über sie.
Das gilt natürlich genauso für die Energieversorgung: Wenn wir Energie selbst produzieren, dann sind wir unabhängig. Wir haben das ja zum Glück selbst in der Hand. Wir haben die Ressourcen Wind, Wasser, Sonne, Biomasse zur Verfügung, um genau das zu tun. Das heißt, die müssen wir nutzen. Das ist ein Gebot der Stunde, das ist eine Notwendigkeit, gerade jetzt.
Aber der Titel dieser Enquete stimmt natürlich genauso, es ist vor allem eine Chance, nicht nur eine Chance für die Regionen, sondern eigentlich sogar noch mehr: Es ist ein enormes Potenzial für unser Land, nämlich für den Wirtschaftsstandort, für den Arbeitsmarkt, für die Lebensqualität, weil die Energiewende Zukunft sichert, die Energiewende Lebensqualität sichert, die Energiewende sichert, dass die Energiepreise zukünftig stabiler und niedriger sind, und die Energiewende Arbeitsplätze schafft, gerade in den Regionen.
Das Burgenland hat sehr früh – nach mir wird auch Landeshauptmann Doskozil sprechen – diese Chance Energiewende mit beiden Händen gepackt, hat in die Energiewende investiert, und man sieht, welche wirtschaftlichen Chancen das für die Region bedeutet.
Wir als Bundesregierung haben uns zum Ziel gesetzt, Österreich bis 2040 zu einem der ersten klimaneutralen Länder Europas beziehungsweise in diesem Zusammenhang auch der Welt zu machen. Wir haben dieses Ziel nicht nur gesetzt, weil es eine Notwendigkeit ist, der Klimakrise etwas entgegenzusetzen, weil wir unseren Beitrag leisten wollen, sondern weil wir durch diese Vorreiterrolle auch die wirtschaftlichen Chancen, das Potenzial nutzen wollen.
Jede Investition in erneuerbare Energien, jede Investition in ein besser saniertes Gebäude, in eine effizientere Technologie, in einen zukunftsfähigen Produktionsprozess ist eine Investition in weniger Abhängigkeit von Öl und Gas, also von importierten Energieträgern, steigert die regionale Wertschöpfung, erhöht die Versorgungssicherheit unseres Landes und bringt langfristig auch finanzielle Vorteile. Und da spielen die Regionen eine große Rolle.
Das erste Thema, das sicher vielen von Ihnen einfällt: Fläche. Wir brauchen Flächen für die Energiewende. Und wo sind die Flächen? – Die Flächen sind in den Regionen. Das heißt, dort, wo die Flächen sind, finden auch die Investitionen statt. Davon profitieren die Gemeinden und die Regionen durch lokale Investitionen. Sie profitieren aber auch dadurch, dass es lokale Betriebe sind, die diese Investitionen umsetzen: Das Fundament eines Windrads betoniert der lokale Baumeister, die PV-Anlage installiert die lokale Elektroinstallateurin auf dem Dach, die Heizung tauscht der Installateur aus der Region.
Deswegen ist es so wichtig oder deswegen möchte ich es vor allem auch an zwei Beispielen illustrieren, nämlich einerseits am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, andererseits an der Wärmewende. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz haben wir nicht nur dafür gesorgt, dass wir mit einem komplett neu aufgestellten Fördersystem die Regionen und die Gemeinden bei diesem Kraftakt Energiewende unterstützen können, sie dabei unterstützen können, dass sie die Wertschöpfung lukrieren, dass sie die Arbeitsplätze in der Region lukrieren, sondern wir haben mit den Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften auch ein Element geschaffen, das gerade für die Gemeinden oder für ländlichere Regionen ein ganz großartiges Tool ist, gemeinsam erneuerbare Energie nicht nur zu produzieren und zu konsumieren, sondern durch eine lokale, gestärkte erneuerbare Energieversorgung gemeinsam auch Geld zu sparen.
Das zweite Beispiel ist die Wärmewende. Es geht dabei um den notwendigen Umstieg von Heizen mit Öl, Kohle oder Gas auf grüne Heizungen bis 2040. Diese Wärmewende bedeutet aber nicht nur weniger CO2-Emissionen – ja, das bedeutet sie auch, das brauchen wir –, diese Wärmewende bedeutet nicht nur weniger Abhängigkeit von russischem Gas – da geht es am Ende um jede einzelne Gastherme, die wir tauschen –, sondern diese Wärmewende bedeutet vor allem lokale und regionale Wertschöpfung, denn Wärme kann man nicht über den halben Kontinent transportieren, Wärme ist ein regionales Gut.
Die Ressourcen aus den Regionen, Geothermie, Wasser, Wind, Holz, Sonne, werden dabei mit einer gescheiten Energieraumplanung optimal genutzt; darin liegt ein riesiges Potenzial. Wir haben uns das im Klima- und Energiefonds einmal angeschaut und in Zahlen gegossen, und zwar anhand einer steirischen Region, der Klima- und Energiemodellregion rund um Hartberg, und haben eine zu 100 Prozent fossile Wärmeversorgung und eine zu 100 Prozent erneuerbare Wärmeversorgung verglichen.
100 Prozent fossile Wärmeversorgung: acht Vollzeitjobs in der Region – klar, dabei entstehen die Jobs in Saudi-Arabien, in Russland und in den anderen Ländern, aus denen wir Energie importieren –; erneuerbare Wärmeversorgung: 61 regionale Jobs – regionale Jobs, Jobs in der Region! Und ja, da brauchen wir dann genau die gute Zusammenarbeit, um den Mismatch in den Griff zu kriegen, den Minister Kocher beschrieben hat – aber: acht versus 61!
Dasselbe zeigt sich bei der Wertschöpfung: fossile Energieversorgung in der Region: 1,1 Millionen Euro Wertschöpfung versus 6,5 Millionen Euro Wertschöpfung. Das macht einen riesigen Unterschied und das macht einen riesigen Unterschied gerade für die Regionen, und deswegen versuchen wir auch, die Regionen so gut wie möglich zu unterstützen, die Gemeinden zu unterstützen, um hier gut voranzukommen und diese Potenziale zu lukrieren.
Zwei Initiativen würde ich gerne erwähnen: Das ist das e5-Programm, energieeffiziente Gemeinde. Das ist, finde ich, ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Gebietskörperschaften über verschiedene Ebenen wunderbar zusammenarbeiten. Die fünf E sind etwas wie die Hauben in einem Restaurant oder die Sterne in einem Hotel, es sind also Auszeichnungen für besonders engagierte Gemeinden. Das BMK unterstützt das Programm auch über die klimaaktiv Gemeindeförderung.
Das Zweite sind die Klima- und Energiemodellregionen des Klima- und Energiefonds, wo wir – auch da kann ich wieder an Franz Fischler anschließen – nicht nur klassische Klima- und Energiethemen haben, sondern – jetzt neu – auch Klima- und Energiemodellregionen zum Thema Kreislaufwirtschaft – enormes Potenzial in den Regionen – und Klima- und Energiemodellregionen zum Bereich Tourismus, um eine nachhaltige, zukunftsfähige Tourismusentwicklung zu schaffen.
Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates und des Nationalrates, liebe Gäste, liebe ZuseherInnen, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind global. Die Krisen sind global, sie treffen nicht nur uns hier in Österreich, sondern sie treffen die Menschen auf der ganzen Welt. Viele der Antworten, die wir geben müssen, sind auch global, aber viele ganz konkrete Lösungen entstehen lokal, entstehen hier vor Ort. Jedes Windrad, das wir aufstellen, ist ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit, ein Schritt in Richtung Zukunft, jede Gasheizung, die wir tauschen, macht uns unabhängiger, und genau diese Dinge passieren in den Gemeinden, in den Regionen. Davon profitieren wirklich alle – lokal und global und wenn wir die Zeichen dieser Zeitenwende, in der wir uns gerade befinden, richtig verstehen.
Die Welt ist gerade im Umbruch, es wird nicht mehr so, wie es früher war, die Welt verändert sich, und diese Veränderung jetzt gemeinsam gut zu gestalten, über Bund, Bundesländer und Gemeinden, das ist unser gemeinsamer Auftrag, und ich bin überzeugt davon, mit all den Initiativen, die es auf den unterschiedlichen Ebenen gibt, mit tatkräftiger Unterstützung der Menschen gerade in den Regionen, die davon großartig profitieren können, wird uns auch genau das gelingen. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
9.53
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für die Ausführungen.
Der erste Themenblock, Keynotes, ist damit abgeschlossen. Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Beiträge.
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu Panel 1.
Ich ersuche die Referenten, die Redezeit von 20 Minuten pro Statement nicht zu überschreiten.
Ich darf zunächst Herrn Landtagspräsidenten von Vorarlberg Mag. Harald Sonderegger um seinen Beitrag zum Thema „Vorarlberg – die progressive Provinz“ ersuchen. – Bitte, Herr Landtagspräsident.
Mag. Harald Sonderegger (Präsident des Vorarlberger Landtages): Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Christine! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Bundesräte! Geschätzte Anwesende! Ich darf heute gleich in zweifacher Rolle hier sein, einmal als Präsident des Vorarlberger Landtages und gleichzeitig auch in Vertretung unseres Landeshauptmannes Markus Wallner, den ich als Redner in diesem Panel heute hier vertreten darf. Er ist ja, wie Sie sicher wissen, heute auch in Wien, aber terminlich leider anderweitig verpflichtet. Gerne übermittle ich bei dieser Gelegenheit aber seine besten Grüße und darf ausrichten, dass es ihm leid tut, dass er heute nicht hier im Bundesrat sein kann. Ich bin mir sicher, dass er, wenn es möglich gewesen wäre, diesen Termin deutlich lieber wahrgenommen hätte. Somit freue ich mich sehr, heute unter der Präsidentschaft unserer Bundesratspräsidentin, unserer Christine Schwarz-Fuchs, hier über „Vorarlberg – die progressive Provinz“ – unter Anführungszeichen – zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Erlauben Sie mir, dass ich meinen Redebeitrag mit einem kurzen geschichtlichen Exkurs beginne: Ohne die Länder war 1918 ebenso wenig ein Staat zu gründen wie im Jahr 1945 nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Nicht die Republik Österreich hat das Land Vorarlberg begründet oder wieder begründet, sondern das Land Vorarlberg hat natürlich gemeinsam mit allen anderen Bundesländern durch seinen Beitritt zum Bundesstaat die Republik ein zweites Mal mitbegründet. Diese junge Republik schöpfte ihre Kraft weitestgehend aus den Ländern, die sich ihrer tragenden Rolle bewusst waren, und in den Wiederaufbaujahren nach 1945 war die föderale Struktur ein wesentlicher Bestandteil der österreichischen Erfolgsstory.
Starke Länder sind eine notwendige Voraussetzung für ein starkes Österreich, denn nur Stärke und Selbstbewusstsein erlauben Progressivität.
Einen wesentlichen Anteil am erfolgreichen Aufstieg unseres Bundeslandes hatten auch die Gemeinden in unserem Land, ihre bedeutende Rolle möchte ich in diesem Zusammenhang insbesondere auch als ehemaliger Präsident des Vorarlberger Gemeindeverbandes natürlich besonders betonen.
Unsere Vorfahren haben im Jahr 1918 die Chance auf einen Neubeginn mutig ergriffen, gegen die Ungunst der Zeit waren sie freilich machtlos. 1945 bot sich eine neue Chance, dieses Mal unter deutlich besseren Vorzeichen, zumindest für den westlichen Teil unseres Landes. Auch diese Chance haben die Länder genutzt, ebenso jene, mit Beginn des Jahres 1995 einem geeinten und friedlichen Europa anzugehören.
Blickt man zurück, hat sich unser Land wirklich – ich glaube, das sagen zu dürfen, ohne dass das anmaßend klingt – beachtlich entwickelt, entwickelt im besten Sinne des Wortes.
Meine Damen und Herren, ich möchte meine Rede mit einem Zitat aus dem November des Jahres 1928 beginnen. Damals gedachte der Vorarlberger Landtag erstmals in einer Festsitzung der Selbständigkeitserklärung zehn Jahre zuvor. Seinen Vorsitz schloss der damalige Landtagspräsident und Landeshauptmann Otto Ender mit einer Entschuldigung:
„Es wäre mir ein Herzensbedürfnis und es würde sich auch gehören, daß ich zu Ihnen sagen würde: Seien Sie heute Mittag unsere Gäste. Aber ich kann es nicht, und zwar deshalb nicht, weil wir in einer Zeit leben, wo unsere Industrie, unser Gewerbe und unsere Stickerei in schwerster Not klagen, wie drückend und wie hart die Zeiten seien. Die wirtschaftliche Not ist groß und allseits wird die Herabsetzung der Steuern verlangt, und wir sind dazu geneigt. Da steht es doch nicht an, daß wir Gastmähler feiern. Die Rücksicht dieser Zeit gebietet, das zu unterlassen.“ – So Otto Ender im Jahr 1928.
Dieses Zitat spiegelt den Wandel, den Vorarlberg in den vergangenen 90 Jahren genommen hat, deutlich wider: von bitterer Armut hin zu einer der wohlhabendsten Regionen Europas.
Lassen Sie mich eingedenk dieser Vergangenheit einen Blick in die Zukunft werfen: Was braucht es, damit Vorarlberg auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten den erfolgreichen Weg fortsetzen und den erreichten Wohlstand für die Bevölkerung sichern kann? Was war in der Vergangenheit ausschlaggebend, um die aktuelle starke wirtschaftliche Position zu erreichen?
Beginnen möchte ich mit einem Erfolgsfaktor, der unserer Meinung nach auch in Zukunft ganz entscheidend sein wird. Der europäische Vergleich zeigt nämlich, dass jene Regionen weitaus resilienter sind, die einen starken produzierenden Sektor aufweisen. Industrie und produzierendes Gewerbe sorgen dafür, dass Menschen in Beschäftigung sind. Arbeitsplätze werden nur dort nachhaltig geschaffen, wo produziert wird, und ich spreche hier nicht nur von den großen Unternehmungen, den sogenannten Flagschiffen, wie wir heute schon gehört haben, sondern vom Mittelstand, von den Handwerksbetrieben, den vielen Familienbetrieben.
Wenn Sie sich die Situation in Ländern wie beispielsweise Griechenland oder im südlichen Italien anschauen, dann sehen Sie, dass es dort viel weniger produzierendes Gewerbe gibt. Ein überbordender Staatssektor, der Tourismus als quasi einziger Devisenbringer und ein zu starker Fokus auf Dienstleistungen hemmen den dortigen Aufschwung enorm. Eine gesunde Branchenvielfalt – das ist die Antwort aus unserer Sicht – und das Entwickeln mehrerer Standbeine sind die vordringlichsten Ziele, die diese Staaten in Angriff nehmen müssen, so herausfordernd und langwierig das auch sein wird.
Dieser sogenannte Turnaround kann aber gelingen. Auch Vorarlberg hatte Ende der Achtzigerjahre, Anfang der Neunzigerjahre einen ordentlichen Strukturwandel zu bewältigen. Die Konkurrenz aus Südostasien hatte auch in Vorarlberg dazu geführt, dass von der ursprünglich dort so starken Textilindustrie – abgesehen von ein paar erfolgreichen Ausnahmen – nur mehr wenig übrig blieb. In einem Artikel der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ beschrieb es der Autor so: Viele Jahre beziehungsweise lange „war Vorarlberg das Bangladesch der Ostschweiz[...]“. Ganz so drastisch würde ich es nicht formulieren, aber die Herausforderung war schon enorm, vor allem im Rheintal und im Walgau, wo in der Textilindustrie Tausende von Arbeitsplätzen verloren gingen. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)
Zum Glück stieg der Bedarf an Arbeitskräften in allen anderen Branchen sukzessive, und letztlich hatten wir mehr Beschäftigte als vor der damaligen Krise. Vorarlberg hat diesen Umbruch also gut verkraftet – auch dank der damals als Ziel-2-Gebiet eingesetzten EU-Mittel –, und heute kann unser Land als hoch diversifizierter Wirtschaftsstandort bezeichnet werden.
Die Industrie hat einen erfolgreichen Strukturwandel vollzogen und produziert heute weltweit nachgefragte Waren, hauptsächlich im Bereich der Metall- und Elektrotechnik. Vorarlberg ist heute das industrialisierteste unter den österreichischen Bundesländern. Während bei uns mehr als ein Viertel – nahezu 30 Prozent – der gesamten Wirtschaftsleistung von der Industrie erbracht wird, liegt dieser Wert im Österreichschnitt bei lediglich 20 Prozent.
Dieser hohe Industrialisierungsgrad konnte natürlich nur erreicht werden, weil es die Vorarlberger Betriebe immer gewohnt waren, über die Grenzen zu schauen und sich weiterzuentwickeln. Unsere Unternehmen agieren global. Wir können auf eine Reihe von Weltmarktführern stolz sein, die sich nach wie vor klar zur ihrem Standort im kleinen, überschaubaren Vorarlberg bekennen.
Um diesen erreichten Standard zu halten und weiter auszubauen, also weiterhin progressiv bleiben zu können, müssen wir uns den Fragen und den Herausforderungen der Zeit stellen und uns weiterentwickeln. Die zunehmende Digitalisierung wird die Arbeitswelt weiter verändern, wahrscheinlich sogar regelrecht umkrempeln, und es liegt an uns, ob wir diesen Wandel wie in der Vergangenheit wiederum als Chance sehen.
Neben der Wirtschaft muss unser Tun aber künftig auch noch mehr im Einklang mit unserem Lebensraum und unserer Natur stehen. In Zukunft werden wir mit unserer Umgebung, die in Vorarlberg sehr beengt ist, noch nachhaltiger und mit unseren Ressourcen noch viel effizienter umgehen müssen. Maß und Ziel halten lautet da die Devise. Das bedeutet einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energieträger wie etwa der für das Land so wichtigen Wasserkraft und die konsequente Verfolgung unseres gesteckten Ziels, der Erreichung der Energieautonomie im Land Vorarlberg bis zum Jahr 2050.
Vorarlberg war das erste Bundesland Österreichs, das bereits im Jahr 2009 einen einstimmigen Beschluss zur Energieautonomie im Landtag gefasst hatte. Klares Ziel bis 2050: eine leistbare, eine umweltverträgliche und unabhängige Energieversorgung im Land sicherzustellen, eine Zukunft, in der Wasser und Sonnenkraft sowie Biomasse die Hauptrolle spielen und die Abhängigkeit von Energieimporten auf null reduziert wird. Gerade in Zeiten wie diesen – wir haben es gehört – zeigt sich, wie richtungsweisend und progressiv diese Einstellung bereits im Jahr 2009 war.
Ein weiterer Bereich, der für den Erfolg einer Region grundlegend ist, ist der Bildungsbereich. Jene Länder, die über ein gutes Bildungssystem verfügen, die eine fundierte Berufsausbildung vermitteln, gehören zu den führenden Regionen in Europa. Anders formuliert: Es ist ein Standortfaktor, wenn Firmen im Land gut ausgebildete Kräfte vorfinden, die in Zeiten des Fachkräftemangels in nahezu allen Branchen so dringend benötigt werden.
Eine Region ohne Jobchancen, ohne Perspektiven für die Jugend wird über kurz oder lang deutlich an Wohlstand verlieren, genauso wie eine Region Gefahr läuft, an Wohlstand zu verlieren, wenn sie nicht die entsprechenden Fachkräfte aufweisen kann. Also Bildung, Ausbildung und Jugendbeschäftigung sind zentrale Herausforderungen für die Zukunft.
Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, bildungsferne Jugendliche zu erreichen. Wir können es uns künftig einfach nicht mehr leisten, auf jemanden zu verzichten. Angesichts der demografischen Entwicklung, die auch vor Vorarlberg nicht Halt macht, muss es uns gelingen, möglichst jeden und jede abzuholen und für den Arbeitsmarkt fit zu machen.
Wir wenden deshalb in unserem Land knapp ein Viertel unseres Landeshaushalts für die Bereiche Bildung, Ausbildung und für eine aktive Arbeitsmarktpolitik auf, und da sei mir eine Bemerkung zu Herrn Minister Kocher erlaubt: Wir sind sehr dankbar und froh über diese regionale Aufteilung und Struktur, die es uns ermöglicht, auf unsere Situationen und Gegebenheiten in den Projekten und Arbeitsmethodiken auch entsprechend zu reagieren und eigene, passende Wege für die Region zu beschreiten. Wir wollen nämlich weiterhin unter jenen Regionen in Europa sein, die die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit aufweisen.
Ein Beispiel, was Bildungsinvestitionen anbelangt: Wir investieren derzeit knapp 50 Millionen Euro in den Ausbau der Fachhochschule Vorarlberg. Der Fokus liegt dabei auf wichtigen Zukunftsthemen. Der größte Teil der Studierenden – 43 Prozent – entfällt auf den Bereich Technik, weitere 25 Prozent entfallen auf Wirtschaftsstudien und Informatik. Zudem hat die Fachhochschule Vorarlberg in den letzten Jahren ihren Ruf als eine der forschungsstärksten Fachhochschulen Österreichs erneut unter Beweis gestellt. Wir meinen es also ernst, wenn wir sagen, dass wir keinen Jugendlichen zurücklassen dürfen, und unser Augenmerk liegt dabei auf dem gesamten Bildungsweg, von der frühen Förderung von Kindern, dem Kindergarten und der Schule über die Lehre und Weiterbildung bis hin zur Fachhochschule. Dazu soll aktuell noch in diesem Jahr ein modernes Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz beschlossen werden. Einige von Ihnen, geschätzte Abgeordnete, hatten ja in der vergangenen Woche auch die Gelegenheit, sich vor Ort von dieser Thematik zu überzeugen.
Gezielt investieren wir auch in die Lehrlingsausbildung. Die duale Berufsausbildung ist gleichermaßen eine Stärke wie auch eine Visitenkarte der Vorarlberger Wirtschaft. Innerhalb Österreichs haben wir mit über 50 Prozent der Schulabgängerinnen und Schulabgänger die höchste Lehrlingsquote, und das muss auch in Zukunft so bleiben.
Weiters müssen wir unsere Kräfte in den Bereichen der Frühpädagogik und Volksschule verstärken, ganz nach dem Motto: Auf den Anfang kommt es an! – Da gilt es, die ganze Konzentration auf die Sprachförderung und den Spracherwerb zu legen, sowohl für Kinder und Jugendliche mit migrantischem Hintergrund als auch für die einheimischen Kinder. Die Anstrengungen in diesem Bereich werden wir intensivieren müssen. Da schlummert in Österreich ein großer Reformbedarf, den wir besser heute als morgen bewältigen sollten, denn eines, glaube ich, sollte klar sein: Es gibt nur eine Sache der Welt, die teurer ist als Bildung, nämlich keine Bildung, wie schon John F. Kennedy sagte.
Deshalb sind wir auch froh und dankbar, dass es auf der jüngsten Landeshauptleutekonferenz gelungen ist, eine Einigung zu der in Ausarbeitung befindlichen neuen 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik zu finden, und diese nun schnellstmöglich in trockene Tücher gebracht werden soll.
Den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken ist schon derzeit eine große Herausforderung. Mit der Pensionierungswelle meiner Generation, der Babyboomergeneration, wird die Situation dramatisch, denn eines ist klar: Für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg, für unsere exportorientierten Unternehmungen sind qualifizierte Fachkräfte von entscheidender Bedeutung. Wir müssen Vorarlberg deshalb noch stärker als Fachkräfteschmiede etablieren, und unser Ziel ist dabei ganz klar: Wir müssen das Land der besten Fachkräfte sein.
Dafür müssen wir gezielt in die wichtigen Bereiche der Zukunft investieren, und wir werden das auch tun und sind dabei, nämlich in Digitalisierung, in den Ausbau der Fachhochschule, wie bereits erwähnt, im technischen Bereich, in die Lehre, in die duale Ausbildung, in moderne Berufsschulen, aber auch in die bestmögliche Ausbildung bereits in jungen Jahren und auch in eine noch stärkere und damit einhergehende Erschließung des weiblichen Arbeitskräftepotenzials und in Erleichterungen von qualifizierter Zuwanderung – Stichworte: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, heute schon erwähnt, oder Rot-Weiß-Rot-Karte entsprechend weiterentwickeln.
Ganz entscheidend wird es da in Zukunft sein, dass das Bildungssystem möglichst durchlässig ist, von der Lehre zur Matura bis hin zur Fachhochschule und allenfalls auch zur Universität – auch wenn wir im Land keine eigene Universität haben –, und es darf nicht sein, dass ausschließlich die Herkunft darüber entscheidet, welcher Bildungsweg später eingeschlagen wird.
Ein weiterer Punkt ist die Bedeutung der Regionen auf nationaler und europäischer Ebene. Gerade wegen ihrer Nähe zu den Menschen oder ihrer homogenen Interessenlage verfügen Regionen – auch wenn sie schwierig zu greifen sind und in der Definition sehr unterschiedlich betrachtet werden – über die Fähigkeit, wesentlich effizienter als die nationale Ebene oder die europäische Ebene die Herausbildung einer grenzüberschreitenden europäischen Zusammenarbeit zu unterstützen. – Ich habe es jetzt etwas anders umschrieben, als es Herr Kommissar Fischler in seinem Einleitungsstatement gesagt hat. Damit Europa nämlich bei den Menschen Zustimmung findet, ist es ganz entscheidend, dass Aufgaben, die besser vor Ort erledigt werden und umgesetzt werden können, sinnvollerweise auch vor Ort entschieden und erledigt werden.
In meinen Augen müssen die Regionen in Europa in den nächsten Jahren eine noch größere Rolle spielen. Einen ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung hat aus meiner Sicht die Zukunftskonferenz, die ihre Ergebnisse ja Anfang Mai vorgelegt hat, gebracht. Da müssen wir aber noch mehr fordern und auch erreichen. Die Regionen müssen nach meinem Verständnis die Antriebsmotoren für eine engere Zusammenarbeit der EU mit den Staaten sein, nicht nur in der Europäischen Union, sondern eben auch darüber hinaus. Hier müssen wir auf europäischer Ebene einen Schritt weiterkommen, wenn wir in Zukunft bestehen wollen.
