„Landschafts-, Natur- und Umweltschutz im Spannungsfeld von
Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung“
22. Oktober 2025
Bundesratssaal
Parlamentarische Enquete des Bundesrates
Mittwoch, 22. Oktober 2025
„Landschafts-, Natur- und Umweltschutz im Spannungsfeld von Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung“
Stenographisches Protokoll
Tagesordnung
I. Eröffnung und Begrüßung
Präsident des Bundesrates Peter Samt
II. Keynote
Ing. Norbert Hofer (Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag, FPÖ)
III. Panel 1 „Natur bewahren – Heimat erhalten. Landschafts- und Naturschutz als kulturelle und ökologische Verantwortung in Land- und Forstwirtschaft“
„Forstwirtschaft im Spannungsfeld von Ökonomie und Naturschutz“
Franz Meran (Steirischer Jagdschutzverein)
„Zwischen Ernährungssicherheit und Naturschutz“
Wolf-Dietrich Schlemper, MSc (Landesregierung Salzburg)
IV. Panel 2 „Energie der Zukunft – im Einklang mit der Umwelt? Herausforderungen und Chancen der Energiegewinnung (Wind, Wasser, Photovoltaik) im Spannungsfeld mit Natur und Landschaftsschutz“
„Die ökologischen und ökonomischen Folgen der Nutzung erneuerbarer Energien“
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt (SPD)
„Verfahrensturbo gegen die Wand – Energiegesetzgebung auf Kollisionskurs mit Natur- und Landschaftsschutz“
Mag. Germar Campidell (Landesregierung Oberösterreich)
„Schicken uns Wind und Sonne eine hohe Rechnung?“
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Norbert Wohlgemuth (Universität Klagenfurt)
V. Panel 3 „Zwischen Nutzung und Schutz – Wege zu einem nachhaltigen Ausgleich. Bodennutzung, Raumplanung und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine ausgewogene Entwicklung“
„Energiewende: Spannungsfelder und Lösungsansätze der Energieraumplanung“
Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Gernot Stöglehner (Universität für Bodenkultur Wien)
„Raumordnung und Naturschutz – der grün/weisse Weg“
Mag. Maximilian Lughofer (Landesregierung Steiermark)
VI. Panel 4 Experten der Fraktionen zum Thema: „Zukunft gestalten – Umweltpolitik zwischen Vision und Verantwortung. Strategien, politische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Verantwortung für nachhaltige Entwicklung“
Mag. Martin Längauer (Landwirtschaftskammer Österreich)
Mag. Lukas Oberndorfer (Arbeiterkammer Wien)
Mag. Hannes Amesbauer, BA (Mitglied der Steiermärkischen Landesregierung, FPÖ)
VII. Stellungnahmen der im Bundesrat vertretenen Parteien
VIII. Schlussworte des Präsidenten
Präsident des Bundesrates Peter Samt
Inhaltsverzeichnis
RNRandnummer
Impressum
Parlamentsdirektion
1017 Wien
Sitzungsbeginn
8.58 Uhr
Sitzungsende
12.55 Uhr
I. Eröffnung und Begrüßung
II. Keynote
Ing. Norbert Hofer
III. Panel 1 „Natur bewahren – Heimat erhalten. Landschafts- und Naturschutz als kulturelle und ökologische Verantwortung in Land- und Forstwirtschaft“
Franz Meran
Wolf-Dietrich Schlemper, MSc
Diskussion
Abg. Michael Fürtbauer (FPÖ)
Abg. Albert Royer (FPÖ)
Bundesrat Mag. Stephan Auer-Stüger (SPÖ/W)
Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ)
Peter Gerstner
IV. Panel 2 „Energie der Zukunft – im Einklang mit der Umwelt? Herausforderungen und Chancen der Energiegewinnung (Wind, Wasser, Photovoltaik) im Spannungsfeld mit Natur und Landschaftsschutz“
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt
Mag. Germar Campidell
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Norbert Wohlgemuth
V. Panel 3 „Zwischen Nutzung und Schutz – Wege zu einem nachhaltigen Ausgleich. Bodennutzung, Raumplanung und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine ausgewogene Entwicklung“
Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Gernot Stöglehner
Mag. Maximilian Lughofer
Diskussion
Abg. Mag. Paul Hammerl, MA (FPÖ)
Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ/OÖ)
Bundesrat Christoph Thoma (ÖVP/Vbg.)
Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP/Sbg.)
Jenan Irshaid
Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ)
VI. Panel 4 Experten der Fraktionen zum Thema: „Zukunft gestalten – Umweltpolitik zwischen Vision und Verantwortung. Strategien, politische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Verantwortung für nachhaltige Entwicklung“
Mag. Martin Längauer
Mag. Lukas Oberndorfer
Mag. Hannes Amesbauer, BA
VII. Stellungnahmen der im Bundesrat vertretenen Parteien
Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP/OÖ)
Bundesrat Christian Fischer (SPÖ/NÖ)
Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ/NÖ)
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne/NÖ)
Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch (NEOS/W)
VIII. Schlussworte des Präsidenten
Vorsitzender Präsident Peter Samt
RN/1
Beginn der Enquete: 8.58 Uhr
Vorsitzende: Präsident des Bundesrates Peter Samt, Vizepräsident des Bundesrates Günther Ruprecht, Vizepräsident des Bundesrates Michael Wanner.
RN/2
RN/3
8.58
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Allseits guten Morgen! Ich hoffe, es sind alle Anwesenden und angemeldeten Persönlichkeiten gut angekommen. Ich darf somit diese Enquete eröffnen.
Sehr geehrte Vizepräsidenten des Bundesrates Günther Ruprecht und Michael Wanner! Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende Christian Fischer und Andreas Spanring! Sehr geehrter Dritter Nationalratspräsident außer Dienst Klubobmann Ing. Hofer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Referenten! Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen via ORF III und Livestream des Parlaments! Ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Enquete mit dem Titel „Landschafts-, Natur- und Umweltschutz im Spannungsfeld von Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung“.
Naturschutz geht uns alle an. Landschafts-, Natur- und Umweltschutz sind keine Erfindung der heutigen Zeit, sie werden seit Jahrhunderten wie selbstverständlich von Bauern und Grundstücksbesitzern wahrgenommen.
Dabei haben sich freilich die Ausgangspositionen und die Ausgangsbedingungen im Laufe der Jahrhunderte geändert. Das Klima ist dabei die einzige Konstante, denn seit Bestehen des Planeten ändert es sich ständig.
Aber auch der Wohlstand hat dazu beigetragen, Bedingungen zu verändern. Ein Beispiel ist hier etwa der wachsende Tourismus, der immer mehr Flächen für sich beansprucht. Ich meine damit Skipisten, die nur im Winter benutzt werden können, Mountainbikestraßen quer durch die Wälder oder flachgemähte Golfplätze, auf denen kein Wildgras und keine Feldblumen mehr wachsen dürfen.
Dazu kommt noch der immense Flächenverbrauch für die technische Nutzung der Energiegewinnung wie Windräder oder PV-Anlagen.
Allein diese wenigen Beispiele zeigen, mit welchem Spannungsfeld wir konfrontiert sind. Da reichen einfache plumpe Phrasen nicht aus, um Lösungen anzubieten. Diese Enquete soll abseits ideologisch geprägter Aufgeregtheit neue Perspektiven auf diesen Lebensnerv der Republik legen.
Unsere Natur ist Lebensraum, Erholungsort, kulturelles Erbe und Identität. Wer seine Heimat liebt, schützt auch ihre Landschaften, ihre Tierwelt und die Vielfalt der Lebensräume. Die heutige Enquete soll auch die zentrale Bedeutung einer bodenständigen, praxisnahen Naturschutzpolitik im Sinne der heimischen Bevölkerung herausstreichen.
Naturschutz gelingt nicht durch weltanschauliche Zuspitzungen, sondern durch verantwortungsvolles Handeln im Alltag. Es braucht auch keine Bevormundung durch Klimadogmen, sondern partnerschaftliche Zusammenarbeit vor Ort. Dazu zähle ich etwa Schutzgebietsbetreuung, nachhaltige Bewirtschaftung und die gezielte Unterstützung von Gemeinden und Akteuren in der Landschaftspflege.
So sind etwa die zahlreichen Naturparke in Österreich lebendige Beispiele für erfolgreichen Naturschutz, der von Menschen mitgetragen wird. Sie leisten nicht nur einen Beitrag zur Biodiversität, sondern bieten Erholung für Familien, Bewusstseinsbildung für Kinder und eine Stärkung des ländlichen Raums.
Eine wesentliche Herausforderung beim Landschafts-, Natur- und Umweltschutz ist es, dabei den Einklang mit der wirtschaftlichen Verträglichkeit herzustellen. Dazu werden wir heute einige interessante Vorträge hören.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine erkenntnisreiche und inspirierende Enquete. – Vielen Dank. (Beifall.)
9.02
RN/4
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Ich darf noch einige organisatorische Hinweise geben: Es wird während der Enquete zwei Diskussionsrunden geben. Diese bieten Zeit für Beiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sofern sie sich zu Wort melden möchten, bitte ich die diskussionsberechtigten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich jeweils mit den vorgedruckten Karten, die sich in den Enquetemappen befinden, schriftlich anzumelden und diese meinem Team zu meiner Linken zu übergeben. Ihr Name und Ihre Organisation werden in die Rednerliste aufgenommen. Ihr Beitrag sollte die Dauer von 3 Minuten nicht überschreiten. Ich darf Sie bitten, diese Redezeit einzu halten.
Über die heutige Enquete wird ein Stenographisches Protokoll verfasst, das in einiger Zeit auf der Internetseite des Parlaments abrufbar sein wird.
Im Salon des Bundesrates nebenan stehen während der Enquete Erfrischungen bereit. Nach Ende der Enquete, ab etwa 13 Uhr, darf ich Sie alle, meine sehr geschätzten Damen und Herren, zu einem informellen Gedankenaustausch bei einem Buffetempfang in die Säulenhalle einladen.
RN/5
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Wir gelangen nun zur Keynote des Dritten Präsidenten des Nationalrates außer Dienst und nunmehrigen Klubobmanns des Burgenländischen Landtages, Herrn Ing. Norbert Hofer.
Ich ersuche Herrn Ing. Hofer, seinen Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben und die Zeit von 20 Minuten nicht zu überschreiten. Ich darf darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt. – Bitte, Herr Klubobmann, um Ihren Beitrag.
RN/6
9.04
Ing. Norbert Hofer (Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag, FPÖ): Besten Dank, Herr Präsident! Lieber Peter! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst für den sehr freundlichen Empfang durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hohen Hauses, aber auch durch viele Kollegen quer durch alle Parteien sowie für die netten Gespräche, die wir vorab schon geführt haben, bedanken.
Materie ist verdichtete Energie. – Dieses Zitat wird Max Planck zugeschrieben und dieses Prinzip wurde sauber formuliert von Einstein. Sie kennen das 1905 entdeckte Naturgesetz zur Äquivalenz von Masse und Energie natürlich: E=mc2. Das heißt: Alles, was wir hier rundherum sehen, ist in Wirklichkeit Energie und nur zu einem kleinen Teil Materie. Das, was wir Materie nennen, ist im Kern gebundene Energie.
Ich darf Sie auf eine Gedankenreise mit einladen: Sie alle kennen den Stephansdom. Es ist ein Gebäude, das Österreich kennzeichnet, der Südturm ist 136 Meter hoch. Denken wir an all die Atome, die diesen Stephansdom ausmachen. Jedes Atom hat ja seinen Atomkern und die Elektronen, die rundherum kreisen. Wenn diese Elektronen auf den Kern fallen würden, dann wäre der Stephansdom so hoch wie eine Bankomatkarte dick ist, nämlich 1,4 Millimeter statt 136 Meter. Der Rest ist Bewegung, der Rest ist Energie.
Ohne diese Umwandlung von Energie gäbe es uns so nicht. Vom Feuer, also Holz über einen exothermen Prozess in Wärme umgewandelt, über Kohle, Öl und Gas, über die Kernspaltung bis zur hoffentlich kommenden Kernfusion, die wie in der Sonne die Materie direkt in Energie umwandelt, alles das ist in Wirklichkeit Sonnenkraft, auch das, was wir Erneuerbare nennen, in ganz verschiedenen Kostümen. Denken wir an Wind. Da geht es um Druckunterschiede in der Atmosphäre, verursacht natürlich durch die Sonne. Denken wir an Wasserkraft. Da brauchen wir Verdunstung, damit eben Wasserdampf aufsteigt, sich Wolken bilden und es zu Regen kommt und sich Flüsse bilden. Das ist die Kraft der Sonne. Biomasse: Da brauchen wir gesunde Böden, auch wiederum Wasser und vor allem Licht, wieder die Kraft der Sonne. Und dann gibt es auch den direkten Anschluss an der Sonne, das ist Solarthermie und Fotovoltaik.
Wir haben uns politisch gegen Kernkraft entschieden. Wir beobachten jetzt aber neue Ansätze wie thoriumbasierte Konzepte von der Firma Emerald Horizon in Graz zum Beispiel, und wir müssen die Forschung nüchtern und faktenbasiert prüfen. Natürlich haben wir eine klare Zielsetzung auf Erneuerbare, aber Forschung ist nicht ideologisch, Physik ist nicht ideologisch. Deswegen sollten wir als Politiker auch der Wissenschaft nicht vorgeben, wo man zu forschen hat, in welche Richtung man gehen soll. Das soll bitte die Wissenschaft entscheiden. Wir dürfen dann als Politiker am Ende des Prozesses entscheiden, ob wir diese Ergebnisse für uns umsetzen wollen oder können oder nicht – ich darf in diesem Zusammenhang an den Verbrennungsmotor erinnern.
Sie alle kennen den Nationalen Energie- und Klimaplan, der die Ziele und Leitplanken festlegt. Was heißt das für den Strom? Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen soll gesteigert werden, sodass bis zum Jahr 2030 35 Terawattstunden erneuerbare Energie zusätzlich vorhanden sind; 17 Terawattstunden Fotovoltaik, 12 Terawattstunden Wind-, 5 Terawattstunden Wasserkraft und noch 1 Terawattstunde Biomasse. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Inlandsstromverbrauch bei 89 Terawattstunden liegen wird und dass man das alles zu 100 Prozent – bilanziell natürlich – mit Erneuerbaren abdecken kann.
Der Blick kann aber auch, wenn man das wirklich so macht, nicht beim Strom enden, weil wir für 2030 von einem Bruttoendenergiebedarf von 1 106 Petajoule oder 307 Terawattstunden insgesamt ausgehen. Zur Erklärung: Es gibt ja nicht nur den Strom. Wir haben in Österreich auch andere Bereiche, wo wir Energie brauchen und verbrauchen, vor allem als – noch, kann man sagen – Land der Industrie.
Selbst bei dieser Zielerreichung, die die Politik hier vorgegeben hat, liegen wir bei etwa 57 Prozent Erneuerbare beim Energiemix insgesamt. Das heißt, 43 Prozent des Energiebedarfs sind bis 2030 durch Brückentechnologie abzudecken. Wir haben also nicht genug Erneuerbare, deshalb müssen wir schon die Augen öffnen und uns überlegen: Wie versorgen wir uns in den nächsten Jahren?
Ich darf jetzt einmal auch die Dimensionen greifbar machen, damit klar wird, was das für den Bodenschutz und den Naturschutz bedeutet. Fotovoltaik: 17 Terawattstunden ist das Ziel. Wir haben einen typischen Ertrag in Österreich von 1 050 Kilowattstunden pro Kilowattpeak, da brauchen wir bei einem Fassadendächermix etwa 6 Quadratmeter PV-Fläche, um das umsetzen zu können.
Wenn man jetzt diese 17 Terawattstunden, also 17 000 Gigawattstunden, auf diesen Dachfassadenmix umrechnet, dann braucht es 16,2 Gigawattpeak. Das sind 97 Quadratkilometer. Das, meine Damen und Herren – ich komme aus einem kleinen Bundesland, dem Burgenland, wir haben ungefähr 170 Gemeinden –, entspricht einer Fläche von 80 Fußballfeldern in jeder Gemeinde oder einer Fläche von einem Drittel des Neusiedler Sees. Das ist eine enorme Fläche, die da gebraucht wird, um dieses Ziel zu erreichen – und ich hoffe: nicht auf der Wiese, sondern auf Dächern, auf Fassaden und auf Lärmschutzwänden. Das muss nämlich unser Ziel sein. (Beifall.)
Sehen wir uns das Ziel in Bezug auf die Windkraft an! Ich darf Ihnen auch sagen, dass man nicht unendlich viele Windkraftwerke auf einer engen Fläche aufstellen kann, weil sich natürlich mit jedem Windkraftwerk die Windgeschwindigkeit dahinter verringert und es einen gewissen Abstand braucht, um jene „Ernte“ – unter Anführungszeichen –, die man benötigt, einfahren zu können. Also 12 Terawattstunden als Ziel bei der Windkraft? – Moderne Anlagen liefern 5 Megawatt bei einem Kapazitätsfaktor von 26 bis 30 Prozent. Das heißt, wir brauchen je nach Kapazitätsfaktor etwa 910 bis 1050 Anlagen zusätzlich – zusätzlich rund 1 000 große Windkraftanlagen –, um dieses Ziel bis 2030 umsetzen zu können. Auch dazu müssen wir sagen: Ja, man wird natürlich neue Windkraftanlagen bauen, aber bitte nicht auf Berggipfeln, nicht in Habitaten, sondern in Vorrangzonen, dort, wo es wirklich Sinn macht.
Bei Wasserkraft und Biomasse, 5 Terawattstunden und 1 Terawattstunde, bedeutet das Modernisierung, Effizienz und Ökologie. Und weil ich gerade sehe, dass hier ein bisschen über diese 1 000 neuen Anlagen diskutiert wird: Sie alle kennen den Seewinkel, wenn Sie auf der Autobahn Richtung Ungarn fahren, Sie kennen das Bild von diesen vielen, vielen, vielen Windkraftanlagen, und das, was wir neu brauchen, ist viermal so viel, wie wir im gesamten Seewinkel haben. Auch das zeigt die Dimension dieser Ziele.
Wind und Fotovoltaik sind natürlich volatil, das wissen wir, das belastet die Netze. Das heißt, es muss bis 2030 auch eine entsprechende Leistungsfähigkeit in den Netzen managebar sein. Wir werden dafür Milliarden in die Übertragungsnetze investieren. Sie kennen die Schlagzeilen von gestern, Sie wissen, dass die Netze modernisiert werden müssen. Das kostet natürlich auch und das kostet vor allem dort, wo viel an Erneuerbaren hergestellt wird, wie wir aus dem Burgenland auch wissen. Wir brauchen Netz- und Flexibilitätsausbau, Speicher also, Lastmanagement, Digitalisierung, nur so kann die Versorgung auch sicher gewährleistet bleiben.
Im Strompreis, das muss man ehrlich sagen, findet sich für die Haushalte künftig ein höherer Anteil für die Netzkosten. Wenn Sie mich näher kennen, wissen Sie, dass ich ein absoluter Verfechter und Vertreter der Erneuerbaren bin – auch durch meine Bücher, die ich bisher dazu herausgegeben habe, bekannt –, aber ich halte nichts davon, zu behaupten, es wird alles billiger, wenn wir auf Erneuerbare umstellen. Das ist einfach nicht wahr und diese Wahrheit muss man auch vertreten, weil sich der Strompreis aus dem Energiepreis, aus Netzentgelten und aus Steuern und Abgaben zusammensetzt.
Was also tun, wenn man die Kosten fair halten will? Wie sollten wir als öffentliche Hand fördern? – Ich vertrete die Meinung: Nicht in Fotovoltaikmodule, sondern intensiv in Speicher – wir müssen in die Speichermöglichkeiten investieren, das ist der Weg in die Zukunft.
Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz definiert nun ein überragendes öffentliches Interesse für Projekte im Bereich der Erneuerbaren. Das erleichtert Verfahren, aber das bitte – auch aufgrund des Themas heute in dieser Enquete – darf nie als Freibrief gegen Orts- und Landschaftsbild, Arten-, Boden- und Wasserschutz verstanden werden. Das dürfen wir niemals vergessen. Beschleunigen ja, aber nicht nach dem Motto: Koste es, was es wolle! Österreich ist keine Wüste, wir haben einen Schatz zu bewahren: Natur, Artenvielfalt, gesunde Böden, reines Wasser und klare Luft.
Es geht jetzt auch um Ehrlichkeit, meine Damen und Herren, und ich sage auch ganz offen: Gas als LNG um die halbe Welt zu transportieren, ist mit Sicherheit keine Lösung. Ich sage Ihnen auch, warum: Allein die Methanleckagen aus der US-Schiefergasförderung setzen jährlich rund 13 Millionen Tonnen Methan frei. Das entweicht aus diesen Löchern, die man gemacht hat, es entweicht frei, es gerät in die Atmosphäre. Über 20 Jahre gerechnet sind das mehr als 1 Milliarde Tonnen CO2-Äquivalente. Das ist über 50-mal mehr, als wir in Österreich mit dem gesamten Verkehr ausstoßen – nur über die Leckagen! LNG muss dann auch noch transportiert werden, und das sind keine Wasserstoffschiffe oder Elektroschiffe. Und bei der Verbrennung in Österreich wird dann natürlich noch einmal dieses gefürchtete CO2 frei. Also wenn man das ehrlich rechnet, dann kann man das bitte so nicht umsetzen.
Methan ist rund 30-mal klimaschädlicher als CO2, und wenn wir dieses LNG-Gas weiterhin importieren, dann haben wir einen gigantischen Umweltschaden, den wir mitverursachen. Ich finde es auch nicht richtig, wenn wir sagen, das passiert ja irgendwo anders, nicht bei uns in Österreich. Wenn wir diesen Schaden verursachen, ist der Schaden da, egal ob in Österreich oder in den Vereinigten Staaten; verursacht durch den Energieaufwand hier in Österreich.
Während wir unsere Industrie aus Europa in Richtung Asien und Vereinigte Staaten verlieren, weil wir uns die Energiekosten nicht mehr leisten können, importieren wir auch noch dieses klimaschädliche Gas nach Österreich. Dabei haben wir mit der Montanuniversität in Leoben Kompetenz hier in Österreich, um umweltverträgliche Verfahren zu prüfen, um auch auf die Reserven zurückzugreifen, die wir hier in Österreich haben; natürlich unter strengen Auflagen, Umwelt- und Wasserrechtsauflagen. Heimisches Erdgas kann für sehr, sehr kurze Zeit auch eine Brücke schlagen, um für uns Resilienzen statt Abhängigkeiten von Oligarchen, Scheichs und Autokraten zu schaffen.
Daher, meine Damen und Herren, gehört die Zukunft auch dem Wasserstoff, darauf müssen wir uns viel, viel stärker konzentrieren. Und was auch immer wir tun: Artenschutz, Bodenschutz und Wasserqualität dürfen für uns in Österreich nicht verhandelbar sein.
Der Bau einer Hochspannungsleitung – und wir brauchen jetzt die Leitung für die Erneuerbaren – berührt die Landeskultur, Forst- und Wasserrecht, Raumplanung, Lawinen- und Wildbachverbauung, Natur- und Landschaftsschutz, Denkmalschutz, Bodennutzung, Verkehr und auch die Landesverteidigung. Es ist natürlich gut, in diesem Bereich zu zentralisieren, klare Fristen zu setzen, die digitale Einreichung zu ermöglichen, aber wir brauchen Vorrang- und Tabuzonen. Das ist das Wesentlichste, so sparen wir Zeit, ohne den Naturschutz auszuhöhlen.
Ich darf Sie einladen, einen Blick nach Deutschland zu werfen, wo man auf Basis einer Weltanschauung in einer Ho-ruck-Aktion den Kernkraftausstieg umgesetzt hat. Wir sind gegen die Nutzung von Kernkraft, keine Frage, aber diese Kernkraftwerke waren die sichersten der Welt und sie wurden abgedreht, ohne dass man wusste, wo man die Energie herbekommt, denn alleine mit Windkraft und mit der Kraft der Sonne, die sehr volatil ist, kann man den Energiebedarf, den notwendigen Energieverbrauch nicht abdecken.
Was hat man gemacht? – Man hat die Kohlekraftwerke wieder angeworfen. Also das ist etwas, was schwer nachzuvollziehen ist, denn das war dann wirklich umweltschädlich und soll auch ein Warnsignal für uns sein, dass wir bei allem, was wir tun, klug vorgehen. Physik kennt keine Ideologie, wir müssen klug vorgehen und die Dinge so umsetzen, dass sie nachhaltig sind und dass wir mit den Maßnahmen, die gut gemeint sind, nicht auch noch einen Schaden verursachen.
Ich komme jetzt noch einmal zurück zu unserer Landschaft, zur Artenvielfalt, zum Boden. Wir haben großes Glück in Österreich: Die Luchse kommen zurück ins Land, die Population bei den Seeadlern ist von null auf 70 Pärchen angewachsen, weil der Schutz eben wirkt. Es gibt auch den berühmt gewordenen Elch Emil, der uns wochenlang beschäftigt hat, der quer durch Österreich unterwegs war, was bis hin zu einer Sperre einer Bahnstrecke geführt hat. Der Gast wurde schließlich betäubt, gechippt und an der Grenze zum Böhmerwald ausgesetzt, wo auch eine Population lebt. Warum sage ich das? – Weil Akzeptanz und Rücksicht auch Kern einer klugen Energiewende sein müssen.
Dieser Elch hat uns daran erinnert, dass Landschaft Lebensraum ist und dass Planung auch Augenmaß braucht. Daher brauchen wir eine kluge Vorgangsweise statt ein: Koste es, was es wolle! Eine kluge Raumordnung heißt: Vorrangflächen für Dach-, Fassaden- und Parkplatz-PV-Anlagen, Agri-PV bitte nur als Ausnahme, Wind nur in Vorrangzonen, keine Anlagen in sensiblen Habitaten, und ich glaube, wir sollten zur Speicherrepublik werden. Ja, wir haben schon die großen Pumpspeicherkraftwerke, aber es geht jetzt in der Zukunft um mehr. Es geht um Batterien in Haushalten, Betrieben und Quartieren, weil wir dezentral so viel wie möglich speichern müssen, um die Netze zu entlasten. Es geht um Power-to-Gas, grünes Methan und Wasserstoff.
Wir haben das Pech, aber auch das Glück, dass wir mit der Voest zum Beispiel einen riesigen Betrieb haben, der für Österreich von enormer Bedeutung ist, wo aber CO2 anfällt. Wir haben aber auch Windkraft, bei der der Wind dann weht, wenn wir den Strom nicht brauchen. Dann können wir mittels Elektrolyse durch Windkraft Wasserstoff generieren und diesen gemeinsam mit dem CO2 über die Methanisierung als Gas für uns nützen, das übrigens auch in den Erdgasleitungen, die wir bereits haben, mitverwendet werden kann.
Jede vor Ort gespeicherte Kilowattstunde erspart Netzausbau und Geld, und wir wissen: Der Speicherbedarf bis 2030 kommt in Terawattstundengrößen. Das heißt, wir haben nicht viel Zeit zu verlieren. Deswegen habe ich auch gemeint: Fördern wir unbedingt die Speichertechnik!
Natürlich müssen wir die Netze modernisieren. Wir brauchen Leitungen für die Leistung, die wir benötigen. Wir müssen das aber auch beherrschbar machen – durch Netzoptimierung, Sektorkopplung und durch Flexibilität.
Jetzt komme ich wieder zur Industrie: Dort werden wir den grünen Wasserstoff in Zukunft brauchen, und zwar dort, wo er systemisch Sinn ergibt – Chemie, Stahl, Prozesswärme. Teile unseres Gasnetzes – wir haben ja Milliarden in dieses Gasnetz in ganz Österreich investiert – sind bereits für Wasserstoff nutzbar. Etwa 10 Prozent an Wasserstoff könnte man beimengen – das ist ein sehr flüchtiges Gas –, ohne dass wir technische Probleme bekommen, aber es wird sogar möglich sein, bis zu 20 Prozent beizumengen. Das ist in Vorbereitung und in Erprobung. Wichtig ist natürlich die Sicherheit, die Werkstofftechnik, und Schritt für Schritt evidenzbasiert vorzugehen.
Wir haben es gestern gehört: Gas wird teurer. Das heißt, die Netzkosten für Gas werden teurer, weil weniger Gas genutzt wird und die, die einen Anschluss haben, die Kosten tragen müssen. Mit dem Einsatz von Wasserstoff in diesen Netzen machen wir einen großen Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen auch die Wertschöpfung im Land belassen. Wir brauchen Erneuerbare made in Austria, wir brauchen regionale Jobs, wir brauchen Forschung und wir müssen die Verfahren bündeln, wie ich schon zuvor gesagt habe.
Auch wenn wir die Stromziele erreichen, bleibt die Lücke bei den Erneuerbaren, die ich vorhin genannt habe. Das heißt, wir müssen dort elektrifizieren, wo es funktioniert – bei Wärmepumpen, bei E-Mobilität und bei der Prozesswärme. Wir müssen effizienter werden, auch bei der Althaussanierung, bei der Abwärme und bei der Digitalisierung, und wir müssen Brücken verantwortungsvoll nutzen.