Trotz dieser eben geschilderten Herausforderungen und dem Verlangen, den Ländern und Regionen im europäischen Mehrebenensystem eine stärkere Rolle zu geben, möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Vorarlberg hat wie kaum ein anderes Bundesland vom EU-Beitritt profitiert, und ohne Europa wird es in Zukunft nicht gehen.
Natürlich ist die EU nicht perfekt und Reformen sind notwendig. Um die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zum vereinten Europa aber wiederzugewinnen, muss uns schon klar sein, dass Europa nicht mehr der Nabel der Welt ist, wie das einige noch immer meinen. Nur zwei kurze Stichworte: 1957 stellten die Gründerländer 10 Prozent der Weltbevölkerung, heute vertreten alle 27 Länder nicht einmal mehr 7 Prozent der Weltbevölkerung.
Das, glaube ich, sollte uns zu denken geben, und auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat uns vor Augen geführt: Europa kann und muss in diesen wichtigen Fragen wie der Außen- und Sicherheitspolitik oder der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit einer Stimme sprechen. In anderen Fragen jedoch sollte die Europäische Union in den Regionen ganz im Sinne der Subsidiarität einen möglichst großen Handlungsspielraum eröffnen. Da müssen aber auch die jeweiligen nationalen Ebenen dann mitspielen.
Zum Abschluss aber noch ganz kurz zurück zu Vorarlberg als wachsender Region: In den letzten zehn Jahren ist die Einwohnerzahl um 5 Prozent gewachsen, und für den Zeitraum 2014 bis 2030 wird mit einem prognostizierten Wachstum von plus 10,3 Prozent für Vorarlberg das zweitstärkste Bevölkerungswachstum von ganz Österreich erwartet.
Da der potenzielle Siedlungsraum, wie schon erwähnt, aufgrund topografischer Gründe nur wenig Raum für Siedlungszwecke und infrastrukturelle Nutzungen bietet, wird es in Zukunft ein wichtiges Ziel sein, das große Ganze in den Blick zu nehmen und ein umfassendes Bild für Vorarlberg zu entwerfen. Es gilt, Nutzungskonflikte in der räumlichen Entwicklung zu entschärfen und ein bestmögliches Gleichgewicht zwischen den vielzähligen Interessen zu finden, was nicht einfach ist.
Schon jetzt dürfen wir uns im Bereich des öffentlichen Verkehrs – heute auch schon erwähnt – als Bundesland mit dem nach Wien attraktivsten Angebot bezeichnen, und wir werden dieses auch weiter ausbauen. Das 365-Euro-Ticket – es sei mir gestattet, das zu erwähnen – wurde bei uns schon vor über zehn Jahren beschlossen und auch eingeführt und umgesetzt. Das alles hat eine nachhaltige Finanzpolitik ermöglicht, die uns die erforderlichen und nötigen Spielräume eingeräumt hat, und so wollen wir es auch in Zukunft halten.
Bei all diesen Zahlen, bei all diesen erfreulichen Wirtschaftsdaten und sonstigen Quoten darf in Zukunft aber eine Frage nicht außer Acht gelassen werden, und das ist der soziale Frieden und der gesellschaftliche Zusammenhalt. Ich spreche da gar nicht so sehr von den institutionalisierten Ebenen, sondern ich bin überzeugt davon, dass Regionen mit einer starken gesellschaftlichen Mitte, einer geringen Kluft zwischen Arm und Reich, einem großen Maß an ehrenamtlichem Bürgerengagement und an Freiwilligkeit, mit hohen Standards in der sozialen Absicherung und im Sozial- und Gesundheitswesen sowie einem funktionierenden Sicherheitswesen für die Zukunft besser gerüstet sind, weil sie Verlässlichkeit und Sicherheit vermitteln und damit Progressivität und Fortschrittlichkeit ermöglichen.
In diesem Sinne: Herzlichen Dank und alles Gute! (Beifall.)
10.15
Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Landtagspräsident.
Ich darf nun Herrn Landeshauptmann Mag. Hans Peter Doskozil um seinen Beitrag zum Thema „Unsere Initiativen für eine starke Region“ ersuchen. – Bitte, Herr Landeshauptmann.
Mag. Hans Peter Doskozil (Landeshauptmann von Burgenland)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Gäste! Wir diskutieren heute über die Stärkung der Regionen und haben in den Diskussionsbeiträgen bis dato sehr viel darüber gehört, was eigentlich die Idealvorstellung von einer starken Region ist, was wir uns wünschen: vor Ort bestehende Arbeitsplätze und entsprechende Infrastruktur, Verkehrsanbindungen, öffentlichen Verkehr, auch Gesundheitsversorgung und Spitäler, beste Bildung.
Wir müssen uns aber auch die Rahmenbedingungen vor Augen führen, die es braucht, um das zu erreichen. Es wurde richtig gesagt, dass wir, wenn wir nach Brüssel schauen, den Grundsatz und das Prinzip der Subsidiarität einfordern. Trotzdem müssen wir aber kritisch hinterfragen, insbesondere wenn wir heute hier in der Länderkammer zu Gast sind: Fordern wir und leben wir diesen Grundsatz der Subsidiarität auch in Österreich?
Ich darf nur daran erinnern, dass wir höchstwahrscheinlich schon seit Jahrzehnten sehr intensiv darüber diskutieren, wie es denn um unsere Kompetenzverteilung bestellt ist: Wer sollte denn die Aufgaben bestmöglich erledigen? Ist das der Bund? Sind das die Länder? Sind das die Gemeinden? Leben wir denn auch in diesem Bereich tatsächlich diesen Grundsatz der Subsidiarität, den wir als bestmögliches Modell Richtung Brüssel rufen? – Das ist die eine Frage.
Die andere Frage ist für mich auch – und das betrifft eben die rechtlichen Rahmenbedingungen über die Frage der Kompetenz und auch die Möglichkeiten, Regionen vor Ort zu entwickeln, die Möglichkeiten, auch Entscheidungen vor Ort zu treffen –: Wenn wir ernsthaft davon ausgehen – und ich gehe davon aus, dass das Gesagte auch so zu verstehen ist –, dass wir darüber diskutieren müssen, die Entscheidungen auch dort zu treffen, wo die Bedürfnisse vor Ort am besten wahrgenommen, gefühlt werden, dann müssen wir uns diese Frage stellen, und dazu brauchen wir auch Lösungen.
Solche Lösungen aber herbeizuführen – und das ist aus meiner Sicht auch ein Grundsatz der Politik – ist vordergründig sehr schwierig, weil wir dabei sehr oft über eine Frage diskutieren, und ich darf da vielleicht auch an das Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit über die Frage der Schulkompetenzen, über die Frage der behördlichen Ausgestaltung der Landesschulräte erinnern, wo wir eigentlich ein kompliziertes Konstrukt ins Leben gerufen haben, erstmalig in dieser Behördenstruktur Österreichs eine gemischte Bundes-Landes-Behörde ins Leben gerufen haben, und zwar nicht weil es für die Bildung und für die Ausbildung der Kinder wichtig ist, nicht weil es wichtig war, wenn es darum geht, zu sagen: Okay, wie bilden wir die Kinder, welche Lehrinhalte vermitteln wir und wie findet Bildung statt?, sondern weil es einzig und allein immer nur darum gegangen ist: Wer ist zuständig? Wer hat die Kompetenz, beispielsweise die Direktoren zu bestellen? – Das war die Frage.
Wenn wir es in Zukunft ernst meinen und unsere Aufgabe so verstehen wollen, Politik für die Menschen zu machen, dann ist die oberste Prämisse für die Politik aus meiner Sicht, die Politik auch im Interesse der Menschen zu gestalten – und nicht im Interesse des Selbstzwecks, nicht im Interesse der Institutionen – und nicht vordergründig vorzuschieben, Kompetenzen zu sichern.
Daher bin ich der Meinung, wenn wir uns all diesen Wünschen und Zielen, die wir heute teilweise schon gehört haben, verschreiben – das ist auch unser Auftrag, die Regionen, die Länder, unser Heimatland bestmöglich zu entwickeln –, dann ist es unbedingt erforderlich, diese Fragen zu klären.
Ich möchte, weil es hier Thema ist, praktische Beispiele dafür nennen, vor welchen Herausforderungen wir stehen, welche Lösungsansätze wir uns im Burgenland überlegt haben, aber an diesen Beispielen auch veranschaulichen, dass es wichtig ist, dass nicht nur die Kompetenz, die Möglichkeit, sondern auch im Hintergrund die Finanzierung ein ganz wesentlicher Faktor ist.
Was passiert denn derzeit? – Ich habe es vorhin gehört, es wurde eine 15a-Vereinbarung angesprochen. Ja, wir sind froh darüber, seitens der Länder eine 15a-Vereinbarung mit dem Bund abgeschlossen zu haben. Es wird doch immer nur mehr darüber diskutiert, wer auf der einen Seite das finanziert, wer auf der anderen Seite jenes finanziert. Man schaut da gar nicht mehr so sehr stark auf die Kompetenzen, darauf, wer zuständig ist – wir haben einen Finanzausgleich und Grundregeln im Finanzausgleich, wir haben einen Konsultationsmechanismus; ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Konsultationsmechanismus mittlerweile zum toten Recht geworden ist –, sondern es wird immer wieder versucht – wir sagen, dass wir partnerschaftlich tätig sind –, vice versa Kosten hin- und herzuschieben. Das heißt, wenn wir uns dazu bekennen, Österreich, die Regionen, die Länder entsprechend zu entwickeln, ist es aus meiner Sicht dringend notwendig, einmal klarzustellen, wer die Verantwortung hat und wie die Finanzströme dorthin sind.
Ich möchte das noch anhand von drei, vier Beispielen erläutern. Natürlich stehen anlässlich der Coronasituation das Thema Gesundheit und das Thema Pflege immer wieder im Fokus. Erinnern wir uns vielleicht zurück: In den letzten Monaten haben wir seitens der Länder mit dem Bund sehr intensiv darüber diskutiert, wie man die Coronaausfälle in der Spitalsfinanzierung kompensieren kann, und der Bund hat da entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt, die dann auf die Länder aufgeteilt wurden.
In dieser Diskussion bin ich draufgekommen, dass die Spitalsfinanzierungen teilweise unterschiedlich funktionieren, und das ist bei Gott kein Vorwurf. Eine Spitalsfinanzierung in den Tourismusländern im Westen Österreichs funktioniert viel besser. Die Voraussetzungen sind ganz andere, weil dort ganz einfach sehr viele Gastpatienten sind und mit diesen Gastpatientenelementen eine Spitalsfinanzierung plötzlich funktioniert. Wir im Burgenland haben beispielsweise die Situation, dass wir uns einerseits dazu bekannt haben, die fünf Standorte unserer Spitäler zu erhalten, aber andererseits müssen wir intensive Überlegungen dahin gehend anstellen, wie diese Spitäler zukünftig funktionieren können.
Um die Spitäler wiederum am Funktionieren oder am Leben zu erhalten, braucht man Ärzte, braucht man qualifiziertes Personal, braucht man gutes Personal. Man muss in den Regionen vor Ort Medizin anbieten. Es ist heutzutage schon notwendig, Spitzenmedizin anzubieten, denn die Fallzahlen, die vor Ort erledigt werden, sind wieder dafür verantwortlich, dass man entsprechende Mittel für den Finanzierungsfonds aus den Kassenmitteln und aus den Bundesmitteln bekommt. Das heißt, die komplette Spitalsfinanzierung ist eine komplexe Angelegenheit. Sie hängt sehr stark damit zusammen, wie die regionalen Voraussetzungen sind, und sie hängt aber auch sehr stark damit zusammen, wie die Patientenströme sind. Die Patientenströme kann man als finanzverantwortlich für die Spitäler nur insofern beeinflussen, als man Qualität bietet. Um Qualität bieten zu können, braucht man Ärzte, braucht man gute Ärzte, braucht man qualifizierte Ärzte.
Wie ist umgekehrt wieder das Finanzierungssystem oder die Gehaltssystematik eines Arztes? – Ich sage es jetzt einmal anhand von ein paar Beispielen von Ärzten, die ich selber sehr gut kenne, mit denen ich darüber schon oft diskutiert habe: Die durchschnittliche Gehaltsstruktur eines Arztes, eines Spitalsarztes, hat in der Regel zwei, drei Komponenten: die erste ist ein Gehalt in den Spitälern, das öffentliche Gehalt, der zweite Aspekt ist die Privatordination, der dritte Aspekt ist die Sonderklasseabgeltung. – Das ist unser System in der öffentlichen Gesundheitsversorgung in den Spitälern.
Wenn man sich heute mit einem Arzt offen und ehrlich unterhält, weiß man, es fallen ungefähr 40, 45 Prozent seines Gehalts auf die Sonderklassepatienten ab. Den geringsten Anteil hat das Gehalt in den öffentlichen Spitälern. Das heißt, was hat der Arzt für ein Interesse? – Er hat das Interesse, dort Dienst zu tun, dort tätig zu sein, wo er natürlich viele Sonderklassepatienten versorgen kann. Das fördert aber wiederum die Zweiklassenmedizin, wobei wir immer sagen, dass wir keine Zweiklassenmedizin wollen. Wir aber treiben die Ärzte durch unsere Systematik in dieses Dilemma, auch diese Zweiklassenmedizin zu fördern. Das bedeutet umgekehrt aus unserer Sicht – jetzt sage ich es aus Sicht des Burgenlandes –, dass man sich natürlich andere Modelle überlegen muss, nämlich andere Modelle, durch die eine derartige Situation in mehrfacher Hinsicht entkrampft werden könnte.
Unsere Antwort beispielsweise auf diese eine Frage betreffend die Spitalsärzte wird sein – und ich habe diese Erfahrungen auch in Deutschland gemacht; wir haben uns andere Modelle angeschaut –, dass ein Spitalsarzt ordentlich bezahlt bekommt, sodass ein Spitalsarzt nicht mehr die Bedürfnisse und die Notwendigkeiten hat, in seiner Ordination auf die Sonderklassepatienten Rücksicht zu nehmen oder darauf zu achten, wo es diese Patienten gibt. Ein Spitalsarzt soll ein ordentliches Gehalt erhalten, sodass es dann egal ist, wer in seine Ordination, die vielleicht sogar im Spital stattfindet, kommt, und es egal ist, wer zur Behandlung kommt.
Diese Schritte können wir nur gehen, wenn wir die Kompetenz und die Verantwortlichkeiten in den Ländern haben. Diese Schritte könnten wir beispielsweise im Burgenland nicht gehen, wenn diese Kompetenz bei uns nicht gegeben wäre. Hätten wir die Kompetenz über die Spitäler im Burgenland nicht, würde ich an dieser Stelle behaupten, insbesondere auch deshalb, weil sie immer über den Bevölkerungsschlüssel, über das Einzugsgebiet starr im Hinblick auf die Bevölkerungsanzahl berechnet werden, dass uns im Burgenland dann höchstwahrscheinlich drei Spitäler fehlen würden und wir nur mehr zwei Spitäler hätten.
Ein zweites Beispiel: Für mich ein ganz wesentlicher Punkt, wie man Regionen stärkt, wie man aber auch die Verantwortung in diesen Bereichen wahrnimmt, ist der Pflegebereich. Ich glaube, Sie alle wissen, wie intensiv wir den Pflegebereich über die Jahre hindurch – nicht erst in den letzten Monaten – diskutiert haben. Es wurde dann zu irgendeinem Zeitpunkt vor den Wahlen der Pflegeregress abgeschafft. Es wurde noch viel früher beispielsweise die gesetzliche Legalisierung der 24-Stunden-Kräfte beschlossen, aber man hat sich, ehrlich gesagt, bis dato nicht grundsätzlich darüber Gedanken gemacht, wie Pflege tatsächlich funktionieren könnte und was es dazu in einem funktionierenden System braucht. Daher gibt es immer wieder die Forderungen und Diskussionen: Wir brauchen einen Pflegegipfel! Wir brauchen eine Pflegereform!
Und ganz wichtig ist natürlich: Wir müssen die Pflege auch finanzieren können – ein ganz wesentlicher Faktor!
Wir haben jetzt im Burgenland die Kompetenzen anhand dieses Beispiels erklärt. Natürlich nützt es nichts, ständig die Forderungen an den Bund zu stellen und zu sagen: Wir brauchen jetzt die nächste Pflegemilliarde und die nächste Pflegemilliarde!, sondern da ist es, glaube ich, sehr wichtig, sich selbst einmal zu hinterfragen, die Systematik zu hinterfragen und sich einmal gut zu überlegen: Gibt es auch andere Modelle und gibt es andere Möglichkeiten, um mit den vorhandenen Mitteln – diese sind eben limitiert; man kann sich alles wünschen, aber diese sind limitiert – einen besseren Effekt für die Bevölkerung zu erzielen?
Wir haben uns das sehr genau angesehen und wir sind – für uns zumindest – zur Überzeugung gekommen, dass wir unabhängig von den Pflegeheimen und unabhängig davon, was vordergründig bei der Pflege zu Hause passiert, wo wir das Anstellungsmodell – das ist ja, glaube ich, hinlänglich bekannt – umgesetzt haben, den Mittelbau stärken müssen.
Wie ist der Mittelbau organisiert? Der Mittelbau ist organisiert mit Tagesheimstätten – so wird es höchstwahrscheinlich überall sein –, die halt je nach Bedürfnissen, teilweise je nachdem wie stark ein Bürgermeister ist, unterschiedlich in den Gemeinden entstanden sind. Es gibt mobile Hauskrankenpflege. Wir haben beispielsweise im Burgenland, glaube ich, über 20, 25 Anbieter von mobiler Hauskrankenpflege, wobei es keine Struktur dahinter gibt, die besagt, wer welche Gemeinde bedient, wer welche Region bedient. Da kann es durchaus vorkommen, dass in einzelne Gemeinden vier, fünf Anbieter gleichzeitig hinfahren.
Es gibt einen Rechnungshofbericht, der klipp und klar besagt, dass die Effektivität der mobilen Hauskrankenpflege, umgerechnet auf ein Vollzeitäquivalent mit 1 740 Jahresarbeitsstunden Arbeitsleistung, höchstwahrscheinlich bei ein bisschen über 50 Prozent liegt. Das kann man in dieser Art und Weise nicht akzeptieren. Wir haben eine Finanzierungssystematik dahinter, die – ganz offen gesagt, auch das muss man offen ansprechen – auf Stundenbasis basiert; auf Stundenbasis von Stundensätzen je nach Qualifikation, sei es Pflegeassistenz, sei es Pflegefachassistenz, sei es Heimhelferin, von 60 bis zu 80, 85 Euro. Es ist immer so in allen Bereichen in der Wirtschaft, in Unternehmen: Der Personalkostenfaktor ist der größte Einsatz. Ich will gar nicht darüber diskutieren, was es bedeutet, 80 Euro in der Stunde zu verrechnen, das hochzurechnen, was das für eine Monatssumme ausmacht und was das auf der anderen Seite für den einzelnen Pflegeassistenten oder die einzelne Pflegeassistentin bedeutet, welches Gehalt dieser oder diese bekommt. Diese Kluft will ich gar nicht beleuchten.
Wir haben uns aber das Burgenland angeschaut und gesagt: Okay, wir müssen mit diesem Angebot erstens strukturierter werden, und wir müssen zweitens in die Regionen zurück, weil wir immer sagen: Regionen stärken!, Regionen stärken! Wir haben jetzt ein Modell entwickelt, gemeinsam mit dem Epig, bei dem wir hergehen und sagen: Wir errichten infrastrukturell einen Stützpunkt, wo mobile Hauskrankenpflege angeboten wird, wo ein Tagesheimzentrum angeboten wird, wo betreutes Wohnen angeboten wird. Das ist eine Infrastruktureinheit, umgelegt auf 4 000 Einwohner.
Das bedeutet, im Burgenland werden in den
nächsten zwei Jahren 68 Stützpunkte entstehen, wo mobile
Hauskrankenpflege, Tagesheimzentrum und betreutes Wohnen angeboten werden.
Dabei werden, weil man natürlich auf bestehende Ressourcen zurückgreifen
muss und soll, ungefähr 20, 25 bestehende Ressourcen genutzt und in etwa
40 neue Infrastrukturstützpunkte entstehen.
Das Interessante daran ist aber, dass wir die Verrechnungssystematik auf den Faktor Vollzeitäquivalent – nicht mehr auf den Faktor Stundenverrechnung – umstellen und damit den Effekt erzielen, dass wir pro Stützpunkt zehn Mitarbeiter beschäftigen können – pro Stützpunkt zehn Mitarbeiter für diese Einheit, was in der jetzigen Situation bei Weitem nicht möglich wäre. Das ist natürlich die Möglichkeit einer Vor-Ort-Verantwortung, sich zu überlegen: Was ist das Beste für die Menschen?, und nicht – ich sage das auch ganz offen, weil alle betroffen sind –: Was ist das Beste für die Institutionen?, und dann ein entsprechendes Modell auf den Tisch zu legen.
Es gibt – ich sehe, das Licht blinkt schon – natürlich noch weitere sehr spannende und interessante Themen, beispielsweise – das steht aktuell in Diskussion, auch in einzelnen Bundesländern – beschweren wir uns dauernd, dass es keinen Wohnraum gibt, dass die Grundstückspreise steigen, steigen, steigen. Auch im Burgenland merken wir das ganz massiv – natürlich im nördlichen Teil des Burgenlandes, nicht im südlichen Teil des Burgenlandes –, und auch wir müssen uns jetzt überlegen, was zu tun ist und was man tun kann. Ich persönlich kann nicht mehr verantworten, dass wir im Nordburgenland Grundstückspreise von 300, 400, 500, 600, 700 Euro pro Quadratmeter haben. Ich kann keiner einzigen jungen Familie in diesen einzelnen Gemeinden erklären, wie sie sich bei diesen Grundstückspreisen zukünftig ein Eigenheim leisten kann. Das wird nicht mehr möglich sein.
Vor dieser Herausforderung stehen wir und darauf brauchen wir Antworten. Diese Antworten können wir auch selbst geben, nur muss man den Mut haben, die notwendigen Diskussionen zu führen und die Konflikte auszufechten. Aber auch da gilt wieder: An oberster Stelle stehen die Interessen der Menschen und der Bevölkerung vor Ort.
Wir werden – das haben wir eigentlich schon beschlossen, das ist auch schon Beschlusslage – mit Verordnungen Höchstpreise festsetzen. Dies ist in Kombination mit der Frage: Wer widmet um?, zu sehen. – Die Gemeinden widmen um. Damit Bauland entsteht, muss immer ein öffentlicher Rechtsakt dahinterstehen – das ist die Umwidmung. Wo Bauland entstehen soll, ist eine Entscheidung der öffentlichen Hand und kein Zufall, indem jemand, der Grund besitzt, sagt: Da ist Bauland!
Dieser Faktor, dass das eine Entscheidung der öffentlichen Hand ist, gepaart mit dem Faktor der Frage, wie hoch realistische Grundstückspreise sein sollen, auch im Zusammenhang damit, was die Erschließung tatsächlich kostet, wird zukünftig auch im Burgenland den Faktor für die tatsächlich per Verordnung festgelegten Grundstückspreise bilden. Sie können sich sicher sein, sie werden deutlich niedriger sein als die derzeit sich entwickelnden Preise im Immobiliensektor.
Über das Modell im Bereich der Genossenschaften will ich jetzt nichts weiter ausführen, aber es gibt vielfältigste Themen, es gibt vielfältigste Herausforderungen. Das Wesentlichste ist, dass wir der Bevölkerung alles sagen können, was wichtig und notwendig ist, aber wir müssen ihr grundsätzlich immer ehrlich begegnen. Wir müssen, das ist aus meiner Sicht das Gebot der Stunde, die Kompetenzfrage und diese dauernde Diskussion Bund-Länder erledigen, und wir müssen uns auch klar darüber sein, wie wir – auch offen und ehrlich und transparent gesagt – diese Innovationen finanzieren.
In diesem Sinne sage ich recht herzlichen Dank für die Möglichkeit, hier ein, zwei Themen zu beleuchten, und ich freue mich schon auf die Diskussion. – Danke schön. (Beifall.)
10.37
Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak: Vielen Dank für die Ausführungen, Herr Landeshauptmann.
Zuletzt darf ich nun Herrn Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr um seinen Beitrag zum Thema „Stärken und Schwächen der österreichischen Regionen“ ersuchen.
Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung): Vielen herzlichen Dank und einen schönen guten Mittag, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich heute bei Ihrer Veranstaltung dabei sein darf und freue mich insbesondere auch über ein Detail des Titels „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“. Ich finde, dass das Vokabel Lebensräume eines ist, das wir auch stärker in der wissenschaftlichen Diskussion, in der Statistik und in vielen anderen Bereichen mit Leben erfüllen sollten.
Kommissar Fischler hat davon gesprochen, dass es gar nicht so einfach ist, zu definieren, was wir mit Regionen eigentlich meinen, und das ist auch in der wissenschaftlichen Forschung ein großes Thema. Wir arbeiten sehr häufig mit administrativen Einheiten, mit Bundesländern, mit Bezirken, mit den Nuts-Regionen, die historisch gewachsen, aber sehr häufig überhaupt nicht deckungsgleich sind mit den Lebensräumen, in denen Menschen ihre Gegenwart und ihre Zukunft gestalten. Diese Lebensräume umfassen sehr häufig mehrere solche administrativen Einheiten, sie gehen über Grenzen hinaus. Die Lebensräume haben sehr häufig etwas mit Arbeitsmarktregionen zu tun. In anderen Ländern, in den USA zum Beispiel, gibt es statistische Einheiten, die man als Commutingzones bezeichnet, also als Pendelräume. Ich halte das für eine gute Größe oder für eine gute Einheit, um über Regionalentwicklung diskutieren zu können.
Wir haben von Vorarlberg gehört, und der Vorarlberger Lebensraum überlappt in vielerlei Hinsicht mit Teilgebieten der angrenzenden Staaten. Das sind Teilgebiete, die gar nicht einmal in Österreich liegen: Liechtenstein, die Schweiz, Deutschland natürlich. Wir haben vom Burgenland gehört, das im nördlichen Teil sozusagen stark in den Großraum Wien integriert ist. Große Teile Niederösterreichs gehören da auch dazu. Wenn ich an meine Heimat denke, an Oberösterreich, dann ist das engstens mit dem bayerischen Nachbarraum und im Osten auch mit Niederösterreich verflochten und so weiter. Wir können das also für alle Lebensräume, in denen Österreicherinnen und Österreicher wohnen und arbeiten, Familie haben, Zukunft entwickeln, sagen.
Deswegen halte ich es für so wichtig, dass wir in Europa, auch in Österreich, Wege und Systeme haben – das heißt, Abstimmungswege, einen Föderalismus, der sich den verändernden Rahmenbedingungen anpasst, europäische Zusammenarbeit –, um diese Lebensräume auch stärker in die politische Realität zu bringen.
Ich möchte in meinen Bemerkungen immer wieder etwas aus der Forschung einbringen, und an dem Punkt passt das ganz gut. Dort, wo wir über Einheiten administrativer Regionen hinweg nicht genügend Abstimmung haben, dort passieren häufig Fehler oder Unterinvestitionen. Ich habe selber eine Studie gemacht, in der wir uns Infrastrukturinvestitionen in Europa angeschaut haben. Was man da sehr klar sehen konnte ist, dass gerade in den Grenzräumen Unterinvestitionen stattfinden.
Natürlich gibt es die Idee der transeuropäischen Netze, die gerade da Abhilfe schaffen sollen, und Co-Finanzierungen aus Europa. Das geht aber alles nicht weit genug, und wir haben es dann in der Realität damit zu tun, dass gerade an diesen administrativen Grenzen zu wenig investiert wird. Wir erleben das nicht nur im Transportbereich, wir erleben das jetzt auch schmerzlich im Bereich der Energienetze – dass die Stromnetze nicht hinreichend gut integriert sind, dass die Gasleitungsnetze nicht hinreichend gut integriert sind. Die Bottlenecks sind sehr häufig in diesen Grenzräumen. Das heißt, eine bessere Koordination ist wichtig.
Ökonomen sprechen gerne von externen Effekten, die internalisiert werden sollen. Diese externen Effekte tauchen auf, wenn administrative Einheiten für sich ihre Entscheidungen treffen, die aus einer individualistischen oder regionsbezogenen Perspektive sehr richtig sein können, die aber, wenn man das größere Ganze sieht, mehr Abstimmung und Koordination bedürfen würden. Das haben wir in ganz vielen Bereichen. Ich habe schon über Netze gesprochen: Straßen- oder Datennetze, Stromnetze, Gasnetze. Man kann das aber in vielen anderen Bereichen auch ausmachen, dass man mit interregionaler Abstimmung und Koordination sehr viel weiter kommt, zum Beispiel bei Betriebsansiedlungen.
Auch da wieder ein kleiner Blick in die USA, wo das sehr gut erforscht ist: Dort stehen die Bundesstaaten in einem enormen Wettbewerb um Betriebsansiedlungen. Diese Betriebsansiedlungen werden mittlerweile so stark subventioniert, dass die wirtschaftlichen Vorteile, die durch Betriebsansiedlungen in den Regionen entstehen sollten, von den großen Unternehmen absorbiert werden können. Die Subventionen sind dann so hoch, dass für die Regionen – dort werden natürlich Arbeitsplätze geschaffen und so weiter – monetär gemessen in Summe nicht mehr viel übrig bleibt. Das ist ein Beispiel eines ruinösen Wettbewerbs zwischen den Regionen, dem man einen Riegel vorschieben muss.
Bessere Beispiele fallen mir ein, wenn wir über die Ansiedlung nicht von Betrieben, sondern von Universitäten nachdenken. Wir durften vor kurzem eine Studie über Ansiedlungen von Fachhochschulen in Niederösterreich präsentieren. Was man da eben auch sehr schön sehen kann, ist, dass diese Ansiedlungspolitik weit über das Bundesland hinaus einen segensreichen Effekt mit sich bringt, und dass da auch eine klare Kooperation, eine gemeinsame Vorgangsweise wichtig ist.
Am Arbeitsmarkt sehen wir das auch, Minister Kocher hat ja über die regionalen Unterschiede gesprochen. Ich war lange in Deutschland und habe mitbekommen, welche Diskussion es dort um den Mindestlohn gibt. Es wird in Deutschland ein Mindestlohn eingeführt: 25 Prozent Erhöhung ist natürlich sehr schön für die betroffenen Bevölkerungsgruppen, aber es hat auch ganz klare Spillovers in unsere grenznahen Regionen hinein, die von dieser Politik, die wir nicht mitbestimmt haben, betroffen sein werden und wo man Lohneffekte sehen wird.
Arbeitskräfte könnten aus den Regionen abwandern, in Oberösterreich zum Beispiel nach Bayern, wo diese Mindestlöhne bezahlt werden müssen. Das wird dazu führen, dass man auch bei uns mehr zahlen muss. Das ist positiv, aber die Frage ist: Wer hat das demokratisch beschlossen? Das ist etwas, das nicht in Österreich beschlossen wurde, sondern in Deutschland.
Ein anderes Beispiel sind die Coronaregeln. Aktuell sehen wir wieder, dass die nicht hinreichend ausgebaute Kooperation, würde ich sagen, zu Einschränkungen in den Lebensräumen der Menschen führen kann. Ich glaube, dass wir mit dem Föderalismus ein wichtiges Vehikel haben, um solche Externalitäten zu internalisieren. Ich frage mich aber, ob wir schnell genug nachjustieren, ob dieser Föderalismus modern genug ist, ob er den Dingen, die rund um uns passieren, wirklich gewachsen ist.
Wir sehen Unterschiede zwischen den Regionen. Das haben wir in der Arbeitsmarktstatistik gesehen, von der Bundesminister Kocher gesprochen hat, wir sehen es in vielerlei Hinsicht. In der Forschung – gerade in der ökonomischen Geografie – reden wir häufig von Agglomerationseffekten, von Effekten, die dazu führen, dass bestimmte wirtschaftliche Bereiche zusammen in einem engen Raum stattfinden müssten, sich dort clustern.
Das kann man gerade für wissensbasierte, forschungsintensive Branchen sehr klar belegen. Die konzentrieren sich räumlich, und diese räumliche Konzentration bedeutet natürlich dann auch räumliche Ungleichheit. Wenn man denkt, man kann dem entgegenwirken, dann muss man sehen, dass dafür Grenzen gesetzt sind, weil diese Agglomerationseffekte ja Produktivität begründen.
Wenn man sagt, Biotech muss überall in der Fläche stattfinden, dann wird man es nirgendwo kriegen. Es muss sich in räumlicher Hinsicht konzentrieren dürfen. Das bedeutet aber, dass es Unterschiede geben wird zwischen den Regionen, in denen diese Clusterbildung erfolgreich gelingen kann, und den Regionen, in denen das nicht passiert. Wenn man, wie gesagt, versucht, da Riegel vorzuschieben, dann ist die Gefahr hoch, dass man für Österreich insgesamt diese Cluster dann nicht ansiedeln kann, sie nicht oder nicht in einer produktiven Art und Weise bekommt.
Das sind Branchen wie die schon erwähnte Biotechnologie; sehr gut belegt und erforscht ist das im Bereich Automotive. Wir sehen sehr klar, wo die Cluster in Österreich sind: im Grazer Raum, in Oberösterreich. Das haben wir in der Geschichte immer wieder im Finanzbereich gesehen. Was wir wissen, ist, dass diese Externalitäten über viele Kanäle funktionieren, über Wertschöpfungsverflechtungen zum Beispiel, dass Zulieferer sich rund um die Leitbetriebe ansiedeln.
Wir sehen das über die Arbeitsmärkte, dass gut ausgebildete Kräfte aus dem einen Betrieb dann in den anderen Betrieb wechseln können und umgekehrt. Wir sehen das auch bei den Zitationen von Patenten. Das alles hat eine räumliche Struktur, bedeutet aber natürlich, dass sich die Regionen unterschiedlich spezialisieren und dass sie sich in den verschiedensten Branchen unterschiedlich aufstellen. Das heißt, dass eben nicht jede Region in all diesen Sektoren tätig sein kann.
Wenn wir dann, wie das im Titel meines Referats vorgesehen ist, nach „Stärken und Schwächen der österreichischer Regionen“ fragen, dann habe ich ein bisschen ein ähnliches Problem wie mit den Regionen auch: dass die Stärken und die Schwächen natürlich etwas sind, das sich unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen relativ anders darstellen kann. Eine Region, die sehr industriestark ist, hatte es in Zeiten der Coronakrise gut, weil die Coronakrise vor allem im Dienstleistungsbereich, in Tourismus, Gastronomie und so weiter eingeschlagen hat. In Zeiten von Lieferkettenengpässen und hohen Energiepreisen ist das aber wieder ganz anders, sodass Stärke und Schwäche nicht so sehr allgemein definiert werden können, sondern eben von den Rahmenbedingungen abhängen.
Ein Wort ist hier auch schon mehrmals genannt worden, nämlich die Resilienz. Sie ist, glaube ich, ganz zentral. Wenn wir vielleicht statt über Stärken und Schwächen über Resilienz reden, dann kommen wir auch konzeptionell, glaube ich, etwas weiter.
Wir haben in der langen Phase seit der industriellen Revolution ein Wachstum urbaner Zentren gesehen. Die ländlichen Räume haben mit ihren Geburtenüberschüssen die Geburtendefizite der urbanen Zentren aufgewogen und diese befüllt. Das ist sozusagen der lange Trend über 200 Jahre, der im Prinzip auch aktuell noch weitergeht, nur gehen die Geburtenüberschüsse in den ländlichen Räumen zu Ende. Das bedeutet, dass dieser Ausgleich zwischen Land und Stadt nicht mehr so funktionieren kann, wie wir das gewohnt waren, dass es einen sehr viel stärkeren Wettbewerb um den knappen Faktor Arbeitskräfte geben wird. Der Demographie ist nicht gut zu entrinnen. Unter den vielen Dingen, die schwer prognostizierbar sind, ist die Demographie vielleicht etwas leichter zu prognostizieren als die Konjunktur oder andere Dinge.
Wenn Sie auf die langfristige Bevölkerungsprognose für Österreich blicken, dann sehen Sie, dass es klare Gewinner geben wird, die um die bereits bestehenden urbanen Zentren angesiedelt sind – das sind das Wiener Becken, das Grazer Becken, der oberösterreichische Zentralraum, Salzburg mit Flachgau, Innsbruck, das Rheintal, das Klagenfurter Becken –, und dass die Räume dazwischen, man könnte fast Zwischenräume dazu sagen, von der demographischen Entwicklung nachhaltig negativer betroffen sein werden. Die Frage ist, was man da tun kann. Ich glaube, dass es eine ganze Palette von Themen gibt, die man auch in Österreich stärker nutzen muss.
Wir haben gerade auch in diesen Zwischenräumen die große Chance, den Tourismus weiterzuentwickeln, die Wertschöpfung stärker zu machen – ich glaube, da ist Österreich ohnehin schon in vielen Bereichen Vorreiter in der Europäischen Union –, diesen Weg weiterzugehen, auf Qualität zu setzen. Man kann aber in diesen Räumen auch mit öffentlichen Investitionen etwas tun, da gibt es gute Beispiele: zum Beispiel Bildungsinstitutionen anzusiedeln, eine Dezentralisierung der Verwaltung zu machen. Ich glaube, dass Bayern ganz gute Modelle hat, mit denen das gelingen konnte, an denen man sich auch durchaus orientieren kann.
Ich glaube auch, dass die Energiegewinnung und die Energiewende eine Chance für diese Regionen darstellen werden. Die neuen Energiegewinnungsformen sind ja sehr flächenintensiv. Das ist auch eine Umkehr eines langen Trends über die letzten 100 Jahre, wo man immer mehr Energie auf immer weniger Raum herstellen konnte. Die extremste Energieverdichtung ist das Atomkraftwerk.
Wenn wir jetzt auf Windräder und Fotovoltaik gehen, dann ist das etwas ganz anderes. Dann brauchen wir sehr viel mehr Fläche, und das ist für diese Regionen eine Chance, weil dort die Fläche zur Verfügung steht. Worauf wir achten müssen, ist, dass diese Energieüberschüsse, die dann in diesen Regionen entstehen, auch lokal zur Wertschöpfung führen, dass es dort zur Ansiedlung von energieintensiven Unternehmen kommen kann, wo die Energie auch tatsächlich produziert wird.
Eine kleine Anekdote aus meinem alten Wirkungskreis in Schleswig-Holstein: Das ist das Land mit dem größten Nettoexport sauberen Stroms und gleichzeitig das Land in Deutschland, das den höchsten Strompreis für Haushalte und Industrie hat. Da ist die Regulierung falsch gelaufen. Man muss solche Entwicklungen für Österreich verhindern. Dort, wo der Strom günstig hergestellt werden kann, muss auch die Wertschöpfung hin, damit man teure Transportkosten vermeidet.
Ich glaube, dass die Literatur und die Forschung in den letzten Jahren sehr schlüssig gezeigt haben, dass Erfolg und Misserfolg von Regionen sehr häufig an der Wanderungsbilanz zu messen sind. Regionen, die Bevölkerung verlieren, sind Regionen, die politisch in Schwierigkeiten geraten. Wenn Sie sich zum Beispiel das Referendum für den Brexit oder die Präsidentschaftswahlen in den USA und in Frankreich ansehen, dann sehen Sie klare Unterschiede zwischen den Regionen, die Bevölkerung verlieren, und jenen, die Bevölkerung gewinnen. Daher, glaube ich, ist eine aktive Regionalpolitik eine wichtige Angelegenheit.
Die Abwanderung der Jungen, insbesondere der jungen Frauen, als ganz zentrales Element – das wurde schon gesagt, dem kann ich nur zustimmen – ist der Kern des Problems. Deswegen glaube ich, dass wir mit einem starken und beschleunigten Ausbau von Infrastruktur, vor allem der digitalen Infrastruktur, wirklich Fortschritte machen müssen. Das erlaubt Homeoffice, das erlaubt datenintensive Dienstleistungssektoren, das erlaubt die Ansiedlung von wissensbasierten Wirtschaftszweigen in diesen Regionen.
Was aber auch einfach wahr ist, immer wahr war und wahrscheinlich auch wahr bleibt, ist, dass öffentlicher Verkehr nicht alles ist. Auch die Straßenanbindung muss einfach passen. Das ist, glaube ich, etwas, das politisch im Streit steht, aber die Tatsache, dass auch Güter transportiert werden müssen, dass sich Menschen nicht nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen können, darf man nicht ausblenden.
Wir haben in Österreich Regionen, die sich sehr unterschiedlich spezialisieren: Industrieregionen, Regionen, die stärker im Tourismus aktiv sind, im Tourismus dann wieder Unterschiede im Sommer- und Wintertourismus, in den Industrieregionen die schon angesprochenen Cluster unterschiedlicher Art, von Maschinenbau, Kunststoff, Metall, Automotive und so weiter. Wir haben Regionen, die stärker auf die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern konzentriert sind. Landwirtschaft ist auch nicht gleich Landwirtschaft. Da sind die Hektarerträge sehr, sehr unterschiedlich, Sonderkulturen ganz anders als zum Beispiel in der Forstwirtschaft.
Ich würde diese Unterschiedlichkeit gerne als eine große Bereicherung begreifen. In einem föderalen System macht uns das in Summe stärker. Wenn Schocks auftreten, wie wir sie jetzt gesehen haben, wir aber eine diversifizierte Struktur haben, dann sind diese Schocks besser auszuhalten, als wenn wir eine Monokultur hätten. Die haben wir in Österreich nicht, und das ist auch gut so.
Mit so einer ausdifferenzierten regionalen Arbeitsteilung haben wir in Summe höhere Einkommen, aber damit die Diversifizierung funktioniert, brauchen wir auch Ausgleichsmechanismen. Wir haben in der Coronakrise gesehen, dass die unterschiedlichen Regionen und Bundesländer ganz unterschiedlich vom Coronaschock betroffen waren. Wir sehen das jetzt perspektivisch wieder.
Wir gehen im Wirtschaftsforschungsinstitut davon aus, dass das laufende Quartal und die kommenden Quartale für die Industrie sehr hart werden. Sie könnten noch viel härter werden, wenn es zu einem Gasembargo kommt, und das trifft bestimmte – ich will nicht sagen, Bundesländer – Lebensräume viel heftiger als andere. Diese Schocks insgesamt in Österreich und dann auch in der Europäischen Union solidarisch zu absorbieren, ist ganz wichtig.
Die Unterschiedlichkeit lässt sich auch an den ganz aktuellen Zahlen für die Bruttowertschöpfung der Bundesländer ablesen. Ich weiß nicht, ob Sie die Zahlen für das Jahr 2021 schon kennen. Für Österreich gab es ein Wachstum von 4,5 Prozent, und es gibt ein paar Bundesländer, die konnten diesen Österreichschnitt deutlich schlagen: Oberösterreich zum Beispiel mit 6,2 Prozent, Wien mit 5,3 Prozent, Niederösterreich mit 5,3 Prozent, Kärnten mit 5,4 Prozent. Das sind Länder, die sich häufig wegen ihrer Industriestärke besser gegen die Coronaprobleme wappnen konnten, oder Länder, die mit dem Sommertourismus punkten konnten, oder Länder, die, wie Wien, im Tourismus sehr tief gefallen sind und einfach mit der Rückkehr zu einem nicht normalen, aber näher am normalen Niveau befindlichen Level eine Beschleunigung herbeigeführt haben.
Wir sehen das Burgenland, die Steiermark und Vorarlberg, die relativ nah am österreichischen Durchschnitt sind. Wir sehen aber noch immer, dass Tirol und Salzburg aufgrund der Tourismusabhängigkeit im Jahr 2021 vom österreichischen Durchschnitt sehr weit weg sind: Tirol 1,3 Prozent, Salzburg 2,7 Prozent. Diese Unterschiede sind nicht guter oder schlechter Politik oder leistungsfähigen oder weniger leistungsfähigen Betrieben oder der Industrie anzulasten. Das ist wirklich – man muss es sagen – Glück oder Pech; und ich meine, dass ein föderales System mit solchen Dingen umgehen können muss.
Zum Schluss ein paar wenige Empfehlungen, die wichtig sind. Es ist gut, Anleihen zu nehmen, Erfolgsmodelle als solche zu benennen, Anleihen auch in unseren nahen Nachbarländern zu suchen. Ich glaube, dass es gut ist, Regionalpolitik regelmäßig zu evaluieren. Wir durften am Wirtschaftsforschungsinstitut gemeinsam mit dem Münchner Ifo Institut eine Evaluationsstudie zur europäischen Kohäsionspolitik machen; mit sehr innovativen Methoden: Gelder, die auf Gemeindeebene alloziert werden, und die Effekte werden über Satellitendaten gemessen. Das ist also sehr innovative Forschung.
Was man da sehr klar zeigen kann, ist, dass diese Förderpolitik nützlich ist, dass das regionale Bruttoinlandsprodukt zunimmt. Was man aber nicht gut zeigen kann, ist, ob nicht diese Zunahme zulasten anderer Regionen geht, und das ist – Herr Fischler kennt das – so ein bisschen die Gretchenfrage in dieser Diskussion.
Ich glaube, es steht komplett außer Zweifel, dass digitale Infrastruktur und Verkehrsanbindung die Basis sind. Die Bildung wurde schon angesprochen – von der Kleinstkindbetreuung bis zur Spitzenuniversität, muss man sagen –, das ist wahrscheinlich sogar wichtiger als Investitionen in physische Infrastruktur, weil gerade im Bildungsbereich Österreich eher Nachholbedarf hat. Wir reden sehr viel von Nachholbedarf beim Breitband. Ja, den gibt es, aber gerade im Bildungssystem gibt es diesen auch, und der ist nachhaltiger und längerfristiger relevant.
Auch die räumliche Mobilität der Bevölkerung – ein Thema, das Minister Kocher wichtig ist – kann ich nur unterstützen. Das muss ein wichtiges Ziel der Arbeitsmarktreform sein: Mobilität zu fördern, und dass Menschen mit Distanz besser umgehen können.
Das letzte Thema, das mir als Querschnittsthema sehr wichtig ist, gilt für alle Regionen, gilt für die Republik Österreich in Summe: Energie ist sehr teuer geworden. Saubere Energie vor allem ist der Stoff, aus dem auch in der Zukunft Wertschöpfung entstehen wird; gerade wenn anderes knapp wird, vor allem der Faktor Arbeit. Das heißt, auf den Ausbau der Erneuerbaren zu setzen, jetzt alle Schleusen zu öffnen, nicht nur im Burgenland, auch anderswo, wäre wichtig.
Wenn die Energie teuer bleibt, dann sind die Standards bei uns nicht zu halten, dann ist die Industrie in ihrer Wertschöpfungsbedeutung, die sie heute hat, in Österreich gefährdet. Das gilt für die Regionen, das ist aber, glaube ich, auch für die Republik insgesamt die große Aufgabe in diesen Monaten und Quartalen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)
10.59
Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Univ.‑Prof. MMag. Felbermayr.
Panel 1 ist damit abgeschlossen. Ich bedanke mich für Ihre Beiträge.
Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zur Diskussion.
Ich darf an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass die Redebeiträge die Dauer von 3 Minuten nicht überschreiten sollen, und ersuche gleichzeitig, diese Vorgabe einzuhalten.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile ihm das Wort.
Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen als Parlamentarier! Werte Referenten! Geschätzte Gäste dieser Enquete! Ein herzliches Dankeschön für die Ausrichtung dieser Enquete. Ich als Bundesrat und der Bundesrat als Institution stehen für dezentral, für regional und für subsidiär, und der Bundesrat hat sich während der letzten Präsidentschaften auch intensiv mit dem ländlichen Raum beschäftigt. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)
Heute stehen die peripheren, die dezentralen Lebensräume im Zentrum der Tagung. Kommissar Fischler hat gemeint, man sollte definieren: Was ist ein dezentraler Lebensraum? – Ich möchte ihn so definieren: Für mich sind es Gemeinden, die Abwanderung erleben, wo – wir haben es gehört – vor allem junge, gebildete Frauen die Region verlassen, wo letztlich dann die Alten und die Bauern bleiben.
Was müssen wir tun, um dem entgegenzuwirken? – Zum einen die Basis – und auch das wurde gesagt –, die Landwirtschaft stärken, nämlich die Landwirtschaft in ihrer Produktion, in ihrer Vielfalt stärken und sie nicht als Museum konservieren. Energieproduktion ist auch ein Thema, nämlich die Produktion von Strom auf den Dächern. Wir brauchen aber Netze, die diesen Strom transportieren. Dezentrale Wärmeversorgung ist in den peripheren Gebieten mit der Biomasse verstärkt gegeben, aber auch Biogasproduktion, Biotreibstoffproduktion sollten wir stärker in den Fokus stellen, weil – und das ist vielleicht die Conclusio – wir in den dezentralen ländlichen Räumen CO2-neutrale, individuelle Mobilität brauchen, da die Öffis dort nicht alle Probleme lösen können.
Was brauchen wir noch? – Breitbandanbindung, weil – Corona hat es uns gezeigt – dezentrale Arbeitsplätze mit einer guten Infrastruktur im Breitbandbereich möglich sind.
Was brauchen wir, um die jungen Frauen in dezentralen Räumen zu halten? – Wir brauchen soziale Infrastruktur: Kinderbetreuung, Schule, Bildung, Gesundheitsversorgung. All das sind Themen, die ausschlaggebend sind, um einen Raum lebenswert zu gestalten.
Was müssen wir tun? – Die regionalen Kräfte stärken. Ein Beitrag sind die Förderungen für regionale Entwicklung. Danke für diese Möglichkeit, wir in unserer Region in der Buckligen Welt haben das entsprechend genutzt. Ich appelliere aber auch hier, die Verwaltung zu vereinfachen und nicht zu verkomplizieren.
Was könnte entstehen? – Ein neues Selbstbewusstsein, ein neues Lebensgefühl, stolz auf das Landleben zu sein. – Danke. (Beifall.)
11.03
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Georg Mayer. – Bitte.
Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Gäste! Geschätzte Abgeordnete! Küss die Hand auch in Richtung RednerInnen heute! Ich darf mich zunächst einmal beim Bundesrat für die Einladung bedanken und auch dafür, dass ein so wichtiges Thema heute zur Debatte steht. Kommend aus einem Gemeinderat in der Südoststeiermark über den Landtag in der Steiermark war es schon immer relativ klar, dass die Regionen ein wichtiges und wahrscheinlich ein meist unterschätztes Zukunftsthema dieser Republik und europaweit sind.
Ich muss jetzt leider den Weg der Sachlichkeit ein wenig verlassen, aber ich glaube, das wird wenige überraschen, wenn man mit Abgeordneten debattiert, denn es gibt hinter all diesen sachlichen Dingen natürlich eine politische Verantwortlichkeit, und die werden wir vielleicht jetzt ein bisschen näher beleuchten.
Ich möchte einmal von der europäischen Ebene auf die nationale herunterbrechen. Das Motto des Europaparlaments – ich weiß nicht, ob Sie es wissen – ist ja: in Vielfalt geeint. Das ist natürlich ein sehr schönes Motto, das heißt nämlich: die Vielfalt der Regionen in Europa. Da gibt es ja eine sehr große Vielfalt, die Menschen sind überall verschieden, und all das schätzen wir sehr, die wir Europa und Österreich kennen. Brechen wir das auf Österreich herunter, merkt man schon hier starke Unterschiede von Ost nach West. Auch da gibt es die verschiedenen Zugänge. Diese Unterschiedlichkeit ist auch die Kraft Europas und ist auch die Kraft Österreichs, denke ich.