Ich darf noch ein Beispiel bringen: Ich bin jemand, der sehr, sehr stark auf Forschung setzt. Es gibt ein Unternehmen in Texas, das einen Hochleistungsmikrowellengenerator entwickelt hat, um damit zu bohren. Mit diesem Bohrmeißel aus Mikrowellen kann man in der Tiefe Granit lokal erhitzen, der wird zu Asche, erstarrt zu Glas und die Partikel werden dann mit Spülgas ausgetragen. Das heißt, man kann damit sehr harte, kristalline Schichten überwinden – man bohrt im Versuch bereits auf rund 100 Meter und es gibt schon neue Rekorde, die noch weiter gehen – und man kann damit auch dort, wo es kein Heißwasser im Boden gibt, Gesteinsschichten erreichen, die 300, 400 und 500 Grad heiß sind. Das heißt, das ist eine ganz große Hoffnung in der Geothermie, wenn es darum geht, Energiequellen zu nutzen. Deswegen ist Forschung auch so unfassbar wichtig, meine Damen und Herren.
Ich glaube an die Erfindungsgabe. Ich glaube, dass Österreich saubere Energie und eine intakte Umwelt zusammen denken kann. Ja, wir brauchen den raschen Ausbau der Erneuerbaren und der Netze, nein, wir brauchen kein: Koste es, was es wolle! Natur, Arten, Böden und Wasser sind Schatzkammern unseres Landes, wir brauchen eine kluge Planung.
Ich darf zum Schluss noch etwas sagen : Wir alle sind ja in der Politik, um Dinge positiv zu bewegen. Viele von uns haben ja Kinder und wie ich – wie vielleicht auch meine Haarfarbe vermuten lässt – auch bereits Enkelkinder, und ich glaube, dass es für uns ein sehr schönes Ziel wäre, wenn unsere Kinder einmal sagen könnten: Die Generation vor uns hat die Natur bewahrt, aber auch unser Energiesystem erneuert – beides gleichzeitig. Das muss unser Ziel sein. – Besten Dank. (Beifall.)
9.25
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Vielen Dank, für die Ausführungen.
RN/7
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Wir gelangen nun zu Panel 1 zum Thema „Natur bewahren – Heimat erhalten. Landschafts- und Naturschutz als kulturelle und ökologische Verantwortung in Land- und Forstwirtschaft“.
Dazu ersuche ich die Referenten, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen und ihren Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben.
Die Zeit von 15 Minuten sollte dabei nicht überschritten werden. Ich darf neuerlich darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt.
Ich darf zuerst Herrn Franz Meran, den Präsidenten des Steirischen Jagdschutzvereins, um seinen Beitrag zum Thema „Forstwirtschaft im Spannungsfeld von Ökonomie und Naturschutz“ ersuchen. – Bitte, Herr Präsident. (Beifall.)
RN/8
9.26
Franz Meran (Steirischer Jagdschutzverein): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich danke euch von ganzem Herzen für die Einladung, meine Gedankenwelt vor euch auszubreiten! Ich möchte mich ganz kurz vorstellen: Wie gesagt, mein Name ist Franz Meran, ich komme aus der Weststeiermark und leite dort in der sechsten Generation einen circa 2 000 Hektar großen Forstbetrieb, der von meinem Urururgroßvater – vielleicht ist er dem einen oder anderen hier ein Begriff, er wurde hier in Wien auch Habsburgs grüner Rebell genannt – Erzherzog Johann erworben wurde.
Wer Erzherzog Johann gekannt hat, weiß, welches Gedankengut in ihm geschlummert hat. Ich erinnere mich, als man mich als ganz jungen Buben – ich war vielleicht 20 oder 22 Jahre alt – bei einer politischen Veranstaltung ganz überraschend gefragt hat: Ja, lieber Herr Meran, wie sehen Sie denn Ihren Urururgroßvater politisch? Wie gesagt, ich war 20 Jahre. Mir ist spontan eingefallen, als ich an ihn gedacht habe: Er ist ein Grün-Politiker mit einem roten Herzen, durch das schwarz-blaues Blut fließt. Das, meine Herrschaften, charakterisiert ihn irgendwie. Er ist sehr umweltbewusst gewesen, er ist vor allem auch ein sehr sozialer Mensch gewesen, er ist ein sehr wirtschaftlich und fortschrittlich denkender Mensch gewesen und er war bis zu einem gewissen Grad auch ein bisserl ein Revoluzzer gegen die Obrigkeit. Er wäre aber ein Politiker, wie man ihn sich in der heutigen Zeit wünschen würde.
Kommen wir zu meinem Thema „Forstwirtschaft im Spannungsfeld“ – ich habe schon das Wort Spannungsfeld nicht sehr gerne – „von Ökonomie und Naturschutz“. Die Forstwirtschaft ist ökonomisch gesehen von vornherein schon etwas angespannt. Denken wir daran, dass wir in der heutigen Zeit bei guter Qualität für den Rohstoff Holz 120 Euro bekommen, in den 70er-Jahren waren das 1 460 Schilling. Würde man nur die Inflation hochrechnen, würde das für uns bedeuten, dass der Holzpreis heute im Normalbereich so zwischen 300 und 350 Euro liegen würde.
Was will ich damit sagen? – Der Land- und Forstwirt ist von jeher so geprägt, dass er schon mit Bescheidenheit ausgestattet ist, womit er auch gut beraten ist. Wenn Sie sich die Besitzverteilung der österreichischen Wälder anschauen, dann sehen Sie, dass 80 Prozent der Wälder in privater Hand und insgesamt 54 Prozent dieser Wälder in kleinstrukturierter Bauernhand sind. Das ist schon sehr viel, das ist sehr, sehr viel.
Da bin ich schon bei meinem ersten Thema, bei dem Spannungsfeld Ökonomie und Naturschutz. Das zeigt auch, dass die ersten Naturschützer oder die obersten Naturschützer insgesamt die Bauern und die Bauernschaft waren, und, meine Herrschaften, es bleibt auch so. Es wird so bleiben. Wir sind mit unserem Grund und Boden so verwachsen, dass wir einen Teufel tun werden, irgendetwas zu verschlechtern, was uns letztendlich die Lebensgrundlage entziehen würde. So sind wir nicht gebaut.
Die Forstwirtschaft als solche ist vielleicht 250 Jahre alt, möchte ich sagen. Die Forstwirtschaft hat in diesen 250 Jahren die ungefähr – nageln Sie mich nicht auf plus/minus 1, 2 fest! – 67, 68 in Österreich vorkommenden Baumarten erhalten. Die Forstwirtschaft hat keine einzige dieser vorkommenden Baumarten durch ihre Bewirtschaftung aus den Wäldern entfernt. Das muss man so sagen.
Der Naturschutz ist eine Institution, die sich natürlich aus der Bauernschaft, aus der Jagd, aus dem Grundbesitz heraus entwickelt und vielleicht an ein paar Schrauben gedreht und ein bisschen eine andere Einstellung zu dem Ganzen entwickelt hat. Im Grunde aber versucht der heutige Naturschutz, das zu bewahren, was wir – teilweise durch die Bewirtschaftung – geschaffen haben. (Beifall.)
Sie versuchen mir oder uns zu sagen: Wir müssen etwas schützen, was schützenswert ist und was ihr nicht schützen könnt. – Dem ist so nicht! Wir haben schon über viele Generationen bewiesen, dass wir imstande sind, zu schützen – und zwar zu schützen durch Nützen.
Was jetzt auf der anderen Seite kommt – und das kommt auch wieder vom Naturschutz –, ist etwas, was mir ein bisschen Sorgen bereitet, muss ich ganz ehrlich sagen. Das sind diese Biodiversitätsstrategien; das sind schon so komplizierte Wörter, dass man draußen erst einmal erklären muss, was das überhaupt bedeutet. Ich war schon ein bisschen besorgt, als ich so am Rande mitbekommen habe, dass man darüber diskutiert, dass der Naturschutz darauf beharrt, dass 10 Prozent der Flächen – 5 bis 10 Prozent – aus dem Nutzen genommen werden. Die Diskussion hat in Deutschland begonnen und schwappt natürlich auch zu uns herüber.
Aus der Nutzung nehmen! – Wissen Sie, was das bedeutet? Aus der Nutzung nehmen heißt nicht nur, in der ohnehin schon ökonomisch angespannten Situation in den Forstbetrieben jetzt auch noch auf etwas zu verzichten, was man über Jahrhunderte bewirtschaftet hat, sondern es heißt im Klartext auch: Naturbelassene Wälder werden dunkler. Das ist ganz logisch: Nicht bewirtschaftete Wälder werden dunkler. Damit erreicht man eigentlich genau das Gegenteil von dem, was wir heute hier alles erörtern wollen. Artenvielfalt, wir wollen viele Arten haben, Biodiversität – dafür ist es aus meiner Sicht der Dinge eigentlich kontraproduktiv, etwas aus der Bewirtschaftung herauszunehmen. Wir wissen nämlich, dass zum Beispiel nicht die Baumkronen für die Biomasse und auch für die Assimilation verantwortlich sind, wir wissen, dass es die Kraut- und die Strauchschicht ist, die 80 Prozent ausmacht. Wie bekommt man in einen Baum eine Krautschicht? – Indem man Licht in den Wald lässt. Wie lässt man Licht in den Wald? – Indem man ihn bewirtschaftet und indem man ihn – und das kann man uns niemals vorwerfen – nachhaltig bewirtschaftet und wir haben ihn bis in die heutige Zeit – und das können wir beweisen – nachhaltig bewirtschaftet.
Ich spreche zu Ihnen hier jetzt weder als Politiker noch als Vertreter der Forstwirtschaft, sondern ich spreche zu Ihnen als Franz Meran, der – mit großer Ehrfurcht – 44 Jahre lang einen Flecken Erde betreuen durfte, der weiß, dass 44 Jahre im Angesicht der Evolution null – nicht einmal null – sind, der weiß, dass das, was er macht, auf dem Grundstück, das er in dem Zeitrahmen bewirtschaften kann, bestenfalls ein Sideboard ist.
Viele glauben, dass sie das Rad der Zeit neu erfinden müssen und dass alles neu aufgestellt werden muss. – Wir müssen es nicht neu aufstellen, wir müssen erkennen, dass wir, als Einzelne möchte ich dazusagen, nicht so wichtig sind, wie wir glauben.
Wenn ich dann über diverse Schlagwörter, die wir hören, nachdenke, nenne ich euch eines, das mich maßlos aufregt: klimafitter Wald. Wer kann mir beantworten, was ein klimafitter Wald ist? Wir denken in der Land- und Forstwirtschaft von Haus aus in hundert Jahren. Wir versuchen selbstverständlich, mit der Natur zu gehen. Wir wissen, es gibt Veränderungen, es gibt auch jetzt Veränderungen in der Natur. Wir sind ja auch nicht ganz auf den Mund gefallen und wir haben auch nicht den Verstand verloren. Wir spüren alle, die wir hier sitzen, dass es wärmer wird. Wir spüren das, der Wald spürt das, die Natur spürt das. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das alles menschengemacht ist. Dessen bin ich mir nicht sicher, so wie sich viele andere sehr sicher sind. Ich würde mich das nicht zu behaupten wagen. Es ist aber gut möglich, dass wir dazu beitragen – das ja. Es entwickelt sich aber jetzt eine Hysterie daraus. Und, meine Damen und Herren, es ist eine Hysterie, es ist eine Klimahysterie, die momentan über uns hereinbricht. Das ist meine ganz persönliche Wahrnehmung.
Wenn heute ein Gewitter Richtung Wien zieht und Sie auf Ihr Handy schauen, dann sehen Sie: Unwetterwarnung! Verschwinden Sie in Ihre Häuser. – Bei einem ganz normalen Gewitter, das vielleicht einmal ein bisschen stärker und einmal ein bisschen schwächer ist. Ich denke mir jedes Mal, wenn ich mir das anschaue: Was fange ich jetzt damit an? Ich habe vor 25 oder vor 30 Jahren viel schwerere Gewitter erlebt als das, was jetzt auf uns zuzieht, und es hat mich keiner davor gewarnt. Es ist nur diese Überinformation, dieses an allen Ecken und Enden informieren und informiert werden, das so gefährlich ist und von dem man sich irgendwie gesteuert fühlt, muss ich schon ganz ehrlich sagen.
Ich möchte, wie gesagt, nicht und keinesfalls den Eindruck erwecken, dass ich nicht spüre, dass es wirklich wärmer wird. Es ist hier herinnen übrigens auch sehr warm. (Heiterkeit.) Es wird wärmer, das spüren wir, und glauben Sie mir das: Wir wissen das – und damit breche ich wieder eine Lanze für den Bauernstand – auch ohne das Schlagwort klimafitter Wald. Wir versuchen, etwas zu tun. Wir versuchen, unsere Wälder an das, was wir meinen, das hereinbricht, anzupassen. Ob es richtig oder falsch ist, werden nicht einmal meine Kinder beurteilen, das werden meine Enkel beurteilen.
100 Jahre sind eine lange Zeit, eine sehr, sehr lange Zeit. Wenn Sie von jetzt 100 Jahre zurückrechnen, dann sind wir im Jahr 1925. Überlegen Sie sich, was von 1925 bis 2025 passiert ist. – Das ist irre. Wenn wir 100 Jahre vorausdenken, dann können wir gar nicht abschätzen, was in diesen 100 Jahren passieren wird und was nicht passieren wird. Wir können uns gedanklich etwas vorstellen und können auch so handeln, darüber ist ja heute schon vieles gesagt worden, aber wir wissen letztendlich nicht, ob das richtig ist. Ganz egal, was jeder einzelne Vortragende heute hier an diesem Rednerpult sagen wird, es können nur unsere Enkel beurteilen, ob das, was er gemeint hat, richtig oder nicht richtig war.
Jetzt komme ich noch zu einem Thema – Sie haben es schon angesprochen –, das uns in der Forstwirtschaft natürlich auch betrifft: Windenergie. Ich möchte sagen, es ist wieder meine persönliche Meinung: Die Windenergie ist notwendig, ganz bestimmt notwendig, nur nicht im Alpenbogen. Das, was da passiert, ist aus meiner Sicht der Dinge eine ökologische Katastrophe. Ich spreche jetzt gegen meine Interessen als Grundbesitzer, weil man natürlich auch in einer angespannten Zeit ein bisschen Geld daraus lukrieren kann, nur: Ich bin da, um an meine Kinder und an meine Enkel zu denken.
Ich glaube, dass gerade in den Alpen, wo die Böden so hochsensibel sind, wesentlich sensibler sind als unten am Talboden, allein mit der Zufahrt dorthin durch die Lebensräume Wald – die Zufahrten betreffen ja den Wald und nicht die Almen, die Zufahrten, die eine halbe Autobahnbreite haben, die nicht zurückgebaut werden können, weil die Windräder ja betreut werden müssen, die Rotoren müssen ausgetauscht werden, die Kurvenradien müssen erhalten werden, das muss ja alles so bleiben, wie es ist –, der ökologische Schaden, den man an diesen Böden im Alpenbereich oben anrichtet, in den nächsten 50 bis 60 Jahren, wenn nicht darüber hinaus, aus meiner Sicht der Dinge nicht reparabel ist; und das, meine Damen und Herren, stimmt mich schon ein bisschen bedenklich.
Ich weiß, wir verbrauchen sehr viel Energie. Ich persönlich hätte ein bisschen einen anderen Zugang, wie man da noch gegensteuern könnte: Hören wir auf, alles zuzubetonieren oder so vieles zuzubetonieren! Hören wir auf, so vieles zu versiegeln! Das ist ja genau das, wo dann das Wasser hinunterschießt. Es ist doch ganz logisch: Wenn man über unsere Mutter Erde eine Asphaltdecke oder eine Betondecke legt, dann nimmt man ihr die Luft zum Atmen. Das ist doch so etwas von logisch! Und es ist wesentlich einleuchtender, dass man damit einen Schaden anrichtet, als wenn man sagt, es wird jetzt um 2 Grad, 3 Grad, 4 Grad, 5 Grad kälter oder nicht kälter. Ich muss ganz ehrlich sagen, ja, es wird wärmer, ich weiß es, es kann aber übermorgen, wenn irgendein Vulkan, ein großer Vulkan auf der Welt ausbricht, auch wieder komplett ins Gegenteil umschlagen. Ich weiß es nicht.
Wir müssen gefühlt etwas tun, und da sind wir alle einer Meinung. Wir müssen gefühlt irgendetwas unternehmen. Es ist nur die Frage: Was? Und da greife ich gerne wieder Worte meines Urururgroßvaters auf, der gesagt hat: Was in Zukunft von der Menschheit gefordert werden wird, ist, den Hausverstand zu erhalten. Und er, der 1859 gestorben ist, hat schon gesagt: Wir werden in 100 oder 200 Jahren die Welt vor den Menschen retten müssen. Ja, wohin haben diese Menschen damals gedacht? Und wie recht haben sie gehabt!
Ich weiß, meine Redezeit ist abgelaufen. Ich bin jemand, der furchtbar gern redet, vor allem dann – das werden Sie spüren –, wenn das, was ich sage, von Herzen kommt. Es ist das, was mich wirklich bewegt, und es ist das, woran mein Herz hängt, woran das Herz aller Waldbesitzer hängt.
Was eine gefährliche Entwicklung sein könnte, ist, dass den vielen kleinbäuerlichen Waldbesitzern hie und da einmal die Luft ausgeht und dass sie ihre Besitze auf den sogenannten Markt werfen. Und dann passiert das, bei dem man mit Naturschutz eingreifen darf, denn dann ist das mit Verbundenheit, mit Schollenverbundenheit, mit Erdverbundenheit vorbei. Dann sind das bestenfalls Immobilien, die schnell einmal in die Richtung gehandelt werden und schnell einmal in die Richtung gehandelt werden. Dann, muss ich sagen, ja, dann müssen wir aufpassen.
Ich möchte natürlich von vornherein den Naturschutz nicht in Abrede stellen – er ist ganz wichtig. Ich bin auch Mitglied im steirischen Naturschutzbund, also so ist es ja nicht. Ich finde die Institution sehr wichtig, es ist nur die Frage: Wann greift sie wo ein?
Heimat erhalten, bewahren, beschützen – glauben Sie mir eines: Das können wir. Wir haben es gelernt, wir haben es von klein auf gelernt und wir werden es auch nicht verlernen. Ich habe von meinem Großvater, von meinem Urgroßvater gelernt, und ich lehre meine siebenjährigen, neunjährigen Dirndln, die ich habe. Die kennen heute schon alle Baumarten, wenn sie durch den Wald laufen, und kennen sicher schon 20 oder 30 verschiedene Kräuter und Sträucher. Wir versuchen, ihnen das, wofür wir brennen, zu vermitteln. Es ist hoffentlich bei uns gelungen – das werden andere beurteilen –, und ich hoffe, es gelingt bei meinen Kindern.
Jetzt höre ich auf. Ich wünsche euch einen guten Verlauf der Sitzung. (Beifall.)
9.45
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Vielen Dank für die Ausführungen.
Ich darf nun Herrn Wolf-Dietrich Schlemper, MSc, Referent für Jagd und Fischerei, Natur- und Umweltschutz, Gewerbe, Feuerwehrwesen in der Landesregierung Salzburg um seinen Beitrag zum Thema „Zwischen Ernährungssicherheit und Naturschutz“ ersuchen. – Bitte, Herr Schlemper.
RN/9
9.46
Wolf-Dietrich Schlemper, MSc (Landesregierung Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Verehrtes Auditorium! Vielen Dank für das erhaltene Wort. Vielen Dank für die Einladung, in der heutigen Enquete zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Der Arbeitstitel, das Thema, mit dem ich heute beauftragt wurde, zu Ihnen zu sprechen, lautet „Zwischen Ernährungssicherheit und Naturschutz“. Als ich gebeten wurde, zu diesem Thema zu referieren, war ich bei der Wahl des Titels schon etwas unglücklich, und Sie werden später auch merken, warum. Beginnen wir bei den beiden Definitionen der Wörter und beginnen wir mit dem Wort Naturschutz. Naturschutz hat sich gewandelt, meine Damen und Herren. Hatten wir doch zu Beginn des Naturschutzes vor rund 120 Jahren, als die ersten Naturschutz
bewegungen aufgekommen sind, vor allem romantische Gedanken, bei denen es in erster Linie um Landschaftspflege und Landschaftsgestaltung ging, die bis heute selbstverständlich fortbestehen, gab es Mitte der Dreißigerjahre in den ersten Gesetzgebungen schon einen beschriebenen Konflikt, und ich darf zitieren – so heißt es in einem Naturschutzgesetz vor dem Zweiten Weltkrieg –: „Die heimatliche Landschaft ist gegen frühere Zeiten grundlegend verändert, ihr Pflanzenkleid durch intensive Land- und Forstwirtschaft, einseitige Flurbereinigung und Nadelholzkultur [...] ein anderes geworden. Mit ihren natürlichen Lebensräumen schwand eine artenreiche, Wald und Feld belebende Tierwelt dahin.“
Meine Damen und Herren, die Begründung liefert das gleiche Gesetz auch im nächsten Absatz – ich zitiere weiter –: „Die Entwicklung war häufig wirtschaftliche Notwendigkeit; heute liegen die ideellen, aber auch wirtschaftlichen Schäden solcher Umgestaltung der [...] Landschaft klar zutage.“
Der heute hier behandelte Konflikt ist also rund 100 Jahre alt. Es geht um Flächenkonkurrenz. Wir haben vier Konkurrenten: Wir haben einerseits die Siedlungstätigkeit; das, was wir brauchen, die Industrie; wir haben andererseits den Naturschutz; wir haben andererseits die Land- und Forstwirtschaft; und wir haben jetzt noch einen neuen Faktor hinzubekommen, die erneuerbaren Energien.
Im Brockhaus aus den Siebzigerjahren kommen jetzt schon Begriffe wie Artenschutz beim Naturschutz hinzu, aber auch da wird die Landschaftspflege bewusst hervorgehoben. Ich zitiere erneut: „Im umfassenden Sinne bedeutet Naturschutz heute Erhaltung, Gestaltung und Pflege der natürlichen Umwelt der Menschen, der Tiere und Pflanzen auch in der Kulturlandschaft. In diesem Sinn ist Naturschutz etwa gleichbedeutend mit [...] Landschaftspflege, Landschaftskultur“ und so weiter und so fort.
Ich will Ihnen die nächste Definition geben, wie Naturschutz sich heute mittlerweile legistisch liest, aus dem aktuellen Salzburger Naturschutzgesetz: „Dieses Gesetz dient dem Schutz und der Pflege der heimatlichen Natur und der vom Menschen gestalteten Kulturlandschaft.“ – Also wir bleiben weiter in der Pflege. „Durch Schutz- und Pflegemaßnahmen im Sinn dieses Gesetzes sollen erhalten, nachhaltig gesichert, verbessert und nach Möglichkeit wiederhergestellt werden:
- die Vielfalt, Eigenart und Schönheit und der Erholungswert der Natur,
- natürliche oder überlieferte Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen,
- der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt unter besonderer Berücksichtigung der Arten von gemeinschaftlichem Interesse“ – das sind die FFH-Arten, Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – „und
- die Leistungsfähigkeit und das Selbstregulierungsvermögen der Natur sowie ein weitgehend ungestörter Naturhaushalt.“
Sie sehen, meine Damen und Herren, der Begriff Naturschutz hat sich gewandelt. Heutige Gesetzgebungen zielen zwar immer noch auf die Landschaftspflege ab, aber mittlerweile sind Aspekte des Artenschutzes und vor allen Dingen Aspekte des Lebensraumschutzes hinzugekommen, die vor 100 Jahren vielleicht schon bekannt waren, aber in dieser Tragweite noch überhaupt keine Rolle gespielt haben. Heute gesetzlich fixiert hat der Naturschutz zwar noch Aufgabenbereiche der Landschaftspflege, des Landschaftsschutzes, aber ebenso den Erhalt der Arten und der Vielfalt innerhalb einer Art, den Erhalt der Lebensräume der Arten, den Erhalt von Ökosystemen. Sehr vereinfacht ausgedrückt sind es der Erhalt und, wenn man so möchte, die Steigerung der Biodiversität.
Auf der anderen Seite haben wir das Wort Ernährungssicherheit. Die erste Assoziation, die zumindest mir beim Wort Ernährungssicherheit kommt, ist Landwirtschaft. Die Landwirtschaft schafft Biodiversität. Die Landwirtschaft kennen wir seit rund 12 000 Jahren, seit dem Neolithikum, seit der Mensch sesshaft wurde und begonnen hat, überhaupt Flächen zu roden und zu kultivieren. In diesem Moment hat er begonnen, eine Naturlandschaft zu formen, die nicht mehr mit einer Naturlandschaft gleichzusetzen ist, insbesondere in Österreich. Wenn es den Menschen mit all seinen Eingriffen in diese Naturlandschaft nicht geben würde, hätten wir vielleicht gewisse Arten gar nicht beziehungsweise wären sie mit Sicherheit nicht in dieser Dichte vorhanden, wie wir sie heute vorfinden.
Was aber schon vor 100 Jahren bekannt war, ist, dass, je nachdem, wie die Landwirtschaft ausgeführt wird, eine Konkurrenz beziehungsweise ein negativer Effekt auf das Landschaftsbild und auf die Artenvielfalt gegeben sein kann. Positiv im Sinne der Landwirtschaft – um das vielleicht mit einem Beispiel zu hinterlegen – ist doch der Klassiker, den wir kennen: Wenn Flächen nicht bewirtschaftet werden, kommt es zu Verwaldung, insbesondere auf Almwiesen, zu einer Abnahme der Biodiversität.
Ein Beispiel hinsichtlich der Betriebsgröße: Wenn ein Bauer stirbt – oder mehrere Bauern –, wenn der Hof stirbt, eine riesige Fläche von ungefähr 50 Hektar, die vorher vielleicht 15 Hektar Grünland, 10 Hektar Acker und 20 Hektar Wald waren, war das früher eine Steigerung der Biodiversität. Heute ist es eine Abnahme.
Meine Damen und Herren, diese beiden Faktoren stehen in Konkurrenz und in Abhängigkeit zueinander. Der Mensch braucht besondere Ökosysteme und die damit verbundene Biodiversität. Der Mensch braucht diese Ökosysteme, um sich auf wandelnde Umweltbedingungen überhaupt einstellen zu können, Stichwörter Adaption, Evolution. Genauso ist es die vielfältige Lebensmittelproduktion, die wir brauchen, um resilient zu sein, um widerstandsfähig zu sein – und das ist auch Biodiversität.
Je nach Ausführung der Landwirtschaft – und das merken wir uns bitte – steigt die Biodiversität, diese beiden Faktoren stehen in starker Abhängigkeit zueinander, und je effizienter im Sinne der Produktionsmenge Landwirtschaft betrieben wird, desto weniger kann die Biodiversität werden. Würde sie jedoch gar nicht betrieben, gäbe es weniger Biodiversität. Koevolution ist meines Erachtens der richtige Begriff an dieser Stelle.
Gerade der Erhalt dieser vielen landwirtschaftlichen Betriebe ist der Schlüssel für eine höhere Biodiversität, aber auch für die Ernährungssicherheit. Das Problem ist jedoch, dass eine höhere Anzahl an landwirtschaftlichen Betrieben nicht unbedingt immer die Effizienz hat, die vielleicht aus wirtschaftlichen Gründen irgendwo notwendig erscheint. Eine höhere Anzahl an landwirtschaftlichen Betrieben hat aber eine höhere Widerstandskraft. Größere Betriebe sind in ihrer Ausprägung oft spezialisiert und effizienter. Ich kann dazu noch ein negatives Beispiel aus der jüngeren Geschichte nennen: die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Das sind ja negative Beispiele für Effizienz und Abnahme der Biodiversität.
Fassen wir also zusammen: Das Wort Naturschutz hat sich gewandelt, vor allem hin zum Schutz der Biodiversität. Die Landwirtschaft ist der Schlüssel für Ernährungssicherheit und gleichzeitig für die Biodiversität.
Das Wort Ernährungssicherheit müssen wir jetzt aber noch definieren: Ernährungssicherheit ist nicht mit der Fähigkeit eines Staates zur Selbstversorgung mit Lebensmitteln gleichzusetzen. So definiert die FAO Ernährungssicherheit wie folgt – ich zitiere erneut –: Ernährungssicherheit bedeutet, dass „alle Menschen“ weltweit „jederzeit physischen und wirtschaftlichen Zugang zu“ ausreichenden, sicheren und nahrhaften Lebensmitteln „haben, die“ Ernährungsbedürfnissen für „ein aktives und gesundes Leben“ entsprechen. Dies umfasst die Verfügbarkeit von Nahrung sowie die Fähigkeit der Menschen, diese zu erwerben, was durch Faktoren wie Einkommen, staatliche Hilfen, Nahrungsmittelreserven oder die eigene Nahrungsmittelproduktion gesichert wird.