Die Politik auf EU-Ebene geht aber seit Jahr und Tag in die völlig falsche Richtung. Da wird gleichgemacht, was nicht gleich ist, es wird passend gemacht, was nicht passt, und man verfehlt damit natürlich völlig den Zugang zu den Menschen. Europa ist – das muss man auch sagen, Herr Kommissar außer Dienst – da auch nur subsidiär zuständig, denn die Zuständigkeit für die Regionen liegt Gott sei Dank noch immer in den einzelnen Mitgliedstaaten, und die Infrastruktur ist der Schlüssel für die Regionen. Da geht es nicht nur um Verkehrsinfrastruktur und Bildungsinfrastruktur, sondern um die Infrastruktur im Ganzen. Das haben wir heute schon gehört.
Wir haben von der Frau Minister auch gehört: Wir leben in einer Zeitenwende. – Deshalb ist es gerade die schlechteste Zeit für eine grüne Ministerin in diesem Ressort. Das merkt man auch schon bei der Namensgebung des Ministeriums, denn da sieht man die Prioritäten: Es heißt Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität. Die Mobilität steht da also ganz zum Schluss. Ganz zum Schluss ist das Interesse an der Verkehrsinfrastruktur gegeben. Das ist natürlich etwas, das für alle Beteiligten äußerst schädlich ist, sowohl für die Wirtschaft als auch für die Menschen, die in den Regionen arbeiten und pendeln müssen.
Kurzsichtig ist diese Politik auch, wenn es um Energie geht. Wir haben jetzt dieses Ölembargo, das von der Europäischen Union ausgesprochen wurde und das von der österreichischen Bundesregierung natürlich mitgetragen wird. Da frage ich die ÖVP: Wie können Sie da eigentlich noch zuschauen? Was erleben wir da nämlich? – Die Menschen werden in näherer Zukunft eine massive Verteuerung der Treibstoffe erleben, es wird das Pendeln nahezu verunmöglicht werden. Das sind Dinge, mit denen wir uns alle beschäftigen müssen, und das sind Dinge, die die Regionen wirklich betreffen: Die Verkehrssicherheit wird nicht mehr gegeben sein ...
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich bitte, die Redezeit einzuhalten!
Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (fortsetzend): Diese Politik entwickelt sich zu einem erheblichen Standortnachteil für alle Regionen in Österreich. – Danke schön. (Beifall.)
11.07
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bernhard Hirczy. – Bitte.
Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Hohes Haus! Geschätzte Experten! Auch mein Dank gilt unserer Präsidentin Christine Schwarz-Fuchs für das Thema dieser heutigen Enquete. Es unterstreicht die Bedeutung dezentraler Lebensräume, und es geht darum, diese liebenswert und vor allem nachhaltig für unsere Nachfolger zu erhalten – dezentrale Lebensräume als Schwerpunkt unserer Arbeit und, ich möchte es auch unterstreichen, als Arbeit, die mich in den letzten 20 Jahren begleitet hat. Nützen wir die Chancen im ländlichen Raum!
Ich darf auf ein Erfolgsmodell aus dem Bezirk Jennersdorf im Südburgenland verweisen, das Projekt Lichtregion. Dabei ist es uns gelungen, zwölf Gemeinden zu vereinen, zwölf Gemeinden über die Parteigrenzen hinweg, um gemeinsam Ziele zu verfolgen. Ein erstes Projekt war ein LED-Projekt. Dabei haben wir eine Technologie gestartet, die damals, im Jahr 2012, noch belächelt wurde und heute allgegenwärtig ist.
Im Jahr 2014 haben wir ein Projekt mit Smartmeter gestartet. Damals wurde es ebenfalls belächelt, heute haben wir einen sogenannten Roll-out von knapp 100 Prozent im Burgenland, und in Österreich sind wir auch dabei, das flächendeckend zu schaffen und – ich sage nur: Stichwort Energiegenossenschaften – dies dementsprechend voranzutreiben.
Im Jahr 2017 starteten wir das Projekt Mobilität für alle. Da ist es uns gelungen, Menschen mobil zu halten, in der Gemeinde, im Bezirk und auch über die Grenzen hinaus, in die benachbarten Städte wie Fürstenfeld und Güssing oder auch zu unserem Tourismusflaggschiff Therme Loipersdorf. Es geht darum, Menschen zu transportieren, Menschen auf den richtigen Weg zu bringen und Bewusstsein zu schaffen.
Im Bereich der LED-Technologie war das mit Dr. Stefan Tasch aus Jennersdorf möglich, im Bereich der Smartmeter war es damals einer meiner Wegbegleiter, der damalige Obmann Reinhard Knaus, und im Bereich Mobilität ist es gelungen, das damalige Landesregierungsmitglied Verena Dunst zu gewinnen und dann federführend auch mit Walter Temmel im Bezirk Güssing einen Lückenschluss zwischen zwei Bezirken zu schaffen. Ich denke, so kann es gelingen, in die richtige Richtung zu gehen und nachhaltig Themen zu setzen.
Es gilt, den Blick in die Zukunft zu richten. Da möchte ich auf Punkte verweisen, die vor allem das Südburgenland und auch die Südoststeiermark betreffen, wo ich mich sehr viel bewege. Es geht darum, das Thema Elektrifizierung der Bahn voranzutreiben. Die Achse vom Südburgenland nach Graz ist wichtig, die Elektrifizierung schreitet voran. Wir wollen dabei mit dem Faktor Wohnen an der Ostbahn eine Chance bieten. Die S 7 wird gerade gebaut, auch da wird es Impulse geben. Ich sehe es als richtige Chance für Jugendliche, entweder Arbeit entlang der Straße oder der Bahn zu finden, in Graz zu finden oder vor Ort Arbeit zu schaffen.
Ich möchte auch noch das Thema Lehrlinge erwähnen. Wir hören, wie wichtig Bildung ist, und das unterstreiche ich. Als Lehrlingssprecher ist es mir wichtig, dass wir durch den Faktor Arbeit, durch die Erreichbarkeit, durch mobiles Internet, Breitbrand und so weiter Arbeitsplätze schaffen, die Menschen im ländlichen Raum halten. Junge Menschen, die Arbeit haben, die als Lehrlinge beginnen, bleiben bei uns im ländlichen Raum, und diese Menschen sind das Rückgrat für unsere kleinen Gemeinden, egal ob bei der Feuerwehr oder bei Vereinen.
Daher schließe ich mit der Bitte: Unterstützen wir gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg Schwerpunkte wie Arbeit, Wohnen, Breitbandinternet, Verbindungen, denn wenn wir mutig sind und voranschreiten, bieten wir jungen Menschen eine Chance und können so den ländlichen Raum lebens- und liebenswert halten! (Beifall.)
11.10
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Hannes Heide. – Bitte.
Mitglied des Europäischen Parlaments Hannes Heide (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft Europas entscheidet sich im ländlichen Raum und in der Peripherie. Dort ist die EU-Skepsis am höchsten, und über den Brexit – wir haben es heute schon gehört – wurde nicht in den urbanen Zentren entschieden, sondern in den ländlichen Regionen und in der Peripherie.
Wir müssen uns aber ins Bewusstsein bringen: Es gibt keine Entscheidung in der Europäischen Union, bei der nicht mindestens eine Österreicherin, ein Österreicher beteiligt ist. Und vor allem legt die Europäische Union Wert auf die Entwicklung des ländlichen Raums. Darüber, wie die meisten Programme und Fonds verwendet werden, entscheiden nicht Bürokratinnen und Bürokraten in Brüssel, sondern entscheiden wir in den Mitgliedsländern und Österreich mit seinem Föderalismus in unseren Bundesländern. Daher ist es eine konkrete Forderung, Transparenz und Information über die Verwendung dieser wichtigen Mittel zu geben.
Mir als Europaabgeordnetem ist bislang nicht bekannt, wie der Plan für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung unseres Landes für die nächste Förderperiode aussieht. Es gibt ehrgeizige Ziele, die das Europäische Parlament, die Europa, die die Europäische Union formuliert hat. Mich hätte interessiert, heute auch zu erfahren, welche Regionen in Österreich vom Just-Transition-Fonds erfasst werden und die Möglichkeit haben, sich dort weiterzuentwickeln. Mich interessiert auch, wie die Republik Österreich auf den Wiederaufbauplan reagiert und wie die Ziele auf den Boden gebracht werden – und der Boden, das sind für mich die Städte, Gemeinden und Regionen in unserem Land.
Digitalisierung ist eine große Chance, da besteht großer Aufholbedarf von Österreich. Gerade die Regionen und auch der ländliche Raum haben da eine Möglichkeit, nämlich auch Arbeitswelten zu schaffen. Man muss dann in manchen Branchen nicht mehr jeden Tag in die urbanen Zentren pendeln, wenn es entsprechende Angebote gibt, und man kann mit seiner Familie den Lebensmittelpunkt dort weiter aufrechterhalten. Das ist eine große Chance.
Kultur: Der Europäische Rechnungshof hat gefordert, dass im Europäischen Fonds für regionale Entwicklung auch mehr Kulturprojekte umgesetzt werden – Stichwort Kulturstättensanierung.
Tourismus ist wie die Kultur eine der Branchen, die von der Krise am meisten betroffen waren, wie übrigens auch die Jugend. Auch dort erwarte ich mir Angebote, vor allen Dingen in der Bildung.
Ein Thema, das für den ländlichen Raum am wichtigsten ist, ist die Mobilität. Es stimmt einfach nicht, dass sie ausreichend ist. Sie muss viel mehr auf den Bedarf reagieren können, es braucht viel mehr On-Demand-Angebote. Sie ist die letzte Meile eines der elementaren Angebote, die in den Regionen fehlen, gerade inneralpin. Ich komme aus einer inneralpinen Region, die ländlich geprägt ist. Da fehlt es einfach entsprechend bei den Mobilitätsangeboten und vor allen Dingen bei der letzten Meile.
Eines am Schluss: Die Menschen in den Regionen, in unseren Gemeinden wissen genau, was sie wollen und was sie brauchen: Das sind Mittel zur Umsetzung und vor allen Dingen finanzielle Möglichkeiten. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
11.14
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Rednerin: Martina Diesner-Wais. – Bitte.
Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrtes hohes Präsidium! Ich komme aus dem ländlichen Raum, aus dem Waldviertel, und daher bedanke ich mich sehr herzlich, dass diese Enquete abgeführt wird, denn die dezentralen Lebensräume sind einfach wichtige Lebensräume.
Wir haben gesehen, jede Krise ist auch eine Chance, und so waren die Krisen auch eine Chance für den ländlichen Raum. Wir haben es gemerkt: Es wollen mehr Städter hinaus in den ländlichen Raum, weil es dort einfach eine höhere Wohnqualität gibt, daher bedarf es jetzt auch eines weiteren Ausbaus des Breitbands. Sie müssen nur noch ein- oder zweimal in der Woche in die Stadt, in die Arbeit fahren und können, wenn der Breitbandausbau umgesetzt ist, alles vom ländlichen Raum aus erledigen. Es braucht aber einen weiteren Ausbau der Infrastruktur, sowohl der Straßen als auch des öffentlichen Verkehrs, das nehmen wir auch wahr.
Die zweite Krise aufgrund des Angriffskriegs hat uns gezeigt, dass erneuerbare Energie einfach wichtig ist, und hat dahin gehend Druck gemacht. Auch da braucht es einen Ausbau der Infrastruktur von Stromnetzen und Stromleitungen. Dem hinzugefügt ist natürlich der gesamte infrastrukturelle Ausbau, was Schulen betrifft, denn es muss nicht immer so sein, dass die Kinder für höhere Ausbildungen und Bildung in den städtischen Bereich pilgern, sondern es kann auch im ländlichen Raum Ausbildungsangebote geben.
Das sind einfach Dinge, die notwendig sind, damit wir unseren ländlichen Raum weiterentwickeln können, denn es ist ein schöner Raum, in dem es viel Lebens- und Wohnqualität gibt. Daher ist es wichtig, dass wir dafür kämpfen und schauen, dass sich da in Zukunft noch weitere Themenfelder auftun. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
11.16
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Rednerin: Silvia Karelly. – Bitte.
Silvia Karelly (Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag, ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass ich heute als Vertreterin des Landtages Steiermark hier sein darf. Ich bin für diese Enquete nominiert worden – es ist mir eine große Ehre –, ich glaube vor allem deshalb, weil ich auch Regionsvorsitzende der Region Oststeiermark bin, die 67 Gemeinden der Bezirke Weiz und Hartberg-Fürstenfeld umfasst, und wir wirklich aktive Regionalpolitik betreiben.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Lebensorte zu entwickeln, unsere ländlichen Gemeinden lebenswert und liebenswert zu erhalten. Wir sind Pilotregion zur Umsetzung der steirischen Gleichstellungsstrategie. Die Steiermark ist ja Vorbild und Vorreiter mit einem Steiermärkischen Landes- und Regionalentwicklungsgesetz, und auch hier haben wir uns beworben, diese Gleichstellungsstrategie in Umsetzung zu bringen. Ich glaube, nicht umsonst hat man dafür eine Region als Pilotregion gewählt, die eine Frau als Vorsitzende hat. Es war, glaube ich, richtungsweisend, einer der sieben Bürgermeisterinnen der 67 Gemeinden den Vorsitz zu übertragen. Deshalb ist es mir ein besonderes Herzensanliegen, in den Gemeinden viel weiterzubringen, Gemeinderätinnen zu stärken und auch in der Regionalpolitik Frauen zu forcieren.
Wir haben aber auch im Bereich der Arbeitswelt viel vor. Wir haben gerade vor 14 Tagen ein Projekt gehabt, die Lange Nacht der Karriere. 51 Topbetriebe aus unserer Region haben ihre Toren und Türen für unsere jungen Leute geöffnet, um zu zeigen, welch tolle Wirtschaftsbetriebe wir haben, welch tolle Ausbildungsmöglichkeiten wir haben, und um vor allem Nachwuchslehrlinge und ‑fachkräfte zu lukrieren.
Wir setzen im Sommer auch auf ein Projekt, das sich Workation nennt. Wir laden drei Wochen lang zu unseren Topbetrieben ein, ein Praktikum zu machen. Wir stellen Wohnmöglichkeiten zur Verfügung, assistieren auch in der Freizeit. Wir zeigen auch die tollen Möglichkeiten, wie wir in der Oststeiermark unsere Freizeit verbringen können. Unser Motto ist ja Leben, Wirtschaften und Genießen, die beste Region sozusagen des Landes zum Leben, Wirtschaften und Genießen zu sein. In der Zusammenschau dieser Bereiche wollen wir eben junge Menschen für das Leben in der Oststeiermark begeistern, sie in der Region halten oder wieder dahin zurückführen.
Gerade im Bereich der Bildung ist mir das ein großes Anliegen. Wir merken zunehmend, dass in der Elementarpädagogik, aber auch in dem Bereich der Volksschulen ein großer Mangel an PädagogInnen, an LehrerInnen besteht. Wir wollen die Leute nach der Ausbildung in unsere Region zurückholen, denn ich glaube, gerade bei der Bildung fängt es an, dort ist die Wurzel und dort müssen wir den Menschen und unseren Kindern wirklich tiefe, tiefe Wurzeln geben und deshalb auch wieder junge Lehrkräfte zurück in unsere Regionen holen.
Auch im Bereich der Energie sind wir – wenn ich auf die lokale Ebene herunterbrechen darf, ich bin ja Bürgermeisterin – E5-Gemeinde, Klimaenergiemodellregion. Wir haben einen Windpark errichtet, fünf Windräder liefern Strom für 15 000 Haushalte und tragen zur regionalen Energieversorgung bei. In zehn Tagen gibt es ein großes Windparkfest, denn ich glaube, es ist wichtig, auch die Bevölkerung mitzunehmen, Bewusstsein zu schaffen, die Leute dafür zu begeistern – jeder will Windkraft, aber nur nicht bei mir. Wir haben – zwei Gemeinden übergreifend, sogar bezirksübergreifend – diesen Windpark unter einem großen Konsens der Bevölkerung und der Einbindung aller Stakeholder, wie man so schön modern sagt, errichtet. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, diesen breiten Konsens auch zu finden und den Leuten zu zeigen, dass es eine gute Form, eine nachhaltige Form der Energiegewinnung ist.
Gerade bei uns in der Oststeiermark, in den Fischbacher Alpen weht der Wind kräftig und stark, und diesen Wind wollen wir auch nützen, um unsere Energieversorgung zu verbessern.
In diesem Sinne geht es bei uns stetig bergauf, frischer Wind in der Oststeiermark. – Ein steirisches Glückauf! (Beifall.)
11.20
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Rednerin: Andrea Kahofer. – Bitte schön.
Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Werte Frau Präsidentin! Werte Referentinnen und Referenten! Werte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Enquete! So wie es Kommissar außer Dienst Franz Fischler und auch Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gesagt haben: Wir verwenden den Ausdruck dezentrale Lebensräume so gerne als Schlagwort, aber es gibt diesen dezentralen Lebensraum nicht, denn da stehen ganz viele verschiedene Voraussetzungen dahinter. Das ist wohl eines der wichtigsten Dinge, dass wir das einmal eingrenzen und jede Region für sich betrachten, unabhängig von den administrativen Grenzen.
Es ist natürlich auch wichtig, die Finanzierungen sicherzustellen, denn die besten Ideen nutzen überhaupt nichts, wenn sie an den Lebensrealitäten der Menschen vor Ort vorbeigehen und wenn sie in ihrer Finanzierung nicht gesichert sind. Letztlich wird das Stärken der dezentralen Lebensräume nämlich ganz wesentlich von Innovation und innovativen neuen Wegen abhängen, und Innovation ist nur dann möglich, wenn eine gute Grundbasis da ist, das heißt, wenn Sicherheiten da sind. Diese Sicherheiten gibt es jedoch in vielen Teilen nicht, wenn es um die ärztliche Versorgung geht, wenn es um Gesundheitspolitik geht, wenn es um Infrastruktur geht, wenn es um Kinderbetreuung, um Kinderbildung, um Aus- und Weiterbildung oder auch um die Pflege geht. Wenn das nicht sichergestellt ist, wenn sich die Menschen mit den täglichen Herausforderungen, die kaum zu bewältigen sind, auseinandersetzen müssen, wird Innovation aber nur sehr schwer möglich sein.
Lebenswert, liebenswert, es muss aber auch machbar sein. Eine meiner VorrednerInnen hat gesagt, in der Pandemie sind viele aufs Land gezogen. Auch ich lebe am Land, in Niederösterreich. Mittlerweile sind wieder viele zurück in die Stadt gegangen, weil sie einfach sehen, die Bewältigung des Alltags ist schwer stemmbar.
Es ist vor allem eine frauenpolitische Frage, wie die Entwicklung am Land weitergehen wird, denn auch wenn Herr Minister Kocher die Arbeitslosenzahlen auf Regionen herunterbricht: Sie sind da vielleicht niedriger, weil gerade in dünn besiedelten Gebieten Frauen mit einem Anteil von weit über 50 Prozent Teilzeit arbeiten, weil sie in den bäuerlichen Nebenbetrieben und Kleinstbetrieben arbeiten, damit aber sicherlich nicht langfristig ihr Auskommen schaffen und vor allem Altersarmut dann zu einem großen Thema werden wird. Das ist ein wichtiger Aspekt. Es ist frauenpolitisch ganz viel zu tun, um dezentrale Räume zu gestalten, um dezentrale Räume zu innovativen Räumen werden zu lassen. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
11.23
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Wortmeldung: Dr. Hatto Käfer. – Bitte schön.
Dr. Hatto Käfer (Europäische Kommission): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Hauptrede von Kommissar a. D. Franz Fischler wurde alles Wesentliche gesagt, aber wenn der Kommission noch einmal 3 Minuten Redezeit zugestanden werden, dann ergreife ich die Gelegenheit natürlich.
Zuerst einmal kurz zum imaginierten Gespenst der Gleichmacherei durch die Europäische Union: Da könnte ich jetzt stundenlang darüber reden. Es genügt, unsere Gesetzesvorschläge zu lesen, unsere Politiken zu sehen, um zu erkennen, dass das Unsinn ist.
Zweitens zum Thema des heutigen Tages: Sie wissen, dass uns eigentlich seit der Gründung der Europäischen Union Regionalpolitik und Agrarpolitik ein wichtiges Anliegen sind, inhaltlich und finanziell, und dass wir immer, seit 1958, zur Entwicklung der Regionen beitragen. Das ist auch noch im Artikel 147 des Vertrages von Lissabon festgehalten, in dem steht, dass wir den ländlichen Gebieten besondere Aufmerksamkeit zu widmen haben.
Ganz konkrete Politikbereiche, die im Moment laufen, sind unsere Strategie Vom Hof auf den Tisch, im weiteren Sinne die Gemeinsame Agrarpolitik 2023–2027, aber auch der digitale Kompass 2030, in deren Rahmen wir die Vernetzung der ländlichen Gebiete fördern, und die berühmten 750 Milliarden der Next Generation EU, die auch sehr stark in die ländlichen Gebiete gehen. – Da können wir nachher beim Gespräch draußen ins Detail gehen.
Noch einmal ganz kurz zur erwähnten langfristigen Vision der EU für die ländlichen Gebiete: Das ist eine Mitteilung von uns, also eine politische Willenserklärung, abgegeben am 30. Juni 2021, und da haben wir nicht nur Leuchttürme, nicht nur Flaggschiffe, nicht nur Pfeiler und was es sonst noch gibt, sondern die oberste Ebene sind die sogenannten Leitinitiativen im Aktionsplan, und davon gibt es vier; diese heißen: stärker, vernetzt, resilient und florierend.
Was bedeutet das? – Stärker: Zugang zu Dienstleistungen verbessern und soziale Innovation fördern; vernetzt: bessere Netzanbindung in Verkehr und digitalem Zugang; resilient: natürliche Ressourcen erhalten, Weiterbildung und Beschäftigung fördern; und florierend: das heißt einerseits, dass wir die Wirtschaft diversifizieren, aber auch die bereits bestehende Wertschöpfung im Agrarbereich, in der Ernährungswirtschaft und im Agrotourismus erhöhen. Wie gesagt, im Juni 2021 ist das vorgeschlagen worden. Wir, die Kommission, machen bis Mitte 2023 eine Bestandsaufnahme über die durchgeführten und geplanten Maßnahmen und dann 2024 einen Bericht, wie es weitergehen wird.
Wenn Sie sich da einbringen wollen, wenn Sie Fragen haben, Vorschläge et cetera: Die Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich ist zu Ihren Diensten. – Damit schließe ich 3 Sekunden früher als geplant. – Danke. (Beifall.)
11.26
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Wortmeldung: Christoph Thoma. – Bitte.
Christoph Thoma (Abgeordneter zum Vorarlberger Landtag, ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglied des Vorarlberger Landtages möchte ich mich einmal für die Einladung zu dieser Enquete bedanken, auch bei unserer Bundesratspräsidentin Christine Schwarz-Fuchs. Herr Dr. Mayer, ich erspare uns jetzt eine vertiefende Diskussion über Ihre Ausführungen, vor allem darüber, dass sich die Politik in die falsche Richtung bewege. Ich möchte hier sachlich bleiben und zur Sache sprechen, weil ich diese Meinung überhaupt nicht teile, weil ich allein durch diese Diskussion, durch dieses Thema der dezentralen Lebensräume und der Frage der ländlichen Räume weiß, dass wir auf dem richtigen Weg sind, zumal wir das so überparteilich mit Fachleuten und Experten diskutieren.
Es gibt für mich drei wesentliche Erkenntnisse, auch durch die Referate von Herrn MMag. Felbermayr und von Herrn Kommissar außer Dienst Franz Fischler, nämlich: Einerseits: Die weichen Standortfaktoren sind längst die harten geworden. Die Themen Bildung, Ausbau der schulischen Infrastruktur, die Kompetenzvermittlung, die wir durch unsere Lehrerinnen und Lehrer transportieren, sind mehr denn je Standortfaktoren für die ländlichen Räume.
Da komme ich auch zum zweiten Punkt, der mir wichtig ist, und ich versuche, zwei Themen anzusprechen, die wir in Vorarlberg zu forcieren versuchen. Eine meiner VorrednerInnen hat über die Frauenförderung gesprochen. Die Förderung von Mint, also Mathematik, Technik, Engineering, Naturwissenschaften, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, ist ein wesentlicher Standortfaktor gerade für ländliche Räume, auch wenn es darum geht, dass man handwerkliche Fertigkeiten auch an Mädchen und junge Frauen vermittelt, um auch sie in Berufe zu bringen, die auch beim Fachkräftemangel Thema sind.
Die Kreativität ist aber auch der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Ich glaube, das wissen wir alle. Der Ausbau der Musikschulen, die Zusammenarbeit von Musikschulen und von Schulen an sich – wir haben in Vorarlberg erst vor einem halben Jahr, glaube ich, beschlossen, dass sämtliche VolksschülerInnen der ersten und zweiten Schulstufe elementare Musikpädagogik gratis bekommen –: Das ist ein wesentlicher Aspekt, sodass Menschen direkt in die kulturelle Bildung einsteigen können. Ich bin ein leidenschaftlicher Kulturpolitiker, als der stehe ich auch heute da, und es ist mir auch wichtig, dass Sie das mitnehmen, diese Idee der elementaren Musikpädagogik so früh wie möglich an Kinder und Jugendliche weiterzutragen.
Am Schluss noch zu einem Punkt, und, Herr Dr. Fischler, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie dieses Wort in die Diskussion eingebracht haben, es ist auch in aller Munde: Stakeholdermanagement. Wir müssen Knotenpunkte schaffen. Wir müssen die Chance geben, dass Menschen zusammen agieren und einen organisierten Wissenstransfer bekommen. Unser Landtagspräsident Harald Sonderegger ist in seiner Rede auch auf die Vereine eingegangen, auf das Ehrenamt. Ohne die Stärkung des Ehrenamtes wird der ländliche Raum nicht funktionieren. Wir müssen dort investieren, wo die Menschen sind, und uns dort auch tatsächlich engagieren. So schaffen wir, geschätzte Damen und Herren, lebendige Zentren. Das ist auch ein Thema für die urbanen Räume, aber insbesondere im ländlichen Raum brauchen wir genau dieses Humankapital, die Menschen. – Vielen Dank. (Beifall.)