Das Wort Ernährungssicherheit kommt auch im Rechtstext der Renaturierungsverordnung, der Wiederherstellungsverordnung, vor, da findet sich jedoch keine Definition für den Begriff Ernährungssicherheit, sondern nur, was man auch auf der Internetpräsenz des Umweltbundesamtes hier in Österreich lesen kann: „Die Verordnung zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme zielt explizit auf die Herstellung der Ernährungssicherheit ab [...]. Die Umsetzung der Verordnung soll einen wesentlichen Beitrag zur langfristigen Nachhaltigkeit und Resilienz der europäischen Lebensmittelsysteme liefern.“
Meine Damen und Herren, was ich Ihnen anhand dieser Definition mitteilen möchte, ist, dass Ernährungssicherheit nichts mit der eigenen Lebensmittelproduktion und schon gar nicht mit unserer Ernährungssouveränität zu tun hat. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Die Produktion von Lebensmitteln schafft eigentlich Biodiversität. Um den steigenden Ansprüchen aufgrund einer steigenden Bevölkerungsdichte gerecht zu werden, werden Agrarsysteme in aller Regel effizienter. Effizientere Agrarsysteme im Sinne der Produktionsmenge innerhalb Österreichs stehen aber im Widerspruch zur Wiederherstellungsverordnung, nicht aber unmittelbar im Widerspruch zu Naturschutz. Die Wiederherstellungsverordnung spricht zwar von Ernährungssicherheit, meint aber vielmehr Lebensmittelsysteme und weniger agrarische Produktion in den Mitgliedsländern der Union. So steht in Artikel 27 dieser Wiederherstellungsverordnung, dass ein Aussetzen der Verordnung möglich sei, konkret des Wiederherstellens landwirtschaftlicher Ökosysteme in Artikel 11, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt, sodass keine unionseigene landwirtschaftliche Erzeugung für den Lebensmittelverbrauch sichergestellt werden kann.
Meine Damen und Herren, was ich Ihnen eingangs sagte – dass man vor 100 Jahren schon ein Problem zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Naturschutz als Flächenkonkurrenten erkannt hat –, schlägt sich im Jahr 2024 endlich in einer Priorisierung in einer unionsweiten Gesetzgebung nieder. Nun hat man eine Priorisierung geschaffen, aber das zuungunsten der eigenen Lebensmittelproduktion. Durch die Wiederherstellungsverordnung wird der von der Union vorgegebene Naturschutz der eigenen Produktion von Lebensmitteln vorgezogen. Mit einem integrativen Modell, wie wir es kannten und kennen, in dem sich Naturschutz und Ernährungsproduktion – meinetwegen auch die Forstwirtschaft – in Form einer Koevolution bedingt haben, ist es mit dieser Verordnung aus meiner Sicht vorbei.
Aufgrund der vielen hohen Vorgaben, die mit der Renaturierungsverordnung in Verbindung stehen, werden in der Folge viele Landwirte aufhören; das sogenannte Höfesterben geht weiter und wird durch die Renaturierungsverordnung deutlich beschleunigt.
Das Lebensmittelsystem – die sogenannte Ernährungssicherheit nach der von mir zitierten Definition – bleibt aufrecht. Durch internationale Handelsabkommen wird man die Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen, und gleichzeitig begünstigen die zu günstigen Produktionsstandards importierten Lebensmittel einen weiteren Preisverfall – das sogenannte Höfesterben wird erneut beschleunigt. Die den wenigen Betrieben drohenden Umweltauflagen bleiben bestehen – das deckt sich mit dem, was Sie (in Richtung Meran) gerade vorhin gesagt haben.
Die vorhin angesprochene Lösung eines integrativen Modells wird zugunsten planerischer Naturschutzspiele der Union geopfert. Der Verlust der höchstmöglichen Selbstversorgung und damit einhergehend auch der massive Verlust an soziokulturellen Gegebenheiten im ländlichen Raum werden die Folge sein.
Naturschutz und Ernährungssouveränität, Eigenversorgung stehen nicht im Widerspruch. Insbesondere Österreich mit seiner kleinen landwirtschaftlichen Betriebsstruktur hat das bewiesen und kann es auch weiter beweisen. Wir dürfen diese beiden Punkte – Naturschutz und Ernährungssicherheit, Ernährungssouveränität – nicht gegeneinander ausspielen. Wir müssen nur verstehen, dass der Schlüssel im Fortbestand dieser vielen kleinen landwirtschaftlichen Betriebe besteht, denn die haben es in der Vergangenheit bewiesen und schaffen auch Biodiversität. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall.)
9.58
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Vielen Dank für die Ausführungen.
Panel 1 ist damit abgeschlossen. Ich bedanke mich für Ihre Beiträge und darf Sie ersuchen, sich wieder auf Ihre Plätze in der ersten Reihe zu begeben.
RN/10
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Wir gelangen nun zur anschließenden Diskussion zu Panel 1.
Ich darf an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Dauer der Redebeiträge 3 Minuten nicht überschreiten sollte, und ersuche Sie gleichzeitig, diese Vorgaben einzuhalten.
Es liegt eine Rednerliste vor. Ich darf als ersten zu Wort gemeldeten Redner Herrn Nationalratsabgeordneten Michael Fürtbauer bitten, zum Rednerpult zu kommen.
RN/11
9.59
Abgeordneter Michael Fürtbauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Klubobmann! Werte Vortragende! Geschätzte Kollegen! Es wurde in der EU-RED III-Richtlinie und es wird in den verschiedenen Fraktionen auf unterschiedlichsten Ebenen darüber debattiert, ob Holz weiterhin als erneuerbare Energiequelle beziehungsweise als CO2-neutral gelten soll oder darf.
Mittlerweile fordern ja mehrere NGOs, wie zum Beispiel der World Wildlife Fund beziehungsweise Birdlife Europe, dass Holzheizungen entweder nicht mehr als klimaneutral eingestuft werden beziehungsweise das Verheizen von ganzen Holzstämmen verboten werden soll oder gehört. Somit soll meiner Meinung nach wiederum in die Nutzung eingegriffen werden.
Ich sehe im Zusammenspiel mit der ja aufgeschobenen, aber nicht aufgehobenen Entwaldungsverordnung nicht nur ein undurchführbares Bürokratiemonster auf uns zukommen – was meiner Meinung nach völlig sinnlos ist, weil wir in Österreich maximal verwalden, aber nicht entwalden; momentan zumindest –, sondern ich sehe hier vor allem auch die große Gefahr, dass wiederum stark in die Eigentumsrechte und in die freie Marktwirtschaft eingegriffen wird. (Vizepräsident Ruprecht übernimmt den Vorsitz.)
Meiner Meinung nach darf es nicht sein, dass dem Grundbesitzer in seine Waldbewirtschaftung von außen hineinregiert wird und ihm jemand sagt, dass er seine Stämme verkaufen muss, obwohl es für den Waldbesitzer vielleicht lukrativer wäre, sie der Energiegewinnung direkt zuzuführen, weil er eben eine Hackschnitzelheizung hat und die Energie verkaufen kann. Wenn die Betreiber von Sägewerken wissen, dass das Stammholz zukünftig verkauft werden muss, wird sich das relativ schnell im Preis niederschlagen.
Jetzt habe ich folgende zwei Fragen: Wie groß sehen die Vortragenden vor mir die Gefahr, dass da wiederum indirekt der Versuch unternommen wird, eine Enteignung herbeizuführen oder – drücken wir es freundlicher aus – wie gesagt in die Marktwirtschaft einzugreifen beziehungsweise diese auszuschalten, und dass diese Regulierungen kommen?
Zweitens: Wie lange werden Ihrer Meinung nach Holzheizungen noch als CO2-neutral gelten? Eine Änderung würde ja wiederum sehr stark die Landwirtschaft und die Waldbesitzer treffen, aber in Österreich, besonders in Oberösterreich, von wo ich herkomme, auch der Wirtschaft schaden. Gerade in diesem Bereich der Holzheizungen haben wir ja große Hidden Champions, gerade in Oberösterreich. – Danke. (Beifall.)
10.01
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank.
Zu Wort gemeldet ist Herr Nationalratsabgeordneter Albert Royer.
RN/12
10.02
Abgeordneter Albert Royer (FPÖ): Danke, Herr Vorsitzender! Herr Präsident! Liebe Teilnehmer dieser Enquete! Naturschutz ist wichtig, ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Ich persönlich komme ja aus dem steirischen Ennstal, wir haben dort eine sehr, sehr schön gepflegte Kulturlandschaft. Wir haben sehr starke Tourismusdestinationen in Schladming oben und in Bad Aussee drinnen. Das ist alles nur möglich, weil wir diese gepflegte Kulturlandschaft haben, die die Bauern im Einklang mit der Natur, sage ich immer wieder, erhalten. Wir wollen aber keine Urwälder und wir wollen nicht mehr in vorige Jahrhunderte zurück, das ist auch klar.
Wir haben in Schladming erst vor zwei Wochen, glaube ich, den Tourismusdialog gehabt, und da hat man eben auf Karterl draufschreiben können, was einen bewegt, was wichtig ist für die Zukunft, und diese auf die Pinnwand draufstecken können. Ich habe dann den Touristikern Folgendes auf die Pinnwand daraufgesteckt: Am meisten bewegend ist das Bauernsterben! – Leider ist es halt so, und das sage ich auch ganz klar: Neun Bauern sperren jeden Tag zu, schließen ihre Höfe für immer.
Die Bauern sind sehr unter Druck. Das Mercosur-Abkommen steht im Raum, etwas, das wir absolut nicht brauchen können. Die Renaturierungsverordnung hat der Vorredner schon angesprochen. Die Entwaldungsverordnung ist sowieso ein Wahnsinn. Ich meine, wir wachsen zu und sollen dann den Einzelstamm dokumentieren – also das ist ja Gold-Plating ohne Ende, ein kompletter Wahnsinn. Die GAP 2028 bringt uns auch sehr unter Druck, weil die Fördertöpfe zusammengelegt werden sollen. Und ich habe es vorige Woche schon im Nationalrat gesagt: Wir sind die Sicherheitspartei, natürlich wollen wir im Sicherheitsbereich etwas tun, mehr Polizei, ein gut ausgerüstetes Bundesheer – aber nicht gemeinsam mit dem Agrartopf! Da wird es irrsinnige Verteilungskämpfe geben. Da können wir dann mit dem Bundesheer um die Agrargelder streiten. Also: Das möchte ich uns allen miteinander ersparen, denn das wollen wir ganz sicher nicht.
Wie gesagt, die Bauern sind sehr unter Druck. Vor allem ist die Frage bei den kleinen Bauern, die alle im Nebenerwerb sind, ob die nächste Generation das noch macht: zweimal arbeiten gehen und dann das Geld, das sie bei 40 Stunden Arbeit auswärts verdienen, daheim in den Betrieb reinstecken. Es ist sehr, sehr fragwürdig, ob uns die nicht wegbrechen.
Die großen Betriebe, die eh nur mehr im Grünland die schönen Flächen pachten, sind sehr, sehr intensiv, die fahren sehr oft im Jahr mit der Gülle drüber. Das ist für die Artenvielfalt nicht ganz so gut, für die Produktion aber natürlich gut, weil sie mehr Menge herausholen. Die Frage ist: Wollen wir das? – Darum mein dringender Appell: Tun wir etwas, dass die kleinen bäuerlichen Betriebe überleben können, dass die nächste Generation die Höfe erhalten kann! Helfen wir da alle zusammen, machen wir einen Schulterschluss! Und vor allem: Lassen wir die Bauern arbeiten, so wie sie es seit Jahrzehnten kennen – sie geben eh ihr Bestes –, lassen wir sie in Ruhe arbeiten und belästigen wir sie nicht mit Gold-Plating und ersticken wir sie nicht mit Bürokratie! Das wäre mein dringlicher Appell. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall.)
10.05
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Danke für Ihren Redebeitrag.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Stephan Auer-Stüger. Ich erteile es ihm.
RN/13
10.05
Bundesrat Mag. Stephan Auer-Stüger (SPÖ, Wien): Vielen Dank, Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Anwesende! Guten Tag Herr Klubobmann! In 3 Minuten, vor allem in Bezug auf die Keynote: Die Transformation läuft ja. Sie haben eine große Ausführung zum Energiebereich. Die Energieversorger in Österreich beschäftigen sich mit der Transformation, der nachhaltigen Energiewende. Das ist jetzt nichts Neues. Das machen sie und das ist gut so. Unsere Aufgabe in der Politik ist, sie dabei zu unterstützen. Auch die Industrie beschäftigt sich damit, nicht nur in Österreich, sondern europaweit, und unsere Aufgabe ist, sie dabei zu unterstützen.
Sie haben einige technische Methoden angesprochen, bei denen wir uns sofort treffen. Das sind die Speichermethoden, das ist der Wasserstoff für die Industrie, auch da bin ich bei Ihnen. Mit meinem Wiener Blick gehe ich ein bisschen weiter, sehe nicht nur den Strom, sondern es geht auch um die Wärmeversorgung, Geothermie und Nahwärme. Es geht auch darum, wie wir – vor allem im verbauten Gebiet – weniger Energie verbrauchen können, wie wir es schaffen, dass wir mehr sanieren; wir waren da in Österreich schon einmal besser, wir haben vor 20 Jahren bessere Quoten gehabt, da haben wir einen Rückgang. Bei all dem bin ich bei Ihnen.
Es muss nur allen klar sein, wenn wir über Naturschutz – das Wort Klimaschutz darf man heute anscheinend nicht in den Mund nehmen, ich mache es trotzdem –, wenn wir über Klimaschutz reden, dann geht es eben nicht nur um technische Möglichkeiten. Das muss uns klar sein. Uns muss bewusst sein, und ich traue mich das schon zu sagen – der Herr Kollege hat da wieder einen anderen Blick darauf, aber ich traue mich das schon zu sagen –: Das, was auf dieser Welt passiert, das haben schon wir veranstaltet. Der Klimawandel, der stattfindet, ist menschengemacht. (Beifall.)
Und das ist ja keine Glaubensfrage, sondern diese Perspektive liefert uns schon einen Teil der Antwort. Wenn wir es waren, die das in den letzten 200 Jahren verursacht haben, dann liegt es ja an uns, das zu ändern. Das können wir, wir haben ja unendlich viele Möglichkeiten. Es liegt jetzt an uns, und das ist unsere Aufgabe als Politik. Natürlich ist keiner unfehlbar, da gebe ich Herrn Meran schon recht, in der Politik bin ich es aber schon gewohnt, das man Ziele definiert, sich darüber unterhaltet, was man erreichen will, und dann macht man Strategien. Das ist unsere Aufgabe. Klimaschutz ist eben nicht nur – darauf habe ich schon hingewiesen – die Technik, es geht auch um die Bereiche Wirtschaft, Mobilität und die Biodiversität.
Zum Abschluss, weil das Lamperl schon leuchtet: Wir haben tatsächlich eine Biodiversitätskrise, weil wir weltweit mit einem rasanten Aussterben von Arten bedroht sind, und auch daran ist der Mensch schuld. Da gilt genau dasselbe. Ich bin sehr froh, dass wir die Renaturierungsverordnung haben, ich sage Ihnen das ganz offen, denn das sind genau die Naturräume, die wir brauchen. Der Mensch greift ein, das ist richtig, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, das tun wir, denn auch Klimaschutz greift ein, nur müssen wir quasi unsere Prioritäten ändern.
Biodiversität führt zu Lebensmittelsicherheit und zur Ernährungssicherheit. Biodiversität führt zu mehr Lebensqualität für uns alle. Ich kann nur appellieren, dass sich dem alle anschließen. – Vielen Dank. (Beifall.)
10.08
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Danke, Herr Kollege, für Ihren Beitrag.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig.
RN/14
10.09
Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätztes Auditorium! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Damen und Herren! Unbewirtschafteter Wald speichert CO2 und fördert die Biodiversität. Das ist nicht meine Aussage, das ist eine Aussage der Europäischen Kommission in der letzten Vertretung.
Ich komme aus dem Bezirk Braunau, dort ist die Firma Wiesner und Hager, die Wiehag, die Hochhäuser aus Holz bis zu einer Höhe von 160 Metern baut, und wir sehen, auch in der Hofburg wird CO2 seit Hunderten von Jahren gespeichert. Wodurch wird mehr CO2 gespeichert – durch das verarbeitete Holz oder durch die Verrottung des Holzes im Wald? – Ich bin der Meinung durch das verarbeitete Holz, das durch gute Bewirtschaftung, nachhaltige Bewirtschaftung, auch Biodiversität fördert und Biodiversität entwickelt.
Wir sehen es genau so, wie Sie gesagt haben, Herr Meran: Die Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern, sind jene, die die Biodiversität überhaupt ermöglicht haben, denn die Grünen – und auch die politische Ideologie in diese Richtung – gibt es erst seit ungefähr 50 Jahren. Seither hat sich aber auch sehr viel verändert, und Veränderung bestimmt auch unsere Zukunft. Wie wir sehen, hat die Wissenschaft, die Forschung in den letzten Jahren sehr viel vorangebracht.
Auch in diesem Bereich müssen wir sagen: Wir sehen das Abschmelzen der Gletscher, wir sehen vieles, was uns jetzt bewegt, wir sehen aber nicht, dass wir das Wasser speichern sollten. Wenn wir heute Kraftwerke, Stauseen, errichten, um Wasser zu speichern und entsprechend Energie daraus zu gewinnen, um vielleicht in späterer Folge auch das Grundwasser abzusichern, weil das Wasser ja vom Berg wieder in das Tal fließt, dann haben wir Möglichkeiten in Vielfalt, auch in Österreich.
Wenn ich schaue: Wir hatten in der Vergangenheit viele Wissenschaftler, Forscher aus Österreich, die weltbewegende Erfindungen gemacht haben. Wir haben jetzt die Chance, wenn wir wollen, dass wir in Zukunft die Arbeitsplätze in unserem Land wieder sichern und die Landwirtschaft in diesem Bereich stärken. Wir sehen: Jetzt ist die Möglichkeit, denn Krisen sind immer Chancen, und aus diesen Chancen sollten wir jetzt auch das Beste herausholen.
Ich komme noch einmal zurück zur Landwirtschaft: Wenn unsere Landwirtschaft, unsere Landwirte nicht wären, würde die Berglandschaft anders ausschauen – so wie in Colorado, in vielen anderen Ländern der Welt. Unsere Bäuerinnen und Bauern haben diese Bewirtschaftung nachhaltig gemacht, und es kann nicht sein wie damals bei uns im Bezirk Braunau, als Natura 2000 ins Leben gerufen worden ist: Es könnte ja sein, dass der Bläuling eine Möglichkeit hat, sich hier anzusiedeln, somit muss man jetzt den Lebensraum schaffen. Er ist noch nicht da, hat aber die Möglichkeit, somit ist die Produktion auch nicht eingeschränkt. Sobald er wirklich nachweisbar ist, wird sie aber eingeschränkt.
Ich bin der Meinung, wir haben viele Chancen. Nützen wir die Chancen, die wir vor Augen haben, und sehen wir nicht die Hindernisse, denn es ist immer der Fortschritt gewesen, der uns Menschen vorangebracht hat und nicht der Rückschritt. – In diesem Sinne: Danke schön für diese Enquete! (Beifall.)
10.12
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank, Herr Bundesrat.
Es liegt mir nun die letzte Wortmeldung zu Panel 1 vor. Zu Wort gemeldet ist ein Landtagsabgeordneter aus Niederösterreich, Herr Abgeordneter Peter Gerstner. Ich erteile es ihm.
RN/15
10.12
Peter Gerstner (Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, FPÖ): Herr Präsident, danke für die Worterteilung! Werte Damen und Herren! Werte Zuhörer und Zuseher! Zuerst einmal herzlichen Dank für die wirklich sehr interessanten Vorträge und die Einführung zum Thema an Herrn Hofer, auch an Herrn Meran – wirklich sehr, sehr interessant, was wir da gehört haben – und natürlich auch an Herrn Schlemper! Ich hoffe, ich habe die Namen richtig ausgesprochen.
Ich möchte aber ein bisschen auf ein anderes Thema eingehen, und zwar ist das Thema ja „Landschafts-, Natur- und Umweltschutz im Spannungsfeld von Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung“. Wir haben ja seit nicht allzu langer Zeit eine EU-Verordnung zur Wiederherstellung der degradierten Ökosysteme in der EU. Diese sollen bis 2050 wiederhergestellt oder in einen guten Zustand versetzt werden. Ein zentraler Bestandteil davon ist auch dieser Europäische Green Deal. Er soll zur Erreichung internationaler Bodendiversitätsziele beitragen, insbesondere zum UN-Biodiversitätsabkommen zur Wiederherstellung von 30 Prozent geschädigter Ökosysteme bis 2030.
Ja, wir wissen genau: Das wurde dann in der EU beschlossen, und wir haben jetzt das Problem – oder sollten das hier alles umsetzen. Interessant ist, Leonore Gewessler stimmte, wie wir wissen, der Verordnung im Umweltministerrat am 17.6.2024 zu, wodurch diese Verordnung in Kraft trat und das Vorhaben auch in Österreich umgesetzt werden soll. – (Auf das rot blinkende Lämpchen auf dem Rednerinnen- und Rednerpult blickend:) Ich sehe, es blinkt, jetzt muss ich mich ein bissl beeilen.
Besonders wir in Niederösterreich haben schon sehr viel getan, denn es war ja sehr verwunderlich, dass unter Leonore Gewessler keine konkreten Vorbereitungen getroffen oder zumindest ausgearbeitet wurden. Es wurde damals einfach gemacht, um federführend zu wirken. Das internationale Know-how wäre reichlich vorhanden gewesen, nur hat man nichts umgesetzt.
Im Gegensatz dazu haben wir in Niederösterreich – es wurde gesagt, ich komme aus Niederösterreich – ja schon sehr lange versucht, Renaturierungsmaßnahmen durchzuführen. Ganz kurz nur: In der Wachau wurde Auenwildnis wiederhergestellt, im Mündungsbereich der Traisen wurde die Wasserqualität verbessert, und die Renaturierung der unteren Marchauen wurde 2017 begonnen – da durfte ich mir selber anschauen, wie toll das gelungen ist: eben nicht irgendwie mit dem Gießkannenprinzip drüberzufahren und zu versuchen, da alles zu renaturieren beziehungsweise 10 oder 20 Prozent der Landschaft oder auch der landwirtschaftlichen Flächen zu renaturieren, sondern dort zu renaturieren, wo es wichtig ist, wo es notwendig ist.
Wir haben auch das eine oder andere zum Hochwasserschutz gemacht. Man kann nicht generell sagen, wir müssen die Flüsse wieder rückbauen – das wird nicht funktionieren –, wir müssen die Natur verträglich mit der Wirtschaft und der Landwirtschaft gestalten. Das wurde vorhin auch schon erwähnt.
Unterm Strich: Alle diese Projekte tragen seit Jahrzehnten nicht nur zur Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensräume bei, sondern leisteten – das ist mit Bezug auf Niederösterreich –, lange bevor es eine grüne Regierungsverantwortung auf Bundesebene gab, bereits einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz, zur Kohlenstoffbindung und zur Förderung der Artenvielfalt. Das haben wir in Niederösterreich schon lange gemacht.
Die kontinuierliche Umsetzung dieser Projekte dokumentiert das Engagement in Niederösterreich für den Schutz und für die Verbesserung unserer natürlichen Ressourcen. Niederösterreich blickt auf eine Erfolgsgeschichte im Bereich der Renaturierung zurück und es ist bereits auf dem besten Weg zur Umsetzung dieser EU-Verordnung, aber eben mit Weitblick. Es handelt sich da also keineswegs um eine grüne Kernkompetenz, sondern um das kanalisierte Natur- und Heimatbewusstsein unserer Bevölkerung. – Danke schön. (Beifall.)
10.17
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Ich bedanke mich für die überwiegende Rededisziplin, was die Zeit betrifft.
Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr dazu vor. Ich schließe nun die Debatte.
RN/16
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Wir kommen nun zu Panel 2, den Referaten zum Thema „Energie der Zukunft – im Einklang mit der Umwelt? Herausforderungen und Chancen der Energiegewinnung (Wind, Wasser, Photovoltaik) im Spannungsfeld mit Natur und Landschaftsschutz“.
Dazu ersuche ich die Referenten des Panel 2, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen.
Die Beiträge sind ebenfalls vom Rednerpult aus abzuhalten, wobei die Zeit von 15 Minuten pro Statement nicht überschritten werden soll.
Wie bereits erwähnt beginnt das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken.
Ich darf zu Beginn den deutschen Politiker, Wissenschaftler und Buchautor Herrn Prof. Dr. Fritz Vahrenholt um seinen Beitrag zum Thema „Die ökologischen und ökonomischen Folgen der Nutzung erneuerbarer Energien“ bitten. – Bitte, Herr Professor, Sie gelangen nun zu Wort.
RN/17
10.18
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich kurz vorstellen: Ich war von 1991 bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg; von 1999 bis 2011 war ich verantwortlicher Vorstand für erneuerbare Energien bei der deutschen Shell und der RWE AG; von 2001 bis 2007 war ich Vorstandsvorsitzender des drittgrößten deutschen Windkraftunternehmens, der Repower Systems; von 2011 bis 2019 war ich Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung.
Ich komme zu den ökologischen Auswirkungen von erneuerbaren Energien. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.) Die ökologischen Auswirkungen von Windkraftanlagen hängen sehr stark vom Standort ab, denn wir wissen: Die lokale Erwärmung im Einflussbereich der Windparks wird nach Keith und Miller mit bis zu 0,5 Grad angegeben, weil die Bodenluft nachts durch das Zurückschaufeln der warmen Luft auf den Boden erwärmt wird. Die Taubildung wird erschwert, die Böden trocknen um 4,4 Prozent aus, die Windgeschwindigkeit wird im Umkreis von bis zu 10 Kilometern um 10 Prozent reduziert; ebenso geht der Niederschlag im Einwirkungsbereich um 10 Prozent zurück. Das muss man zumindest wissen.
Ganz neu in der Diskussion ist der Abrieb von polyfluorierten Alkanen, sogenannten Ewigkeitschemikalien, die sich durchaus in der Natur niederschlagen. Sie sehen hier den Niederschlag; der Abrieb beträgt etwa 30 bis 150 Kilogramm pro Windkraftanlage an Plastik, darin enthalten sind 5 Prozent PFAS, die Ewigkeitschemikalien, und wir finden die Chemikalien im Pfälzerwald in den Wildschweinlebern, die dann zum Verzehr nicht mehr geeignet sind.
Ich komme zu den übrigen Folgen:
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR stellte eine erhebliche Mortalität wandernder Insekten fest, da die befruchteten Weibchen bei ihrer Wanderung in etwa 100 Metern Höhe mit den Windkraftanlagen kollidieren. Ich habe das in den Unterlagen bei Zitate hinterlegt.
Doch der größte Schaden der Windkraftanlagen, das dürfen wir nicht vergessen, wird bei Greifvögeln und Fledermäusen erzeugt. Die deutsche Progress-Studie hat die Kollisionsraten untersucht, und diese Kollisionsraten betragen 0,48 getötete Mäusebussarde pro Windkraftanlage, was bei der hohen Zahl der Windkraftanlagen in Deutschland zu einer signifikanten Gesamtzahl führt, die den Bestand gefährdet.
Auch für den Rotmilan ist der Ausbau der Windenergie eine besondere Gefahr, denn gerade für den Rotmilan haben wir in Mitteleuropa, weil er weltweit nur hier zu Hause ist, eine besondere Verantwortung. Nach der Progress-Studie werden jährlich in Deutschland 3 250 Exemplare an 25 000 Windkraftanlagen getötet; bei einer Gesamtpopulation des Rotmilans von nur 15 000 Brutpaaren ist das in der Nähe der Bestandsgefährdung. – Zitat.
Der Rotmilan galt in den Achtzigerjahren in Österreich als ausgestorben; mittlerweile gibt es wieder etwa 130 Brutpaare. Die staatlichen Vogelschutzwarten der Länder in Deutschland fordern einen Abstand einer Windkraftanlage von einem Milanhorst von 1 500 Metern – allerdings unterschreiten die meisten Bundesländer in Deutschland diese Regel. Ich hoffe, dass das in Österreich anders gehandhabt wird.
Besonders dramatisch sind die Verluste an Fledermäusen – geschützte Art – durch Windkraftanlagen; wir müssen von zehn Spezies pro Windkraftanlage pro Jahr ausgehen. Das sind in Deutschland etwa 250 000 Tiere – wie der Abendsegler, der große, der kleine Abendsegler –, die an Windkraftanlagen getötet werden.
In Wäldern muss mit einer erheblich höheren Schlagopferzahl gerechnet werden, da die Fledermäuse in den Abendstunden aktiv den freien Luftraum der Straßen, die zu den Windkraftanlagen führen, wegen ihrer Nahrungsaufnahme aufsuchen – diese nehmen sie im freien Flug zu sich. Sie fliegen durch die Windkraftanlage durch – obwohl der Rotor ja mit 300 Stundenkilometern rotiert, hat die Evolution ihrer Sensorik die Methode an die Hand gegeben, da durchzufliegen –, aber hinter der Anlage werden sie aufgrund des extremen Druckabfalles dann durch Platzen der Lungen getötet. Das nennt man Barotrauma, und das sind Dinge, die dazu führen, dass meine Stiftung, die Deutsche Wildtier Stiftung, damals die Forderung erhoben hat: Keine Windkraftanlagen im Wald! (Beifall.) – Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich das auch in Österreich vornehmen könnten.
Die ökologischen Nachteile von Fotovoltaikanlagen – Freiflächenanlagen – sind deutlich geringer. Da nur 15 Prozent der einfallenden Strahlung in Energie umgesetzt werden, führt der Albedoeffekt zu einer Erwärmung der Umgebung – das wissen wir – von etwa einem Grad, allerdings wird das Kollisionsrisiko mit Vögeln in der Literatur – Vögel verwechseln die Fotovoltaikanlagen mit Gewässern – zwischen 2,5 und zehn Vögeln pro Megawatt und Jahr angegeben.