11.29
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Joachim Schnabel. – Bitte.
Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Expertinnen und Experten! So wie Kollegin Silvia Karelly bin auch ich Vorsitzender eines Regionalverbandes, und zwar in der Südweststeiermark, einer Region mit 44 Gemeinden und 140 000 Einwohnern. Wenn wir über Regionen sprechen: In der Steiermark haben wir das steiermärkische Regionalgesetz, das uns in den Gemeinden einerseits eine Form, aber andererseits auch ein Budget gibt. Wenn wir von selbstbewussten Regionen sprechen, dann muss man dazusagen, dass wir selbstbestimmte Regionen brauchen, und selbstbestimmte Regionen brauchen eine budgetäre Ausgestaltung. Wir haben uns entschlossen, über eine Strategie in unserer Region die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen.
Das ist – no na – der Breitbandausbau: Da bedarf es weiterer starker Mittel, der jetzige Call, das wissen wir, ist ein wichtiger Meilenstein, aber auch da wird es weitere Mittel brauchen, um die Fläche dementsprechend ausbauen zu können.
Von der Mobilität haben wir gehört: Wir beschäftigen uns in der Region mit Mikro-ÖV-Systemen ganz intensiv, wir haben jetzt schon die zweite Phase, bieten in 44 Gemeinden von Montag bis Sonntag diese First Mile, Last Mile an. Als nächster Schritt muss es gelingen, diese On-Demand-Dienste auch in die Verbundsysteme zu integrieren, in Klimaticketsysteme, damit dementsprechend auch das Pendeln mitintegriert und kostengünstig und dementsprechend auch integrativ angeboten werden kann.
Das Thema Infrastruktur ist ein ganz, ganz wichtiges. Herr Prof. Felbermayr hat ja heute gesagt, dass vor allem die peripheren Gebiete unterfinanziert sind oder unterausgebaut waren. Da braucht es starke Signale der öffentlichen Hand. Bei uns wird jetzt die Koralmbahn ausgebaut, auch die Südbahn erfährt in Bälde einen zweigleisigen Ausbau. Es bedarf aber auch eines Ausbaus der Straßeninfrastruktur – da sind wir mit unserem Koalitionspartner nicht ganz eins –, weil auch die Straßeninfrastruktur wichtig für den ländlichen Raum ist; eine Dekarbonisierung oder eine Defossilisierung des Automobilverkehrs kann auch durch eine andere Art und Weise als den öffentlichen Verkehr geschehen.
Was sind unsere Herausforderungen? Das eine ist – und ich glaube, das gilt für alle Regionen – die finanzielle Ausgestaltung. Das beginnt beim Finanzausgleich, der sich historisch so entwickelt hat, wie er ist. Da gibt es Ungleichgewichte, und vor allem für den ländlichen Raum wäre es notwendig, Ausgleich zu schaffen, aber auch im Bereich der Kommunalsteuer muss man sagen, dass es da vor allem Gemeinden gibt, die stark davon profitieren, wenn sie entlang hochrangiger Verkehrsinfrastrukturnetze liegen, während Gemeinden im ländlichen Raum, die vor allem Wohngemeinden sind, die vor allem Kinderbetreuung stemmen müssen, benachteiligt sind – und auch da bedarf es neuer Ansätze, bis hin zu einem interkommunalen Ausgleich oder vielleicht sogar regulatorisch eines Ausgleichs, dass die benachteiligten Gemeinden mitprofitieren können.
Regionen bieten Chancen: Das kann man jetzt negativ sehen, wie es Kollege Mayer getan hat. Vor allem die EU hat ja erst ermöglicht, dass die Regionen selbstbestimmt und selbstbewusst auftreten können, und wenn man mit viel positivem Engagement herangeht, im Wettbewerb als Region gegenüber anderen Regionen antritt, dann kann man quasi seine Länderregion positiv entwickeln. Frau Silvia Karelly hat gesagt, sie hat die beste Region in der Steiermark – ich stehe im Wettbewerb zu ihr, denn bei uns gibt es einen wunderbaren Wein, wunderbare Genussmittel, und wir werden uns immer wieder matchen – und das ist gut, dass wir auch im Sinne des Wettbewerbs unseren ländlichen Raum entwickeln. (Beifall.)
11.33
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke. Ich schließe die Debatte.
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gehen weiter und kommen zu Panel 2, den Referaten zum Thema „Strategien für starke dezentrale Regionen“.
Frau Jacqueline Hofer aus der Schweiz ist leider verhindert, und deshalb muss dieser Beitrag entfallen.
Ich ersuche wieder die Referentinnen und Referenten, ihren Beitrag vom RednerInnenpult aus abzugeben, wobei die Zeit von 10 Minuten pro Statement nicht überschritten werden soll.
Ich bitte nun Herrn Prof. Dr. Markus Lemberger um seinen Beitrag mit dem Titel „Landkreis Cham/Bayerischer Wald – auf dem Weg zur Scientific Open Region“. – Ich bitte Sie, Herr Prof. Dr. Lemberger, um Ihre Ausführungen.
Prof. Dr. Markus Lemberger (Hochschule für angewandtes Management, München): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich freue mich, als Gast aus Bayern ein wenig aus dem Bayerischen Wald zu berichten. Ein herzliches Grüß Gott aus dem Bayerischen Wald, vormals bekannt als Landkreis Cham durch seine periphere Lage; das haben wir heute schon mehrfach gehört. Ich umschreibe das einmal als Vormerkung so: Peripher ist immer die Einstellung der Menschen zur Heimatregion. In den Achtziger-, Neunzigerjahren war die Einstellung unserer Bürgerinnen und Bürger sehr peripher, in den 2000er-Jahren war der Stolz, dass man Teil dieser Grenzregion ist, gewachsen. Ich glaube also, peripher muss man auch ein Stück weit so definieren: Wie verstehen es die eigenen Bewohner der Region?
Vielleicht auch zum Thema Randlage – Herr Felbermayr hat es gesagt –, Macht- und Wirtschaftszentren: Wir waren teilweise ein wenig froh, weit weg von München zu sein, um einfach auch diesem harten Wettbewerb in diesen Agglomerationszentren nicht ausgesetzt zu sein. Auch das ist also ein wichtiger Punkt, der vielleicht auch die Situation jetzt erklärt.
Was möchte ich sagen? Ich möchte einfach ein bisschen etwas zur Vergangenheit sagen: Wo kommen wir her? Was haben wir dann gemacht? Was hat das bewirkt? Und wo geht die Reise in der Zukunft hin?
Ich bin selber seit 20 Jahren in der Regionalentwicklung des Landkreises Cham tätig, ich komme auch aus der Region, lebe aber auch noch sozusagen diesen Traum des Zentrums an einer Hochschule in München, wohne aber im ländlichen Raum, also ich versuche, die Vorteile zu kombinieren, und arbeite auch für die Region. Das heißt: Die Region Cham war Grenzregion – Grenzöffnung Anfang der Neunziger, die Chance des Lebens. Ich sage es nur so: Wir hatten keine Flaggschiffe, wir nutzten das Rettungsboot Grenzöffnung, um uns aus eigener Kraft auf den Weg zu begeben. Wir haben eben versucht, diese Grenznähe möglichst früh auszunutzen. In den Neunzigerjahren waren wir im Grunde bei 20, teilweise 25 Prozent Arbeitslosigkeit. Die Chance der Grenzöffnung kam, Stichwort verlängerte Werkbank zu Tschechien, das nutzte eine Großzahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen mit Zweitniederlassungen in Tschechien, und das brachte uns dann auch den Wettbewerbsvorteil im Wettbewerb vor allem aus der Produktion, aus der Industrie heraus.
Wir sind also sehr wirtschaftsorientiert, regionalentwicklerisch unterwegs, Schwerpunkte waren immer unsere Beschäftigtenzahlen, unsere Wirtschaftsstruktur und – heute schon mehrfach erwähnt – die Dynamik der Bildungslandschaft. Erst dadurch waren wir imstande, auch im Bereich Bildung als Schulaufwandsträger Landkreis Cham massiv in die Berufsschulinfrastruktur zu investieren, aber auch in die gymnasiale Infrastruktur.
Was waren jetzt die Voraussetzungen? – Ich mache da immer gerne kein Paradox daraus, Dezentralisierung versus Zentralisierung, sondern ich sehe das immer ein bisschen als Aufgabe der Region. Unser Job ist es, lokale Netzwerke aufzubauen, das berühmte endogene Potenzial – wenn man es wissenschaftlich ausdrücken möchte – zu heben. Man hat Mitte der Neunzigerjahre aus eigenem Antrieb so eine Art Regionalentwicklungsverein gegründet, als Plattform, wo man Themen identifiziert, wo man diese kleinen Schnellboote – um beim Bild der Seefahrt zu bleiben – baut, wo man sagt: Wir probieren einmal etwas aus, wir wollen uns ein Stück weit abkoppeln.
Das war der Vorteil, und wir haben dann auch im Jahr 2009 den Vorteil genossen, dass in Bayern erstmals eine Dezentralisierung der Hochschullandschaft von der TH Deggendorf – Technische Hochschule Deggendorf, vielleicht bekannt – initiiert worden ist. Wir nutzten die Chance eines Technologiecampus in der Kreisstadt. Die Kreisstadt hat rund 16 000 Einwohner, ist also eigentlich wirklich eine Kleinstadt, der Landkreis hat 130 000 Einwohner, und wir konnten 2009 ein Technologietransferzentrum implementieren. Das war sozusagen ein kleiner Quantensprung, auch vielleicht ein Glücksfall, weil damals entsprechende Konjunkturpakete da waren, im Rahmen derer auch der Bund unterstützt hat, um Gebäude, Immobilien dann in Wert zu setzen.
Was aber im Bereich der Hochschulbildung besonders war, war vor allem die Kooperation zwischen Bund, Land und Kommune. Eigentlich verlässt man sich ja beim Thema Hochschulinvestition – bei uns – immer stark auf das Land, in dem Fall ging die Kommune, der Landkreis so weit, dass er selber sozusagen in die Betriebskosten, Unterhalt der Hochschulstrukturen gegangen ist. Die Kommune, die Stadt vor Ort hat das Gebäude saniert, und die Hochschule hat sich die ersten fünf Jahre im Grunde mietfrei dort eingenistet und konnte dort die ersten Schritte tun. Das war auch ein wichtiger Faktor für uns, um dann für die Industrie vor Ort – wir sind sehr stark industriell, von verarbeitendem Gewerbe, von Mechatronik, Robotik geprägt – auch entsprechendes Know-how aufzubauen.
Was ist das Besondere im ländlichen Raum? – Wir haben Marktversagen an diversen Stellen, sei es an der Infrastruktur, das Stichwort Mobilität ist heute schon gefallen, auch das ist ein wichtiger Punkt. Gestern ist auf BR24 wieder die Meldung gekommen, mein Heimatlandkreis ist der drittschlechteste in ganz Deutschland mit den ÖPNV-Ausstattungen. Was machen wir dagegen? Wir können schreien, wir können sagen: Ja, wir brauchen mehr Linien, wir müssen mehr finanzieren!, aber am Ende des Tages bringt uns das auch nicht weiter, sondern wir müssen weiterhin in den Straßenausbau gehen. Und wir denken ein Stück weiter: Wir versuchen, Projekte zu starten, um diesen individualen ÖPNV, der in der Zukunft vielleicht mit autonomen Strukturen denkbar ist, zu treiben. Wir verlassen uns also jetzt nicht darauf, dass wir das jetzt heilen können – das können wir nicht –, aber wir wollen versuchen, das im Sinne der Innovation zu denken.
Vielleicht ein paar Fakten zur Region: Wir konnten von 2000 an das verfügbare Einkommen um 50 Prozent steigern, das Bruttoinlandsprodukt in der Region ist auch entsprechend gestiegen, also die letzten 20 Jahre waren sehr dynamisch.
Vor allem die kommunale Struktur hat dafür gesorgt, dass wir sehr agil und sehr schnell reagieren konnten.
Natürlich braucht es dazu Ressourcen. Das ist eine freiwillige Aufgabe der Landkreise in Bayern, das ist keine Pflichtaufgabe. Wir sind mittlerweile neun Personen, die in der Regionalentwicklung für diesen kleinen Kreis zu den Themen Bildung, Arbeitsmarkt, Berufsorientierung, Fachkräfteinitiativen und Breitbandausbau unterwegs sind. Der Landkreis baut aktuell 1 800 Kilometer Glasfaseranbindung, in eigener Aufgabe, gestützt durch Bund und Land. Der Landkreis macht also den Job, obwohl er ihn nicht machen soll; politisch natürlich auch gewollt und getragen, dieser Wunsch ist einheitlich einfach da. Es wurde gemacht und es ist natürlich eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Arbeitsplätze.
Diversifikation ist bei uns ein wichtiger Punkt: Durch den Strukturwandel der Achtziger- und Neunzigerjahre, die klassische Transformation der Wirtschaft, wurde immer wieder versucht, diese Diversifikation aufrechtzuerhalten. Auch in der Coronapandemie hat es sich wieder ausgezahlt. Durch Diversifikation, und natürlich auch mit staatlichen Mitteln, konnten wir diesen Einbruch ein Stück weit abmildern, sodass wir jetzt gemessen an der Arbeitslosigkeit wieder genauso dastehen wie vorher, Vollbeschäftigung bei 2 Prozent Arbeitslosigkeit, wie fast überall in Bayern, unabhängig von Stadt oder Land. Das war ein wichtiger Punkt, um dieses Risiko abzumildern. Auch 2009, 2010 in der Finanzkrise hat uns das massiv geholfen, weil wir diese diversifizierte, relativ unabhängige Struktur hatten.
Was uns ein Stück weit prägt: Wir hatten sozusagen nie die großen Investitionen von außen, von Unternehmen, sondern immer dieses endogene Wachstum von Klein- und Mittelstand. Unsere größte Firma hat mittlerweile 13 000 Mitarbeiter, Zollner Elektronik AG, vor 60 Jahren in einer Garage gegründet, mittlerweile mit 13 000 Mitarbeitern; also das ist endogen entstanden, das ist ein Glücksfall. Klar, das kann man vielleicht auch nicht steuern, aber durch diese Struktur, die wir hatten, konnten wir entlang dieser Leitbetriebe entsprechende Aktivitäten entwickeln, und die stützen natürlich auch die Entwicklung weiterer Unternehmen.
Dazu gehört auch das Thema Start-up, Gründerzentren. Wir haben zwei Gründerzentren, jetzt auch digitale Gründerzentren, die das Gründungsgeschehen vor Ort unterstützen. Vor allem aus dem Klein- und Mittelstand heraus entstanden viele neue Firmen, und man kann es an einem Beispiel eines Industriegebiets recht gut sehen: Da ist das Gründerzentrum, und das Industriegebiet ist im Grunde rund um das Gründerzentrum flächenmäßig angewachsen, und das war auch natürlich.
Jetzt schaue ich Richtung Europa: Die Unterstützung der bei uns berühmten Grenzlandförderung, Investitionsförderung, die eben zu dieser Zeit machbar war, hat eine Menge Arbeitsplätze und Strukturen ermöglicht. Wie läuft das Ganze? Was ist der Ausblick? Wie haben wir das gemacht? Ich habe ja gesagt, ein Erfolgsfaktor war immer wieder das strategische In-sich-Gehen. Wir haben 1995 begonnen, im Rahmen der Agenda-2000-Prozesse ein Leitbild, eine Strategie für den Landkreis zu entwickeln, die haben wir 2008 neu justiert, 2011 wieder neu justiert und 2018 Richtung Leitbild der Digitalisierung entwickelt. Jetzt steht es eben an, dieses Leitbild wieder ein Stück weit fortzuentwickeln, das heißt auch als Maßgabe der regionalpolitischen Aktivitäten der Wirtschaftsunterstützung. Wir sind jetzt dabei, das Thema Transformation, Klimaanpassungsstrategie zu erarbeiten; Transformation der Wirtschaft, grüner Strom, Klimawende, haben wir heute auch schon mehrfach gehört. Auch da bewegen wir uns.
Ich sage es einmal ein bissel provokant: Wir wollen schneller sein als der Bund und das Land. Immer, wenn wir auf Bundesregulierungen oder Landesregulierungen warten, sind wir zu spät dran. Also wir wollen dieses Leitbild vor der eigentlichen Entwicklung fertig haben, sodass wir die Projekte, die wir machen können, auch entsprechend schnell aufgleisen können. Für uns ist immer ein gewisses strategisches Controlling oder eine gewisse strategische Evaluation der Tätigkeit wichtig gewesen.
Abschließend: Was kommt danach? Wichtig ist es, für uns so eine Art regionales Innovationssystem, wie man in der Wirtschaft sagt, aufzubauen, das heißt es braucht jemanden, der Trendscouting macht.
Wir denken nicht mehr stark in Agglomerationen, wir denken mit dem Ansatz einer offenen Region, also die Distanz sollte keine Rolle mehr spielen. Im digitalen Zeitalter geht es eher darum mitzubekommen, was woanders läuft, und da ist es unser Job, einfach dabei zu sein. Ich bin auch kein Freund mehr von sogenannter Clusterpolitik, weil die Nähe nicht mehr unbedingt eine große Rolle spielt, das haben wir jetzt in der Coronapandemie gelernt. Dazu braucht es eine strategische Steuerungseinheit.
Die Erfolge der Tätigkeiten zeigen sich erst viel, viel später. Ich rede jetzt von 30 Jahren im Groben, und jetzt stehen wir im Grunde da. Das Fazit – mein persönliches Fazit – nach 20 Jahren in dieser Tätigkeit ist: Man darf nie aufhören weiterzudenken und schneller zu denken als übergeordnete Einheiten. – Vielen Dank. (Beifall.)
11.44
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Prof. Markus Lemberger, für Ihre Ausführungen. – Danke schön.
Ich darf nun Frau Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Sibylla Zech um ihren Beitrag zum Thema „Neue Rahmenbedingungen für die regionale Wirtschaft“ ersuchen. – Bitte schön, Frau Professor.
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Sibylla Zech (Technische Universität Wien): Danke sehr für die Einladung zu dieser Enquete! Ich freue mich, Sie durch ein paar Gedanken aus der Perspektive der Regionalplanung und Regionalentwicklung mitzunehmen.
Dezentrale Regionen: Das Lesachtal, das Große Walsertal, das nördliche Waldviertel sind drei Regionen, Lebensräume – mir scheint dieser Begriff auch sehr wichtig –, denen das Attribut dezentral zugeschrieben wird. Dezentral ist ein Begriff, mit dem ländlicher Raum charakterisiert wird: dezentral im Gegensatz zu zentral, ländlich im Gegensatz zu städtisch oder urban. Es geht mir als Raum- und Regionalplanerin hier jedoch nicht um die Gegensätze. Schon das Österreichische Raumentwicklungskonzept 2011 postulierte vielmehr eine neue Partnerschaft zwischen Stadt und Land – und da muss ich auf einen kleinen Freud’schen Verschreiber in der Unterlage, die Sie bekommen haben, hinweisen. Ich habe geschrieben: „das österreichische Raumentwicklungsgesetz“ – offenbar habe ich da im Hintergrund auch über eine Partnerschaft zwischen Bund und Land nachgedacht.
Jedenfalls findet die Ansicht, wonach das Land Diener der Stadt oder umgekehrt die Stadt Motor des von ihr abhängigen Landes sei, in den Raum- und Regionalplanungen keinen Niederschlag mehr. Es gilt vielmehr, Städte und Regionen durch eine integrierte Raumentwicklung – das haben wir auch im EU-Kontext heute schon gehört – und durch neue Formen der Zusammenarbeit einzubinden, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und eine soziale und ökologische Entwicklung zu erreichen.
Diese Haltung fand in verschiedenste Örek-Umsetzungspartnerschaften – also Örek: Österreichisches Raumentwicklungskonzept – Eingang, etwa in jene zur Stärkung der Stadt- und Ortskerne, die heute auch schon angesprochen worden ist. Sie findet sich in Planungsdokumenten der Bundesländer, beispielsweise der Leitstrategie des OÖ Raumordnungsprogramms, im Raumbild Vorarlberg sowie im Steiermärkischen Landes- und Regionalentwicklungsgesetz, das heute auch schon öfters angesprochen wurde, oder aktuell in den neuen regionalen Entwicklungsprogrammen, die im Burgenland in Arbeit sind.
Das neue österreichische Raumentwicklungskonzept, von der Örok im Herbst letzten Jahres beschlossen, und auch der vierte Baukulturreport, der dem Parlament im letzten Jahr vorgelegt wurde, fokussieren vor dem Hintergrund der ländlichen und städtischen Regionen auf die großen Herausforderungen der Raumentwicklung und der Regionalentwicklung, den Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise und den Schutz des Bodens.
Der Bodenverbrauch ist in Österreich nach wie vor sehr hoch, dies nicht nur in den Stadtregionen, sondern auch und oft sogar besonders im ländlichen Raum. In den letzten beiden Jahrzehnten ist die Flächeninanspruchnahme für die Errichtung von Gebäuden, Infrastrukturen um etwa 26 Prozent gestiegen, die Bevölkerung um 10 Prozent gewachsen. Sie kennen die Zahlen, die es zum Flächenverbrauch gibt. Ich will sie hier nicht zitieren. Sie kennen auch die Zahlen, die es zum Leerstand gibt, zum leerstehenden Wohnraum, Geschäfts-, Industrieraum, zu Brachflächen. Wenn man sie nutzen würde, würde das freilich Druck von der Inanspruchnahme neuer Flächen nehmen.
Die Örok hat nun eine Bodenstrategie für Österreich auf den Weg gebracht, sozusagen eine gesamtstaatliche Anstrengung, um den hohen Flächenverbrauch zu reduzieren. Ich habe dieses Buch mitgebracht, es heißt „Boden g’scheit nutzen“ und wird vom Verein Landluft herausgegeben. (Die Rednerin hält das genannte Buch in die Höhe.) Landluft ist ein Verein zur Förderung der Baukultur im ländlichen Raum. Da sind viele Beispiele von Gemeinden enthalten, wie sie es angehen, Boden gescheit, also flächensparend, zu nutzen und die Gemeinden klimagerecht, mit Beteiligung der Bevölkerung zu entwickeln.
Gerade viele periphere Gemeinden mit Bevölkerungsrückgang setzen jedoch noch immer sehr stark auf die Widmung neuer Baugrundstücke, um junge Leute zu halten oder Bauwillige anzuziehen. Die Rechnung geht aber oft nicht auf. Ein preisgünstiges Baugrundstück ist nur eines der Motive für die Wahl des Lebensmittelpunktes.
Eine der Ausbildung entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit, das ist heute auch schon öfters genannt worden, Kultur-, Freizeitangebote, Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Wohnformen auch abseits des traditionellen Einfamilienhauses, etwa über Baugruppen oder revitalisierten Altbestand, und vor allem Mitwirkungsmöglichkeiten im Ort, in der Gemeinschaft spielen eine wesentliche Rolle beim Gehen, Kommen und Bleiben am Land. Das gilt insbesondere für junge Frauen. Dass Landflucht weiblich ist, ist ja heute auch schon öfters angesprochen worden.
In den letzten Jahren ist besonders im ländlichen Raum ein sehr relevanter Trend zu beobachten: die Multilokalität, das Leben und Arbeiten an mehreren Orten. Die Digitalisierung verstärkt diesen Trend bei vielen Menschen aller Altersschichten, aber besonders für Jüngere ist multilokales Leben Alltag, und es bietet für viele periphere Regionen auch ein neues Potenzial.
Die beinahe schon Abgewanderten, welche im Zuge ihrer multilokalen Lebenspraxis zumindest temporär noch greifbar sind, sind möglicherweise potenzielle Rückkehrende von morgen. Sie sind emotional oft mit ihrer Gemeinde und der umgebenden Region verbunden. Viele Multilokale wollen ihre Ideen für die Zukunftsentwicklung einbringen, durchaus auch mit der Erfahrung und dem kritischen Blick von außen.
Gleiches gilt für zuwandernde Multilokale. Sie nutzen einen Wohnort am Land als Büro, als Werkstatt, als Atelier, für geschäftliche Zusammenkünfte, für neue Aktivitäten. Coworkingmöglichkeiten sind ein zunehmend wichtiges Angebot, das spüren wir in den Gemeinden. Es braucht eine neue Offenheit, eine positive Haltung von Politik, Verwaltung und auch der Bevölkerung gegenüber multilokalen Lebensweisen.
Einzelne Regionen, zum Beispiel das Innviertel, entwickeln bereits themenübergreifende Strategien, um die Potenziale einer Multilokalität besser nutzen zu können, und durch die Coronapandemie hat dieses Thema natürlich noch einmal einen Aufschwung bekommen.
Es ist wichtig, über den ländlichen Raum hier im Bundesrat zu reden, in Wien, in der Bundeshauptstadt, es ist wichtig, das in den Landtagen zu tun, in den Landeshauptstädten, aber ganz zentral für die dezentralen Regionen – sozusagen – erscheint mir die Arbeit vor Ort in den Regionen und damit auch ein Perspektivenwechsel, nämlich dass das Land und die Städte am Land ein Innovationsraum sind, und das spürt man, wenn man in den Regionen arbeitet. Wir haben vorhin Beispiele aus Bayern gehört.
Weitere Beispiele sind das Lesachtal mit den innovativen Produkten, die aus der Kulturlandschaft heraus entwickelt worden sind, vom Lesachtaler Brot über Naturkosmetik bis zur Strategie der heilsamen Landschaft, es vernetzt auch die Region mit dem Städtequartett im Südalpenraum, mit Spittal, mit Hermagor, mit Lienz, mit Bruneck in Südtirol, die jetzt gemeinsam ein Isek, ein integriertes Entwicklungskonzept für ihre Innenstädte, entwickeln und damit natürlich auf einer anderen regionalen Ebene spielen; das Große Walsertal, das auf regionale Wirtschaftskreisläufe setzt – das Stichwort ist heute auch schon gefallen –, mit moderner Holzarchitektur etwa oder dem Walserstolz, also dem berühmten Bergkäse, den man natürlich auch online bestellen kann; oder das Städtchen Drosendorf im nördlichen Waldviertel, eine kleine Stadt mit 500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Dort, nur ein paar Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, konnten wir seitens der TU im März dieses Jahres mit einer Landuni starten.