Ich möchte auf die Gefahr der Pachtverdrängung hinweisen: Wir haben in Deutschland mittlerweile Pachtpreise von 4 000 Euro pro Quadratmeter für Freiflächenanlagen – Fotovoltaik –, und das führt zur Verdrängung von landwirtschaftlichen Betrieben, die in der Regel nur 600 Euro pro Hektar bezahlen können. Das ist dramatisch, weil dadurch natürlich die Verfügbarkeit des Landes zur Nahrungsmittelversorgung beeinträchtigt wird.
Ich komme dann zu den ökonomischen Auswirkungen des Ausbaues von Wind- und Solarenergie – der wichtigste Grund ist ja, dass Wind- und Solarenergie neben der Kernenergie die geringste CO2-Emissionsbilanz aufweisen.
Österreich hat sich verpflichtet, bis 2040 netto null CO2 auszustoßen. Dieser Politik folgt nicht einmal die EU – die sagt: 2045 –, geschweige denn die Welt. Ich habe hier die neueste Grafik für die neueste Weltklimakonferenz. Da, in diesen nationalen Berichten zur Weltklimakonferenz, müssen ja alle Staaten melden, wie viel CO2 sie in den nächsten Jahren einsparen wollen. Hier, in dieser Auswertung des Stockholmer Umweltinstituts, sehen Sie, dass die CO2-Emissionen bis 2050 weiter ansteigen werden – nicht zurückgehen, wie der IPCC das gefordert hat – und dass wir vielleicht, wenn wir Glück haben, 2050 da sind, wo wir heute sind. – Das sind die Meldungen aus China, aus Indien, aus der Europäischen Union, aus den USA, aus den Entwicklungsländern.
Die CO2-Emissionen werden steigen, egal was Deutschland oder Österreich tun, dabei liegt Österreich bei den CO2-Emissionen, bezogen auf die erzeugten Güter und Leistungen, weltweit mit an der Spitze. Sie sehen hier: Pro Kopf sind Sie am unteren Ende, Deutschland ist auch nicht schlecht, aber – das wird immer wieder vergessen – China hat uns pro Kopf schon bei Weitem überholt, und an der Spitze stehen ganz andere Staaten als die in Mitteleuropa. Wenn Sie die CO2-Emissionen darauf beziehen – und das ist das Entscheidende, das Klimawissenschaftler tun, sie beziehen nämlich die CO2-Emissionen auf die produzierten Bruttosozialprodukte der Länder –, dann sehen Sie, dass Österreich mit 0,1 Tonne pro Tausend Dollar BIP ganz vorne ist, Deutschland dahinter, und Sie sehen China mit 0,4. Das heißt also, jeder Arbeitsplatz, der aus Österreich nach China verlagert wird, emittiert viermal so viel CO2. Das heißt also, Sie müssen für die Arbeitsplätze in Österreich kämpfen, dass sie hier bleiben, und sie nicht mit zusätzlichen CO2-Kosten belasten, die in China nicht erhoben werden, also die Industrie nach China vertreiben und damit dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen. (Beifall.)
Wir haben schon gehört, dass der Ausbau der Fotovoltaik in Österreich bis 2030 weitere 11 Terawattstunden und der Ausbau der Windenergie weitere 10 Terawattstunden bringen soll. Ich will Ihnen am Beispiel Deutschlands einmal aufzeigen, wozu das führt:
Deutschland hat aufgrund der Energiewende die teuersten Energiekosten der Welt – gut: Stromkosten hinter dem Vereinigten Königreich.
Solar- und Windenergie müssen jedes Jahr mit 20 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt bezuschusst werden, weil das deutsche EEG eine Einspeisevergütung für 20 Jahre vorsieht. Das hat Österreich Gott sei Dank nicht getan – bleiben Sie bitte auch dabei! Die 20-jährige Zusage führt eben zu diesen fürchterlichen Subventionen, denn die Differenz zum Marktpreis zahlt in Deutschland der Steuerzahler, und das sind in Deutschland, wenn wir es auf die Kilowattstunde umrechnen, immerhin 20 Eurocent pro Kilowattstunde, die durch den Bundeshaushalt subventioniert werden. Das heißt, der Strompreis wird dadurch mehr als verdoppelt.
Wind- und Solarenergie erzeugen keinen zuverlässigen Strom. Die Volllaststundenzahl von Solar in Deutschland beträgt 1 000 Stunden von 8 650 Stunden im Jahr; bei Wind sind es 2 200 Stunden. Ich habe vorhin gehört, dass man mit 3 000 Stunden rechnet: Das können Sie vergessen, das passiert auch in Österreich nicht. In Süddeutschland erzeugen wir mit den Windkraftwerken an 120 Tagen überhaupt gar keinen Strom – das darf man nicht vergessen: an 120 Tagen! Auch in Österreich wird oft überhaupt gar kein Strom produziert. Das heißt, Sie brauchen ein Back-up, aber mit saisonalen Batterien – bei Tag-Nacht-Batterien geht es ja – ist das unbezahlbar. Mit saisonalen Batterien ist das unbezahlbar, und auch der Wasserstoff verteuert den eingesetzten Strom auf das Dreifache.
Ich setze daher eher auf die CO2-Abscheidung, CCS, in Industrie und Kraftwerken. Die deutsche Wirtschaftsministerin will nun 50 Gaskraftwerke bauen. Das wird sicherlich bis 2030 nicht funktionieren, aber sie selbst sagt: Wenn wir das Back-up nicht kriegen, werden wir 2030 einige Stunden im Jahr keine Stromversorgung mehr haben. Das ist auch ein Thema für Österreich, weil wir durch dieselbe Kupferplatte verbunden sind. Wenn in Deutschland das Licht ausgeht, geht es bei Ihnen auch aus.
Wir haben zwei Probleme. Das eine ist die Hellbrise: In Deutschland produzieren wir im Sommer zu viel Solarstrom, weil die Dächer nicht abschaltbar sind. Wir haben 40 000 Megawatt auf den Dächern, die einfach in das Stromsystem hineingehen und den Preis nach unten treiben. Was passiert dann? – Der Strom muss über die Grenze verschenkt werden; er geht nach Österreich, aus deutschen Solardächern nach Österreich. Nun ist der Strompreis aber negativ und er ist dann auch in Österreich negativ. Was machen die Pumpspeicherkraftwerksbesitzer? – Sie pumpen zu negativen Strompreisen das Wasser vom Unterbecken in das Oberbecken und lassen es beim Ablaufen an der Turbine vorbeilaufen, damit sie ja keinen Strom produzieren. Das nennt man Stromvernichtung. Stromvernichtung, daran verdient der Pumpspeicherkraftwerksbetreiber in Österreich, und jeder Zuwachs an volatiler Energie wird das noch verstärken.
Österreich ist in einer glücklichen Lage: Sie haben viele Pumpspeicherkraftwerke. Wenn Österreich jetzt aber den massiven Ausbau der Solarenergie vornimmt, kumulieren die Probleme Deutschlands und Österreichs, weil wir durch große Stromleitungen direkt verbunden sind.
Noch gravierender ist die Dunkelflaute im Winter, die 20 Tage andauern kann. Das bedeutet – rechnen Sie es einmal in Österreich durch –: Sie haben 22 Pumpspeicherwerke, die maximal 3,2 Terawattstunden erzeugen können, Österreich benötigt aber 0,3 Terawattstunden am Tag, das heißt, nach zehn Tagen ohne Wind ist Österreich im Winter nicht mehr versorgt. Das heißt, Sie kommen aus meiner Sicht nicht daran vorbei, ein Back-up in Form von Gaskraftwerken zu betreiben, sonst wird das nichts, denn der Strom aus den Pumpspeichern steht auch den europäischen Nachbarn zur Verfügung. Es sei denn, Österreich entscheidet sich für den skandinavischen oder polnischen Weg, sich von Deutschland abzukoppeln. Dann können Sie sich natürlich von dem erratischen Weg Deutschlands abkoppeln.
Das größte Risiko aber, es wurde auch schon gesagt, sind die Netzkosten. Wir rechnen in Deutschland in der Zukunft mit einem Anstieg bei den Netzkosten um 20 Eurocent durch den Bau von Niederspannungs- und Hochspannungsnetzen; ich habe die Quelle hier angegeben.
Es gibt neben den zu teuren Batterien und den zu hohen Wasserstoffkosten noch eine Möglichkeit – Faktor drei –, das hat die deutsche Ampelkoalition gemacht. Sie hat nämlich gesagt, wir müssen den Strombedarf der Industrie in die Zeiten verlagern, in denen die Sonne scheint und der Wind weht. Das ist natürlich ein absoluter Blödsinn, heißt auf Neudeutsch Flexibilisierung. Ich hoffe, dass die österreichische Politik diesen Weg nicht geht, denn das ist der sicherste Weg, meine Damen und Herren, die Industriearbeitsplätze aus diesem Land zu vertreiben und die Produktion in andere Länder mit mehr Emissionen zu verlagern. – Vielen Dank. (Beifall.)
10.34
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank, Herr Prof. Vahrenholt, für Ihre Ausführungen.
Ich darf nun Herrn Mag. Germar Campidell aus der Direktion für Landesplanung, wirtschaftliche und ländliche Entwicklung, Abteilung Naturschutz in der Landesregierung Oberösterreich um seinen Beitrag zum Thema „Verfahrensturbo gegen die Wand – Energiegesetzgebung auf Kollisionskurs mit Natur- und Landschaftsschutz“ zu ersuchen. – Bitte, Herr Magister, ich erteile Ihnen das Wort.
RN/18
10.34
Mag. Germar Campidell (Landesregierung Oberösterreich): Geschätzter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eingangs bedanke ich mich in aller Form für die Einladung sowie für die Möglichkeit, dieses kontrovers diskutierte Thema aus Sicht der Verwaltung zu beleuchten und Ihnen einen kurzen Einblick in die Herausforderungen des Vollzugsalltags zu geben.
Das Verhältnis zwischen erneuerbaren Energien und dem Natur- und Landschaftsschutz war immer schon konfliktbehaftet. In den letzten Jahren hat sich die diesbezügliche öffentliche Debatte jedoch massiv zugespitzt. Die Auslöser sind hinlänglich bekannt, die Lösungsfindung gestaltet sich jedoch schwierig: Auf der einen Seite gebe es eine Energiekrise, welche nur durch den massiven und raschen Ausbau erneuerbarer Energieträger zu lösen sein soll, dem gegenüber steht eine Biodiversitätskrise, welche nur durch einen umfassenden und strengen Arten- und Lebensraumschutz sowie die Herstellung von Ökosystemen zu bewältigen sein soll.
Zentral scheint somit die Frage, ob beide Krisen parallel bewältigt werden können oder ob sich die jeweiligen Interessen dermaßen diametral entgegenstehen, dass eine Entscheidung zugunsten eines der beiden Problembereiche erforderlich wird. Dass diese Frage auch die zuständigen Gesetzgeber auf den verschiedenen Ebenen massiv beschäftigt, spiegelt sich deutlich in der intensiven gesetzgeberischen Tätigkeit der letzten Jahre wider.
Ich lade Sie deshalb ein, mich auf einen Streifzug durch diesen Regelungsdschungel zu begleiten. Ich kann es Ihnen dabei nicht ersparen, zumindest grob in die relevantesten bestehenden und geplanten Rechtsvorschriften einzutauchen. Dies ist unumgänglich für die Beurteilung, ob noch ein kohärentes legistisches Gesamtsystem vorliegt oder ob vielmehr von einem nicht mehr vollziehbaren Regelungschaos zu sprechen ist. Für diese Beurteilung ist in einem ersten Schritt auf die Vorgaben des Unionsgesetzgebers einzugehen, da sich dieser seit Jahrzehnten mit Teilen der vorliegenden Thematik befasst und den Mitgliedstaaten meist wenig Spielraum hinsichtlich der nationalen Umsetzung lässt. In einem zweiten Schritt ist zu beleuchten, in welcher Art und Weise und mit welcher Gewichtung die Brüsseler Vorgaben ihren Niederschlag im nationalen Recht finden. Da mit dem Entwurf des EABG, Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes, aktuell ein legistisches Vorhaben mit enormer Tragweite für den Natur- und Landschaftsschutz in Begutachtung ist, komme ich nicht umhin, den Fokus auch auf diesen Gesetzentwurf zu richten.
Wie bereits angedeutet bestehen auf der einen Seite die zentralen Rechtsakte des europäischen Naturschutzrechts, nämlich die FFH-Richtlinie, die Vogelschutzrichtlinie sowie die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur, auf der anderen Seite – und tendenziell im Widerspruch dazu – die Rechtsakte zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, nämlich die EU-Beschleunigungsverordnung, RED III und das in Begutachtung befindliche EABG.
Mit dem Beitritt zur Europäischen Union hat sich Österreich verpflichtet, die FFH- sowie die Vogelschutzrichtlinie im nationalen Recht umzusetzen. Gemäß Artikel 3 der FFH-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten Gebiete als sogenannte Europaschutzgebiete für unionsrechtlich determinierte Lebensraumtypen und Habitate von Tier- und Pflanzenarten auszuweisen und müssen den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes gewährleisten. Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten ein strenges Schutzsystem für bestimmte Tierarten einzuführen, was unter anderem ein Verbot der Tötung sowie der Störung und Beeinträchtigung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten mit sich bringt. Selbiges gilt für bestimmte Pflanzenarten, welche nicht vernichtet werden dürfen.
Die Vogelschutzrichtlinie legt in Artikel 3 fest, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um für sämtliche wildlebende Vogelarten eine ausreichende Vielfalt und eine ausreichende Flächengröße der Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen, was unter anderem durch die Errichtung von Schutzgebieten und die Neuschaffung von Lebensstätten zu erfolgen hat.
Mit 18.8.2024 trat darüber hinaus die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur in Kraft, welche trotz dezidierter Ablehnung durch die Bundesländer – ich erinnere an die beiden einheitlichen Länderstellungnahmen gemäß Art. 23d Abs. 2 B-VG – erst aufgrund der Zustimmung Österreichs ermöglicht wurde. Mit dieser Entscheidung hat sich Österreich verpflichtet, bis 2050 eine breite Palette an Wiederherstellungsmaßnahmen mit historischer Tragweite umzusetzen. Eine von vielen Verpflichtungen ist beispielsweise, die günstige Gesamtfläche für sämtliche Lebensraumtypen gemäß Anhang 1 der Verordnung zu erreichen, auch durch deren erneute Etablierung. Dies bedeutet für Österreich vor allem hinsichtlich der Wiesenlebensraumtypen die Notwendigkeit eines strengen Schutzsystems für die bestehenden sowie einen voraussichtlich großen Bedarf an zusätzlichen Flächen, um diese Lebensraumtypen erneut zu etablieren.
Weitere Vorgaben der Wiederherstellungsverordnung sind auszugsweise: die Umsetzung von Wiederherstellungsmaßnahmen auf Flächen mit bestimmten Lebensraumtypen – bis 2050 auf einem Minimum von 90 Prozent dieser Flächen –, die Umsetzung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Habitate bestimmter Arten sowie die Wiederherstellung städtischer Ökosysteme, landwirtschaftlicher Ökosysteme, der Bestäuberpopulationen sowie von Waldökosystemen. – Wie Sie sehen, steht Österreich da ein gewaltiger Kraftakt bevor, auch weil die Vorgaben teilweise schlichtweg nicht zu erfüllen sind.
Auf der anderen Seite – und in Konkurrenz dazu – hat der Unionsgesetzgeber jedoch auch die Notwendigkeit des beschleunigten Ausbaus erneuerbarer Energieträger erkannt und entsprechende legistische Vorgaben beschlossen, nämlich zunächst die EU-Beschleunigungsverordnung sowie darauf aufbauend die Richtlinie zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen, RED III.
Der Bundesgesetzgeber plant, die Vorgaben der RED III nun mittels des EABG im nationalen Recht umzusetzen. Kritisch daran ist, dass die Regelungen des Entwurfes dabei deutlich über die Vorgaben des Unionsgesetzgebers hinausgehen und somit ein Fall von Gold-Plating vorliegt.
Im Folgenden darf ich Ihnen ein paar Beispiele nennen, die aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes sowie hinsichtlich der Rechtskonformität kritisch zu sehen sind:
Erstens: Die RED III statuiert in Artikel 16f die gesetzliche Vermutung, dass Vorhaben der Energiewende im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen, wobei diese Vermutung ausschließlich für Vorhaben innerhalb von FFH- und Vogelschutzgebieten gilt. Zudem hat der Unionsgesetzgeber klargestellt, dass es sich dabei um eine widerlegbare Vermutung handelt, die nicht gilt, wenn der Behörde eindeutige Belege über erhebliche Umweltauswirkungen vorliegen.
Der Bund legt in § 24 Abs. 2 EABG-Entwurf ein überragendes öffentliches Interesse, aber für jedes Vorhaben der Energiewende hinsichtlich jeder landes- und bundesgesetzlichen Materie schon ganz unabhängig von der Lage in einem oder außerhalb eines Europaschutzgebietes, fest. Zudem handelt es sich dabei anders als in der RED III nicht um eine widerlegbare Vermutung, weshalb es auch im Falle des Vorliegens eindeutiger Belege hinsichtlich erheblicher Umweltauswirkungen Anwendung fände.
Zweitens: Unter dem Terminus „Freistellung“ werden in Spalte 3 des Anhangs 1 des EABG-Entwurfes eine Vielzahl verschiedener Anlagentypen bewilligungs- und anzeigefrei gestellt, sodass diese ohne Abführung eines behördlichen Verfahrens und ohne wie auch immer geartete naturschutzfachliche Prüfung ex ante errichtet werden dürfen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Freiflächen-PV-Anlagen bis 1 500 Quadratmeter oder Agri-PV-Anlagen bis 5 000 Quadratmeter, jeweils im Grünland. Von diesen Regelungen werden einige Anlagentypen wieder ausgenommen, sofern sie in schutzwürdigen Gebieten der Kategorien A bis C des Anhangs 2 UVP-G verwirklicht werden.
Diese Einschränkungen sind aus Sicht des Naturschutzes jedoch fachlich wie rechtlich als unsachlich zu qualifizieren, da davon lediglich Natura-2000-Gebiete, Nationalparks und durch Verwaltungsakt erlassene Schutzgebiete umfasst sind. Nicht davon umfasst sind landschaftsbildlich und ökologisch besonders relevante Bereiche und Standorte, die einen gesetzlichen Schutz aus den Naturschutzgesetzen der Länder oder dem Unionsrecht genießen, wie etwa FFH-Lebensraumtypen außerhalb von Schutzgebieten, sämtliche Flächen, auf denen besonders geschützte Pflanzen und Pilze vorkommen, Sonderstandorte wie Moore, Sümpfe, Quelllebensräume, Feuchtwiesen, Feuchtbrachen, Trocken- oder Halbtrockenrasen sowie beispielsweise der gesamte Seeuferschutzbereich des oberösterreichischen Salzkammerguts.
Diese Regelung konterkariert die Einhaltung der Verpflichtungen aus der Wiederherstellungsverordnung massiv, da Freiflächen-PV-Anlagen bekanntermaßen nicht auf wertvollen Ackerflächen oder Fettwiesen, sondern vielmehr auf schwer zu bewirtschaftenden, wenig ertragreichen Flächen errichtet werden. Das sind aber genau jene naturschutzfachlich wertvollen Flächen, hinsichtlich derer Österreich den größten Handlungsbedarf hinsichtlich Erhalt und Neuetablierung hat.
Ein weiteres Beispiel: Nach Spalte 3 Z 7 lit. c des Anhangs 1 EABG-Entwurf werden Solarenergieanlagen an einer baulichen Anlage unabhängig von der Größe gänzlich ohne Berücksichtigung jeglicher naturschutzfachlichen Standortqualität freigestellt. Da der Begriff der baulichen Anlage sehr umfassend ist, werden dadurch beispielsweise auch Solarenergieanlagen auf allen Dammanlagen entlang der Donau und damit auch zum Beispiel im Europaschutzgebiet Eferdinger Becken freigestellt. Da sich auf diesen Dammanlagen jedoch hochwertige Wiesenlebensraumtypen befinden, wird die Einhaltung der Verpflichtungen aus den vorher genannten Naturschutzrechtsakten der Union de facto verunmöglicht. Gänzlich unberücksichtigt bleiben schlussendlich Österreichs Verpflichtungen aus der Alpenkonvention; ein Umstand, den auch Univ.-Prof. Peter Bußjäger bereits als sehr problematisch eingeschätzt hat.
Dies war nur eine kleine Auswahl an geplanten Regelungen im EABG, welche im Hinblick auf den Natur- und Landschaftsschutz höchst problematisch sind. Nach dem bisher Gesagten ist jedenfalls festzuhalten, dass der Entwurf in mehrerlei Hinsicht unions- und völkerrechtswidrig ist und eine Abkehr vom Natur- und Landschaftsschutz mit sich bringt.
Ein zusätzliches Problem sehe ich im Verlust der Akzeptanz in der Bevölkerung. Seit nunmehr 30 Jahren sieht sich die Bevölkerung mit strengen Einschränkungen aufgrund des europäischen Naturschutzrechts konfrontiert. Mit einem Schlag wäre dies nun alles obsolet, sobald ein Vorhaben eine Nähe zur Energiewende aufweist.
Zusammengefasst muss daher die zentrale Frage, ob noch ein kohärentes legistisches Gesamtsystem vorliegt, welches beide Krisen parallel zu bewältigen vermag, mit einem klaren Nein beantwortet werden – jedenfalls dann, wenn das EABG in dieser geplanten Form beschlossen wird.
Eine Lösung wäre möglich, dazu müsste das Gesetz allerdings als Instrument der Steuerung genutzt werden. Ich spreche von klaren Regelungen, in welchen Gegenden unseres Landes welche Arten von Erneuerbaren den meisten Nutzen bringen und gleichzeitig die Natur- und Artenvielfalt am wenigsten belasten. Zu diesem Zweck wären die ohnehin verpflichtend auszuweisenden Beschleunigungsgebiete ein probates Mittel, sofern diese außerhalb von naturschutzfachlich wertvollen Bereichen situiert werden. Außerhalb dieser Beschleunigungsgebiete muss jedoch jeder Wildwuchs in Form von Freistellungen und anderen niederschwelligen Verfahren verhindert werden, was durch parallel auszuweisende Ausschlusszonen erreicht werden könnte. Damit wären einerseits Rechtssicherheit sowie rasche Genehmigungsverfahren für Projektanten gewährleistet, andererseits könnten die verbliebenen naturschutzfachlich wertvollen Bereiche gezielt entwickelt werden.
Der Vollständigkeit halber möchte ich anmerken, dass man kein überzeugter Naturschützer sein muss, um diesen Entwurf des EABG zumindest in Teilen kritisch zu sehen. Das finanzielle Risiko für die Republik Österreich aufgrund möglicher Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichterfüllung der Ziele von Wiederherstellungsverordnung, FFH-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie reicht dafür allemal aus.
Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem geplanten EABG ist aktuell ein Gesetzentwurf mit noch nie dagewesener Tragweite für den Natur- und Landschaftsschutz in Begutachtung, weshalb ich sehr dankbar dafür bin, dass der Bundesrat diese Enquete veranstaltet und sich somit intensiv mit diesem zukunftsweisenden Thema befasst. Das Spannungsfeld zwischen Erneuerbaren sowie Natur- und Landschaftsschutz stellt die Behörden bereits jetzt vor unlösbare Probleme im täglichen Vollzug. Gerade deshalb ersuche ich Sie seitens der Verwaltung um die Schaffung eines rechtskonformen und vollziehbaren Regelungsregimes, welches den Natur- und Landschaftsschutz nicht gänzlich aus den Augen verliert.
Ich bedanke mich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit und erlaube mir, abschließend die Bitte an Sie zu richten, den Entwurf des EABG kritisch zu hinterfragen und sich vor Augen zu führen, welch weitreichende Auswirkungen die geplanten Regelungen auf unser Heimatland hätten. – Herzlichen Dank, dass ich zu Ihnen sprechen durfte. (Beifall.)
10.49
Vorsitzender Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank, Herr Mag. Campidell, für Ihre Ausführungen.
Zuletzt darf ich den stellvertretenden Institutsvorstand an der Universität Klagenfurt, Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Norbert Wohlgemuth, um seinen Beitrag zum Thema „Schicken uns Wind und Sonne eine hohe Rechnung?“ ersuchen. – Herr Universitätsprofessor, ich erteile Ihnen das Wort.
RN/19
10.49
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Norbert Wohlgemuth (Universität Klagenfurt): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir uns die Entwicklung in Europa, wenn wir uns die Entwicklung in Österreich anschauen, dann müssen wir feststellen, dass die Energieperspektive der Welt als Ganzes doch eine deutlich andere ist.
Noch machen fossile Energieträger 75 Prozent der gesamten Energieversorgung aus, und wenn man seriösen Energieprognosen glauben darf, dann wird das auch weiterhin der Fall sein. Ein Peak Fossil-Fuel ist weiterhin nicht absehbar. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Energiewende nicht so einfach zu realisieren ist, wie wir uns das so landläufig vorstellen. Zum Beispiel merkt man, dass das Abschalten von grundlastfähigen Kraftwerken, wie zum Beispiel Atomkraftwerken oder Kohlekraftwerken, zu massiven Problemen führt. Und diese Probleme führen umgekehrt ganz aktuell zu einem Revival von Atomkraft. Wenn wir uns diesbezüglich alleine die Entwicklung in Europa anschauen, dann sehen wir, dass Finnland massiv auf Atomkraft setzt. Schweden will Atomkraftwerke bauen und – und das ist wirklich schon bedenklich – sogar das Umweltmusterland Dänemark überlegt, Atomkraftwerke zu bauen.
Belgien macht den Ausstieg von der Atomkraft rückgängig. Die deutsche Energiepolitik wurde ja heute schon zitiert, dieses Zickzack mit Ausstieg und Ausstieg vom Ausstieg hat vor einigen Jahren das „Wall Street Journal“ zu einem sehr bekannt gewordenen Artikel veranlasst, nämlich: die „dümmste Energiepolitik der Welt“ – die wird scheinbar in Deutschland gemacht. In Europa gibt es ja den Grünen Deal, der den Kontinent zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen soll, und zwar bis zum Jahr 2050. In Österreich soll das bereits bis zum Jahr 2040 passieren – das Stichwort Gold-Plating ist diesbezüglich heute auch schon gefallen.
Die Vereinigten Staaten haben kürzlich von der EU gefordert, dass sie ihre grünen Politiken abschwächt. Und bevor wir jetzt vielleicht reflexartig den US-Präsidenten bashen, sollten wir doch auch bedenken, dass die EU selbst ihren Grünen Deal abschwächt. Ich denke dabei zum Beispiel an das Lieferkettengesetz, das möglicherweise entschärft wird. Ich denke dabei auch an die aktuelle Diskussion über das Aus vom Verbrenneraus.
Vielleicht noch ein ganz kurzes Wort zur Situation in Österreich: In Österreich hat der Stromverbrauch in den letzten 20 Jahren um weniger als 10 Prozent zugenommen, und ich bin nicht ganz überzeugt davon, dass er sich in den nächsten Jahren, im Zeitraum bis 2040 auch tatsächlich verdoppeln wird.
„Schicken uns Wind und Sonne eine hohe Rechnung?“ ist der Titel meines Inputs hier. Damit meine ich, wir sollen nicht einfach nur auf die Strompreise schauen, wir sollen nicht einfach nur auf die Großhandelsstrompreise schauen, sondern wir sollen – das ist ja auch volkswirtschaftlich relevant – den weiteren Blick wagen, nämlich auf die Systemkosten: Was ist denn mit Sonne und Wind verbunden? – Sonne und Wind können die Energieversorgungssicherheit nicht gewährleisten oder zumindest noch nicht gewährleisten, weil Wind und Sonne ein Back-up benötigen. Auch dieses Stichwort ist schon gefallen.
Ich verweise an dieser Stelle auf die Entwicklung in Spanien – das haben Sie alle mitbekommen –, wo Ende April das Stromnetz zusammengebrochen ist, nicht weil zu wenig Strom erzeugt wurde, sondern weil zu viel Strom erzeugt wurde, zu viel Strom, der aus den Fotovoltaikanlagen kommt.
Zu Österreich noch einmal: Die Austrian Power Grid, die das Höchstspannungsnetz in Österreich betreibt, hat in ihrem Bericht festgehalten, dass es im Jahr 2023 an 217 Tagen notwendig war, in den Kraftwerksplan einzugreifen, um eine Überlastung im Netz zu verhindern. Und im Juli 2023 war es sogar an 25 Tagen notwendig, in das Stromnetz einzugreifen, um nicht einen Kollaps des Stromsystems herbeizuführen. Daher ist die Frage schon berechtigt: Schicken uns Wind und Sonne eine hohe Rechnung?
Österreich möchte ja bilanziell jeden Strombedarf, die ganze Energieversorgung aus erneuerbaren Energieträgern bis 2040 bewerkstelligen. Auch da habe ich etwas zu hinterfragen, nämlich zum Stichwort bilanziell: Ist denn bilanziell möglicherweise nicht auch eine Form von Etikettenschwindel?, nennen wir es einmal so, weil: Darf man teilweise unverkäuflichen Solarstromüberschuss im Sommer eins zu eins mit Stromimporten aus Kohle und Atomstrom im Winter gegenrechnen? Ist diese Eins-zu-eins-Vergleichbarkeit zulässig? – Ich zweifle daran.