Wir betreiben gemeinsam mit der Region vor Ort Lehre und Forschung zum und am Land. Eine Bildungskooperation mit dem Land Niederösterreich macht das möglich. Die Landuni reaktivierte einen Leerstand, einen ehemaligen Bildungsstandort und eine ehemalige Pension, jetzt wird dort Uni gemacht, zunächst einmal seitens der TU Wien, aber wir sind dabei, auch mit anderen Universitäten Kooperationen aufzubauen. Aktuell findet dort ein Städtebaustudio statt, ein DissertantInnenseminar. Es sind Dialoge zum Thema regionale Kooperation über Energieraumplanung im Gange, über den öffentlichen Verkehr.
Das Interesse und das Willkommen in der Region waren überwältigend für uns, die Nachfrage seitens der Studierenden und Lehrenden viel höher als erwartet. Unser Bettenkontingent ist total überbucht. Die Landuni ergänzt schon jetzt ganz spürbar das touristische Potenzial der alten Sommerfrische.
Wenn Sie neugierig geworden sind, schauen Sie ruhig vorbei. Morgen wird die Pension wiedereröffnet, mit einem kleinen Eröffnungsfest, am 10. und 11. Juni präsentieren Bachelor- und Modulstudierende ihre Arbeiten. Es wird uns demnächst auch virtuell geben, auf landuni.at, und wir stellen das Konzept natürlich auch gerne in anderen Bundesländern vor, um das Netzwerk auszubauen. Also willkommen im Innovationsraum Land! – Danke schön. (Beifall.)
11.55
Vorsitzende Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke, Frau Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Zech, für Ihre Ausführungen über das neue Raumentwicklungskonzept. – Vielen Dank.
Ich bitte nun Herrn Bürgermeister Kommerzialrat Matthias Krenn um seinen Beitrag mit dem Thema „Die regionalen Wirtschaftsstandorte stärken“. – Bitte.
Kommerzialrat Matthias Krenn (Wirtschaftskammer Österreich): Liebe Frau Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich muss sagen, ich bin sehr froh über dieses Thema, über diese Enquete, weil ich glaube, dass gerade das Thema regionale Entwicklung es absolut verdient hat, viel stärker in den Vordergrund gerückt zu werden.
Ich stehe aber heute in erster Linie nicht wie angekündigt als Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich hier, sondern ich möchte mein Statement vielmehr als langjähriger Bürgermeister meiner Gemeinde Bad Kleinkirchheim und vor allem aber auch als Obmann der Leaderregion Nockberge Oberkärnten halten, und deswegen freue ich mich, dass ich hier die Möglichkeit dazu habe, weil ich überzeugt bin, dass am Beispiel der Nockregion und der Punkte, die ich nur auszugsweise nennen möchte, vieles auch auf andere Regionen übertragbar wäre.
Die Nockregion Oberkärnten umfasst insgesamt 17 Gemeinden inklusive der Bezirkshauptstadt Spittal an der Drau und erstreckt sich über drei politische Bezirke, nämlich Spittal an der Drau, Villach-Land und Feldkirchen. Der Wirtschaftsraum ist stark geprägt vom Tourismus, beginnt auf der Turracher Höhe, geht über Bad Kleinkirchheim, die ganzen Millstätter-See-Gemeinden, durch das Lieser- und Malttal hinauf bis zum Katschberg, natürlich auch stark geprägt vom Dienstleistungssektor, dem Handel, dem Bau, der Herstellung von Waren und kleinteiligen landwirtschaftlichen Strukturen, die bei uns hauptsächlich beheimatet sind.
Ein in den letzten Jahren von unserer Leaderregion beauftragter Demografiecheck für unsere Region zeigt deutlich die zunehmende demografische Polarisierung infolge von Zentralisierungstendenzen einerseits und Entleerungstendenzen andererseits und ist ein prägendes Bild innerhalb Kärntens wie wahrscheinlich auch in zahlreichen anderen Regionen Österreichs. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)
Die Bevölkerungsentwicklung bei uns weist seit 2012 eine kritische Entwicklung auf. Während sich die demografische Alterung fortsetzt, plus 16,8 Prozent der über 65-Jährigen, weist die Gruppe der arbeitenden Bevölkerung, das ist die Gruppe zwischen 20 und 65 Jahren, in diesem Zeitraum ein Minus von 5 Prozent auf, und der unter 20-Jährigen sogar ein Minus von 15,65 Prozent, während wir andererseits durchaus beobachten können, dass der Zuzug in die zentralen Räume gleichzeitig ständig gestiegen ist. Laut der Prognose aus dem Demografiecheck würde die Nockregion Oberkärnten bis 2050 weitere 12,75 Prozent oder über 5 500 Einwohner verlieren, wenn es nicht gelingt, sich massiv gegen diesen Trend zu stellen.
Um den regionalen Wirtschaftsstandort zu stärken und die Abwanderungstendenzen und die hohen Auspendleranteile aufzuhalten, braucht es daher wie in vielen anderen Regionen die Zusammenarbeit aller Sektoren sowie eine gezielte Schwerpunktsetzung, denn jede Aktivität hat Einfluss auf das Ganze.
Daher wird noch in diesem Jahr bei uns ein Kompetenzzentrum für Regionalentwicklung entstehen, um die regionale und betriebliche Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben. Gleichzeitig wird bei allen relevanten Akteurinnen und Akteuren – das betrifft die Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch Vertreter der Regional- und Lokalpolitik und der Standesvertretungen – gemeinsam das Bewusstsein für die anstehenden Herausforderungen geschärft werden.
Ich möchte ein paar Auszüge, ein paar Beispiele bringen, wie sie bei uns in der lokalen Entwicklungsstrategie beobachtet wurden. Dabei geht es zum Beispiel auch um die Entwicklung unserer Region zu einer Best Employer Destination, und zwar zur Gewinnung von zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch attraktive Rahmenbedingungen für Lehre und Facharbeiter in allen Sektoren in der Region.
Natürlich geht es um den Ausbau der regionalen Mobilität, und an dieser Stelle möchte ich eine Beobachtung festhalten, die ich in meiner langjährigen Tätigkeit als Bürgermeister – wie auch andere Kollegen, die das beobachtet haben – sehe: Gerade in ländlichen Bereichen stellen wir immer öfter fest, dass es, was die Mobilität betrifft, eine Ausdünnung gibt, was die öffentlichen Verkehre betrifft. Wenn wir uns als Regionen, als Gemeinden nicht selbst helfen, dann findet in vielen Bereichen einfach nichts mehr statt. Es wird immer damit argumentiert, die Busse fahren leer durch die Gegend oder sonst irgendetwas, aber man hat von der öffentlichen Seite Mobilität nie praktisch umgesetzt, indem man gesagt hat: Na, dann fährt man halt mit kleineren Vehikeln, die weniger kosten, die nicht als Großraumfahrzeuge unterwegs sind!
Des Weiteren geht es auch noch um die Schaffung von tatsächlich leistbaren Wohnräumen für alle Lebensformen. Wir wissen, dass wir heute von der Alleinerzieherin über die Familie, die heute nur ein Kind hat, bis hin vielleicht zu einer Partnerschaft, alles haben. Da braucht es unterschiedliche Modelle, was die Wohnformen, die Lebensformen betrifft. Auch dazu halte ich eine Erfahrung fest, die den leistbaren Wohnraum betrifft, nämlich dass die Landeswohnbaugenossenschaften – zumindest bei uns in Kärnten, ich weiß nicht, wie es in den anderen Bundesländern ist – immer weniger den Ansprüchen des leistbaren Wohnens gerecht werden. Ich mache das an einem Beispiel fest: Die Zinsentwicklungen der letzten zehn Jahre kennen wir ja, die waren gerade für den öffentlichen Wohnbau nahe der Nullzinslinie, aber gleichzeitig wurden die Mieten laufend weit über diesen Satz erhöht. Von den Betriebskosten möchte ich gar nicht sprechen, denn da sind wir sowieso nur Passagiere.
Dahin gehend haben wir uns konkret überlegt, im Rahmen kommunaler Eigeninitiativen tätig zu werden, indem wir eigene Wohnbaugenossenschaften errichten. Bei uns in der Region gibt es Überlegungen – Gemeinden alleine mit Wohnbaugenossenschaften, gemeindeübergreifend drei, vier Gemeinden mit eigenen Wohnbaugenossenschaften –, um genau diesen Tendenzen entgegenzuwirken, die eigentlich bei uns immer öfter zu einer Fluktuation führen. Wir merken es in den sozialen Wohnbauten. Junge Familien bleiben oft ein, zwei, drei Jahre drinnen, dann haben die Mieten eine Erhöhungsstufe erfahren, sodass sie gesagt haben: Jetzt ist es nicht mehr leistbar! Das ist eine Situation, der wir damit entgegenwirken wollen.
Natürlich sind auch andere Themen in der Region für uns wesentlich, die wir massiv weiterentwickeln wollen. Dabei geht es um die betrieblichen Gesundheitsförderungen, da geht es um flexible Kinderbetreuungszeiten. Flexible Arbeitszeitmodelle werden auch erforderlich sein, um Menschen in der Region zu halten. Auch attraktive Nutzungsmöglichkeiten von Freizeiteinrichtungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Familien sollen unsere Region eigentlich zu einer Vorzeigeregion entwickeln. Das ist in dem Zusammenhang unser Ziel.
All diese und noch weitere Maßnahmen sollen ein bisschen dazu beitragen, den Facharbeitermangel, der Fluktuation in unserer Region und den prognostizierten Abwanderungen entgegenzuwirken. In Ihrem Referat, Frau Zech, hatten Sie als eine Kapitelüberschrift „Vom Gehen und Bleiben“. Wir haben einen ähnlichen Grundsatz und eine Vision entwickelt: kommen und bleiben. Das haben wir uns praktisch zum Vorsatz genommen.
Natürlich geht es, wie heute schon in diversen Referaten mehrfach erwähnt wurde, auch darum, regionale Wertschöpfungsketten entsprechend auszubauen beziehungsweise zu entwickeln. Stichwort: Tourismus, Landwirtschaft, aber auch die Holzwirtschaft ist so ein Thema. Wir wollen aber auch die Erkenntnisse unseres Klimaanpassungschecks und die daraus empfohlenen Maßnahmen relativ rasch und zügig zur Umsetzung bringen. Da geht es unter anderem auch um das Nachpflanzen krisenresistenter Baumsorten. Wir merken gerade in unseren ländlichen Bereichen im Gebirge – nicht im Hochgebirge, Günther Novak, du weißt Bescheid, wo wir wohnen –, dass bestimmte Baumarten im Moment, gerade was den Klimawandel betrifft, sehr, sehr anfällig sind.
Es leuchtet schon das Lämpchen, das geht mir alles viel zu schnell.
Die Entwicklung der Bioökonomie und Biodiversität, Lebensmittelversorgung und so weiter – es wurden heute schon viele Themen angesprochen. Ich lasse jetzt einfach einiges weg, aber wesentlich ist, dass wir in Zukunft diese Themen rasch umsetzen. Ein Stichwort ist auch gefallen: Wir wollen schneller als Bund und Land sein. Ja, das ist auch unser Anspruch in der Richtung. Wir wollen uns zu einer der besten Regionen österreichweit entwickeln, und das ist einer unserer wesentlichen Ansprüche.
Ich möchte aber, weil es heute ums Geld gegangen ist, doch noch einen Bereich ganz prominent ansprechen: Ja, es geht ums Geld, nämlich sogar besonders um Geld! Ich muss aber festhalten: Gerade wenn wir diese Entwicklungen in den Regionen machen wollen, sind die Gemeinden ein sehr wesentlicher Faktor. Diese müssen die Möglichkeiten haben, dem auch unterstützend unter die Arme zu greifen, was sich die ländliche Bevölkerung in ihrer gemeinsamen Erarbeitung der lokalen Entwicklungsstrategien vorgenommen hat, und es zur Umsetzung zu bringen. Das wird jedoch ohne ausreichende Budgetmittel nicht funktionieren.
Da braucht es endlich einmal eine Gleichstellung der Bürgerinnen und Bürger, was den sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel betrifft. Irgendwer hat vorhin die Partnerschaft von Stadt und Land erwähnt. Geschätzte Damen und Herren Kollegen, liebe Abgeordnete, eine Partnerschaft kann nur auf Augenhöhe stattfinden. Deswegen muss auch der abgestufte Bevölkerungsschlüssel endlich einmal ad acta gelegt werden. Es ist mir nicht erklärbar, warum eine Bürgerin oder ein Bürger in einer Landgemeinde dem Staat nur ein Drittel davon wert sein soll von einer Bürgerin und einem Bürger in einer Stadt wie Wien, Linz oder Graz. Ohne despektierlich in diese Richtung zu sein, aber da fehlt es mir einfach. Das sind Themen, die seit Jahrzehnten immer wieder durchgekaut werden, aber es ändert sich nichts. In dieser Richtung ist Stillstand. Das verstehe ich nicht! Deswegen sind auch die ganzen Lippenbekenntnisse und die Aussagen, die man in diversen Medien immer wieder hört und nachliest – wie wertvoll der ländliche Raum ist – für mich eigentlich – bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das sage – Schall und Rauch, wenn man diesen Dingen nicht Taten folgen lässt.
Deswegen möchte ich bitten und an Sie, die Sie heute diese Enquete veranstalten, appellieren, auch in diese Richtung vielleicht doch einmal einen ernsthaften Schwerpunkt zu setzen und die Forderungen aufzustellen, aber Forderungen, bei denen im Endeffekt auch eine Lösung und eine Umsetzung herauskommen.
Meine dringende Empfehlung an die hohe Politik, so wie wir es täglich im ländlichen Bereich machen müssen, ist: Wir müssen umsetzen, wir müssen tun, und ich würde bitten, dass das auch Ihnen gelingt. Wir müssen tun und umsetzen, dann wird es uns gemeinsam gelingen. – Danke. (Beifall.)
12.08
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bürgermeister Krenn, für den interessanten Beitrag.
Zuletzt darf ich Frau Mag.a Brigitte Hütter um ihren Beitrag zum Thema „Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für regionale Entwicklung“ ersuchen. – Bitte sehr.
Mag. Brigitte Hütter, MSc (Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist heute immer wieder schon angeklungen: Ich darf zwei Dinge und zwei Themen zusammenbringen, die a priori, von Vornherein, nicht unbedingt gemeinsam diskutiert werden, nämlich die Region und Wissenschaft und Forschung. Es handelt sich aber auch in der regionalen Entwicklung tatsächlich um einen zentralen Schlüssel.
In einer wissensbasierten Gesellschaft, zumal in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung, ist nicht nur das Fortkommen einer und eines jeden Einzelnen von uns, sondern auch das Fortkommen von Gesellschaften, von Regionen, von Bundesländern und von Staaten tatsächlich und unmittelbar von Bildung, Wissenschaft und Forschung abhängig.
Wissenschaft und Forschung – ich nehme, weil ich ja von einer Kunstuniversität komme, gerne auch die Entwicklung und Erschließung der Künste als Pendant zur wissenschaftlichen Forschung, eben die künstlerische Forschung und die Produktion, die künstlerische Produktion hinzu: Wissenschaft, Forschung und Kunst sind bei der Entwicklung von Regionen nicht mehr wegzudenken. Sie sind Erfolgs- und Wachstumsfaktoren für jeden Standort. Dass dies der Fall ist, belegen – da brauchen Sie nur in die Literatur zu schauen – umfangreiche Studien sowohl in Hinblick auf die wirtschaftliche Wertschöpfung als auch in Hinblick auf den gesellschaftlichen Auftrag von wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen.
Ausgehend von diesen beiden Ansätzen, nämlich der wirtschaftlichen Wertschöpfung einerseits und dem gesellschaftlichen Auftrag andererseits, müssen Wissenschaft, Forschung und Kunst konsequent mitgedacht, mitgeplant und auch ausgeführt und umgesetzt werden, wenn es um regionale Entwicklung geht. Sie sind gleichermaßen ein wesentlicher Bestandteil und Motor für die Region.
Gerade im Bundesland Oberösterreich, aus dem ich komme, ist das Bewusstsein für den Stellenwert von Wissenschaft und Forschung, aber auch von Kunst ganz wesentlich vorhanden. Dieses Bewusstsein als Bedeutungsfaktor für die regionale Entwicklung ist sehr hoch. So haben in der Geschichte das Land Oberösterreich und die Stadt Linz – wenn Sie so wollen, parteiübergreifend und gemeinsam – mit einem gemeinsamen Hochschulfonds ganz wesentlich Anteil an der Gründung der beiden staatlichen Universitäten, der Johannes Kepler Universität und der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, der ich vorstehen darf.
Als jüngste Gründungen lassen sich in Linz und in Oberösterreich die Medizinische Fakultät sowie die gerade in Diskussion befindliche TU für Digitalisierung und digitale Transformation nennen. Die mit diesem Projekt verbundenen Chancen für den Standort können genauso wenig negiert werden wie die kritischen Punkte und die kritischen Fragen und Anmerkungen. Beides gilt es ernst zu nehmen, beides gilt es wahrzunehmen und mit beiden gilt es ganz konstruktiv umzugehen.
Zur wirtschaftlichen Wertschöpfung von Wissenschaft, Forschung, Kunst und Lehre brauche ich nicht sehr viel zu sagen. Jeder eingesetzte Euro ist – das ist auch durch Studien belegbar – gut angelegtes Geld. Studierende, Lehrende, KooperationspartnerInnen aus dem In- und Ausland, aber natürlich auch aus der Region liefern Konsumausgaben. Universitäten beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Wissenschaft und Forschung erhöhen – und das ist besonders wichtig und zentral – die Innovationskraft von Unternehmen und schaffen F&E-induzierte Nachfrage.
Neben diesen direkten wirtschaftlichen Faktoren sind wichtige Erkenntniseffekte mit Wissenschaft und Forschung verbunden. Auch das brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Auch ohne konkrete Zahlenangaben können Sie beobachten, dass wirtschaftlich leistungsfähige Regionen entweder schon eine hohe Dichte an Bildungsinstitutionen, Wissenschaft und Forschung aufweisen oder bestrebt sind, ebensolche Institutionen zu installieren und die Dichte zu erhöhen.
Wenn Sie den Wirtschafts- und Industriestandort Oberösterreich auch in der Region ansehen, so hat er ein sehr angewandtes Fächerspektrum in allen Bildungsinstitutionen, vor allem auch in Forschung, Wissenschaft und Kunstausbildung am Standort. Es gibt eben, wie gesagt, unsere Universität, die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, die Fachhochschule Oberösterreich und die Johannes Kepler Universität, alle sehr anwendungsorientiert, natürlich international ausgerichtet, aber immer auch in Interaktion mit dem unmittelbaren Umfeld.
Wenn ich von unserer Universität spreche, so kommen hier Industriedesign, Fashion and Technology, nachhaltige Architektur, interaktive Medien und nachhaltiges Gestalten ebenso vor wie praxisbezogene Kulturwissenschaft. Die Theorie ist nicht zufällig mit den werkstättenintensiven künstlerischen Bereichen, mit allen auch handwerkliche Fertigkeiten lehrenden Ateliers und Studios zusammen, und zwar zusammen in einem Institut und in regem Austausch.
Wir wollen nicht nur die zeitgenössische Kunst oder das angewandte Design schaffen und reflektieren, sondern gerade in regem Austausch mit Wirtschaftsunternehmen, mit der Gesellschaft, mit der Bürgerschaft und tatsächlich auch mit ländlichen Regionen sein. Wir tun das zum Beispiel mit Mühlviertler Sattlereien genauso wie mit Industriebetrieben, Tischlereien, Zimmereien. Es geht um Baukultur, es geht um die Frage der Interaktion zwischen Architektur und regionalem Umfeld. Baukultur ist bereits heute als Stichwort genannt und angeführt worden.
Dass dabei viele AbsolventInnen in die Wirtschaft gehen und meist auch bleiben – nicht immer, natürlich – und sich auch FirmengründerInnen und freiberuflich tätige DesignerInnen ihr Berufsfeld selber definieren – nebenbei: das Berufsfeld auch der Zukunft und von morgen –, steht dabei mit auf dem Plan, und das wollen wir auch forcieren.
Am Beispiel kreativer Robotik sei kurz angeführt, dass Robotik, KI, also künstliche Intelligenz, und regionales Zusammenwirken tatsächlich kein Widerspruch sind. Das ist zum Beispiel beim Einsatz im Abfallwirtschaftsthema der Fall. Künstliche Intelligenz mithilfe von Robotik in kreativen Designmethoden eingesetzt kann helfen, Textilien zu sortieren, wiederverwendbar zu machen und damit auch einen wesentlichen Beitrag für nachhaltige Modewirtschaft und Textilindustrie zu schaffen.
Natürlich wäre die Ars Electronica in Linz als Festival dauerhaft nicht so erfolgreich, wenn es nicht auch die regionale Einbindung bei den Institutionen in Linz, aber natürlich auch der Region Oberösterreich gäbe.
Neben all diesen regionalen Besonderheiten in wirtschaftlicher Hinsicht sei aber immer auch auf den gesellschaftlichen Auftrag und die Bedeutung von Universitäten für eine Region hingewiesen. Wissenschaft, Forschung und Kunst beeinflussen die Standortqualität immens. Diversität, Gleichstellung von Frauen, Internationalität, Diskurs und Experiment zeichnen Universitäten ebenso aus wie eine prosperierende Region. Dass dabei international und regional kein Widerspruch sein müssen, hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt. Die vielzitierten Pole von Theorie und Praxis, von analog und digital, von regional und international sind heute tatsächlich keine Widersprüche mehr.
Moderne digitale Medien – es wurde heute schon mehrfach gesagt – sind im Einsatz, und die junge Generation ist nicht mehr so sehr an fachlich klar definierten Grenzen orientiert, sondern an der Lösung von interdisziplinär und ausschließlich interdisziplinär lösbaren großen Problemen unserer Gesellschaft, unserer Welt.
Natürlich, Demokratie, Menschenrechte, soziale Inklusion und vieles mehr sind Ausfluss genau eines dauerhaften aktuellen gesellschaftlichen Diskurses, den Wissenschaft, Forschung und Kunst auch bieten. Die Third Mission von Universitäten, die wir als Kunstuniversität Linz haben, leben wir zum Beispiel mit einem Textilen Zentrum Haslach ebenso wie mit der Ars Electronica, mit der Voest, aber genauso mit kleinen und mittelständischen Unternehmen im Mühlviertel, in Steyr oder im Innviertel, woher ich komme.
Dass die Wissenschaft und die Kunst und die Lehre nicht nur verfassungsrechtlich garantierte Freiheiten genießen, sondern diese auch gelebt werden müssen, sei auch im regionalen Kontext betont. Es muss betont werden! Der österreichische gesamtuniversitäre Entwicklungsplan spricht davon, dass die Universitäten, Wissenschaft und Forschung wichtige Partnerinnen gerade auch für die internationale Standortbildung und für den Standortwettbewerb von Österreich sind. Gleichzeitig spricht er aber auch davon, dass es wesentliche Entwicklungsimpulse sind, die von Wissenschaft und Forschung ausgehen, die in den regionalen Raum hinein wirken und in der Region auch tatsächlich umgesetzt werden können und sollen.
Es braucht also – und damit komme ich zum Schluss – tatsächlich die regionale Anbindung genauso wie die internationale Ausrichtung von all unseren wissenschaftlichen und künstlerischen Institutionen. Es braucht den Perspektivenwechsel, weg von der rein institutionellen Sicht hin zur Entwicklung von Wissensstandorten, in Zentren genauso wie in der Region. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)
12.19
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Frau Mag. Hütter.
Das Panel 2 ist damit abgeschlossen, und ich bedanke mich sehr für Ihre Beiträge.
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nunmehr zu den Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden. Ich darf diese ersuchen, ihren Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben und die Redezeit von 5 Minuten pro Statement nicht zu überschreiten. In Anbetracht dessen, dass wir schon 15 Minuten weiter fortgeschritten sind, als wir sein sollten, würde ich vielleicht sogar bitten, dass Sie sich auf 3 Minuten beschränken können, wenn das möglich ist.
Ich darf zunächst in Vertretung des Herrn Fraktionsvorsitzenden der ÖVP Herrn Bundesrat Dr. Peter Raggl um seinen Beitrag ersuchen. – Bitte sehr.
Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Teilnehmer an der heutigen Enquete! Ich möchte vorweg dir, liebe Frau Präsidentin, ein herzliches Dankeschön für die Organisation der, glaube ich, sehr spannenden und sehr interessanten Enquete zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ sagen. Ich möchte mich aber im Namen unserer Fraktion auch ausdrücklich bei den Politikern, bei den Experten, aber auch bei den Teilnehmern und bei den interessierten Zuhörern bei dieser Enquete bedanken, weil das für mich eine große Wertschätzung für den Bundesrat, für die Länderkammer in unserem Land, darstellt.
Interessierte haben das vielleicht verfolgt: Die letzten fünf Bundesratspräsidentschaften haben, ausgehend vom Masterplan des damaligen Landwirtschaftsministers Andrä Rupprechter – Masterplan für den ländlichen Raum –, Themen aufgegriffen und versucht, diese Themen in den jeweiligen Präsidentschaften, in den fünf Präsidentschaften, zu vertiefen. Es ging immer darum, die Chancengleichheit für die ländlichen Räume, für die peripheren Regionen unter verschiedenen Gesichtspunkten in den Mittelpunkt dieser Präsidentschaften zu stellen: Wir haben da den Gesichtspunkt der Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, des Tourismus, der Kunst und Kultur, des ehrenamtlichen Engagements, der Freiwilligkeit, aber auch der Dezentralisierung gesetzt.