Österreich diskutiert auch eine Wasserstoffimportstrategie. Das ist auch interessant. Auf der einen Seite wollen wir mehr oder weniger autark sein, wenn auch bilanziell, auf der anderen Seite haben wir eine gezielte Wasserstoffimportstrategie, die wir beschließen möchten. Es ist ganz klar, der Wasserstoff sollte importiert werden, weil sich abzeichnet, dass Österreich den Wasserstoff nicht selbst zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren kann.
Dann stellt sich die Frage: Sind denn Elektrolyseure in Nordafrika sinnvoll? Die nächste Frage wäre dann: Sollten wir dann den Stahl nicht überhaupt gleich in Nordafrika produzieren, damit wir uns zumindest den Transport des Wasserstoffs nach Europa ersparen? Und damit ist sozusagen noch eine Frage verbunden, nämlich die prinzipielle Problematik, ob wir mit unserer Politik, mit einer vermeintlich grünen Politik, nicht Probleme, Umweltprobleme, die in einer Region der Welt entstehen, letztendlich in eine andere Region der Welt auslagern.
Es tun sich bei der Energiepolitik zahlreiche Konflikte auf, aber das gilt auch für alle anderen Bereiche. Energieanlagen greifen ganz klar in die Natur ein – die einen mehr, die anderen weniger. Energieanlagen greifen in die Natur ein, Tiere, Pflanzen, die Luftqualität, die Bodenqualität, die Biodiversität, ja auch das Landschaftsbild werden sehr häufig negativ beeinträchtigt.
Das heißt, es gibt Zielkonflikte, und die können sehr pikant sein, nämlich dann, wenn ein Schutzgut, wie zum Beispiel der Klimaschutz, gegen andere Schutzgüter wirkt: Luftqualität, Bodenqualität, Biodiversität, Landschaftsbild. Also da gibt es massive Zielkonflikte. Dazu ein Beispiel: Im sogenannten Netzraum Kärnten ist ja ganz aktuell die Errichtung einer 380-Kilovolt-Stromleitung geplant, die sich durch das ganze Land hindurchzieht, von Völkermarkt bis Osttirol, mit Investitionskosten von Milliarden Euro. Es sollen 500 bis 600 Masten errichtet werden, die teilweise bis zu 90 Meter hoch sind. Also ich glaube, da sind wir uns schon einig, dass wir sagen, das ist ein massiver Eingriff.
Ein anderes Beispiel zu diesem Zielkonflikt: die Volksbefragung zur Windkraftnutzung in den Kärntner Bergen. In der Alpenkonvention wird gefordert, dass Natur und Landschaft so zu schützen sind, dass „Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur und Landschaft in ihrer Gesamtheit dauerhaft gesichert werden“. Eine sinngemäße Formulierung findet sich auch in der Kärntner Landesverfassung. Es ist völlig klar, dass die Energiewende und der Klimaschutz unverzichtbar sind, aber diese dürfen nicht einseitig auf Kosten der alpinen Natur gehen. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)
Noch ein Aspekt, den ich auch betonen möchte, nämlich: Erneuerbar heißt noch lange nicht nachhaltig. Ich glaube, diese beiden Begriffe werden sehr häufig verwechselt. Erneuerbare Energie ist noch lange nicht eine nachhaltige Energie, auch wenn in der Praxis diese beiden Begriffe oft gleichgesetzt werden. Ich habe den Eindruck, dass damit grüner Energie sozusagen auch ein bisschen der Mantel der Nachhaltigkeit umgehängt wird. Die Energiewende ist mehr als einfach nur das Substituieren von fossiler Energie durch erneuerbare Energie, weil wie gesagt jede Form der Energiegewinnung mit negativen Umweltauswirkungen verbunden ist.
Noch ein Beispiel habe ich, und zwar – das wurde heute auch schon thematisiert – die Nutzung der Biomasse. Diese ist höchst umstritten. Was ist die Aufgabe der Wälder? Sollen Wälder in erster Linie kohlenstoffsenkend sein, also einen zentralen Beitrag zur Biodiversität leisten, oder sollen Wälder in erster Linie Biomasselieferanten sein?
Ist es zulässig – der nächste Zielkonflikt –, mehr Klimaschutz gegen weniger Artenvielfalt abzuwägen? Und das Verbrennen von Holz ist nicht immer automatisch auch klimaneutral. Übernutzte Wälder – das ist ja erfreulicherweise in Österreich nur sehr selten der Fall – können sogar, das sieht man auch, zu einer Quelle von CO2-Emissionen werden. Deshalb, könnte man auch sagen, ist die Biodiversitätskrise im Grunde auch eine Zwillingskrise der Klimakrise. Also wir können immer nur eine Krise gegen die andere abwägen – das ist jetzt eine ein bisschen pessimistische Perspektive, aber wir sollten einfach merken, dass wir nicht ein Ziel verabsolutieren sollten, sondern dass wir ständig Ziele gegeneinander abwägen sollen.
Wie gesagt, besonders pikant wird eben dieses Abwägen von Zielen dann, wenn es gilt, Schutzziele gegeneinander abzuwägen: Welche Form der Energie ist denn dann nachhaltig? Erfordert die Energiewende vielleicht nicht auch so etwas wie einen Kulturwandel, einen kulturellen Wandel? Vielleicht sollten wir uns überlegen, mit weniger Energie, mit weniger Ressourcenverbrauch auszukommen. Aber das Weniger zu promoten, das kommt in der Gesellschaft nicht besonders gut an, das muss man realistischerweise auch dazusagen.
Einen Aspekt – und auch dieser wurde heute schon behandelt, speziell von Herrn Campidell –, diese Fast-Track-Verfahren zum beschleunigten Ausbau von Energieanlagen, würde ich einmal prinzipiell kritisch betrachten. Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz – ein Wortmonster meiner Meinung nach, Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz – ist ein aktuelles Beispiel dafür. Warum betrachte ich das kritisch? – Deshalb, weil ich fürchte, dass die gute Intention auch nach hinten losgehen könnte. Es könnte nämlich sein, dass dadurch die Menschen das Gefühl bekommen, dass die Politik über sie hinwegfährt, und dass es gerade deshalb zu einem erhöhten Widerstand seitens der Bevölkerung kommt.
Auch dazu habe ich ein Beispiel parat, und zwar eines aus der österreichischen Umweltgeschichte: der beschleunigte Ausbau der Wasserkraft in den 1980er-Jahren. Da gab es das Instrument des bevorzugten Wasserbaus, und da hat man eben gesehen, wozu es kommen kann – diejenigen von Ihnen, die alt genug sind, können sich sicher noch gut daran erinnern; was war denn damals das Ergebnis dieses bevorzugten Wasserbaus, wo man eben Wasserkraftwerke vor allem entlang der Donau errichten wollte? –: Das Ergebnis war die Besetzung der Hainburger Au.
„Schicken uns Wind und Sonne eine hohe Rechnung?“ – Die hohe Rechnung kommt nicht nur in Form höherer Stromkosten, höherer Strompreise, sondern auch in Form höherer Opportunitätskosten, wenn es uns als Gesellschaft nicht gelingt, diese Zielkonflikte aufzulösen. Und letztendlich ist das auch die Essenz des Regierens. Regieren bedeutet immer: mit Zielkonflikten umgehen. Dabei ist natürlich die Wissenschaft behilflich.
Ich schließe mit einem Zitat des US-Ökonomen – ich komme ja vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Klagenfurt – Thomas Sowell, der es auf den Punkt bringt: „There are no solutions, only trade-offs“. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)
11.04
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Vielen Dank, Herr Professor, für Ihre Ausführungen.
Panel 2 ist damit abgeschlossen.
Ich bedanke mich für Ihre Beiträge und darf Sie ersuchen, sich wieder auf die Plätze in der ersten Reihe zu begeben.
RN/20
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Wir kommen nun zu Panel 3.
Ich ersuche die Referenten zum Panel 3, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen.
Die Beiträge sind ebenfalls vom Rednerpult aus abzugeben. Die Statements sollen 15 Minuten nicht überschreiten. 1 Minute vor Ablauf der Redezeit wird das Lämpchen zu blinken beginnen.
Ich darf zu Beginn den Leiter des Departments für Landschaft, Wasser und Infrastruktur an der Boku Wien, Herrn Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Gernot Stöglehner, um seinen Beitrag zum Thema „Energiewende – Spannungsfelder und Lösungsansätze der Energieraumplanung“ bitten. – Bitte, Herr Professor.
RN/21
11.05
Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Gernot Stöglehner (Universität für Bodenkultur Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Hohes Haus! Ich bedanke mich sehr herzlich für die Gelegenheit, das Thema der Energiewende mit Ihnen aus Perspektive der Energieraumplanung zu beleuchten. Energieraumplanung ist dabei jener Teil der Raumplanung, der sich mit den räumlichen Dimensionen von Energieverbrauch und Energieversorgung umfassend beschäftigt.
Die wichtigste Frage in der Raumplanung ist immer die Bedarfsfrage, und somit beginne ich meine Ausführungen mit den räumlichen Aspekten des Energieverbrauchs. So wie es Effizienz, Energieeffizienz, bei technischen Geräten oder Gebäuden gibt, so gibt es das auch bei unseren Städten, Dörfern und Gemeinden, und das kann an einer Handvoll von Gestaltungsprinzipien festgemacht werden.
Ein wesentlicher Aspekt für energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen ist die Funktionsmischung, das heißt, dass Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Schulbesuch, der Besuch öffentlicher Infrastrukturen, die Gestaltung der Freizeit eng beieinanderliegen sollen, so wie das noch teilweise aus historischen Ortskernen bekannt ist, zumindest den nicht mehr ganz Jungen unter uns.
Wird dann auch noch eine Mindestgröße und maßvolle Dichte im Siedlungsraum erreicht, steigt die Nutzungsintensität, und über den Tag verteilt sind dann Wohn- und Arbeitsbevölkerung sowie Nutzerinnen und Nutzer von Geschäften, Gastronomie und Einrichtungen im Ort anwesend, und das hilft, mehr Versorgungseinrichtungen, egal ob öffentliche Infrastruktur oder Betriebe, am Laufen und am Leben zu erhalten.
Wichtig ist, dass in einem belebten Ortskern diese Mischung von Raumnutzungen gewährleistet ist. Das hält auch die Wege kurz und ermöglicht es, im Alltag zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren – als Alternative zum Auto. Der Betrieb eines leistungsfähigen öffentlichen Verkehrs ist möglich und so können auch umweltfreundlichere und gesündere Verkehrsformen gewählt werden. Bewegung kann in den Alltag integriert werden, und solche kompakten Raumstrukturen erlauben es auch, den Alltag zwischen Arbeit, Kinderbetreuung, Einkaufen et cetera besser zu bewältigen.
Diese Gestaltungsprinzipien erhöhen also nicht nur die Lebensqualität, sondern sparen strukturell Energie ein, sowohl für Raumwärme und Mobilität als auch für die Errichtung und den Betrieb öffentlicher Infrastrukturen wie Straße, Kanal, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung sowie die Energieversorgung.
Hier tut sich ein erstes Spannungsfeld auf, denn die derzeitige Raumentwicklung ist von Zersiedelung und Bodenverbrauch geprägt. In den letzten 25 Jahren haben wir auf Österreich verteilt circa sechsmal die Bau- und Verkehrsfläche der Stadt Wien dazugebaut; das entspricht im Übrigen auch der Ackerfläche der Steiermark, so Daumen mal Pi.
Wir haben zum Beispiel für vier Millionen Haushalte fünf Millionen Wohnungen – auch ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Wir haben in Österreich mit 14 Laufmetern pro Kopf das längste Straßennetz im deutschsprachigen Raum; in Deutschland sind es 10 Laufmeter und in der Schweiz 9 Laufmeter. Es hat im Übrigen auch Ressourcen, Energie und auch Geld gekostet, das zu errichten.
Gleichzeitig verfügen wir mit 1,6 Quadratmetern pro Kopf über eine der größten Verkaufsflächenausstattungen in Europa, allerdings liegen diese Verkaufsflächen vielfach nicht in den funktionsgemischten Innenstädten, die ich mir vorhin gerade gewünscht habe, sondern in flächenintensiven Einkaufszentren, und zwar außerhalb der Ortszentren, in Konkurrenz zu den Ortszentren und auch in sehr starker Autoabhängigkeit.
Dieses Auseinanderziehen der Raumstrukturen, das wir landauf, landab beobachten können, führt auch dazu – das ist einer der Gründe dafür –, dass der Verkehr mit einem Drittel den größten Beitrag zum österreichischen Energieverbrauch liefert; gefolgt im Übrigen vom produzierenden Bereich mit 28 Prozent, den Haushalten mit 25 Prozent und dem Dienstleistungssektor mit 10 Prozent.
Umso wichtiger ist es also auch aus dieser Perspektive, die Siedlungsentwicklung wieder einzufangen, die Ortskerne durch Innenentwicklung zu stärken und in den nächsten Jahrzehnten mit den bestehenden Siedlungsstrukturen auszukommen. In Anbetracht von Baulandreserven – also unbebautem Bauland, das gewidmet, aber noch nicht genutzt ist – von ungefähr 20 Prozent der gewidmeten Baulandfläche ist das grundsätzlich möglich. Dazu kommen noch Leerstände und Innenentwicklungspotenziale in Stadt- und Ortskernen. So kann innerhalb der bestehenden Baulandgrenzen das Auslangen gefunden werden, ohne die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zu behindern.
Das schlägt wieder die Brücke zur Energiewende: Energieeffiziente Raum- und Siedlungsstrukturen setzen die Rahmenbedingungen, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Dort, wo die Nutzungsintensität im Raum höher ist, sind auch die Standortbedingungen für leitungsgebundene Energieversorgung, zum Beispiel Nah- und Fernwärmenetze sowie Kältenetze, günstiger, ebenso für den Umweltverbund, also für das Zufußgehen, das Radfahren und die Nutzung des öffentlichen Verkehrs.
Abgrenzungen von Standorträumen für Nah- und Fernwärmeversorgung und den Umweltverbund können also auch dazu genutzt werden, um festzustellen, was in der Innenentwicklung zu tun ist, wo die künftige Siedlungsentwicklung hingehen soll. Damit können räumliche Voraussetzungen für eine hohe Lebensqualität, für die Bewältigung des Alltags und für einen wirksamen Boden- und Landschaftsschutz, aber auch für die Energiewende gelegt werden.
Für die Energiewende ist das insofern auch relevant, als zum Beispiel in den Standorträumen für Nah- und Fernwärmeversorgung Abwärme aus Kraft-Wärme-Kopplungen genutzt werden kann, aus Industrieanlagen oder auch aus Kläranlagen – das wird dadurch entweder optimierbar oder überhaupt erst ermöglicht.
Um auf heimische Energieformen umsteigen zu können, braucht in einem Fern- oder Nahwärmenetz nur eine Wärmequelle getauscht zu werden – egal was das ist, ob Geothermie oder anderes. Es ist nicht erforderlich, dass Hunderte oder Tausende Menschen Einzelmaßnahmen setzen, und insofern erhöhen Netze auch die Möglichkeit, das Energiesystem in der Zukunft zu gestalten.
Gleichzeitig bedeutet, den Fokus der weiteren Bauland- und Infrastrukturentwicklung auf Flächen innerhalb der bestehenden Baulandgrenzen zu setzen, die offene Kulturlandschaft zu bewahren, nämlich für die Land- und Forstwirtschaft, für die landwirtschaftliche Produktion genauso wie für die Energiewende. Je größer die Abstände zwischen den Siedlungen sind, desto leichter ist es auch, erneuerbare Energieanlagen wie Windkraftwerke und Freiflächenfotovoltaikanlagen in den Raum zu integrieren.
Dies leitet zur räumlichen Dimension der Energieerzeugung über: Gemessen am Stand des Wissens wird die Energiewende voraussichtlich eine deutliche Reduktion des Energieverbrauchs bringen, allerdings den Bedarf an erneuerbarer Elektrizität substanziell erhöhen. Ein Umstieg auf Elektromobilität bedeutet etwa, dass zwei Drittel des Energiebedarfs für Mobilität reduziert werden können. Wärmepumpen nutzen Umgebungsenergie, mit einem Teil Strom können vier Teile Wärme erzeugt werden. Das heißt also, wir sind auf der einen Seite in der Lage, den Energieverbrauch zu senken, auf der anderen Seite wird sich aber auch der Stromverbrauch erhöhen.
Im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das in § 4 für PV, Sonnenenergie, Wasserkraft und Biomasse rechtsverbindliche Ziele vorsieht, sind 27 Terawattstunden Stromausbau vorgesehen. Bei erneuerbarem Gas, national erzeugt, sind noch 5 Terawattstunden definiert. Mit diesen Zielen ist der Bedarf an Strom für das Gelingen der Wärmewende mehr oder weniger abgedeckt. Was noch fehlt, ist der Strom für die Mobilitätswende, wenn man in E-Mobilität geht, sowie für die Erzeugung von Wasserstoff, denn Wasserstoffproduktion braucht eben auch Strom; Wasserstoff kann voraussichtlich vor allem in energieintensiven Bereichen wie zum Beispiel in der Industrie, im Güterverkehr oder im Flugverkehr eingesetzt werden.
In Summe bedeutet das gemeinhin angenommen eine Verdoppelung des Strombedarfs. Wenn wir jetzt einmal davon ausgehen, dass Wasserkraftpotenziale vor allem auch aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes weitgehend erschöpft sind und eher über Repowering kommen werden, dann kommen – ad hoc und auch in der Diskussion sehr stark vorangetrieben – neben Geothermie im Wärmebereich zum Beispiel Windkraftanlagen und Fotovoltaikanlagen infrage.
Die Frage, wie viele Anlagen es dafür braucht, haben wir heute schon einmal diskutiert. Ich werde sie noch ein zweites Mal aufgreifen. Ich komme auf etwas andere Werte, aber es geht in eine ähnliche Richtung: Wir haben derzeit in Österreich 1 450 Windkraftanlagen. Davon kann man durch Repowering sehr viele einsparen. Wenn man die Anlagen, die vor 2015 errichtet wurden, durch leistungsfähigere Anlagen ersetzt, kann man dieselbe Menge Strom mit bis zu 860 Windkraftanlagen weniger produzieren. In Summe kommt dann, wenn man diese Standorte wieder überwiegend nutzt, noch einmal ein Bedarf von 525 Windkraftanlagen dazu, um die Ziele des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes zu erreichen. Dann würden, wenn man in Richtung Wasserstofftechnologie und Elektrolyse über Stromwege geht, noch einmal 900 Windkraftanlagen dazukommen. Damit sind wir wieder ungefähr bei ähnlichen Werten. In Summe bedeutet das eine Verdoppelung der derzeitigen Anzahl von Windkraftanlagen.
Zusätzlich braucht es dann aber auch noch 134 Quadratkilometer an Fotovoltaikmodulfläche, und zwar unabhängig davon, wo diese ist. Dann kommen noch einmal 62 Quadratkilometer für den Wasserstoff dazu, relativ unabhängig davon, ob sich diese Flächen auf Gebäuden oder in der Freifläche befinden.
Die Bedarfsberechnung geht davon aus, dass Windkraft und PV jeweils zu gleichen Teilen ausgebaut werden sollten, denn das Prinzip der Funktionsmischung gilt auch hier: Wind kann überwiegend Wintermonate und Nachtzeiten abdecken, PV überwiegend Sommermonate und Tag. Die beiden Energiegewinnungsarten ergänzen sich. Im Stundentakt über das Jahr betrachtet passen die überlagerten Erzeugungskurven bei dieser Mischung kombiniert mit Wasserkraft mit den Verbrauchskurven gut zusammen. Das haben wir uns zum Beispiel an den realen Daten sowohl des Verbrauchs als auch der Energieproduktion des Landes Niederösterreich in den Jahren 2022 bis 2024 angeschaut.
Gepaart mit Stromspeichern und Wasserstoffanlagen kann so die Energiewende im Lichte der derzeit gültigen Zielsetzungen auch durchaus gelingen. Es ist also machbar, auch im Zeitverlauf über das Jahr betrachtet.
Nun stellt sich aber zunächst oder abschließend auch die Frage, ob diese Menge an erneuerbaren Energieanlagen raum-, umwelt, und naturverträglich integriert werden kann. Für die verschiedenen Arten von Energieerzeugungsanlagen kommen dabei unterschiedliche Erwägungen zum Tragen:
Windenergie ist logischerweise weithin sichtbar und benötigt Abstandsflächen zu Wohngebieten. An sich wäre die Windkraft relativ oder sehr flächeneffizient. Pro Windkraftanlage rechne ich mit einer Flächeninanspruchnahme von circa 6 500 Quadratmetern, mit Fundamenten, Manipulationsflächen, Lagerflächen und einem Infrastrukturanteil. Das ist aber nur das, was die Windkraftanlagen selbst brauchen. Bei Vollausbau wären das 15 Quadratkilometer oder 0,26 Prozent der derzeitigen Flächeninanspruchnahme für Bauland und Infrastruktur von circa 5 600 Quadratkilometern. Das klingt jetzt einmal nach nicht viel. Allerdings sind Windkraftanlagen bis zu 285 Meter hoch und diese Anlagen müssen sorgsam in den Raum integriert werden.
Dafür gibt es Energieraumplanung, nämlich die Seite, die sich mit der Energieversorgung auseinandersetzt. Ihr wichtigstes Mittel ist die Zonierung, und diese ist auch gängige Praxis in Österreich. In vielen Bundesländern, nicht in allen, gibt es Ausschlusszonen, also Vorrangzonen für Windenergie und auch Vorranggebiete für Fotovoltaik. Aus Natur- und Landschaftsschutzgründen sind sensible Bereiche dabei natürlich freizuhalten und die nötigen Abstandsflächen zu Wohnbauland zu gewährleisten, um den Emissionsschutz für die Bevölkerung sicherzustellen.
Es sind auch die – sage ich jetzt einmal – geeignetsten Gebiete auszuwählen, und das beginnt mit der Ressourcenfrage, also: Wie viel Wind weht dort? Wie viel Sonne scheint dort? Aber zum Beispiel auch: Wie viel Netzinfrastruktur ist vorhanden? Oder: Gibt es Vorbelastungen, die zu berücksichtigen sind?
Wichtig ist, dabei einen nüchternen Abwägungsprozess hinsichtlich öffentlicher Interessen durchzuführen, bei dem alle Interessen als legitim betrachtet werden, sowohl jene des Natur- und Landschaftsschutzes als auch jene der Energiewende und des Klimaschutzes, denn die Klimakrise hat auch einen erheblichen menschengemachten Teil.
Bei Fotovoltaikanlagen besteht der Konsens, dass Anlagen auf Gebäuden am sinnvollsten sind. Diese sind aber auch etwas teurer, es ist schwieriger umzusetzen und auch der Netzausbau ist im Siedlungsraum tendenziell schwerer zu bewerkstelligen als in der offenen Landschaft. Ich glaube also nicht, dass wir die gesamte PV-Produktion auf Gebäuden unterbringen werden und dass ein Teil im Freiland zu errichten sein wird. Wie das natur- und landschaftsverträglich gelingen kann, ist weniger von den großen Zonierungen abhängig, als vor allem auch davon, wie PV-Anlagen ausgestaltet werden, welche Anlagetypen gewählt werden. Ich bin auch dafür, ein starkes Reglement aufzustellen und bestimmte Anlagetypen zu verbieten.
Wenn PV-Anlagen im Freiland errichtet werden, ist für mich die wichtigste Frage jene nach der Mehrfachnutzung. Eine Fläche nur für einen Anlagentyp, nur für eine Art der Raumnutzung zu verwenden, ist nicht notwendig, auch nicht bei PV. Man kann zum Beispiel über Agri-PV Mehrfachnutzungen realisieren. Man kann das aber auch mit Biodiversitätsmaßnahmen kombinieren. Da ist eben die Frage, wie die Anlagen genau ausgestaltet werden. Man kann zum Beispiel Solaranlagen als Solarzäune bauen, horizontal fest aufgeständert, zwischen den Modulreihen ist landwirtschaftliche Nutzung möglich und unter den Modulreihen können Biodiversitätsstreifen angelegt werden.
Ein anderer Anlagentyp sind Trackeranlagen. Das heißt, wenn die landwirtschaftliche Bewirtschaftung kommt, wird die Anlage hochgeklappt. Die sind in der Nord-Südachse beweglich, folgen dem Sonnenstand und können eben so auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung gewährleisten.
Wesentliche Handlungsfelder, die ich in meiner letzten Minute noch ansprechen möchte, sind Energiespeicher und Netzausbau – ist auch schon angesprochen worden. Da kann durch raumplanerische Methoden der Netz- und Speicherbedarf in größeren zusammenhängenden Gebieten durchaus optimiert und mit dem Energieverbrauch mit Einspar- und Effizienzpotenzial verbunden werden. Das heißt, wir können auch diese stationären Speicher so positionieren, dass wir den Netzausbau reduzieren können. In einem Szenario mit stationären Speichern in unseren Gebäuden und auch der Nutzung von Elektromobilität bin ich auf 15 bis 23 Prozent des derzeitigen österreichischen Strombedarfs gekommen, den wir da als Speicher aufbauen könnten, und das entspricht ungefähr der Energieerzeugung der österreichischen Pumpspeicherkraftwerke.
Ich möchte abschließend noch darauf eingehen, dass wichtige Gesetzesvorhaben wie das EABG derzeit in Ausarbeitung sind, und die sind aus energieraumplanerischer Sicht natürlich von Bedeutung. Was mir allerdings in der gesamten Debatte fehlt, ist eine ganzheitliche strategische Planung der Energiewende.
Damit bleibt der Ausbau erneuerbarer Energie Stückwerk zwischen verschiedenen Energiesektoren und Gesetzesmaterien, die immer schwerer zu beherrschen sind, wie wir auch schon gehört haben. Die Aufgabe ist komplex, Energieeinsparung und Effizienzpotenzial sind mit dem Ausbau von erneuerbarer Energiegewinnung, Netzen und Speichern zu koordinieren. Das soll im Sinne der hier skizzierten Zugänge und Möglichkeiten in einer verbindlichen strategischen Energieraumplanung vorgesehen werden. Das ist möglich und machbar, aber man muss es auch tun. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)
11.22
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke, Herr Professor, für Ihre Ausführungen.
Weiters darf ich Herrn Umweltanwalt und Leiter der Umweltanwaltschaft der Landesregierung Steiermark, Mag. Maximilian Lughofer, um seinen Beitrag zum Thema „Raumordnung und Naturschutz – der grün/weisse Weg“ bitten.
RN/22
11.22
Mag. Maximilian Lughofer (Landesregierung Steiermark): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätztes Auditorium! Recht herzlichen Dank gleich vorab meinerseits für die Einladung, hier heute ein paar Worte zum Thema der Raumplanung, natürlich im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien, verlieren zu dürfen.
Die Raumordnung als solche ist ein sehr multidimensionales Instrument. Warum? – Wir beginnen bei der Raumordnung mit der überörtlichen Raumordnung, wo natürlich auch die Energieraumplanung hineinfällt, und arbeiten uns dann über die verschiedenen Ebenen weiter hinunter, Flächenwidmungspläne, Bebauungspläne und dergleichen mehr. Man kann da natürlich wahnsinnig viel gut machen, richtig machen, indem man Synergien nutzt, indem man die vorhandene Netzinfrastruktur nutzt. Man kann da aber auch, Stichwort Zersiedelung, viel falsch machen.
Grundsätzlich darf ich einige Themen, die die Steiermark konkret betreffen, in diesem Zusammenhang nennen. Wir haben natürlich einen sehr großen Anteil an Waldfläche. Herr Meran hat es heute in seinem Statement schon sehr gut beschrieben. Der Wald ist ein enormer Faktor in der Steiermark, ein Wirtschaftsfaktor, ein ökologischer Faktor. Genau dort hat man natürlich auch immer wieder mit dem Thema der Windräder im Rahmen der erneuerbaren Energie zu kämpfen.
Wir haben grundsätzlich in der Steiermark, soweit ich informiert bin, 22 Netzbetreiber, die natürlich auf unterschiedlicher Ebene auch vertraglich miteinander vernetzt sind, aber eben nicht immer sehr reibungslos funktionieren. Das heißt, selbst wenn wir eine gute Vorrangzone irgendwo ausweisen können und auch werden, haben wir immer noch das Thema der Ableitung, der Umwandlung, der Fortleitung der Energie. Mittlerweile sind einige Betreiber von Windparks sogar bereit, selbst die Umformung, Fortleitung der Energie zu übernehmen, weil sie einfach festgestellt haben, dass in diesem kleinstrukturierten Netz die Kapazitäten oft gar nicht vorhanden sind. Da sprechen wir bitte noch gar nicht von diesen Tag- und Nachtunterschieden der Stromproduktion, die wir dann mit entsprechendem Speicher auch abfangen sollten. Sie haben es heute, glaube ich, in der Einleitung schon sehr intensiv thematisiert. Wir bräuchten auch aus meiner Sicht natürlich eine Speicherförderung, die die produzierte Energie, die tags- und sommerproduzierte Energie auch speichern kann.
Technologisch gesehen sind wir in der Steiermark mit Pumpspeicherkraftwerken sehr gut ausgestattet, allerdings ist natürlich auch der Batteriespeicher ein Thema, der sehr kleinräumig umzusetzen ist, auch in der Nähe von Produktionsstätten umzusetzen ist beziehungsweise sogar in Einfamilienwohnhäusern, in Wohnhäusern umgesetzt werden kann, indem man einfach die Überproduktion, die tagsüber erfolgt, in die Speicher bundesweit, landesweit implementiert und dann im Bedarfsfall, nämlich in den Nachtstunden, wenn die Leute zu Hause sind, auch wieder entsprechend nutzen kann.