Durch verschiedene Veranstaltungen, unter anderem durch diese Enqueten, durch Veranstaltungen in den Bundesländern, durch Öffentlichkeitsarbeit sollte die Problematik der ländlichen Räume – auch heute, glaube ich, sehr umfassend angesprochen – ins Bewusstsein der teilnehmenden Politiker, der teilnehmenden Personen in ihren jeweiligen Wirkungskreisen zum Ausdruck gebracht werden.
Die Inhalte waren heute sehr breit angerissen, sehr, sehr interessant. Ich darf als Landwirtschaftsvertreter einen Punkt herausnehmen. Es ist gesagt worden: Wir brauchen eine Stärkung der Landwirtschaft!, Ohne Landwirtschaft geht es nicht, aber die Landwirtschaft alleine schafft es auch nicht! – Frau Bundesminister Gewessler sagt: Wir brauchen Fläche im Rahmen der Energiewende! – Das – wir brauchen Fläche – darf aber – das muss ich ganz deutlich betonen – nicht zum Nachteil der Ernährungssouveränität gehen. Wenn wir jetzt glauben, dass wir hektarweise oder Hunderte Hektar Fotovoltaikanlagen in die produktiven landwirtschaftlichen Flächen hineinstellen können, dann wird uns das einholen. Wir schaffen vielleicht mehr Unabhängigkeit im Bereich der Energie, aber wir schaffen wiederum Abhängigkeit im Bereich der Ernährung. Ich möchte wirklich anmerken, weil das heute auch gesagt wurde, dass wir diesen Fehler nicht machen dürfen.
Zum Abschluss: Ich sehe es durchaus positiv, wie unsere ländlichen Räume aufgestellt sind. Ich hatte in meiner Präsidentschaft eine Zusammenkunft mit tschechischen Abgeordneten, die begeistert waren, wie vital unsere ländlichen Räume sind, dass bei uns noch Leute – junge Leute, junge Familien – in den ländlichen Räumen wohnen. In Tschechien ist das alles leider schon zusammengebrochen – und das unwiderruflich. Da sind die jungen Leute weg, vor allem – wie auch gesagt wurde – die Frauen sind weg. Da müssen wir natürlich aufpassen. Wir sind auf einem guten Weg, aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen und sagen: Es passt eh alles!
Es sind heute viele Rezepte aufgezeigt worden, die wir weiterverfolgen sollen, und daher: eine gute Zwischenevaluierung, aber es gilt noch vieles zu tun, und da werden wir uns alle sehr anstrengen. – Danke schön. (Beifall.)
12.24
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesrat Raggl.
Ich erteile nunmehr der Fraktionsvorsitzenden der SPÖ, Frau Bundesrätin Korinna Schumann, das Wort. – Bitte sehr.
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Referentinnen und Referenten! Liebe ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Es geht immer um die Menschen. Es geht natürlich um die Regionen, es geht um die Städte, aber es geht immer um die Menschen, die in diesen Regionen, die in diesen Städten wohnen. Ich bin sehr dankbar, dass auch die Präsidentin gesagt hat: Es geht nicht um den Kampf zwischen Stadt und Land! – sondern es braucht beides. Die beiden bedingen einander, und es geht um die Verbindung der beiden. Ich darf eine kleine Bemerkung machen, vielleicht wissen Sie es nicht: Wien hat in seiner Gesamtfläche 14 Prozent landwirtschaftliche Fläche. Die Dinge stellen sich also oft anders dar, als man auf den ersten Blick meinen möchte.
Worum geht es? – Es geht um das gute Leben für die Menschen. Wir wollen, dass die Menschen ein gutes Leben haben. Das eint uns alle. Was heißt ein gutes Leben für die Menschen im ländlichen Raum? – Das heißt einfach gute Arbeitsplätze mit einer guten Bezahlung, mit Arbeitsbedingungen, die gut sind. Das ist wichtig.
Wir wissen, dass die Frauen ein ganz wichtiger Faktor sind, um Abwanderung zu bekämpfen, und da geht es auf jeden Fall um die Frage: Wie ist das Kinderbildungsangebot ausgebaut? – Das ist der Schlüssel. Ich darf schon mit einem ein bisschen wirklich weinenden Auge sagen, dass die jetzt vorliegende 15a-Vereinbarung nicht der große Wurf ist, den man brauchen würde, um den Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen vor allen Dingen im ländlichen Bereich voranzutreiben. Es ist zu wenig, und ich bin wirklich traurig darüber, weil es das Papier der SozialpartnerInnen gibt, das da einen großen Wurf vorgesehen hätte. So weit sind wir nicht, somit wird eine große Chance verpasst.
Es geht auch um die Frage der Leistbarkeit der Kinderbildungseinrichtungen. Gerade in der Situation dieser großen Teuerung stellt sich die Frage: Kann ich mir Kinderbildung leisten oder kann ich sie mir nicht leisten? – Wien hat ein Gratisangebot in Kinderbildungseinrichtungen im elementarpädagogischen Bereich. Das ist schon wesentlich und das wäre flächendeckend für Österreich ganz, ganz wichtig.
Es geht um viele andere Strukturfragen, um die Frage: Ist die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum gegeben? – Das ist ganz wichtig. Ist die Pflegestruktur so ausgebaut, dass ältere Menschen auch gut älter werden können und sich darauf verlassen können, dass sie die Betreuung kriegen, die sie wirklich brauchen?
Wie oft schon heute angesprochen – die Frage der Mobilität: Komme ich in meinen Ort? Komme ich von meiner Arbeitsstätte heim? Komme ich vom Arzt oder vom Einkaufsgeschäft wieder heim? – Das ist ganz, ganz wichtig. Und wirklich in meinen Ort! Da muss einfach eine Verbindung da sein. Nicht dass, weil Ferien sind, keine Schule vor Ort ist, dann plötzlich die Busverbindung abbricht – man braucht sie flächendeckend und durchgehend, um den öffentlichen Verkehr wirklich attraktiv zu gestalten.
Die Digitalisierung ist ein Thema – na, keine Frage. Der Breitbandausbau: Das ist gerade für den ländlichen Raum ein großer und wichtiger Schritt.
Es geht um Strukturfragen: Habe ich in meiner Umgebung noch eine Bank oder habe ich noch einen Bankomaten? – Auch das ist eine wichtige Frage. Gibt es noch eine Polizeistation oder gibt es noch eine Poststation oder gibt es die nicht mehr?
Und die Frage: Kann ich mir Wohnraum leisten? – Gerade für junge Menschen: Kann ich, wenn ich meine Lehre beendet habe, eine eigene Existenz gründen? Kann ich eine Wohnung haben? Kann ich mir überlegen, irgendwo etwas zu bauen? Alles das ist höchst schwierig, aber ist eine Frage der Attraktivität für junge Menschen – damit sie bleiben.
Es ist auch ein bisschen eine Frage der Integrationskultur, wenn andere zuziehen. Habe ich Freude daran, wenn Neue dazukommen, vielleicht anders denken, anderes wollen? Mache ich meine Türen auf? – Das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Wir brauchen die Vielfalt und das verschiedene Denken, und ich glaube, das macht uns nur stärker.
Wir stehen aber vor vielen Herausforderungen – gerade auch für den ländlichen Raum. Die Pendlerinnen und Pendler sind finanziell durch die Mehrkosten der Spritpreise extrem hoch belastet. Das ist extrem hoch. Wie sollen sie das bezahlen? Wie können mobile Dienste, die das Auto dringend brauchen, mit dem zu geringen Kilometergeld noch hin- und herfahren? – Das sind Fragen, die jetzt rasch gelöst werden müssen. Es muss eine Entlastung wegen der Teuerung, gerade auch für den ländlichen Bereich, geben.
Auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister kommen extreme Herausforderungen zu, weil die Inflation natürlich die Budgets der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister extrem beschneidet. Sie sind aber die TrägerInnen, um wieder Aktivitäten auch im ländlichen Raum zu setzen, und wenn sie das Geld nicht haben, können sie Ideen ohne Ende haben, aber sie können sie nicht umsetzen.
Es ist also vieles zu tun – auch in der Unterstützung, in der demografischen Entwicklung, vor der wir stehen, die auch viele große Herausforderungen birgt. Im Endeffekt ist eine gute Infrastruktur der Schlüssel für den Ausbau des ländlichen Raums, für die Attraktivierung des ländlichen Raums – dass die Menschen sagen: Da bin ich gerne!, Da möchte ich gerne hin!, Da möchte ich gerne bleiben, weil das ein guter Ort zum Leben ist! – Da muss man hin und da ist die politische Hand gefordert. Ich glaube, da wären noch ganz, ganz viele Schritte zu tun. – Vielen Dank. (Beifall.)
12.29
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.
Als Nächster gelangt in Vertretung des Herrn Fraktionsvorsitzenden der FPÖ Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzte Experten! Werte Damen und Herren! Ich möchte jetzt auch – so, wie es auch meine Vorrednerin getan hat, indem sie auf die Probleme des ländlichen Raums aufmerksam gemacht hat – eine kritische Wortmeldung anbringen. Wir haben heute, glaube ich, die x-te Enquete zum Thema ländlicher Raum im Bundesrat und ich kann mich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass es für viele hier eine Beschäftigungstherapie ist, sich in Sonntagsreden zu üben und entsprechend den ländlichen Raum in das Vorfeld zu rücken. Dann aber, wenn es darum geht, Ergebnisse zu liefern, gibt es dahin gehend keine Lösungen.
Wir sehen das auch heute an der Wertschätzung der beiden selbsternannten Superminister. Es ist ja durchaus erfreulich, dass sie bis zum Ende der eigenen Wortmeldung bei uns geblieben sind, aber das zeigt, welche Wertigkeit im politischen Umfeld der heutigen Zeit, in der Politik, das hat. Es zeigt auch, welche Probleme tatsächlich gegeben sind. Wenn es darum geht, Chancen des ländlichen Raums zu besprechen, ist leider auch der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz heute nicht hier zugegen, weil er über die Chancen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes im Untersuchungsausschuss Aussage leisten muss. Das sind eben die Entwicklungen, die wir heute in unserem politischen Umfeld haben.
Wir sehen auch die Situation – meine Vorrednerin hat das zu Recht betont –, dass man beim Finanzausgleich eine Prolongation bis zum Jahr 2023 macht. Das betrifft beispielsweise den Bereich der Kinderbetreuung, wo es keine merkbaren Verbesserungen gibt, wo es aber vor allem auch keine Perspektiven gibt. Vieles, wie zum Beispiel der Gratiskindergarten, wäre genau in der jetzigen Zeit für die Familien wichtig, um diese zu entlasten, aber genau diese Probleme werden nicht angegangen.
Man sieht es, dass die Gemeinden – bei Corona beispielsweise – gezeigt haben, wie handlungsfähig sie sind, und es freut mich auch, dass unser Kärntner Gemeindebundpräsident heute hier zugegen ist, weil wir uns fraktionsübergreifend mit den Gemeinden den Herausforderungen stellen. Einige Länder – nicht alle, wohlgemerkt, in diesen turbulenten politischen Zeiten – bringen das auch noch zusammen, aber wenn es dann um den Bund geht, sind wir relativ schnell fertig, denn bei allem, was man jetzt im Bund sieht, gibt es keine Perspektiven, gibt es keine Entwicklung. Leider Gottes haben wir da einen Stillstand.
Ich darf das auch aus Sicht eines Bürgermeisters sagen: Wir haben die Situation, dass wir in unseren Gemeinden die Finanzierung von Projekten nicht mehr sicherstellen können, und da wird großartig gesagt: Ja, ihr kriegt ja eh Geld aus dem Strukturfonds!, oder: Wir haben Förderprogramme, bei denen ihr 50 Prozent Förderungen bekommt! – Wir haben die Problematik, dass wir die restlichen 50 Prozent der Eigenmittel nicht zur Verfügung haben. Wir hatten schon zuvor, vor Corona, eine prekäre finanzielle Situation in unseren Landgemeinden, und die hat sich natürlich nicht verbessert.
Wir haben eine ständig überbordende Verwaltung. Wir brauchen uns nur die Gründe anzuschauen, weswegen wir beispielsweise immer mehr mit den Aufsichtsbehörden konfrontiert sind, wo wir Einschränkungen haben. Weil es heute auch zum Thema geworden ist: Wir brauchen uns nur den Bereich der Raumordnung anzuschauen. Wir wissen, wir haben in den dezentralen Räumen kleinere Siedlungsbereiche – ja –, die wir weiterentwickeln möchten. Wir haben aber leider Gottes nicht die Möglichkeit, diese zu entwickeln, weil wir da auch von der Raumordnung her eingeschränkt sind, sodass es keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr gibt, um die Kosten für unsere Bürger entsprechend zu senken.
Das ist aber wesentlich, denn – wir haben heute darüber gesprochen –: Wie können wir junge Leute im ländlichen Raum halten? – Das geht nur, wenn wir hergehen und die Lebenshaltungskosten entsprechend niedrig halten. Bürgermeister Krenn hat das richtig angesprochen: Es geht dabei um leistbares Wohnen. Es geht um die Lebensqualität, die sehr geschätzt wird und vor allem in Coronazeiten sehr geschätzt worden ist. Das wird aber nur bei niedrigen Lebenshaltungskosten so sein. Wenn wir aber eine Situation haben, in der wir diese nicht mehr halten können, in der wir genötigt werden, diese anzuheben, weil wir uns sonst nicht mehr finanzieren können, dann brauchen wir uns über die Entwicklung des ländlichen Raums auch nicht zu unterhalten.
Da geht es dann in weiterer Folge auch um die entsprechenden Bildungsangebote, um entsprechende Spezifizierung, die heute angesprochen worden ist. Es geht um die Digitalisierung, den Glasfaserausbau. Es muss auch dem Bund und den Ländern etwas wert sein, dass wir da entsprechende Finanzierungen erhalten. Schauen wir uns an, wie Frau Minister Gewessler heute darüber gesprochen hat: Na ja, die Mobilität!, und so weiter – bitte, wir wissen alle, wie die Realität aussieht. Wir wissen, dass wir am Land draußen nicht einmal die Taktstunden haben, um ein 1-2-3-Ticket umzusetzen. Da wäre es einmal wichtig, auch die entsprechenden Taktungen zur Verfügung zu stellen.
Wir wissen außerdem eines: dass wir gerade in unserem ländlichen Bereich nicht Klimaschutz, sondern Naturschutz seit vielen Jahren auch entsprechend leben. Daher wäre es, glaube ich, der Wunsch von uns allen, dass wir eine Politik in der übergeordneten Ebene haben, die sich den Verantwortungen und den Herausforderungen stellt, die Herausforderungen ernst nimmt, entsprechend Lösungen aufzeigt, und das müssen wir einfordern, um die Zukunft für unsere dezentralen Lebensräume positiv zu gestalten, damit es prosperierende Entwicklungen gibt und vor allem damit der ländliche Raum jenen Stellenwert bekommt, den er sich verdient. (Beifall.)
12.37
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank. Noch als Ergänzung zu Ihrer Wortmeldung – ich hatte das eingangs nicht erwähnt, und weil Sie es jetzt angesprochen hatten –: Die beiden Minister hatten im Vorfeld schon mitgeteilt, dass sie im Anschluss dann Ministerratssitzung haben, und daher konnten sie auch nicht länger bleiben und zur heutigen Enquete nur zu Beginn eine Keynote beitragen.
Zum Schluss darf ich nun in Vertretung des Herrn Fraktionsvorsitzenden der Grünen Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich selbst bin in einem winzigen Ort auf dem Land aufgewachsen: eineinhalb Kilometer über einen besseren Kiesweg ins Dorf, mit zwei, drei Häusern dazwischen – also richtig Land quasi. Die ganze Gegend war für uns Kinder ein riesiger Spielplatz. Die Leute dort haben das aber trotzdem nie als Idyll empfunden, und sie haben es aber auch nicht als Nachteil empfunden. Sie lebten und leben heute noch dort: sehr bewusst an diesem Ort und an anderen Orten auf dem Land.
Warum erzähle ich das? Viele Debatten um den ländlichen Raum – das ist jedenfalls meine Wahrnehmung – gehen von einer grundsätzlichen Benachteiligung desselben aus, und das sehe ich nicht so. Das Land ist kein per se benachteiligter Raum. Es ist anders als Stadt, sonst wäre es ja nicht Land. Im Gegenteil: Das Land ist sogar mehr denn je – das spüren wir jetzt alle – Sehnsuchtsort. Warum ist das so? – Weil es Qualitäten hat, und zwar sehr hohe Qualitäten.
Um ein bissel anzuschließen: Ein paar Wortmeldungen zuvor waren noch durchaus zugespitzt, aber besonders hoch kochen die Diskussionen um den ländlichen Raum, wenn es um die Frage der Mobilität geht. Er scheint sogar oft genau auf diesen Punkt oder nur auf diesen Punkt reduziert zu werden. Schnell ertönt da dann der Ruf nach hochrangigen Straßen, und man meint damit das Land aufzuwerten. Das Leben in Tälern mit einer sie längs durchteilenden Schnellstraße hat aber keine höhere Lebensqualität. Mit einer Schnellstraße ist man vor allem schneller und weiter weg, und die Tagestouristen – im Skigebiet zum Beispiel – sind schneller da, kaufen eine Liftkarte und stauen danach auf dem Schnellstraßenheimweg. Das Ziel kann ja nicht sein, laufend einfach nur maximal zu besiedeln und zu pendeln. Das ergibt wenig Sinn und erzeugt eben vor allem Verkehr.
Auch, wenn es vielleicht ungemütlich klingt: Ein Charakteristikum des Landes ist es eben, dass es begrenzte Kapazitäten gibt, um Einkommen zu erwirtschaften. Das ist noch lange kein Nachteil.
Es geht ja vielmehr darum, eben genau diese Kapazitäten vor Ort gezielt zu stärken. Dafür braucht es Offenheit, Kinderbetreuung, Bildung, Kultur, Glasfaser – das alles haben wir gehört – und Mobilitätsangebote, selbstverständlich mit dem klaren Fokus auf den öffentlichen Verkehr. Da ist noch am meisten zu tun, da haben natürlich die Gemeinden und die Länder eine entscheidende Rolle, denn sie bestellen ihn, und das ist sozialpolitisch ein ganz wichtiges Thema.
Auf dem Land kann sehr vieles besser funktionieren, etwa was Bürgerbeteiligung, gegenseitige Hilfe oder das Engagement in Vereinen betrifft. Am Land kennt man sich. Der ländliche Raum bietet viel besser als anonyme städtische Zentren die Möglichkeit, Beziehungen zwischen Produzenten – seien es Bauern, Handwerker, Dienstleister im Ort –, Ärzten und so weiter bis hin zu den Gemeindemitarbeitern und den KonsumentInnen und BürgerInnen im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung, auch für die wirtschaftliche Existenz des eigenen Ortes, herzustellen, die dann wachsen kann.
Eine Region kann auch schneller sein, das haben wir von Herrn Lemberger heute gehört. Der ländliche Raum hat das Potenzial zur Subsistenzwirtschaft und somit einen unmittelbaren Zugang zur Ernährung verschaffen, das kann ein städtischer Raum nie bieten. Auch das ist, wie wir feststellen, heute ein hoher Wert. Spannende Möglichkeiten tun sich durch die Energiewende auf, das wurde schon von der Frau Bundesministerin ausgeführt. Über Energiegemeinschaften den Strom selber zu produzieren und zu verbrauchen, das funktioniert in einem überschaubaren Raum besonders gut, es stärkt das Bewusstsein und den Zusammenhalt der beteiligten BürgerInnen und es macht stolz, damit auch Unabhängigkeit zu kreieren.
Was aber sicher nicht funktioniert, ist, Standortkonzepte über die ländlichen Räume zu stülpen und quasi alle gleich zu behandeln. Selbstverständlich braucht es, wie heute vielfach erwähnt, überall Grundstrukturen, aber darüber hinaus ist es entscheidend, dass die Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Räumen selber entscheiden, was sie wollen, überlegen, wer sie sind, was ihre Situation ausmacht, worauf sie bauen können. Nur so entsteht dann das Potenzial für eine an den Raum angepasste Vielfalt und damit auch dessen Attraktivität.
Ich meine, für die übergeordnete Politik ist es dann eine wirklich sehr vornehme Aufgabe, diese demokratischen Standortstrategien noch entsprechend zu unterstützen. – Danke. (Beifall.)
12.42
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zur allgemeinen Diskussion. Ich darf an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Redebeiträge die Dauer von 3 Minuten nicht überschreiten sollen, sie sollten am besten ein bisschen kürzer sein, gleichzeitig ersuche ich, diese Vorgabe wirklich einzuhalten und nicht zu überschreiten.
Ich darf außerdem darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt. Bitte geben Sie Ihre Wortmeldung vom Rednerpult unter Nennung Ihres Namens und Ihrer Institution ab.
Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte sehr.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr froh, hier in Österreich zu leben. Ich lebe auch am Land, in Wals-Siezenheim, habe den Vorteil des Landlebens und auch die Stadtnähe.
Kollege Ofner, so wie du das jetzt gezeichnet hast, hast du von einem anderen Land, einer anderen Regierung, einer anderen Voraussetzung gesprochen. Das kann und will ich nicht teilen. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Wir waren heute so positiv auf dem Weg, ich habe so viele interessante Eindrücke gehört, ich habe so viel mitnehmen können. Mir gefällt sehr gut: lokale Netzwerke aufbauen, Bildungsmöglichkeiten in den Orten, Multilokalität, Arbeit vor Ort in den Regionen, Wissenschaft und Forschung, die Bedeutung für die Regionen entwickeln – also das alles kann und wird uns in unserer Arbeit hier im Bundesrat helfen, darum bedanke ich mich bei dir, Frau Präsidentin, für diese Initiative, dass wir uns heute aktiv diesen Themen widmen.
Für mich ist die Dezentralisierung eine ganz wesentliche Wurzel. In Salzburg haben wir schon Wegmarken gezeichnet. Wir haben 2019 begonnen, Arbeitsplätze in die Regionen zu verlegen. Es werden mittelfristig mehr als 200 Arbeitsplätze verlegt, zum Beispiel bei mir im Flachgau kommt jetzt die Bezirkshauptmannschaft von der Stadt Salzburg nach Seekirchen, das Landesabgabenamt ist nach Tamsweg übersiedelt, also da tut sich schon etwas. Wenn ich Sie daran erinnern darf, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat, wir haben schon unter der Vorsitzführung von Präsident Bader einen Antrag gestellt, dass, wenn eine neue Behörde des Bundes installiert wird, zu prüfen ist, ob sie nicht in die Regionen kommen soll. Ich glaube, da sollten wir weitertun, daran sollten wir festhalten.
Das Problem der Abwanderung von jungen Frauen haben wir schon erwähnt, ich möchte noch einmal auf ein Problem der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf hinweisen. Da hat die Bundesregierung gerade in den letzten Tagen große Aktivität gezeigt, heute können wir lesen, dass die parlamentarische Behandlung dieser Pflegemilliarde schon begonnen hat. Also da gibt es wirklich große, große Fortschritte, gerade für Frauen, und das freut mich sehr.
Abschließend bedanke ich mich noch bei allen Ehrenamtlichen. Es wurde schon darauf hingewiesen: Das Ehrenamt schafft eine wichtige Struktur für uns in den ländlichen Gebieten, es hilft uns überall, die Lebensqualität zu verbessern – dafür allen ein herzliches Dankeschön. (Beifall.)
12.46
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster. Ich erteile dieses.
Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Enquete! Die Zukunft der zentralen Lebensräume ist ohne starke Gemeinden nicht zu denken. Das habe ich heute vielfach vernommen. Es ist mir eine große Freude, dass hier so eindeutig für die Gemeinden gesprochen wird. Als Bürgermeisterin einer Kleingemeinde im dezentralen Raum und als Vertreterin des oberösterreichischen Gemeindevertreterverbands sind mir diese Aussagen sehr wichtig.
Die Rahmenbedingungen sind für eine Vielzahl der Gemeinden in den dezentralen Lebensräumen jedoch äußerst schlecht. Die Finanzierung des Gemeindehaushaltes ist für so manche Gemeinde nicht mehr möglich. Steigende Energiekosten, steigende Baukosten, steigende Ausgaben auf allen Seiten machen die Erstellung des Finanzhaushaltes für die Gemeinden äußerst schwierig, viele Gemeinden können ihn nicht mehr ausgeglichen zusammenstellen.
Es fehlt die Kraft für Investitionen in die Zukunft. Strukturschwache Gemeinden werden weiter abgehängt. Innovative örtliche Mobilitätsangebote oder der Einstieg in die Erzeugung erneuerbarer Energie und so weiter können wir uns, aus Sicht der Gemeinden, einfach nicht leisten, denn die Eigenmittel sind nicht vorhanden. Als Bürgermeisterin einer solchen Gemeinde rede ich aus der Praxis, das ist mein Alltagsleben in der Gemeinde.
Die Autonomie von strukturschwachen Gemeinden wurde schon längst untergraben, der Gestaltungsfreiraum wurde immer mehr reduziert. Stärken wir die Gemeinden, geben wir ihnen die Autonomie, auch in den strukturschwachen, dezentralen Räumen, zurück. Als Anlass könnte der anstehende Finanzausgleich gesehen werden. Gehen wir auf eine generelle Erhöhung des Prozentanteils für die Gemeinden zu. – Danke. (Beifall.)
12.49
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Nationalrat Clemens Stammler. – Bitte.
Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der ländliche Raum hat ja während der Coronahochzeit in Teilbereichen eine gewisse Renaissance erlebt. Die Menschen strebten nach mehr Raum und vor allen Dingen strebten sie nach regionaleren, gesünderen Produkten.