Die Neuausweisung von Vorrangzonen ist natürlich ein ganz heißes Thema, insbesondere in der Steiermark. Warum? – Wir haben einen sehr großen Anteil an Waldflächen, wie gesagt. Wir haben aber auch einen sehr großen Anteil an geschützten Flächen. Natura 2000, Landschaftsschutzgebiete, einfache Naturschutzgebiete, geschützte Landschaftsteile und dergleichen mehr.
Ich habe mich informiert, wir haben derzeit Verbotsflächen von über 4 000 Quadratkilometern und demgegenüber aktuell Vorrangzonen von 46 Quadratkilometern in der Steiermark. Das zeigt schon ein sehr deutliches Bild, wie komplex, wie diffizil es eigentlich ist, dann tatsächlich auch geeignete Standorte, nämlich im Sinne der Raumordnung und auch im Sinne der Ökologie, des Umweltschutzes geeignete Standorte, zu finden, die dann auch eine entsprechende Produktion liefern können.
Ein weiteres Thema, von dem wir heute auch schon sehr intensiv gehört haben – und das Burgenland ist ja Vorreiter mit den PV-Anlagen, würde ich jetzt einmal sagen –, sind natürlich die Flächenanlagen. Wir haben in der Steiermark gegenüber der Waldfläche nur relativ wenig Freiflächen, die sich auch wirklich sinnvoll eignen, um PV-Anlagen zu errichten. Aktuell sind sehr viele Projekte entlang von Hauptverkehrsrouten in Umsetzung. Dort ist natürlich die Fläche gegeben. Wir haben dort ebene Flächen und gute Sonneneinstrahlungen. Jetzt ist nur die Frage: Macht es Sinn, entlang dieser Routen die wenigen Flächen, die noch frei sind, dann tatsächlich auch mit PV-Anlagen zuzubauen, die noch dazu nicht einmal Agri-PV-Anlagen im, sage ich einmal, positiven Sinne sind, sondern einfach wirklich nur der Überbau, die Abdeckung von Wiesen? – Das sei dahingestellt.
Derzeit haben wir in der Steiermark trotz allem schon eine sehr gute Ausstattung an Windrädern beziehungsweise Windparks. Wir verfügen aktuell über 25 Windparks mit 122 Rädern, da dürfte sich in der Zwischenzeit schon ein bisschen etwas getan haben, weil beispielsweise die Freiländeralm ja auch schon im Bau befindlich ist und in Betrieb geht. Wir haben 39 Anlagen, die größer 3 Megawatt liefern, 69 Anlagen mit 1,5 bis 3 Megawatt und 14 Anlagen, die kleiner als 1,5 Megawatt liefern. Sie sehen, da ist auch noch sehr viel Potenzial für Repowering.
Repowering ist aus meiner Sicht ein Stichwort, das man natürlich auch im Bereich der Raumplanung mitdenken und forcieren sollte, auch im Bereich des Umweltschutzes. Warum? – Bestehende Infrastruktur nutzen, Synergien schaffen, das ist die Devise, und dort, wo die Zuwegung im Wald schon passiert ist, irreversibel passiert ist, wie Herr Meran auch richtigerweise gesagt hat, könnte man freilich auch die Anlagenstandorte vergrößern, verbessern, sofern es natürlich die dort vorherrschende Ökologie zulässt.
Gerade im Bereich der Vogelzugrouten ist das natürlich ein ganz heikles Thema. Über Fledermäuse haben wir heute auch schon gesprochen, die in ihrer Sensorik dann unheimlich gestört und irritiert sind und leider dann auch den Anlagen zum Opfer fallen. Das sind natürlich meines Erachtens auch bis zu einem gewissen Grad Knock-out-Kriterien, sodass man dann wirklich sagen muss: Okay, Neuausweisungen sowieso nicht und beim Repowering bitte auchnur in einem Ausmaß, das eben für die dort lebenden Populationen sinnvoll und erträglich ist!
Die Steiermark als sehr wasserreiches Bundesland hat noch eine weitere Art der erneuerbaren Energie, nämlich die Wasserkraft. Wir verfügen über insgesamt 36 Anlagen mit einer Produktionsleistung von über 5 Megawatt, davon 30 Laufkraftwerke und sechs Speicherkraftwerke. Das Spannende ist, wenn man diese Großkraftwerke in Relation zu dem setzt, was wir ansonsten an Kraftwerken in der Steiermark vorfinden. Wir gehen von in etwa 1 000 Wasserkraftwerken in der Steiermark aus. Das beginnt bei der Versorgung einer einzelnen Mühle und geht eben bis hin zu den großen Murkraftwerken. Da ist sehr viel Potenzial da. Fraglich ist nur, wie lange dieses Potenzial noch ausreicht und wann dann der Kipppunkt erreicht ist und die Kapazitäten einfach nicht mehr gesteigert werden können und Neuerrichtungen auch nicht mehr möglich sind.
Ein weiteres Thema, das wir natürlich im Bereich der Wasserkraft in der Steiermark auch haben, ist der Huchen als geschützte Tierart – das ist weithin bekannt –, der immer wieder als sehr sensibler Indikator für diese Wasserökologie auftritt.
Auch da gibt es natürlich Bestrebungen, erstens einmal seitens der Energiebetreiber, aber natürlich auch unsererseits, dass man da einen sehr konzisen, erträglichen und kompromissvollen Weg findet, um eben die Wasserkraft, die wir schon haben, noch intensiver nutzen zu können.
Ich darf Ihnen noch ein kleines Beispiel für eine Agri-PV-Anlage, wie sie aus meiner Sicht sehr vernünftig funktioniert, geben, und zwar ist das die Versuchsanlage des Landes Steiermark in der Versuchsanstalt Haidegg. Das ist eine landwirtschaftliche Versuchsanstalt im Grazer Stadtgebiet, wo man vor einigen Jahren eine Agri-PV-Anlage errichtet hat, entwickelt hat, die insbesondere natürlich für die oststeirischen Obstbauern geeignet ist. Wir haben vorhin gehört, dass die Trackinganlagen natürlich für Ackerflächen ideal sind, ich spreche da wirklich von einer für den Obstbau optimierten Anlage, die wie folgt funktioniert: Wir haben bifaziale PV-Elemente, die über 40 Prozent lichtdurchlässig sind, das heißt, die Pflanzen darunter sind gut mit Licht und Luft versorgt. Noch dazu bieten diese PV-Elemente natürlich auch Hagelschutz und Regenschutz und – was ganz wichtig ist – Spritzschutz von unten.
Im Zusammenhang mit dieser Anlage hat man nämlich einen ganz großen Mehrwert, abgesehen von der Stromproduktion: Die Landwirte ersparen sich relativ viel Spritzmittel und können die Ertragssaisonen relativ gut verlängern, da durch diesen Carporteffekt, den diese Anlage bietet, natürlich auch die Temperaturen unter den Paneelen steigen, vor allem im Herbst höher sind und weniger mit den Folgen von Spätfrost zu rechnen ist. Das heißt, das wäre eine Anlage, die – gerade für den Obstbau zugeschnitten – sehr gut funktioniert. Sie ist natürlich leider etwas teurer, ganz klar, weil einfach die Herstellung und der Aufbau dieser Elemente entsprechend viel Geld kostet.
Derzeit, ich darf Ihnen hier Fakten präsentieren, verfügt die Anlage über PV-Paneele mit einer Nettofläche von 2 775 Quadratmetern, eine Generatorleistung von 340 Kilowattpeak mit einer voraussichtlichen Jahresproduktion von insgesamt 385 000 Kilowattstunden. Wir haben dort PV-Module mit je 300 Watt Leistung verbaut, gesamt sind es 1 134 Stück, diese gesamte Leistung der Anlage entspricht in etwa der Versorgung von 100 Durchschnittshaushalten, 8 000 E-Auto-Ladungen oder rund 2 Millionen gefahrenen Kilometern, und das auf einer Fläche von 2 775 Quadratmetern, was im landwirtschaftlichen Bereich ja nicht allzu viel ist.
Derzeit haben wir dort insbesondere die Obstarten Apfel und Birne und im Versuch, im Aufbau ist derzeit auch noch der Anbau von Steinobst, Süß- und Sauerkirsche, Marille, Mirabelle, Pfirsich und Zwetschge. Das heißt, das Spektrum, die Vielfalt der Obstsorten, die man unter dieser Anlage versucht, sinnvoll und eben unter weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu züchten, ist sehr groß.
Meines Erachtens ist sehr viel Potenzial im Bereich der Raumordnung, aber auch natürlich im Bereich des Umweltschutzes gegeben. Man muss die Synergien finden, man muss die Synergien erfassen und man darf natürlich eines nicht vergessen: Als Industriestandort beziehungsweise auch als Waldstandort haben wir in der Steiermark sehr viel Potenzial und sehr viel Kapazität, diese Synergien, die vorhanden sind, zu nutzen, wenn man entsprechend kooperationsbereit ist.
Ich bedanke mich sehr herzlich, vor Ihnen gesprochen haben zu dürfen. (Beifall.)
11.33
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön für die Ausführungen. Panel 3 ist damit abgeschlossen.
Ich bedanke mich für Ihre Beiträge und darf Sie ersuchen, wieder auf Ihren Plätzen in der ersten Reihe Platz zu nehmen.
RN/23
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen nun zur anschließenden Diskussion zu Panel 3.
Ich darf an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass die Redezeit 3 Minuten nicht überschreiten soll. Ich ersuche gleichzeitig um Einhaltung dieser Vorgabe und darf darauf hinweisen, dass wieder 1 Minute vor Ende der Redezeit das rote Lämpchen zu blinken beginnt.
Bitte geben Sie die Wortmeldung unter Nennung Ihres Namens und Ihrer Institution am Rednerpult ab.
Als Erster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter zum Nationalrat Paul Hammerl, FPÖ-Parlamentsklub. – Bitte.
RN/24
11.34
Abgeordneter Mag. Paul Hammerl, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Vortragende! Ich darf Ihnen sehr herzlich zu Ihren Beiträgen gratulieren, die uns in die verschiedensten Vielfalten im Bereich der Energie entführt haben.
Ich glaube, uns alle eint, dass wir für verantwortungsvolle Energieversorgung stehen, und uns eint auch, dass wir alle als gemeinsames Ziel haben, die Energiepreise wieder auf ein erträgliches Maß zurückzubringen. Man muss bedenken, dass wir früher einmal Energiepreise von um die 35 Euro pro Megawattstunde gehabt haben, vielleicht durchschnittlich 50, während wir jetzt bei einem Energiepreis sind, der im Durchschnitt weit über 100 Euro pro Megawattstunde liegt. Noch dazu gibt es, was wir sehr stark merken, diese Spreads zwischen Tagesenergie und Nachtenergie, also immer dann, wenn die Energie im Übermaß zur Verfügung steht, ist der Preis teilweise negativ. Sie haben das mit der Verbindung zwischen Österreich und Deutschland im europäischen Energiesystem sehr gut angesprochen.
Das kann man sich ungefähr so vorstellen, als würde man sich in einem Kaffeehaus vom Kellner einen Kaffee bringen lassen, und anstatt dass er nur den Kaffee auf den Tisch stellt, legt der Kellner noch 10 Euro drauf. Das wird er nicht recht lange machen können, denn er wird am nächsten Tag nicht mehr aufsperren können, außer er hat eine funktionierende Nachtgastronomie und kann das Geld damit wieder verdienen – und genau das ist es derzeit. Wir sehen derzeit an Spitzentagen im Sommer negative Energiepreise von jenseits der 200, 300 Euro pro Megawattstunde. Wir sehen umgekehrt – wie letzte Woche – plus 500 Euro pro Megawattstunde. Also wir reden von einer Preisdifferenz, die gigantisch ist. Da sind Ineffizienzen im System, die wir schnellstmöglich beheben müssen, und die können wir nur gemeinsam beheben.
Es geht sehr stark darum, dass wir unseren Wirtschaftsstandort in Österreich und auch in Europa sichern müssen. Es wird nicht funktionieren, dass wir Arbeitsplätze erhalten, unseren Wohlstand sichern und die Inflation dämpfen können, wenn wir den Weg weiter fortsetzen wie bisher. Wir wissen, dass wir in Europa eigentlich einen Gasrückgang von etwa 25 Prozent haben. 25 Prozent an Energie wurde da also eingespart. Jetzt gibt es viele, die vielleicht applaudieren. Ich darf ihnen an dieser Stelle recht herzlich gratulieren, denn diese Energieträger sind abgewandert. Sie produzieren jetzt in anderen Kontinenten unter nicht vorhandenen Arbeitsschutzstandards und nicht vorhandenen Umweltstandards, aber die Arbeitsplätze sind weg, die Wertschöpfung ist weg. Wir reden da von Abertausenden, in die Nähe von über Hunderttausend gehenden Arbeitsplätzen, die nur innerhalb weniger Jahre verschwunden sind, und dieser Weg wird sich fortsetzen.
Ich darf also an alle ganz herzlich appellieren, die Suche nach einem Weg gemeinsam fortzusetzen, mit dem wir es schaffen können, leistbare Energiepreise zu finden und am System zu arbeiten. Wenn wir den Weg weiter wie bisher beschreiten, wird es nicht funktionieren. Wir erleben die Deindustrialisierung am laufenden Band. (Beifall.)
11.38
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön für Ihren Beitrag.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger, SPÖ-Bundesratsfraktion. – Bitte sehr.
RN/25
11.38
Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Bevor ich mein Thema ansprechen möchte und werde, darf ich noch auf die Ausführungen von Klubobmann Hofer replizieren.
Herr Klubobmann! Sie haben in Ihren Ausführungen angesprochen, dass es quasi unmöglich wäre, die erforderlichen Anlagen für Erneuerbare Energie in der geforderten oder gewünschten Zeit auszubauen. Diesen Pessimismus kann ich nicht ganz teilen. Ich würde maximal unterschreiben, dass es eine große Herausforderung ist, da gebe ich Ihnen recht. Umso mehr verstehe ich aber nicht, warum es gerade die FPÖ in den Bundesländern ist, die da ständig auf der Bremse steht. Paradebeispiel ist Oberösterreich, da wird ständig nur von Verbotszonen gesprochen, niemand redet von Machbarkeitszonen oder Vorrangflächen für die Windenergie. – Das finde ich sehr schade. (Beifall.)
Jetzt zu meinem Thema: Ich möchte kurz Bodennutzung und Raumplanung ansprechen. Das hat heute in dieser Debatte noch sehr wenig Platz gehabt.
Ich darf mich kurz vorstellen: Ich bin seit 17 Jahren Bürgermeister in einer ländlichen Gemeinde in Oberösterreich und darf und kann daher sagen, dass sich gerade im Hinblick auf Bodennutzung, Bodenpolitik und Raumordnung in letzter Zeit sehr, sehr viel verändert hat, und das ist wichtig, richtig und auch gut so. Bei Umwidmungen wird jetzt viel stärker als noch vor einigen Jahren der Fokus auf die begrenzte Ressource Grund und Boden gelegt. Der Hebel dafür sind in der Regel die Raumordnungsgesetze der Länder.
Gleichzeitig hat sich – das ist meine Meinung – durch diese intensive Thematisierung das Bewusstsein bei den Menschen verändert. Die Ansprüche bei Widmungswerbern in Bezug auf die Grundstücksgrößen passen sich doch zunehmend an die Realitäten an. Ich kann mich gut erinnern, früher waren bei Umwidmungen für Einfamilienhäuser 1 500 bis 2 000 Quadratmeter quasi Usus, jetzt liegen wir doch eher unter 1 000 Quadratmetern. Das ist gut, aber diese Entwicklung müssen wir noch aktiv vorantreiben, da haben wir auch noch Luft nach oben.
Die weitaus effektivere Bodenschutzmaßnahme ist aber zweifellos die Nutzung und Attraktivierung von bestehender Bausubstanz und die Aktivierung von Leerstandsbrachen unter dem Motto Sanierung von Altbestand statt Neubau im Grünen. Das bringt aus meiner Sicht Mehrwert für alle, es unterstützt eine nachhaltige Bodenpolitik. Es ist in der Regel bei einer ehrlichen Vollkostenrechnung auch billiger und es stärkt und attraktiviert unsere Ortszentren, und das ist, das werden mir alle Kommunalpolitikerinnen und -politiker bestätigen, gerade im ländlichen Bereich eine der größten Herausforderungen.
Das alles wird es aber nicht von selbst geben, da braucht es gute Konzepte, ein engagiertes Auftreten und Vorgehen und vor allem Steuerungsmaßnahmen. Unerlässlich wird aus meiner Sicht sein, diesbezüglich die Förderlandschaft, die Förderkultur grundlegend umzubauen. Wir brauchen mehr Geld für Sanierung und Attraktivierung von Leerstand und bestehender Bausubstanz und weniger Geld für Bauen auf grüner Wiese.
Ich habe mir auch das Regierungsprogramm zu dieser Thematik angesehen und ich muss sagen, es sind da durchaus gute Maßnahmen enthalten. Jetzt wird es darauf ankommen, dieses Maßnahmenpaket auch effizient und so schnell wie möglich umzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall.)
11.42
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke für den Beitrag.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Thoma, ÖVP-Bundesratsfraktion. – Bitte.
RN/26
11.42
Bundesrat Christoph Thoma (ÖVP, Vorarlberg): Danke, Herr Vizepräsident! Geschätzte Damen und Herren! Vielleicht ein Gedanke vorweg: Herr Klubobmann Ing. Hofer, Sie haben zu Beginn davon gesprochen, dass Sie sich zur Freiheit der Forschung bekennen, was ich großartig finde. Ich würde Sie auch bitten, das in Ihre Fraktion hineinzutragen: Die Wissenschaft ist frei, und es ist auch wichtig, dass wir die Zukunft wissenschaftsaffin gestalten. Ich glaube, das ist eine wesentliche Aussage Ihrer sehr pointierten politischen Keynote gewesen. (Beifall.)
Im Übrigen bin ich kein Experte, sondern ein Politiker, wie Sie auch, Herr Hofer, darum werde ich das auch ausschließlich politisch einordnen. Die Fachleute haben das Glück, dass wir nicht zwischenrufen dürfen, wie wir das bei den parlamentarischen Debatten tun. Ich hätte wahrscheinlich Lust gehabt, bei dem einen oder anderen dazwischenzurufen, aber ich habe mich nicht getraut. Die Kollegin von den Grünen hat gesagt, ich darf nicht, also habe ich es auch nicht getan. (Heiterkeit.)
Ich möchte aber schon feststellen: Herr Kollege Wohlgemuth, Sie haben davon gesprochen, dass wir in Zukunft vielleicht weniger Energie brauchen. Ich glaube, wir werden definitiv nicht weniger Energie brauchen, weil wir sonst definitiv unseren Wohlstand verlieren werden. Ich komme aus der Wirtschaft, ich bin Direktor des Vorarlberger Wirtschaftsbundes, und ich sage Ihnen, unsere Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen diese Energie und sie brauchen sie am Standort, damit wir hier produzieren können. Das sichert nämlich den Wohlstand für die nächsten Generationen. (Beifall.)
Gestatten Sie mir, zwei Gedanken zu diesem Thema Bodenverbrauch in den Raum zu werfen: Es gibt eine Studie der Wirtschaftskammer Vorarlberg aus dem Jahr 2024 – von Kreutzer, Fischer und Partner –, die besagt, dass in Vorarlberg 6,8 Prozent der Landesfläche beansprucht werden – also Fläche, die man tatsächlich braucht, um leben zu können, um Freizeit zu gestalten und Betriebe anzusiedeln et cetera. 3,7 Prozent der Landesfläche sind versiegelt. Wenn ich jetzt ketzerisch bin, dann sage ich: Was reden wir eigentlich? Wenn es 4 Prozent sind, ist es auch noch gut. Trotzdem wissen wir: Das konzentriert sich alles auf einen kleinen Raum, bei uns in Vorarlberg aufs Rheintal, auf den Walgau. Wir werden definitiv nicht am Piz Buin bauen und nicht am Rätikon oder wo auch immer, aber man muss das auch immer wieder richtig einordnen.
Unsere Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen auch im Kontext dieser ganzen Bodenverbrauchsdebatte Raum, um sich zu entwickeln, vor allem jene, die am Standort sind. Dafür muss ich mich hier auch als Vertreter der Wirtschaft einsetzen. Energie, Klimawandel, all das sind unsere Themen. Raus aus dem Gas – ich unterstütze das zu 100 Prozent! Nicht zurück zur Kernenergie – dazu bekenne ich mich auch, obwohl es einige Menschen betreiben, andere Länder vormachen; vielleicht sind wir in 20 Jahren weiter.
Wir werden im Übrigen zwischen Rechts und Links, also zwischen FPÖ und Grünen, wahrscheinlich keinen Schulterschluss zusammenbringen, was den Umgang mit Klimaschutz und Zukunft und Umwelt und Naturschutz anbelangt, aber in der Mitte ist Platz genug, um das gut zu gestalten. Die Bundesregierung, bestehend aus ÖVP, SPÖ und NEOS, macht dazu richtige Lösungsvorschläge, und ich glaube, das wäre auch die Zukunft, wie wir gemeinsam Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz im Spannungsfeld von Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung denken müssen, aber bitte – und damit bin ich auch fertig – mit Hausverstand! – Vielen Dank. (Beifall.)
11.45
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke für den Beitrag.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Silvester Gfrerer, ÖVP-Bundesratsfraktion. – Bitte.
RN/27
11.46
Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Zuerst einmal: Herr Präsident, herzliche Gratulation zu dieser Enquete! Das Thema ist so umfangreich, dass es wirklich alle betrifft, alle Berufsgruppen, die gesamte Gesellschaft.
Ich möchte mich kurz vorstellen: Gfrerer Silvester, ich komme aus Salzburg aus dem Großarltal. Ich bin Bergbauer und Almbauer und Obmann der Salzburger Almwirtschaft. Ich habe mir das Thema sehr zu Herzen genommen und Sie haben mir aus der Seele gesprochen, Herr Meran und auch Herr Schlemper. Wenn wir – jetzt spreche ich wieder als Bergbauer – die Kulturlandschaft so schützen und bewirtschaften, wie es eigentlich seit Generationen gemacht worden ist, dann, glaube ich, tun wir das Richtige. Ich sage: Wir schützen die Kulturlandschaft!, und nicht: die Naturlandschaft, weil Naturlandschaft etwas anderes ist. Naturlandschaft ist Wildnis – soll auch so sein –, Kulturlandschaft ist unser Wirtschaftsraum, und das, glaube ich, ist ein ganz wesentlicher Unterschied; und alles sollte seinen Platz haben.
Ein Wort zu unseren Almen: Es gibt in Österreich 8 000 bewirtschaftete Almen, in Frankreich gibt es gar keine Almen mehr, in Slowenien sind die Almen verschwunden. Wir sind im Alpenraum vernetzt: mit den Allgäuern, den Bayern, mit den Südtirolern, mit den Schweizern. Dort und in Österreich gibt es noch Almen. Unser größtes Ziel und die Herausforderung ist es, diese Almen zu erhalten. Daher müssen wir sie weiterhin bewirtschaften können, und dafür brauchen wir nicht zu viele Auflagen und Hemmnisse, ob sie vonseiten der EU oder von sonst woher kommen. Da spielt natürlich auch das Klima eine gewisse Rolle. Wir haben mehr Biomasse, weil der Sommer länger dauert, weil mehr wächst, und wir haben zu wenig Weidevieh. Wer soll die Almen dann freihalten?
Die Almen sind zu erhalten, weil auch der Tourismus sehr stark mit der Almwirtschaft zusammenhängt. Man weiß, dass 65 Prozent bis 70 Prozent der Gäste ihre Urlaubsentscheidung deshalb treffen, weil die Kulturlandschaft so reizvoll ist, weil der Erholungsraum so wertvoll ist, weil man sich entspannen und erholen kann; für Körper, Leib und Seele, würde ich sagen. Das hat sehr großen Zuspruch, und ich glaube, es ist es wert – auch für die Politik –, dafür zu sorgen, dass Almwirtschaft weiterhin möglich ist, weil doch der Tourismus ein Wirtschaftszweig ist, der unumgänglich und sehr wichtig ist.
Ein Wort zur Raumordnung, zu Salzburg: 80 Prozent der ganzen Landesfläche stehen irgendwie unter Schutz: Wir haben die Almen, wir haben viel Wald, wir haben Ödland, wir haben Gletscher, wir haben Gefahrenzonenpläne, die besagen, wo man nichts machen darf. 20 Prozent sind eigentlich gemäß Raumordnung zu bewirtschaften, und an diesen 20 Prozent besteht sehr, sehr viel Interesse. Es ist eine riesengroße Herausforderung, diese richtig zu bewirtschaften und die Raumordnung weiterzuentwickeln, was uns natürlich auch immer wieder sehr beschäftigt.
Allgemein zum Abschluss unsere Ziele – die große Verantwortung der Politik –: Es gibt auch Chancen, dass unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft und der Berglandwirtschaft im Speziellen doch irgendwie – und dafür kämpfen wir – ein Sonderstatus in Brüssel zugestanden wird, sodass in Österreich die Landwirtschaft so erhalten wird, dass der Strukturwandel hintangehalten werden kann, dass wir wirklich diese für vieles wichtige Grundlage weiterhin erhalten können und eine gute Zukunft haben. – Vielen Dank. (Beifall.)
11.50
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Jenan Irshaid vom ÖGB. Ich erteile es ihr.
RN/28
11.50
Jenan Irshaid (Österreichischer Gewerkschaftsbund): Danke. – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Naturschutz ist Klimaschutz, Klimaschutz ist Naturschutz: Dass wir das separat denken, geht einfach nicht.
Wie viel Nichthandeln kostet, wissen wir auch. Die Cost-of-Inaction-Studie hat vor Kurzem ergeben – sie läuft jetzt weiter –, dass die Kosten in der Landwirtschaft für Bestäubung und Schädlingsbekämpfung um 100 Millionen Euro im Jahr steigen werden. Ernteverluste durch Dürren werden auf 7 Prozent jährlich geschätzt. Hochwasserschäden werden bis zu 1 Milliarde Euro pro Jahr ausmachen. Das alles wurde hier nicht erwähnt, während wir die Kosten von erneuerbaren Energien diskutiert haben.
Wir sehen die Folgen des Klimawandels auch heute schon, und zwar: Im Seewinkel trocknen die Salzlacken aus. Der Borkenkäfer breitet sich aus. Hitzetage und Tropennächte vervielfachen sich jährlich und beeinträchtigen die Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Extremwetterereignisse bedrohen Leben, Existenzen und Arbeit. Arbeit ist das Schlüsselwort, denn gute Arbeit, grüne Arbeit stärkt unsere Gesellschaft und macht sie nachhaltig und sozial.
Der ÖGB hat dazu klare Forderungen und Positionen, nämlich aufeinander abgestimmte Raum-, Energie-, Mobilität- und Klimapläne. Dass Energie im Gemeinwohlprinzip gedacht wird, dazu gehört eine langfristige Strategie zur Senkung des Energie- und Ressourcenbedarfs, dazu gehören auch stabile und gerechte Energiepreise und dazu gehört eine Infrastrukturplanung, die sich nach Klimaverträglichkeit und den Bedürfnissen der Beschäftigten richtet.
Wir kennen alle das Zitat: Auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeit und auf einem gerechten Planeten gibt es grüne und gute Arbeit. (Beifall.) – Danke.
11.52
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ferdinand Tiefnig, ÖVP-Bundesratsfraktion. – Bitte, Herr Bundesrat.
RN/29
11.53
Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herzlichen Dank. – Ich melde mich noch einmal ganz kurz in dieser Richtung, weil ich mich irgendwie in der Zeit zurückversetzt sehe. Vor 25 Jahren durfte ich einen Vortrag von Hermann Scheer verfolgen, der Alternativnobelpreisträger war: Schauen wir, wie weit wir uns weiterentwickelt haben!
Entwickelt haben wir uns in dieser Hinsicht, dass Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen ist. Wir haben die Vernetzung der Energieleitungen aber nicht zusammengebracht. Wir haben eigentlich in den vergangenen Jahren sehr wenige Fortschritte gemacht, trotz des Ausstiegs aus russischem Gas und der Einführung vieler anderer Alternativenergien.
In Wirklichkeit müssen wir schauen, wie wir jetzt ans Ziel kommen, damit unsere Arbeitsplätze in Österreich, in Europa gesichert sind, und das wird die Herausforderung sein. Ich glaube, es muss einen Mix von Energieformen geben, ob das jetzt Wasser oder Wind ist, aber auch die Atomenergie wird Europa in Zukunft beherrschen. Wir können die Augen nicht vor der Atomenergie verschließen, auch wenn wir in Österreich einen Beschluss haben, dass wir die Atomenergie nicht weiterbetreiben.
Wir müssen schauen, dass wir mit den Alternativenergien zumindest die Abdeckung hier in Österreich schaffen. Dass Energieleitungen gebaut werden, ist einfach Zweck, das sehen wir. Ich hatte in Braunau vor 20 Jahren ein großes Problem mit der 380-kV-Leitung. Wir haben sie jetzt. Ich glaube, es ist für den Wirtschaftsstandort Innviertel wichtig gewesen, dass wir diese 380-kV-Leitung gebaut haben. Es wird wichtig sein, dass in Zukunft die Vernetzung der Energie in Europa – von den Regionen, die die günstigste Energie produzieren können, durch ganz Europa – dementsprechend im Vordergrund steht.