Franz Fischler hat es angesprochen: nichts ohne Landwirtschaft im ländlichen Raum, aber nicht allein auf Landwirtschaft setzen – frei nach Franz Fischler. Seit der steigenden Inflation in den letzten drei Monaten vermeldet gerade die Qualitätsproduktion in der Landwirtschaft Umsatzeinbußen bis zu 20 Prozent, sie liegt also unter den Werten vor Corona. Die Märkte reagieren sensibel, nicht immer rationell, sondern sehr emotionell, und die Konsumentinnen und Konsumenten ebenso.
Diese Unsicherheit lässt die Konsumentin, den Konsumenten gerade im täglichen Bedarf bereits zu günstigeren, wenn nicht billigen Produkten greifen, sprich: nicht nur zu billigeren Produkten, sondern hauptsächlich zu Importware. Das ist genau das, was wir eben nicht stützen wollen, genau das, was wir als Entwicklung nicht brauchen: Ware, die mit viel fossiler Energie hergestellt wurde, die importiert wird, die vor allen Dingen auch klimaschädlich ist. Das sind meines Erachtens die Indizien dafür, dass das vom Landwirtschaftssektor auch auf den Wirtschaftssektor – nämlich auf die kleinen Gewerbe beziehungsweise das Handwerk, das besonders im ländlichen Raum vorzufinden ist – überspringen wird.
Diesen Indizien gilt es über eine ökosoziale Steuerreform hinaus entgegenzuwirken, dabei müssen wir durchaus über Klimazölle nachdenken, weil wir genau diese regionale Produktion, diese Kreislaufproduktion – wie sie heute auch schon genannt wurde – und vor allen Dingen die möglichst fossilfreie Produktion ankurbeln müssen.
Klimaschutz beziehungsweise Klimazölle können durchaus Regionen stärken und die Wertschöpfung im Land und in den Regionen halten. Ich würde sagen: Support your local farmer! – Danke. (Beifall.)
12.52
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig.
Ich möchte noch erwähnen: Es folgen danach noch fünf Redner beziehungsweise Rednerinnen, wir werden also ganz leicht überziehen.
Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Konflikt oder Entwicklungsraum? Der ländliche Raum ist stetig im Fluss und wird sich auch stetig verändern. Ich komme aus dem Bezirk Braunau. In meiner Jugend hatten wir 16 Prozent Arbeitslosigkeit, es sind große Firmen pleitegegangen. Ein wichtiger Schritt zu dieser Zeit war, dass uns das angrenzende Bayern mit der Wacker Chemie Arbeitsplätze verschafft hat, aber der allerwichtigste Schritt war Bildung.
Das Land Oberösterreich hat unter dem damaligen Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck die HTLs ins Leben gerufen, die Ausbildungsstandorte haben sich entwickelt. Schüler, die diese Schulen absolviert haben, haben dann Firmen gegründet, und man kann wirklich sagen: Oberösterreich ist, wie Sie schon gesagt haben, Vorreiter in der Forschung, und dadurch sind wir auch in der Wirtschaft, im wirtschaftlichen Bereich so stark.
Die Infrastruktur ist ein wichtiger Punkt im ländlichen Raum, ob es der Breitbandausbau ist, der öffentliche Verkehr, aber auch der Straßenverkehr, denn es wird auch immer Verkehr auf Straßen geben. Ganz wichtig wird aber auch das Thema sein, wie sich der massive Flächenverbrauch, der teilweise für die Wirtschaftsentwicklung, der für den privaten Häuslbauer und auch hinsichtlich Energiegewinnung gebraucht wird, weiter fortsetzen wird.
Wir werden in Zukunft Lebensmittel produzieren – wir müssen Lebensmittel produzieren! –, denn wir dürfen nicht von den Importen im Lebensmittelbereich abhängig sein. Es wird aber auch wichtig sein, das wichtigste Lebensmittel, nämlich Wasser, zu produzieren. Die Stadt Wien profitiert nur durch den ländlichen Raum, weil aus den ländlichen Gebieten, aus Niederösterreich und aus der Steiermark, das Wasser in die Hauptstadt fließt. Somit wird es auch wichtig sein, in diesem Bereich zu schauen, dass Flächen offengelassen werden und keine Verbauung stattfindet.
Ich bin Obmann von Leader – das ist ein Programm der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raums, da können wir sicher sehr viel Geld abholen und damit zur Entwicklung der ländlichen Regionen beitragen. Wir sind zum Beispiel gerade im Bereich der Smartentwicklung bei der Entwicklung der Klimastrategie. Im Bereich Zukunftsentwicklung der neuen Leaderstrategie ist das Klima bei uns im Bezirk Braunau ein wichtiger Punkt. Wir sind in der Entwicklung von Fotovoltaikanlagen, Windenergie, Biomasseanlagen stark unterwegs und können in diesen Bereichen Arbeitsplätze schaffen, daher ist es auch wichtig, da stark zu investieren.
Der ländliche Raum hat nur Zukunft, wenn Bildung stattfindet, wenn es Kinderbetreuung gibt. Ganz wichtig ist das Ehrenamt, da kommen die Menschen zusammen, um den ländlichen Raum zu leben und zu erleben.
In diesem Sinne, glaube ich, ist es wichtig, nicht – wie Obama – yes, we can!, sondern yes, we do!, zu sagen, dass wir dementsprechend dazu beitragen – wir alle sind verantwortliche Politiker –, dass sich der ländliche Raum auch in Zukunft entwickeln kann. – Danke schön für diese Initiative zu dieser Enquete. (Beifall.)
12.56
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Referentinnen und Referenten! Liebe Damen und Herren! Immer, wenn die ÖVP die Präsidentschaft im Bundesrat innehat, haben wir ganz sicher eine Enquete zum ländlichen Raum. Kollege Raggl hat versucht, uns zu erklären, dass da ein System, eine Strategie dahinter ist. Da bin ich mir nicht mehr so sicher, denn das zeigt natürlich auch, dass ÖVP-regierte Bundesländer und die ÖVP-regierte Bundesregierung zusammen eigentlich sehr wenig zusammenbringen.
Ich bin ganz bei Frau Prof. Zech, die gesagt hat – ich übersetze das jetzt –, wenn die Frauen das Dorf verlassen, dann stirbt auch das Dorf. Schauen wir uns doch einmal die gesamten Frage der ländlichen Entwicklung an: Wir sehen, dass das immer wieder, gerade von ÖVP-Seite, ganz stark mit agrarischer Entwicklung verwechselt wurde. Es geht nicht um Landwirtschaft, es geht um eine ländliche Entwicklung, da geht es um eine geistige, kulturelle, um eine physische Mobilität, um eine soziale Infrastruktur.
Wenn ich hier die ganze Zeit vom Ehrenamt höre: Sollen die Frauen, die weder die Möglichkeit einer Kinderbetreuung noch eine Chance auf eine Ausbildung haben, die Pflegefälle übernehmen müssen, jetzt auch noch ins Ehrenamt gehen müssen? – Nein! Das ist das Unattraktive am Land. Dann kommt noch dazu, dass man der Jugend die Chance nimmt, dort zu wohnen, wo ihr sagt, dass ländliche Entwicklung das Schönste ist, nämlich aufgrund des Missbrauchs mit und des Wildwuchses der Chalets. Ob das in Tirol ist, ob das in Salzburg ist oder, Herr Landtagspräsident, mittlerweile ist es auch – zwar weniger, aber auch – in Vorarlberg angekommen: Durch diese Chalets, durch diese Spekulation mit Grund und Boden können sich keine jungen Leute mehr Wohnraum leisten.
Wenn sogar der ehemalige EU-Kommissar und frühere Landwirtschaftsminister sagt, „zu glauben, dass man Regionen [...] über die Landwirtschaft entwickeln kann“ – so hat er es wörtlich gesagt –, „ist eine Illusion“, bitte, dann versucht doch einmal eine wirkliche Entwicklung des ländlichen Raumes. Herr Käfer, die EU-Kommission macht ganz großartige Programme, was den ländlichen Raum betrifft, sie müssten nur auch entsprechend übersetzt werden, dass das nicht ständig in eine Landwirtschaftsentwicklung geht.
Zum Zweiten, was, glaube ich, auch ganz wichtig ist – auch das wurde heute von Referentenseite gesagt –: Auch die großen Städte und die Ballungszentren der Städte müssen mehr im Fokus der EU-Kommission sein, denn manche Regionen sind schon wichtiger als Nationalstaaten. – Danke schön. (Beifall.)
12.59
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. – Bitte.
Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Referentinnen und Referenten! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ – mein Vorredner hat angesprochen, dass, wenn die ÖVP den Vorsitz im Bundesrat innehat, immer wieder über den ländlichen Raum gesprochen wird. Sie haben es ohnehin thematisiert, es wird über Entwicklung gesprochen, das heißt, wir sprechen nicht über alte, ungelegte Eier, sondern wir sprechen über laufende Entwicklungen, und es tut gut, immer einen Blick darauf zu werfen, was der Iststand ist.
Der Iststand ist schon wesentlich, und ich möchte mich jetzt vor allem auf die Grenzregion Innviertel konzentrieren, denn ich komme aus dem Bezirk Schärding, ich wohne direkt an der Grenze zum bayerischen Raum, zu Passau, und da muss man schon einen genauen Blick darauf werfen, um sagen zu können, man entwickelt sich gut, vor allem um zu erkennen, wo es Vorteile oder Verbesserungen in Oberösterreich und in Bayern gibt. Dann erkennt man: Es wird zum Beispiel die Kinderbetreuung in Oberösterreich sehr, sehr gerne in Anspruch genommen – ich möchte nicht sagen, dass die bayerische schlechter ist, überhaupt nicht, aber vor allem ist sie in Oberösterreich billiger, und deswegen wird die Kinderbetreuung in Oberösterreich gerne in Anspruch genommen.
Es gibt aber auch andere sehr, sehr gute Projekte zwischen Bayern und Oberösterreich – wir sagen immer gerne: drent und herent –, und zwar sind das die interkommunalen Projekte, Interreg zum Beispiel oder die Leaderregionen oder Euregio. Da wird sehr, sehr innig und sehr, sehr gut zusammengearbeitet. Da geht es vor allem um Kooperation, also um einen ständigen Austausch, und vor allem geht es darum, Synergien zu nutzen, Synergien zwischen den Gemeinden – die nützen wir in Österreich sehr, sehr gut, da haben wir sehr, sehr viele und gute Beispiele gehört –, aber auch die Synergien zwischen drent und herent. Es gibt da so Kleinregionen, zum Beispiel Schärding und Neuhaus oder Braunau und Simbach, und diese sind beispielhaft für sehr, sehr gute Zusammenarbeit.
Was gibt es sonst noch? – Es gibt auch die Vereinspatenschaften. Vereine sind ja das Rückgrat unserer Gemeinden, sind das Rückgrat unserer Regionen, und da gibt es ebenfalls sehr, sehr gute Zusammenarbeit – im Tourismus, im schulischen Austausch –, und es gibt auch in der Grundversorgung gute Kooperationen, wie zum Beispiel bei der Wasserversorgung oder der Abwasserentsorgung. In meiner Gemeinde zum Beispiel nutzen wir das Wasser aus der Stadt Passau, da wird eine riesige Region mit 60 000 bis 80 000 Einwohnern versorgt, und dazwischen ist halt die Grenze, aber in diesem Sinne sieht man sie fast nicht.
Es gibt also viele Möglichkeiten, aber es braucht immer und immer wieder Verbesserungen, vor allem dahin gehend, dass man sagt, wir müssen Möglichkeiten schaffen, und wir brauchen auch Mut und Weitblick dazu. Das heißt, wir müssen die Bevölkerung aktiv einbinden. Sie ist auch bereit dazu, denn nicht nur die Jugend, sondern die Bevölkerung insgesamt denkt in Regionen, und dahin gehend müssen wir sie unterstützen.
Wir brauchen Rahmenbedingungen im Bereich der Nostrifizierung, im Bereich der Ausbildungen, damit wir da eine Verbesserung schaffen, aber auch in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Sozialversicherungen und, und, und. Es gibt also viel zu tun, aber ich muss schon sagen: Wir haben schon viel geschafft und wir werden weiterhin dran bleiben für den ländlichen Raum. (Beifall.)
13.03
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Landtagspräsident! Werte Experten! Ich gratuliere zu dieser tollen und wichtigen Enquete zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ und ich darf noch einige Punkte ansprechen, die mir wichtig sind.
Der Landeshauptmann vom Burgenland hat es ja vorhin erwähnt: Die Zukunft ist dadurch bestimmt, dass die Menschen eben einen Lebensraum haben, und da gehören natürlich elementare Themen vorrangig dazu – das wurde von einigen Rednern auch angesprochen –, eines davon ist natürlich leistbares Wohnen.
Frau Dr. Eder-Gitschthaler, natürlich ist es wichtig, vielleicht eine BH zu dislozieren oder eine Behörde in eine Ortschaft, in eine Gemeinde zu bringen, aber das Wichtigste ist, dass sich die Menschen, die Bevölkerung das Leben wieder leisten kann. Und ich habe schon gehört, dass vor allem in Salzburg das Leben oder das Wohnen nicht mehr so leicht leistbar ist, und da möchte ich schon sagen, dass – das hat Kommerzialrat Krenn auch angesprochen – es ganz wesentlich ist, dass wir jetzt darauf schauen, dass sich die Menschen das Wohnen wieder leisten können. Der Wohnbau muss so kontrolliert werden, dass sich die Menschen die Mieten wieder leisten können – und ich sage, nicht nur dass sie sich die Mieten leisten können, sondern auch, wie der Landeshauptmann das in der Früh gesagt hat, Eigentum schaffen können.
Es darf nicht sein, dass, wenn wir auf der einen Seite sagen, die Herkunft für die Bildung nicht entscheidend sein darf, die Herkunft aber entscheidend für das Wohnen ist. Auch diesbezüglich muss die Herkunft ganz egal sein, sodass sich jeder Mensch irgendwann einmal Eigentum leisten kann, nicht nur eine privilegierte Bevölkerungsschicht.
Das andere, das ich noch ansprechen möchte, ist die Energie; auch das ist ganz, ganz wesentlich. Wir haben heute von mehreren Rednern etwas zu den Spritpreisen gehört. Der Landeshauptmann hat es heute nicht ansprechen können, aber gestern wurde es im Burgenland schon medial verkündet: Wir werden im Burgenland neben den 500 Windrädern, die wir im Burgenland schon geschaffen haben, Speicher schaffen, um stromautark zu werden. 500 Windräder wurden in den letzten Jahren schon geschaffen, präventiv auf diese Klimaziele hin, die wir 2030 erreichen wollen. Und diese vier Speicher, die wir in den nächsten Jahren implementieren, werden es möglich machen – das strebt das Burgenland an –, bereits 2025, 2026 total stromautark zu sein.
Lassen Sie mich eines noch anführen, das ist das Thema Pflege. Frau Korinna Schumann, unsere Fraktionsvorsitzende, hat es angesprochen, die Wichtigkeit, dass Menschen wohnortnahe gepflegt werden können. Das ist ganz, ganz entscheidend. Im städtischen Raum ist das ja gar kein Problem, aber im ländlichen Raum gehört so etwas vorbereitet, damit sich Menschen in der Nähe wohlfühlen können. Und da geht es nicht nur darum, dass man sagt, man schafft einen Standort, an dem 4 000 Menschen versorgt werden können, sondern da geht es auch darum, dass Menschen sagen können: Ich kann mich emotional darauf einstellen, sodass ich mich im Alter wohlfühlen kann! Ich kann als Mensch, der in der Familie einen zu Betreuenden hat, auch sagen, dass ich ihn in der Nähe betreuen lassen kann! – Das ist ganz, ganz entscheidend.
Ich habe diese drei Themen jetzt angesprochen, weil sie für mich ganz entscheidend sind. Bevor das nicht erledigt ist, brauchen wir über andere Sachen – über die Dezentralisierung und über die Zukunft im ländlichen Raum – gar nicht zu reden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall.)
13.07
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte sehr.
Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren ReferentInnen! Geschätzte Damen und Herren hier vor Ort und zu Hause, die Sie uns noch zuschauen! Wir haben heute schon vielfach gehört, was alles dazugehört, was die Grundvoraussetzung ist, damit Menschen sich im ländlichen Raum ansiedeln und dann auch dort bleiben, damit auch die Jungen nicht, sobald sie Ausbildungen beginnen, zu studieren beginnen, in die Stadt abwandern und womöglich nicht mehr zurückkommen. Wir haben gehört, es ist all das, was man unter guter, günstiger Infrastruktur subsumiert. Ich glaube, ich muss das jetzt an dieser Stelle nicht noch einmal aufzählen.
Ich orte aber in den Regionen, dass viele Bereiche sehr unterschiedlich gut und weit entwickelt und ausgebaut sind, und in vor allem zwei Bereichen stelle ich eigentlich noch wirklich große Baustellen fest, die ja der Politik dringenden Handlungsbedarf aufzeigen: zum einen ist das für mich der Bereich öffentlicher Verkehr. Wir haben es schon gehört, das Klimaticket, das jetzt umgesetzt wurde – das war auch eine langjährige Forderung der Sozialdemokratie; so weit, so gut –, wird sehr gut angenommen, aber da zeigen sich bereits die ersten Schwachstellen. Man liest ja auch tagtäglich in den Zeitungen, in den Medien vernimmt man es: Die Kapazitäten sind einfach viel zu gering, insbesondere zu den Stoßzeiten. Fahrgäste ohne reservierten Sitzplatz müssen teilweise Züge verlassen. Der Sitzplatz muss jetzt um 3 Euro pro Fahrt reserviert werden. Das heißt, auf der einen Seite sollen die Menschen, insbesondere die Pendlerinnen und Pendler, auf die Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs zurückgreifen und möglichst umsteigen, gleichzeitig macht man das aber durch Situationen, wie ich sie gerade beschrieben habe, unattraktiv wie nur etwas.
Ich kann nur berichten, dass unser niederösterreichischer Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz Schnabl mittlerweile fast 100 Beschwerden von der Bevölkerung mit genau diesen dramatischen Informationen bekommen hat.
Ich darf noch kurz eine Studie der Arbeiterkammer Niederösterreich erwähnen, in der es ganz eindeutig heißt: Fast 37 Prozent der Menschen in Niederösterreich haben schlechten oder gar keinen Zugang zu öffentlichem Verkehr. Ich glaube, da ist dringender Handlungsbedarf gegeben, dass Politik und Verkehrsverbünde da neue Angebote schaffen.
Der zweite Bereich, den ich in aller Kürze noch ansprechen möchte, ist das Wohnen, das in Niederösterreich eine riesengroße Baustelle darstellt. Immer mehr Menschen können sich das Wohnen nicht mehr leisten. Es gibt dazu eine OGM-Analyse. Besonders dunkel eingefärbt sind jene Bereiche, wo man sich mit einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen eines Jahres nur mehr maximal 250 Quadratmeter Baugrund leisten kann. Die AK spricht von einer Wohnkostenüberbelastung, also davon, dass weit über 40 Prozent des Haushaltseinkommens für Wohnen aufgewendet werden müssen und dieser Anteil immer weiter steigt.
In meinem Heimatbezirk ist keine einzige Gemeinde in der Kategorie leistbarer und sehr gut leistbarer Baugrund, in den Gemeinden in meinem Bezirk Tulln sind Baugründe leider kaum bis sehr schwer leistbar. Ich glaube, das ist dramatisch. Ich muss die Zahlen, die Kosten für einen Quadratmeter Baugrund jetzt nicht noch einmal verdeutlichen, Sie wissen das alles. Die Preise steigen exorbitant, und das Schlimme dabei ist noch, dass Grundstücksspekulation immer mehr an der Tagesordnung ist.
Ich glaube, für Familien, für junge Familien ist es besonders schwierig, sich den viel zitierten Traum vom Eigenheim zu verwirklichen, dieser wird in Wahrheit immer unerfüllbarer. Dazu kommt noch, dass auch der Baugrund für gemeinnützigen Wohnbau unerschwinglich wird und daher beispielsweise auch gemeinnützige Mietobjekte unerschwinglich werden.
Das heißt aus meiner Sicht, es braucht in diesem Zusammenhang dringend regulatorische Maßnahmen im Immobilienbereich, gemeinsam mit der Politik, damit der Spekulation entgegengewirkt werden kann und damit das Wohnen auch wieder leistbar wird – im Interesse dessen, was wir heute diskutiert und besprochen haben, nämlich zur Stärkung des ländlichen Raums und vor allen Dingen zur Stärkung der Menschen im ländlichen Raum. – Vielen Dank. (Beifall.)
13.11
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Danke sehr.
Nun kommen wir zum letzten Redebeitrag: Herr Christoph Thoma, Mitglied des Vorarlberger Landtages. – Bitte sehr.
Christoph Thoma (Abgeordneter zum Vorarlberger Landtag, ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte eigentlich ausschließlich noch einmal ganz kurz auf die großartige Keynote von Frau Mag. Hütter zum Thema Wissenschaft, Kunst und Kultur replizieren, aber Herr Ofner hat mir ein paar Flanken geboten, einerseits zum Zusammenwirken von Wirtschaftsbund und ländlichem Raum – das nehme ich zur Kenntnis, politisches Kleingeld gehört dazu –, aber viel schlimmer ist, Herr Schennach – bevor Sie gehen, Sie können gerne wieder Platz nehmen, aber Sie können auch gehen, mir ist das egal –, dass es offenbar teilweise notwendig ist, darauf hinzuweisen: Österreich spielt sich definitiv nicht nur in Wien ab. Österreich spielt sich auch im ländlichen Raum ab. (Beifall.)
Es ist daher gut, dass die ÖVP immer wieder den ländlichen Raum thematisiert, und ich lade Sie gerne ein, übrigens auch Kollegen Ofner, nach Vorarlberg zu kommen und sich einmal mit dem ländlichen Raum auseinanderzusetzen. Da wird ganz viel intensiv gearbeitet.
Frau Hütter, was mir wichtig ist, auch im Kontext der verschiedensten Ebenen, die wir hier vertreten: Kunst und Kultur sind Treiber von Regionalentwicklung, und das ist großartig, auch die Auseinandersetzung mit Wissenschaft als Standortfaktor. Und weil Herr Schennach gerade geht: Wie sagt man am besten? – Ich will ja nicht sagen, dass ich ein großer Fan der sozialdemokratischen Kulturpolitik bin, aber – Hannes Heide sitzt hier – ich freue mich, dass Bad Ischl ein Paradebeispiel dafür werden kann, wie man regionale Kulturentwicklung macht – nämlich als Europäische Kulturhauptstadt 2024 –, wie man auch tatsächlich versucht, Themen zusammenzuführen und Menschen zusammenzubringen.
Das ist das, was ich Ihnen noch mitgeben wollte, und ich bin dankbar, auch als Vorarlberger Abgeordneter, dass wir als ÖVP immer wieder den ländlichen Raum thematisieren. – Vielen Dank. (Beifall.)
13.13
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe daher die Debatte.
Vorsitzende Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf nun versuchen, aus der Fülle der Informationen, die wir heute erhalten haben, in der gebotenen Kürze einige Schlüsse für unser weiteres politisches Handeln hier im Bundesrat, aber auch im Bund und in den Ländern zu ziehen.
Was ist das Gemeinsame, der rote Faden in der Politik für die dezentralen Regionen? – Als Erstes braucht es die Erschließung und Vernetzung der Regionen, wie es Herr Kommissar Franz Fischler und andere betont haben. Ganz besonders geht es dabei um die Errichtung und Implementierung der digitalen Infrastrukturen, um den Wissensberufen den Einzug in die ländlichen Räume zu ermöglichen. Wie wir gehört haben, ist eine Kombination von produzierenden Branchen, aber auch von Landwirtschaft und eben Wissensberufen wichtig für gut funktionierende Regionen.
Zweitens: Eine weitere Zielsetzung ist die Aufwertung der Regionen in Europa, wie es Landtagspräsident Harald Sonderegger und auch Landeshauptmann Doskozil unter anderem ausgeführt haben. Dabei geht es darum, aus den Besonderheiten der Regionen ein starkes Ganzes zu machen.
Weiters: Landeshauptmann Doskozil hat anhand ganz konkreter Beispiele die Kompetenzverteilung in Österreich angesprochen. Die Regionen müssen die Möglichkeit haben, ihre spezifischen Modelle zur Lösung der regionalen Herausforderungen umzusetzen. Dafür braucht es die Zuständigkeit, aber auch die finanziellen Möglichkeiten. Dazu gehört auch der politische Zugang, wie ihn Bundesminister Martin Kocher gewählt hat. Auch Bundeszuständigkeiten können sehr föderal und autonom in den Regionen umgesetzt werden. Ich spreche von der Arbeitsmarktpolitik, die die regionalen Besonderheiten aufgreift.
Als Nächstes: Die zentrale Bedeutung der Aus- und Weiterbildung, von der Frühpädagogik bis zur Hochschulpolitik, wurde von mehreren Referentinnen und Referenten angesprochen. Lassen Sie uns gerade in allem, was Jugend, Qualifizierung, Forschung und Entwicklung betrifft, eng zusammenarbeiten, damit wir unsere Regionen weiterbringen!
Um mit Gabriel Felbermayr zu sprechen: Die Regionen haben unterschiedliche Herausforderungen. Gleichmachen ist keine Antwort darauf. Wichtig ist, die spezifischen Chancen zu erkennen, zu entwickeln und zu unterstützen und dort, wo erforderlich, für den Ausgleich zu sorgen.
Ich darf Ihnen allen für Ihre Diskussionsbeiträge, für die Teilnahme an dieser Enquete herzlich danken und zum Abschluss sagen: Lassen Sie uns morgen mit neuem Elan und neuem Schwung die Arbeit für starke dezentrale Lebensräume fortsetzen! – Vielen Dank. (Beifall.)
Ich bedanke mich nun bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das große Interesse, das sie an dieser Themenstellung der heutigen Enquete gezeigt haben, und für ihre wertvollen Diskussionsbeiträge.
Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag. Ich lade nun, wie bereits zu Beginn erwähnt, zu einem informellen Ausklang im Kleinen Redoutensaal und im Gardesalon ein. – Vielen Dank.
13.17
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Die Enquete ist geschlossen.
Schluss der Enquete: 13.17 Uhr
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