Ich glaube, das wird unsere Aufgabe sein. In dieser Hinsicht sage ich den Referentinnen und Referenten noch einmal Danke schön für die guten wissenschaftlichen Beiträge. Ich glaube, wenn wir jetzt anfangen, ist es kurz vor zwölf, aber nicht fünf nach zwölf. – Danke schön. (Beifall.)
11.55
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön für Ihren Beitrag.
Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe somit die Debatte. Panel 3 ist abgeschlossen.
RN/30
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Wir kommen schließlich zu Panel 4, den Referaten zum Thema „Zukunft gestalten – Umweltpolitik zwischen Vision und Verantwortung. Strategien, politische Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Verantwortung für nachhaltige Entwicklung“.
Ich ersuche die Referenten zu Panel 4, auf die Regierungsbank vorzukommen. Die Beiträge sind ebenfalls vom Rednerpult aus zu führen, wobei die Zeit von 7 Minuten pro Statement nicht überschritten werden soll. Wie bereits erwähnt beginnt das rote Lämpchen 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken.
Ich darf zu Beginn Herrn Mag. Martin Längauer vom Referat für Rechts- und Umweltpolitik in der Landwirtschaftskammer Österreich um seinen Beitrag bitten. – Bitte, Herr Magister.
RN/31
11.56
Mag. Martin Längauer (Landwirtschaftskammer Österreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke zuerst einmal für die Einladung, seitens der Landwirtschaftskammer auch einen Beitrag leisten zu können, und darf Ihren Fokus auf einen Aspekt lenken, der uns als Landwirtschaftskammer sehr wichtig ist und der heute zum Teil auch angeklungen ist, nämlich den quantitativen Bodenschutz, den problematischen Bodenverbrauch, der in Österreich stattfindet.
Lassen Sie mich einleitend festhalten, dass eine Vision zur umweltpolitischen Ausrichtung bedeutsam ist, um dem Agrarsektor eine langfristige Orientierung zu geben und damit für die großen Herausforderungen des Sektors gewappnet zu sein, nämlich Ernährungssicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten, und dies bei einem stattfindenden Klimawandel und großen Marktunsicherheiten durch die volatilen Märkte und bei ungleichen Wettbewerbsbedingungen weltweit, die immer größer werdenden gesellschaftlichen Erwartungen an Umweltschutz, Naturschutz, Tierschutzstandards zu erfüllen, bei einer überschaubaren Bereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten, mehr für die Produkte zahlen zu wollen, die zunehmende Bürokratie und ständig steigenden Auflagen zu bewältigen, und dies bei einem sinkenden Agrarbudget. (Beifall.)
Politischer Konsens in Österreich ist nach wie vor, dass eine flächendeckende Bewirtschaftung stattfindet und somit ein integrativer Ansatz verfolgt wird, der darin besteht, unsere Böden sowohl zur Produktion von Nahrungsmitteln zu nutzen, gleichzeitig aber auch umweltfachliche und naturschutzfachliche Aspekte auf gerade diesen Flächen nicht aus dem Auge zu verlieren.
Mit der Vision 2028 des BMLUK soll die heimische Landwirtschaft zukunftsfit gemacht werden und sollen klare agrarpolitische, aber auch umweltpolitische Perspektiven auf den Weg gebracht werden, um das bäuerliche Unternehmertum zu stärken, gleichzeitig aber auch umweltpolitische Maßnahmen voranzutreiben, die da wären: die Kohlenstoffspeicherung in der Biomasse und im Boden sowie die Wasserspeicherung zu erhalten, Klimaschutzmaßnahmen zu setzen, biodiversitätsfördernde Maßnahmen zu setzen, den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit sicherzustellen und effiziente Bewässerung, standortangepasste Produktion und innovativen Pflanzenschutz vorzunehmen.
Der kürzlich veröffentlichte 14. Umweltkontrollbericht spricht der Entwicklung der Umweltsituation in Österreich ein erfreuliches Zeugnis aus und attestiert, dass der qualitative Bodenschutz in Österreich unter anderem auch dank des österreichischen Agrar- und Umweltprogramms funktioniert. Wir setzen oder die Landwirtschaft setzt sehr wesentliche Maßnahmen wie bodenschonende Bewirtschaftung, eine vielfältige Fruchtfolge und eine durchgehende Begrünung von Ackerflächen.
Gleichzeitig verdeutlicht dieser Bericht aber auch einen Handlungsbedarf, insbesondere bei der Frage des quantitativen Bodenschutzes. Vor wenigen Tagen wurde im Rahmen des Welternährungstages daran erinnert, dass die Ernährungssicherheit keine Selbstverständlichkeit ist und durch den voranschreitenden Bodenverbrauch infolge der Verbauung wertvoller landwirtschaftlicher Nutzflächen die Ernährungssicherung gefährdet werden kann.
Die landwirtschaftliche Nutzfläche ging seit den Sechzigerjahren deutlich zurück, nämlich um 22 Prozent, und der Bodenverbrauchsindex Österreichs zeigt, dass im Jahre 1960 noch jedem Österreicher, jeder Österreicherin statistisch gesehen rund 2 400 Quadratmeter zur Produktion von Lebensmitteln zur Verfügung standen, während es im Jahr 2015 nur mehr 1 600 Quadratmeter waren, also rund 65 Prozent der Fläche von vor 50 Jahren. Gleichzeitig – vergessen wir das nicht! – finden ein deutlicher Anstieg der Bevölkerungszahlen und auch die Verschiebung der Ernährungsgewohnheiten hin zu veredelten Produkten statt.
Lassen Sie mich einen vielleicht heikleren Punkt ansprechen, nämlich den Zielkonflikt zwischen Naturschutz und quantitativem Bodenschutz beziehungsweise die Flächenkonkurrenz der landwirtschaftlichen Böden! In Österreich sind rund 30 Prozent der Staatsfläche – wir haben es heute bereits gehört – naturschutzfachlich geschützt, in Form von Naturschutzgebieten, Europaschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten, Nationalparks und Wildnisgebieten. Auch wenn der Mehrwert der Unterschutzstellung auch von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen anerkannt wird, erhöht dies den Flächendruck auf jene landwirtschaftlichen Produktionsflächen, die nicht naturschutzrechtlich geschützt werden.
Die Konsequenzen des Bodenverbrauchs sind eine abnehmende Selbstversorgung, steigende Importabhängigkeit, die Gefährdung der Ernährungssicherung in Österreich, die Gefährdung auch von Arbeitsplätzen im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft und – und das dürfen wir nicht vergessen – negative Auswirkungen auf den Klimaschutz, weil die Kohlenstoffspeicherung zum Beispiel im Boden und in der Biomasse wegfällt.
Ich komme zu folgendem Ergebnis: Die landwirtschaftlichen Flächen unterliegen keinem besonderen Schutz. Sie werden zur Flächenreserve degradiert, die nach Befriedigung der Raumansprüche übrig bleibt, wenn alle Nutzungsinteressen befriedigt wurden. Wir reden in diesem Zusammenhang auch von einer sogenannten Restflächenideologie. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer aktiven Boden- und Raumordnungspolitik zum Schutz von landwirtschaftlichen Produktionsflächen. Es bedarf eines Bekenntnisses zu einer nachhaltigen Bodenpolitik im Sinne einer sparsamen Nutzung von Flächen dadurch, dass zum Beispiel Ortskerne gestärkt werden, die Bebauungsdichte erhöht wird, Gebäudebestand erhalten wird, Baulandüberhänge reduziert werden, Entsiegelungsmaßnahmen gesetzt werden und auch das Instrument der Vertragsraumordnung gestärkt wird.
Aber eine besondere Relevanz in diesem Zusammenhang hat für mich und auch die Landwirtschaftskammer die Errichtung und Einrichtung von landwirtschaftlichen Vorrangflächen. Schützenswerte Böden, die sich für die Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion oder generell für die Rohstoffproduktion besonders eignen, sollten von der Verbrauchsplanung ausgespart werden. Die Schweiz könnte dabei als Vorbild dienen. Dort werden jene für die agrarische Nutzung besonders geeigneten Flächen als Vorrangflächen im Flächenwidmungsplan ausgewiesen.
Mit dieser Empfehlung bin ich am Ende meiner Ausführungen angelangt und danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)
12.03
Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön für Ihre Ausführungen.
Weiters darf ich den Leiter der Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr in der Arbeiterkammer Wien, Herrn Mag. Lukas Oberndorfer, um seinen Beitrag bitten. – Bitte, Herr Magister.
RN/32
12.03
Mag. Lukas Oberndorfer (Arbeiterkammer Wien): Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Hohes Haus! Liebe Zuseher und liebe Zuseherinnen! Zuerst einmal vielen Dank für Ihr Interesse und die Einladung, dass wir die Positionen unseres Hauses hier darstellen dürfen. (Präsident Samt übernimmt den Vorsitz.)
Ich wollte mit einer positiven Nachricht einsteigen, weil wir eigentlich mittlerweile eine sehr gute Situation haben, dass in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Klimakrise angekommen ist. Es gibt sehr gutes empirisches Material dazu. Stantcheva et al. – Stantcheva ist eine Harvard-Forscherin – haben das 2022 in 20 Ländern miteinander verglichen, und das Interessante ist: Mehr oder weniger sind wir überall im Bereich von 70 bis 80 Prozent bei der Zustimmung zur Frage, ob die Klimakrise ein sehr ernstes Problem ist. Es ist erfreulich, dass es dieses Bewusstsein gibt.
Interessant ist für mich auch, dass das mehr oder weniger etwas Überfraktionelles ist. Es ist je nachdem, nach Wahlverhalten aufgeschlüsselt, ein bisschen unterschiedlich, es geht ein bisschen auf und ab, aber da geht es um 10 Prozentpunkte.
Dann fragt man sich natürlich, wenn es eine so hohe Zustimmung zur Frage, ob die Klimakrise ein sehr ernstes Problem ist, gibt, warum es dann oft von der Bevölkerung auch Kritik, Widerstand gibt, und ich glaube, da muss man ansetzen. Und das Interessante ist, dass auch Stantcheva et al. darauf sehr gute Antworten geben. Ihr Argument ist – das ist in einem Item dann auch abgefragt worden –, dass viele Menschen den Eindruck haben, die Bearbeitung der Klimakrise, die Klimapolitik, kommt zu einem ohnehin schweren Leben noch dazu, belastet noch zusätzlich. Es steht also die soziale Frage im Kern der Frage, ob Klimapolitik mitgemacht wird oder sich Widerstand dagegen abzeichnet.
Das Interessante ist auch: Abgefragt worden ist, ob das ein Gerechtigkeitsproblem ist. Es wird ausgesagt: Wenn sichergestellt werden würde, dass die ganze Gesellschaft, also auch Reiche, Superreiche, bei dieser Entwicklung mitziehen müssen, dann steigt die Zustimmung zur Klimapolitik stark an. – So weit das empirische Material.
Wir haben uns das noch einmal angesehen. Es wird Sie nicht überraschen, dass aus der Perspektive der Arbeiterkammer natürlich die soziale Frage besonders entscheidend ist. Wir haben uns noch einmal in Bezug auf Österreich angesehen: Wie ungleich sind eigentlich Vermögen auf der einen Seite und Emissionen auf der anderen Seite verteilt? Und diese Studie – da bin ich auch froh, dass ich Ihnen die ganz frisch mitbringen kann – ist gerade einmal zwei, drei Wochen alt. Da kommt heraus, dass die ganze untere Hälfte der österreichischen Bevölkerung für insgesamt 17 Prozent der Emissionen verantwortlich ist. Die obersten 10 Prozent sind aber für insgesamt 56,3 Prozent der Emissionen verantwortlich. Das heißt, das Bauchgefühl, das bei der eingangs erwähnten Studie angesprochen worden ist, dass es obere 10 Prozent gibt, die da nicht mitziehen, die überproportional für die Emissionen verantwortlich sind, ist darin gut aufgezeigt.
Und vor diesem Hintergrund haben wir gearbeitet. Wir denken sozusagen aus der Perspektive der Arbeitenden: Was bedeutet es für einen Bauarbeiter, bei vielleicht 36 Grad im Sommer bei direkter Hitze arbeiten zu müssen? Was bedeutet es für eine Pflegerin, entweder privat oder im Krankenhaus, bei diesen Temperaturen eine Patientin heben zu müssen? Und aus dieser Perspektive haben wir versucht, es ernsthaft zu schaffen, die soziale und die ökologische Frage zusammenzudenken. Das war wirklich ein sehr guter Prozess, in den wir die Expert:innen unseres Hauses, die Gewerkschaften, den ÖGB eingebunden haben und uns das wirklich überlegt haben. In allen Lebensbereichen unserer Mitglieder, sei es die Gebäudesanierung, sei es das Arbeitsrecht, sei es die Frage, wie wir die Daseinsvorsorge erbringen, haben wir durchgedacht, wie ein sozialer und ökologischer Umbau aussehen kann. (Der Redner hält ein Schriftstück mit dem Titel „Eine Zukunft für die Vielen / Der Plan der Arbeiterkammer Wien für den sozialen und ökologischen Umbau“ in die Höhe.) Und vor einem Jahr durften wir dann diesen sozialen und ökologischen Umbauplan präsentieren. Das ist die bebilderte Kurzfassung, davon habe ich Ihnen auch einige Ausgaben mitgebracht, nur für die, die wollen; hinten links würde das aufliegen. Die Langfassung umfasst 200 Seiten, das ist natürlich dann eher das Experten- und Expertinnenpapier.
Es wäre jetzt natürlich für Sie uninteressant, wenn ich hier in Details eintreten würde. Ich habe mir aber gedacht, ich würde Ihnen gerne drei Beispiele, drei Forderungen mitnehmen, und dies vielleicht auch im Hinblick auf den Bundesrat, auch mit Blick auf die ganze Republik: Was sind möglicherweise überfraktionell Maßnahmen, die man außer Streit stellen kann? Dabei gibt es immer die Idee, wie wir denken – ein gutes Leben für die vielen zu ermöglichen –, als Vision, aber auch das Ziel – das ist unseren Mitgliedern immer besonders wichtig –, konkret belastbar vorzulegen, wie das am nächsten Tag gehen könnte.
Ich würde Ihnen da gerne drei Beispiele, drei Maßnahmen aufzeigen und danach zum Ende kommen.
Der erste Punkt: Transit. Ich glaube, der Kampf gegen die Transitbelastung in Österreich ist etwas, das wir als gemeinsames Interesse der Republik haben. Deswegen habe ich Ihnen dieses Beispiel auch mitgebracht. Und Sie wissen sicher – insbesondere, wenn Sie aus dem Westen oder sogar aus Tirol sind; es werden heute sicher auch einige Mitglieder aus Tirol da sein –, wie hoch die Belastung am Brenner ist. Wir wissen, dass 40 Prozent der Verkehre, die da durchgehen, eigentlich nicht über den Brenner fahren müssten, weil durch die Schweiz eigentlich die attraktivere Route verläuft – wenn man sich das geografisch anschaut.
Das Problem ist aber: Der Verkehr über den Brenner ist immer noch zu billig und unsere Kontrollen sind immer noch zu lasch. Die Schweizer sind da sehr gut aufgestellt und haben sozusagen gebündelte Kontrollen im Schwerverkehr. Deswegen unser Vorschlag: Nützen wir doch die Spielräume, die uns von der EU mit der Wegekostenrichtlinie schon eingerichtet worden sind! Also da geht es nicht um irgendwelche utopischen Forderungen an die Europäische Union, sondern: Nützen wir diese Spielräume, die auch für den Brenner wirken würden! Wir haben zwar quasi den alpinen Zuschlag schon ausgenützt, aber wir haben noch nicht das ganze Ausmaß der Aufschläge für CO2-Emissionen, für Lärm- und Luftemissionen ausgenützt. Das Potenzial dieser Maßnahme wären 650 Millionen Euro, die man jährlich heben könnte. In Zeiten der Frage: Wie finanzieren wir die Mobilitätswende und wie schaffen wir eine Budgetsanierung?, sind das natürlich gute und wichtige Zahlen.
Vielleicht dazu noch ein Argument: Zwei Drittel dieser Belastung würden im Ausland anfallen, weil es wirklich um rein transitierenden Verkehr geht.
Zweite Maßnahme – es ist ganz wichtig, diese auch sozusagen hereinzuholen –: 50 Prozent unserer Mitglieder in Österreich sind nicht gut an den öffentlichen Verkehr angebunden. Diesen dann zu sagen: Steigt aus dem Auto aus!, ist natürlich keine gute Idee, deswegen brauchen wir eine Mobilitätswende, die breite Teile der Bevölkerung an einen guten öffentlichen Verkehr anbindet.
Das Gute wird da oft übersehen: Wir könnten diese Mobilitätswende selber schaffen – zumindest in großen Teilen, weil wir eine stille Heldin in Österreich haben, die oft übersehen wird: die Eisenbahnindustrie. Wir haben mittlerweile 34 000 Beschäftigte in diesem Sektor, das ist die Hälfte der Autobauer beziehungsweise ein Drittel, je nach Zahlen; Wifo-Studie aus Februar 2025.
Setzen wir also im österreichischen Budget darauf, indem wir Rahmenplan und Zielnetz außer Frage stellen und lobbyieren beziehungsweise machen wir Interessenpolitik auch auf europäischer Ebene, damit es eine entsprechende Finanzierung gibt!
Letzter Punkt, letzte Maßnahme: Es macht volkswirtschaftlich und auch aus einer Souveränitätsperspektive heraus Sinn, die Erneuerbaren auszubauen. Eine Zahl, die da immer relevant ist: Wir geben jährlich 10 Milliarden Euro für fossile Importe aus – aus volkswirtschaftlicher Sicht macht das Sinn, das zurückzudrängen. Es macht natürlich auch in Zeiten einer zunehmenden geopolitischen Krise aus einer Souveränitätsperspektive heraus Sinn, da auszubauen. Uns ist aber wichtig, erneuerbare Energie und die Netze, die dafür notwendig sind, nicht auf Kosten der Verbraucher auszubauen. Da wäre es sehr, sehr wichtig, das einerseits mit öffentlichen Krediten zu unterstützen – dann kann man die Belastung der Kosten reduzieren, weil wir keine privaten Zinszahlungen haben – und andererseits – und das ist ganz wichtig – auch die Energienutzer in das Nutzungsentgelt einzubeziehen, weil diese im Moment nicht drinnen sind. Es wären dann also ganz konkrete sozialpolitische Orientierungen auch im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren. – Vielen Dank. (Beifall.)
12.12
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Vielen Dank für die Ausführungen.
Zuletzt darf ich Herrn Landesrat Mag. Hannes Amesbauer aus der Steiermark um seinen Beitrag bitten. – Bitte.
RN/33
12.12
Mag. Hannes Amesbauer, BA (Mitglied der Steiermärkischen Landesregierung, FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesräte und Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Mitglied der Steiermärkischen Landesregierung bin ich unter anderem für die Bereiche Umwelt, Naturschutz und auch Raumordnung zuständig. Eingangs möchte ich mich sehr herzlich für die Gelegenheit bedanken, heute zu diesem wichtigen Thema hier in der Länderkammer des Parlaments sprechen zu dürfen. Herzlichen Dank an Präsidenten Peter Samt für die Einladung und für die Ausrichtung dieser Enquete.
Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen auf den Wortlaut des Titels von Panel 4 eingehen. Es geht um eine zukunftgestaltende Umweltpolitik zwischen Vision und Verantwortung, und somit findet sich bereits im Titel der Hinweis, dass einerseits eine Vision nicht ins Unermessliche reichen kann und dass andererseits bei der Erarbeitung der politischen Rahmenbedingungen stets auch die damit verbundene gesellschaftliche Verantwortung zu berücksichtigen ist. Diese Verantwortung setzt voraus, dass Visionen gerade im Bereich der Umweltpolitik mit Augenmaß und Bodenhaftung erarbeitet werden müssen. Denn wer die politische Verantwortung ernst nimmt, der berücksichtigt in einer potenziell vorteilhaften Vision auch immer die möglicherweise negativen Auswirkungen – sowohl auf die Umwelt als auch auf die Wirtschaft und die Gesellschaft.
Umweltpolitik darf kein Selbstzweck sein, sondern es müssen dabei auch immer die Versorgungssicherheit – beispielsweise mit Wohnraum und Energie –, die Leistbarkeit und die Wettbewerbsfähigkeit mitbedacht werden. Diese drei Punkte sind auch sozialpolitisch von enormer Bedeutung. Ich übe neben den Agenden des Umweltlandesrates auch die Agenden des Soziallandesrates aus und als solcher bin ich überzeugt davon, dass ein funktionierender Sozialstaat eine funktionierende Wirtschaft voraussetzt, denn die Mittel, die an Sozialleistungen ausgegeben werden, muss ja auch irgendjemand verdienen und erwirtschaften.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Umweltpolitik, welche diese Aspekte nicht mitbedenkt, hat folglich meiner Ansicht nach mit Verantwortung nur wenig zu tun. Die steiermärkische Landesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm – Zitat: „... zum umfassenden Umweltschutz mit dem Ziel, kommenden Generationen einen lebenswerten heimischen Naturraum zu bewahren. Bei Maßnahmen im Namen des Umweltschutzes braucht es einen vernünftigen Zugang fernab von Extremen.“ – Zitatende.
Eine einseitige Umweltpolitik würde solche gesamtgesellschaftlichen Folgen jedoch schlicht ausblenden und ignorieren. Solche Extreme stehen im Widerspruch zu jener gesellschaftlichen Verantwortung, zu der sich die steiermärkische Landesregierung bekannt hat. Die Verantwortung liegt auch darin, Verfahren so einfach und effektiv wie möglich zu gestalten – ebenfalls in unserem Regierungsprogramm festgehalten. Solche Verfahren benötigen eine schlanke und moderne Verwaltung.
Aktuelle Gesetzesvorhaben des Bundes hingegen, zum Beispiel das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, stehen hiezu in diametralem Widerspruch. Der derzeitige Entwurf des EABG sieht nämlich die Schaffung neuer Verfahren, die Schaffung neuer Abteilungen und mehr Kosten für die Bundesländer von über 88 Millionen Euro vor. Ich werbe insbesondere hier in der Länderkammer des Parlaments darum, diesen Entwurf dementsprechend kritisch zu begleiten.
Eine Entbürokratisierung, Verwaltungsvereinfachung oder gar Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für wichtige, auch energiepolitische Vorhaben wird mit diesem Gesetzesinstrument wohl kaum gelingen. Effiziente rechtsstaatliche Verfahren benötigen eine widerspruchsfreie und einfach anwendbare Rechtslage. Das Ziel sollte dabei stets sein, ein Verfahren so zu gestalten, dass es schnellstmöglich in sicherster Weise einen Rechtsfrieden und Rechtssicherheit für sämtliche Beteiligte schafft. Durch die bloße Schaffung weiterer Normen – und derer haben wir in Österreich genug – sowie die Vergrößerung eines Verwaltungsapparats wird man diesem Ziel sicher nicht gerecht.
Somit bleibt nur noch, auf den steirischen Weg zu verweisen. Die steiermärkische Landesregierung hat sich nämlich nicht zum Ziel gesetzt, die Lücken zwischen politischer Vision – da wären wir wieder beim Titel – und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung durch eine überbordende Gesetzes- und Aufgabenflut zu schließen, sondern durch eine bewusste Deregulierung die Verantwortung mehr in die Hände der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zurückzugeben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das Ziel der steiermärkischen Landesregierung ist es, in der laufenden Legislaturperiode die wesentlichen Vorschriften praxistauglicher zu gestalten und damit die heimische Wirtschaft zu entlasten und das Leben der Steirerinnen und Steirer zu erleichtern.
Es soll ein sorgsamer Umgang mit Grund und Boden erfolgen – no na net, der Boden ist eine begrenzte Ressource –, ein solcher erfordert eine durchdachte und abgestimmte Entwicklung auf Landes- und Gemeindeebene. Dabei soll zur Sicherung und Stärkung bestehender Siedlungsstrukturen gerade den Orts- und Stadtkernen eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Gleichzeitig soll aber für die Bürger eine Möglichkeit geschaffen werden, Baugrundstücke und Eigentum zu erwerben, damit die Landesregierung auch ihrer sozialen Verantwortung gerecht wird, denn Eigentum ist die Grundlage für Unabhängigkeit und soziale Sicherheit – vor allem auch im Alter.
Am dringlichsten ist jedoch derzeit die Reduktion der Dauer der verschiedenen Genehmigungsverfahren, unabhängig davon, ob es sich bei den Genehmigungsverfahren um Großvorhaben handelt oder um Vorhaben von Privathaushalten. Die Rechtsgrundlagen und Genehmigungserfordernisse nehmen ungebremst zu, auch aufgrund der Regulierungswut der Europäischen Union. Oft hat der Zuwachs an Rechtsvorschriften jedoch nur eine längere Verfahrensdauer und größere Unsicherheit und Ungewissheit bei allen Beteiligten zur Folge. Wenn solche langen Verfahren aufgrund überholter oder ineffizienter Rechtsvorschriften die tägliche Arbeit der Behörden sowie der Betroffenen lediglich verkomplizieren, stehen sie auch einer der zentralen Sachen entgegen: einer wirtschaftlichen Aufbruchsstimmung. Gerade das brauchen wir jetzt in Österreich, gerade diese Aufbruchsstimmung ist wichtiger denn je in unserem Land.
Um eine Aufbruchsstimmung überhaupt erst zu ermöglichen, braucht es gezielte Maßnahmen für einen raschen Wirtschaftsaufschwung. Diese Maßnahmen müssen insbesondere einen Abbau von Entwicklungshemmnissen für die heimische Wirtschaft beinhalten. Es ist offenkundig, dass eine übermäßige und oft unklare Reglementierung negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich hat. Ebenso ist mittlerweile offenkundig, dass übermäßige Reglementierung oft genau das Gegenteil von dem erreicht, was dadurch beabsichtigt wird. Man wird durch einen Zuwachs von Verwaltungsnormen keine Beschleunigung bei Verwaltungsverfahren erreichen können. Eine echte Beschleunigung und damit eine echte Aufbruchsstimmung können wir nur dann schaffen, wenn wir die Belastungen für Bürger und Unternehmer reduzieren, wirtschaftsfeindliche Bürokratiebereiche abbauen und die Verwaltungsprozesse so effizient wie möglich gestalten.
Darum - und ich komme zum Abschlusssatz – lassen Sie uns gemeinsam an dieser Aufbruchsstimmung arbeiten und bringen wir Österreich gemeinsam voran! Es ist auch möglich, dabei die berechtigten Interessen des Naturschutzes mitzubedenken. – Herzlichen Dank und ein steirisches Glück auf! (Beifall.)
12.20
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Vielen Dank für die Ausführungen.
Das Panel 4 ist damit abgeschlossen. Ich bedanke mich für Ihre Beiträge und darf die Referenten ersuchen, sich wieder auf ihren Platz in der ersten Reihe zu begeben.
RN/34
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Wir gelangen nunmehr zu den Stellungnahmen der im Bundesrat vertretenen Parteien. Ich darf nun die nominierten Vertreterinnen und Vertreter ersuchen, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen und ihren Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben, wobei die Zeit von 5 Minuten pro Statement nicht überschritten werden soll.
Ich darf zunächst Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger, Vertreterin der ÖVP, um ihren Beitrag ersuchen. – Bitte, Frau Bundesrätin.
RN/35
12.21
Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Herzlichen Dank, geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Experten! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher- und Zuhörer:innen! Eingangs einmal herzlichen Dank für diese Enquete zu diesem Thema. Ich gestehe, der Titel und das Thema im Allgemeinen – Klimaschutz, Naturschutz, Bodenverbrauch, Energiegewinnung – ist sehr breit gefasst, und ich denke, allein die Themen Bodenverbrauch oder Energie würden schon Enqueten füllen und sind in sich schon Spannungsfelder und Herausforderungen genug.
Die Beiträge der Experten in diesem Haus haben schon gezeigt, dass nicht nur die Breite da ist, sondern auch der Standort den Standpunkt bestimmt.
Um Experten Schlemper zu zitieren: Spannungsfelder und Interessenkonflikte sind nicht neu, was aber in diesem Themenfeld neu ist, ist die Flächenkonkurrenz. Es wurde bereits von der Landwirtschaftskammer Österreich ausgeführt: Die Flächenkonkurrenz in Österreich ist sicher eine Besonderheit. Wir leben in einem dicht besiedelten Agrar- und Industrieland. Die Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln und Energie ist in Zeiten von Krisen rundherum sehr wichtig und wird immer wichtiger. Es wurde anfangs auch schon angesprochen, dass wir natürlich in einem Land leben, in dem der Tourismus sehr, sehr wichtig und wertvoll ist.
Daher haben wir auch verschiedene Verantwortlichkeiten: einerseits die Landwirtschaft für die Ernährungssicherheit zu erhalten, die Enkeltauglichkeit generell im Bereich der Natur und der Umwelt, die Wirtschaft und die Industrie haben Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern, die Energieversorger haben natürlich dementsprechend das Netz und die Versorgungssicherheit, aber auch die Leistbarkeit zu sichern. In unserer Rolle als Politik haben wir in diesem Zusammenhang sozusagen die Quadratur des Kreises zu bewerkstelligen.
Vielleicht ist es auch der Fülle an Vortragenden und deren Unterschiedlichkeit geschuldet, dass es in den vorangegangenen Ausführungen teilweise sehr konträre und widersprüchliche Aussagen und Standpunkte gibt.
Zum Beispiel hat mich überrascht, dass Atomkraft zwar als negativ betrachtet, der Ausstieg aber insgesamt kritisiert wurde. Oder: Die erneuerbare Energie sei zum Beispiel zwar notwendig, aber die Windkraft, die PV und sogar die Biomasse wurden als kritisch angesehen. Meine persönliche Meinung dazu: Wichtig ist, dass wir trotz der vielen Zielkonflikte das Ziel im Großen und Ganzen nicht aus den Augen verlieren.
Mein Kollege Christoph Thoma hat schon sehr gut gesagt: Es gibt Ideologien auf der einen Seite, es gibt Ideologien auf der anderen Seite – die helfen uns nicht. Wichtig ist, dass wir dieses Thema versachlichen, egal aus welcher Richtung die Ideologien stammen.
Was sind meiner Meinung nach die Ziele betreffend die Landwirtschaft? – Wir wollen natürlich alle unsere Heimat bewahren, wir wollen sie erhalten. Das ist ein großes, hehres Ziel. Mir persönlich kommt beim Erhalten und Bewahren aber immer das Bild der großen Glasglocke, die wir über irgendetwas stülpen. Das ist meiner Meinung nach der falsche Weg.
Wir haben trotz der Herausforderungen in Österreich – das ist auch sehr gut von Herrn Längauer ausgeführt worden – eine Biodiversität, die ihresgleichen sucht. Warum gibt es diese Biodiversität in Österreich und im besonderen auch in der Landwirtschaft? – Weil bei der Bewirtschaftung in der Landwirtschaft permanent daran gearbeitet wird, die Produktion an die Bedingungen anzupassen, mit denen die Landwirtschaft konfrontiert ist.
Ich möchte die Klimaerwärmung, die Wetterereignisse, die gesellschaftlichen Erwartungen erwähnen. Da gibt es gute Beispiele wie das österreichische Umweltprogramm, bei dem wir schon positive Entwicklungen in Bezug auf Wasserhaushalt, Humusgehalt, Artenvielfalt der Böden, Tierhaltung, Tierschutz und so weiter sehen. Das heißt, wir schützen durch Nützen und bringen somit Ökologie und Ökonomie in den Einklang.
Das Lämpchen blinkt schon – vielleicht noch ein Wort zu der Energie aus Sicht der Landwirtschaft: Auch in der Landwirtschaft sind wir der Meinung, dass bevorzugt Dächer für PV-Anlagen zu nutzen sind. Zum Beispiel haben wir in Oberösterreich einen ganz klaren Kriterienkatalog entwickelt, der eine PV-Freiflächenstrategie auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen zugrundelegt. Das heißt, es werden dabei ganz genau die Bonitätsstufen, aber auch die Bewirtschaftung bewertet. Das heißt, es muss auf der Fläche, auf der PV-Anlagen stehen, eine Bewirtschaftung oder eine Weidehaltung gesichert sein.
Abschließend vielleicht noch ein Wort zur Renaturierung; diese ist vielleicht in diesem Zusammenhang noch nicht so oft erwähnt worden: Wichtig ist, dass bei der Umsetzung dieser Renaturierungsverordnung im Besonderen die Landwirtschaft berücksichtigt sein muss. Es muss uns gelingen, in der Bewirtschaftung Hausverstand, Praxisnähe und Respekt vor Eigentum und Leistung zu gewähren. Vor allem müssen freiwillige Kooperation und Anreize statt zusätzlicher Bürokratie oder neuen Verpflichtungen für die landwirtschaftlichen Betriebe im Mittelpunkt stehen.
Wir haben es gerade jetzt in den letzten Tagen gesehen: Bei der EU-Entwaldungsverordnung ist uns gelungen, weniger Bürokratie und mehr Praxistauglichkeit bei solchen Verordnungen umzusetzen.
Abschließend ist noch zu sagen, dass die Landwirtschaft meiner Meinung nach ein Teil der Lösung ist, wenn es um Umweltschutz, Klimaschutz, natürlich Bodenverbrauch, aber auch erneuerbare Energie geht. Das kann somit nicht ohne Landwirtschaft umgesetzt werden. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
12.28
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Vielen Dank für die Ausführungen.
Ich erteile nunmehr Herrn Fraktionsvorsitzenden Christian Fischer als Vertreter der SPÖ das Wort. – Herr Kollege, ich bitte um deinen Redebeitrag.
RN/36
12.28
Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Herzlichen Dank, Herr Präsident! Liebe Expertinnen und Experten! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Zuerst einmal bin ich sehr positiv überrascht, dass die FPÖ heute das Landschafts-, Natur- und Umweltschutzthema auf die Agenda gesetzt hat. Österreich braucht jede ernsthafte Debatte über unsere Lebensgrundlagen. Ich hoffe, dass sich damit auch ein Umdenken in den Reihen aller Fraktionen hin zu mehr Ernsthaftigkeit im Klimaschutz abzeichnet.
Worum geht es also? Es geht um unsere Sicherheit. Natur- und Umweltschutz sind Schutzmechanismen. Sie bewahren Menschen, Gemeinden und Betriebe vor Schäden, die mit der Klimakrise häufiger und intensiver werden. Österreich spürt das heute, es erwärmt sich etwa doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt.
Mehr Wärme heißt mehr Wasserdampf, pro Grad rund 7 Prozent. Das bringt mehr Starkregen und mehr Hochwasser. Wir haben es im September 2024 gesehen, die Bilanz war hart: 1,3 Milliarden Euro Schäden – ohne die vollen Infrastrukturschäden mitzuzählen –, rund 700 Millionen Schäden an Privathaushalten, knapp 700 Unternehmen stark betroffen, in der Landwirtschaft bis zu 14,7 Millionen Euro Schäden. Ja, wir investieren 60 Millionen Euro jährlich in den Hochwasserschutz. Das hat Schlimmeres verhindert, aber die neue Realität überholt unsere alten Pläne.
Ich bin Bürgermeister einer Gemeinde in Niederösterreich. Unsere Gemeinde war vom Hochwasser im September 2024 selbst sehr stark betroffen: Schäden an der Infrastruktur; Brücken müssen saniert, neu gebaut werden; unsere Volks- und Hauptschule war schwer getroffen, Klassenräume sind unter Wasser gestanden, die Nachmittagsbetreuung war natürlich massiv betroffen – allein da sprechen wir von circa 2,5 Millionen Euro Schäden –; aber am härtesten traf es die Menschen direkt, 195 private Schäden mit einer Gesamtsumme von über 5,3 Millionen Euro. Die Solidarität war großartig, aber die Menschen haben Anspruch auf Schutz vor der Katastrophe, nicht nur auf Hilfe danach.
Eines muss man auch sagen: Die Klimakrise ist sozial ungerecht. Einkommensschwache Haushalte, egal ob in der Stadt oder am Land, haben weniger Puffer, weniger Versicherung, weniger Rücklagen. Klimaschutz ist Sozialpolitik, Bodenschutz ist Hochwasserschutz und beides ist Menschenschutz.
Blicken wir über Österreich hinaus: Schon heute werden Menschen aus ihrer Heimat gerissen. Allein im Jahr 2024 gab es rund 45,8 Millionen Binnenvertreibungen durch Extremwetter und Naturkatastrophen. Prognosen sprechen von bis zu 200 Millionen Menschen, die bis 2050 wegen Dürren, Überschwemmungen oder dem steigenden Meeresspiegel ihre Heimat verlassen müssen. Das sind Mütter, Väter, Kinder, keine Statistiken, Dörfer, die im Salzwasser versinken, Felder, die zu Staub werden. Und ja, das betrifft auch uns. Wer Flucht verhindern will, muss Fluchtursachen bekämpfen. Klimaschutz ist ehrliche Migrationspolitik. (Beifall.)
Was ist also zu tun? – Bodenversiegelung drastisch herunterfahren; Zielsetzungen ernst nehmen; Leerstand, wie die Vorredner bereits erwähnt haben, nutzen, statt neue Grünflächen zu versiegeln; Retentionsflächen und Auen freihalten und renaturieren – ohne Boden kein Schutz, ohne Schutz keine Sicherheit –; erneuerbare Energien naturverträglich ausbauen; PV-Anlagen weiterhin fördern – jedoch nur auf Dächern, Fassaden, Carports oder Lärmschutzwänden, wie bereits erwähnt –; Windenergie unter Berücksichtigung des Artenschutzes, unter Akzeptanz fördern; die billigste Kilowattstunde ist die, die wir nicht verbrauchen, also sanieren; Wärmenetze, Wärmepumpen sozial gestaffelt fördern.
Wir wollen niemanden belehren, das steht uns nicht zu. Ich will, dass wir gemeinsam handeln, dass wir schützen, was uns schützt: Boden, Wälder, Flüsse sind unsere Schutzschilde gegen die Klimakrise. Jede entschiedene Maßnahme heute ist ein gerettetes Haus, ein geretteter Betrieb, eine geschützte Infrastruktur für morgen. Klimaschutz ist Heimatschutz und Sozialpolitik für uns alle, die sich keine zweite Wohnung auf dem Hügel leisten können. Geben wir unseren Kindern nicht Ausreden, sondern Antworten, weniger Risiko, saubere Luft, bezahlbare Wärme, intakte Flüsse. Wenn wir jetzt Boden gutmachen, gewinnen unsere Gemeinden, unsere Wirtschaft und unsere Sicherheit an Zukunft. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)
12.34
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Danke für die Ausführungen.
Weiters erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Andreas Arthur Spanring als Vertreter der FPÖ das Wort. – Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender.
RN/37
12.34
Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal ein herzliches Dankeschön an Bundesratspräsidenten Peter Samt für die Initiative und natürlich auch den Mut, eine Enquete zu einem Thema auszurichten, das einmal nicht wie aus dem Drehbuch der Mainstream-Politik klingt.
Der heutige Schwerpunkt „Landschafts-, Natur- und Umweltschutz im Spannungsfeld von Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung“ verlangt genau das, was in der politischen Debatte leider so oft fehlt: Das ist Ehrlichkeit, das ist Unvoreingenommenheit und das ist natürlich auch der Hausverstand.
Ganz kurz repliziert auf Kollegen Fischer zum Thema Österreich: Es ist eine Ihrer Aussagen zum Thema, dass sich Österreich doppelt so schnell wie der Durchschnitt erwärmt. Für jedes einzelne Land gesehen gilt das für jedes einzelne Land. Das ist also nichts anderes als eine Zahlentrickserei. Das hat jedes Land in Europa vor Kurzem irgendwo in einer Tageszeitung am Titelblatt gehabt: Frankreich erwärmt sich schneller, Deutschland erwärmt sich schneller. Das ist Propaganda.
Wir erleben seit Jahren, dass Umwelt- und Energiepolitik zunehmend von Emotionen und Ideologien statt von Vernunft, von Realismus und vom technologischen Fortschritt bestimmt wird. Deshalb ist es wichtig, die Dinge von allen Seiten zu beleuchten. Naturschutz ist kein Programm, sondern – so wie wir das heute auch miterleben durften – ein zutiefst menschliches und heimatpolitisches Anliegen. Darum sagen wir Freiheitliche auch immer wieder: Umweltschutz ist Heimatschutz.
Wenn wir über die Gewinnung von Energie aus Erneuerbaren sprechen, dann muss es auch möglich sein, die Schattenseiten anzusprechen. Ja, wir Freiheitliche sind für Wasserkraft, wir sind für Fotovoltaik und wir sind dort, wo es passt, und dort, wo es die Menschen auch wollen, auch für Windkraft – aber doch nicht um jeden Preis, meine Damen und Herren, denn diese Politik, dieses Alles-und-Sofort, koste es, was es wolle, führt uns eben direkt in eine Sackgasse. Dieses Übers-Knie-Brechen zerstört am Ende genau das, was ihr angeblich retten wollt: unsere Landschaft, unsere Lebensqualität und unsere wirtschaftliche Zukunft.
Ich möchte nur ein Beispiel nennen, das sinnbildlich für die ideologische Verirrung der sogenannten Green-Deal-Politik steht. In Deutschland wurde mit gesetzlichen Vorgaben – so wie auch in Österreich – der Einbau von Öl- und Gasheizungen de facto untersagt. Millionen Haushalte sollen auf Wärmepumpen umstellen, selbst dort – das ist die Krux –, wo es technisch unsinnig oder wirtschaftlich unleistbar ist. Allein in den letzten Jahren wurden laut offiziellen Daten über 10 Milliarden Euro an Fördergeldern dafür ausgeschüttet. Es wurde aber leider, wie so oft in der Politik, nicht zu Ende gedacht, denn diese Wärmepumpen brauchen – Sie werden es wissen – viel Strom. Damit das System nicht kollabiert, plant Deutschland bis 2030 den Neubau von rund – je nach Anlagengröße – 30 bis 70 neuen Gaskraftwerken, um diese grüne Heizwende überhaupt betreiben zu können.
Prof. Dr. Vahrenholt hat heute gesagt, es werden 50 Gaskraftwerke sein, also irgendwo in diesem Bereich wird es sein.
Das ist ja der Zirkelschluss einer gescheiterten Ideologie, meine Damen und Herren. Erst wird das Gas und das Öl aus den Haushalten verbannt und dann baut man große neue Gaskraftwerke, um den Strom für die Wärmepumpen zu erzeugen. Meine Damen und Herren, das ist kein Klimaschutz, das ist energiepolitischer Selbstbetrug und das ist auch Steuergeldvernichtung.
Noch etwas, weil es heute auch angesprochen wurde: Ja, es stimmt, ideologiegetriebene Politik ist wissenschaftsfeindlich. Das gilt für alle Seiten. Wir brauchen eine Politik, die Technologieoffenheit ermöglicht, die Innovation fördert und Umweltschutz und Energieversorgung und Lebensqualität miteinander – das klingt jetzt etwas pathetisch, aber es ist so – in Einklang bringt, ohne dass gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen dadurch zerstört werden.
Meine Damen und Herren, es ist nicht alles schwarz oder weiß. Nicht jeder Dieselfahrer ist eine Umweltsau und nicht jeder Elektroautobesitzer ist ein woker Moralapostel. Alles hat seine Berechtigung, wenn es sinnvoll eingesetzt wird. Das Klima ist global. Das werden wir in Österreich nicht retten können – sofern man daran glaubt –, indem wir unsere Wirtschaft zerstören. Aber Natur- und Umweltschutz: Meine Damen und Herren, das beginnt hier, das beginnt in Österreich, das beginnt vor unserer Haustüre, und da müssen wir handeln: ehrlich, vernünftig und ohne ideologische Scheuklappen.
Wir alle, egal von welcher Fraktion, tragen Verantwortung, dass kommende Generationen ein lebenswertes Land vorfinden. Wenn wir es schaffen, wieder die Vernunft über die Ideologie zu stellen, dann können wir beides: Wir können unsere Umwelt schützen und wir können unseren Wohlstand sichern. Das, meine Damen und Herren, ist ein echter Nachhaltigkeitsgedanke und das ist auch gelebter Heimatschutz. (Beifall.)
12.40
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Ich danke für den Beitrag.
Nun darf ich Frau Bundesrätin Simone Jagl als Vertreterin der Grünen – ohne Fraktion – im Bundesrat das Wort erteilen. – Ich bitte um Ihren Beitrag.
RN/38
12.40
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, sehr geehrter Präsident! Geschätztes Auditorium! Ich muss sagen, in den letzten über 3 Stunden bin ich mir ein bissl wie in einem Museum vorgekommen, in dem wir die Vergangenheit nachspielen: zwölf eingeladene Redner und keine einzige Frau! Ich weiß ja nicht, wem das sonst noch ein bissl anachronistisch vorgekommen ist, aber ich muss ehrlich sagen: Wir schreiben das Jahr 2025 – über 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts – und wir hatten heute hier ein rein männliches Podium. Ganz ehrlich: Das ist aus der Zeit gefallen, das ist rückschrittlich, das ist beschämend und dieses Hohen Hauses eigentlich auch nicht würdig.
Auch sonst, muss ich sagen, ist diese Veranstaltung, obwohl ich mich für das Thema bedanke – man sieht, das ist wirklich wichtig, wenn man sich einmal die Themensetzung anschaut –, prinzipiell eigentlich ein Wahnsinn, mit wenigen Ausnahmen. Wenn da teils faktenwidrige und wissenschaftsfeindliche Diskussionen stattfinden, dann ist auch das dieses Hauses eigentlich nicht würdig. Was wir heute hier erlebt haben, waren viele – nicht alle, es gibt wirklich positive Ausnahmen – politische Reden, auch ideologische Reden. Das kann man so machen – am Sinn einer Enquete geht das meiner Meinung nach aber vorbei, vor allem, wenn die politischen Reden in den Fachpanels stattfinden. (Beifall.)
Die Keynote, werter Herr Klubobmann, hält ein Politiker, dem ein 140er auf der Autobahn wichtiger ist als wissenschaftliche Fakten. Wir haben gehört, dass die Physik keiner Ideologie folgt. – Ja eh, dann halten wir uns doch bitte an den wissenschaftlichen Konsens!
Werte Kollegen von der FPÖ, Präsident Samt meinte heute auch, das sollte eine ideologiefreie Veranstaltung sein – dabei war die Veranstaltung ehrlich gesagt wahrscheinlich ein Lehrbeispiel dafür, wie ideologiegetrieben argumentiert werden kann. Ihr ladet Gäste ein, die teilweise am wissenschaftlichen Konsens vorbeireden, die von Klimahysterie sprechen – und das sind dann eure Quellen und die Grundlage eurer Ideologie. Da wird mir mittlerweile ehrlich gesagt ein bissl übel.
Ich habe begonnen, mich politisch zu engagieren, um meinen und unseren Kindern eine einigermaßen lebenswerte Welt zu hinterlassen, um einen Beitrag dazu zu leisten, als mir bewusst geworden ist, dass wir wirklich nur mehr wenig Zeit haben, um die Kurve zu kratzen. Da gibt es eine politische Kraft, die – meiner Meinung nach aus reinem Eigennutz – alles torpediert, was irgendwie mit Energiewende oder Klimaschutz zu tun hat. – Das ist es, was ihr im Parlament macht. Ihr schadet damit meinen und unseren Kindern und das nehme ich mittlerweile eigentlich schon persönlich. Ich kann aber hier und jetzt versprechen: Wir werden alles daransetzen und nicht aufhören, uns dagegenzustellen!
Jetzt habe ich mir an und für sich vorgenommen, meine Rede wirklich rein politisch anzulegen, konnte aber dann doch nicht widerstehen, auf die eine oder andere Ausführung einzugehen, weil man gewisse Sachen einfach nicht stehen lassen kann. Weil ich nur 5 Minuten Redezeit habe, beschränke ich mich da auf ein paar wenige:
Prof. Vahrenholt – ja, was soll ich sagen? Wenn man ein bissl googelt, kommen einem ich weiß nicht wie viele Faktenchecks zu Aussagen entgegen – und tatsächlich kann man so ziemlich jede Behauptung und jede zitierte Studie widerlegen beziehungsweise werden diese in einschlägigen Fachkreisen und in der jeweiligen Wissenschaft wirklich kritisch gesehen.
Ich nehme mir da nur ein paar Sachen heraus, zum Beispiel den Abrieb: dass durch Windräder so viel Mikroplastik anfallen würde. Ja, das stimmt, es fällt Mikroplastik an, aber die Wartung und Reparatur soll das mittlerweile möglichst gering halten. Das ist ja auch wichtig, weil es für die Leistungsfähigkeit notwendig ist. Zunehmend werden die Materialien verbessert, sodass diese auch noch widerstandsfähiger gemacht werden. Außerdem gibt es wirklich zahlreiche seriöse Studien zu den tatsächlich anfallenden Mengen, dass nämlich zum Beispiel der Abrieb durch Reifen und Schuhe das Hundert- beziehungsweise Tausendfache ausmacht.
Eine Studie, die im Wind Energy Science Journal 2024 veröffentlicht wurde, besagt, dass das freigesetzte Mikroplastik bei Offshore-Windturbinen ein Promille des gesamten freigesetzten Mikroplastiks ausmacht. Da gibt es noch wirklich eine ganze Menge, die man anführen kann.
Eine Sache noch, Insekten und Windräder: Selbst die angesprochene DLR-Studie geht davon aus, dass 95 Prozent der durch Rotorbereiche fliegenden Insekten unversehrt bleiben. Fakt ist, dass die Hauptgefährdungen für Insekten Lebensraumverlust, Pestizideinsatz, intensive Landwirtschaft, Klimawandel und Lichtverschmutzung sind. Ja, man könnte alleine mit den Argumenten zu Infraschall, Vögeln, Insekten und Mikroplastik eigentlich behaupten, dass man Autofahren einschränken, wenn nicht sogar verbieten müsste, weil in allen Fällen Autos wesentlich, wesentlich, wesentlich schädlicher sind.
Klar ist, dass Klimaschutz und die Energiewende kein Wunschprojekt, sondern eine Notwendigkeit sind – und die Energiewende ist einfach der Schlüssel, um Österreich und Europa von fossiler Energie, von russischem Gas, von Preisexplosionen unabhängig und somit energieunabhängig zu machen. Noch eines ist klar: Wer die Energiewende blockiert, der trägt dazu bei und der trägt die Verantwortung dafür, dass sich Menschen da draußen ihre Energie nicht mehr leisten können.
Leider tragen Veranstaltungen, die teilweise so ausgeführt sind, wie diese es ist, nicht dazu bei, Lösungen zu finden, sondern sie zementieren alte Denkweisen. Dabei brauchen wir gerade in Österreich keinen Stillstand und schon gar keinen Rückschritt, sondern Fortschritt mit Verantwortung. – Danke schön. (Beifall.)
12.47
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Zuletzt gelangt Frau Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch als Vertreterin der NEOS – ohne Fraktion – im Bundesrat zu Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.
RN/39
12.47
Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch (NEOS, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank auch an Sie, Herr Präsident, für die Organisation der heutigen Enquete und auch für die Setzung dieses Themas! Wenn wir über Landschaftsschutz, über Naturschutz, über Umweltschutz sprechen, dann reden wir über eine der zentralen Zukunftsaufgaben dieses Landes: wie wir unseren Raum nutzen und wie wir ihn vor allem auch wahren.
Boden ist Lebensgrundlage, Boden ist Klimaregulator und wertvolle Ressource – und Boden steht zunehmend unter Druck. Ich möchte jetzt kurz auf etwas eingehen, was heute hier noch nicht so viel Beachtung gefunden hat: Das ist der aktuelle Umweltkontrollbericht. Der ist relativ neu herausgekommen und er zeigt sehr klar, dass der sorgsame Umgang mit Grund und Boden heutzutage natürlich zu den großen Herausforderungen zählt. Österreich hat derzeit 648 Quadratkilometer Flächen in Anspruch genommen, knapp mehr als die Hälfte davon ist auch versiegelt. Das zeigt uns, wir müssen die Flächennutzung, aber auch das Flächensparen stärker zusammen denken.
Das Ziel, den Bodenverbrauch auf 2,5 Hektar pro Tag zu reduzieren, ist immerhin im Regierungsprogramm verankert; dafür setzen wir uns grundsätzlich ein und das ist auch, glaube ich, ein sehr wichtiger Schritt. Entscheidend ist aber natürlich: Wie geht es jetzt an die Umsetzung? Da möchte ich heute einfach nur eine Perspektive mitgeben, nachdem viele andere Perspektiven und Meinungen auch schon aufgezeigt worden sind: Wir arbeiten daran, dass wir die Datengrundlagen verbessern, dass wir Planungs- und Widmungskompetenzen besser koordinieren und bestehende Flächen im Verbund der Siedlungen stärker nutzen, damit wir nicht noch weiter versiegeln müssen.
Das heißt, es geht uns um eine bessere Koordination der Raumordnung über Gemeinde- und Landesgrenzen hinweg. Das beschäftigt uns ja auch im Bundesrat und es ist ein erklärtes Regierungsziel; denn nachhaltige Flächennutzung braucht gemeinsame Planung und nicht parallele Zuständigkeiten. Jeder Hektar, den wir schützen, schützt Artenvielfalt, senkt Hochwasserrisiken – wir hatten das Thema heute auch schon – und hilft, die Klimafolgen abzufedern. Ja, wir befinden uns in einer Klimakrise – und ich hoffe, dass niemand ernsthaft daran zweifelt.
Dass sich der Trend der Flächeninanspruchnahme zuletzt verlangsamt hat, ist immerhin ein erster Schritt – und da müssen wir halt wirklich dranbleiben und es auch als unseren eigenen Auftrag sehen, dass wir das weiter verfolgen. Gleichzeitig gilt aber: Die Energiewende ist natürlich nicht nur eine ökologische, sondern auch eine wirtschaftliche Aufgabe. Sie ist die Grundlage für Planungs- und Investitionssicherheit, für Versorgungssicherheit und letztlich auch für die Unabhängigkeit von Energieimporten, die uns in der Vergangenheit sehr verletzlich gemacht haben.
Da möchte ich auch auf das EABG eingehen, das heute schon mehrfach kritisiert worden ist. Erlauben Sie mir, auch hierzu eine andere Perspektive aufzuzeigen: die Perspektive derjenigen, die derzeit Verantwortung tragen. Meiner Meinung nach setzen wir da schon einen sehr entscheidenden Schritt. Das EABG sorgt für raschere und auch für effizientere Genehmigungsverfahren. Wir reden da von Projekten der Energiewende, also für Wind-, für Solaranlagen, für die Netze und für die Speicher. Dabei ist es das Ziel, die Verfahren zu strukturieren, zu digitalisieren und zu beschleunigen, dabei aber nicht die ökologischen Standards zu vernachlässigen. – Im Gegenteil: Wir hatten heute auch schon vom überragenden öffentlichen Interessen gehört, das da sehr wohl eine Rolle spielt, und das ist ja auch in diesem Gesetz durchaus normiert, denn das bedeutet, dass Klima- und Energieprojekte in der Interessenabwägung künftig stärker gewichtet werden – das muss ja doch ein durchaus positives Ziel sein –, immer unter der Wahrung von Umwelt- und Naturschutzauflagen.
Was bedeutet das also? – Wir wollen nicht nur schnellere Verfahren – ich glaube, das ist grundsätzlich im Sinne aller –, sondern wir wollen auch Planungssicherheit für Unternehmen und wir wollen auch Planungssicherheit für die Gemeinden haben, die in erneuerbare Energie investieren wollen, denn was heißt das? – Klar definierte Abläufe und Fristen, die am Ende des Tages ja auch Vertrauen und Möglichkeiten für Investitionen geben, die wir für unsere Klimaziele nun einmal dringend brauchen. Die strategische Umweltprüfung bleibt aufrecht, die Beteiligung der Öffentlichkeit wird sichergestellt und ökologische Wirkungen werden weiterhin umfassend geprüft, und das führt eben zu dieser Planungssicherheit. Es führt auch zu Transparenz und es führt zu mehr Qualität und zeigt, dass Beschleunigung und Schutz kein Widerspruch sein müssen.
Wir wissen aber auch: Der Ausbau der erneuerbaren Energie hat unmittelbares Potenzial und muss zu unseren Klimazielen führen. Es ist ja gerade diese Woche im Europäischen Rat und auch im EU-Gipfel morgen sehr relevant. Österreich soll in diesem Bereich einfach zeigen, dass wir unseren Beitrag leisten wollen. Wir wollen schnellere Verfahren, wir wollen klarere Rahmenbedingungen, aber wir wollen zugleich auch hohe Standards, und dafür setzen wir uns ein. Wenn wir die Genehmigungszeiten halbieren, dann sparen wir nicht nur Zeit, wir beschleunigen konkret den Weg zur Klimaneutralität, zur Energieunabhängigkeit und zu einem wettbewerbsfähigen Standort.
Das heißt, was wollen wir? – Noch einmal zusammenfassend: Wir wollen den Flächenverbrauch dort reduzieren, wo es möglich ist, wir wollen erneuerbare Energie dort ausbauen, wo es sinnvoll ist, und wir wollen aber natürlich ökologische Verantwortung bei jedem Schritt halten. Diese integrierte Sichtweise ist ein Fundament der Arbeit dieser Koalition, muss man sagen – im EABG, in der Biodiversitätsstrategie und im laufenden Raumordnungsverfahren beziehungsweise in der Diskussion dazu.
Um noch einmal abschließend auf den Umweltkontrollbericht zurückzukommen: Der zeigt uns doch sehr klar, wo die Herausforderungen liegen, und es gilt, an diesen anzusetzen. Wir müssen Modernisierungen vornehmen und wir müssen schauen, dass wir wirklich gemeinsam – das ist auch ein Appell an alle hier – an einer gemeinsamen Zukunft, an einem gemeinsamen Österreich arbeiten, das auch wirklich prospektiv zu betrachten ist und das eine Zukunft hat – auch was das Klima betrifft, weil wir uns natürlich, wenn ich an meine Generation denke und an die Generationen, die nach mir kommen, alle wünschen, dass wir noch einen schönen Planeten, ein schönes Land haben, in dem wir leben können. Und daran möchte ich doch alle bitten mitzuhelfen. – Danke schön. (Beifall.)
12.53
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Ich danke auch für diese Wortmeldung.
RN/40
Vorsitzender Präsident Peter Samt: Geschätzte Damen und Herren, wir sind damit beim Schluss dieser Enquete angelangt. Ich bedanke mich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das große Interesse, das Sie an der Themenstellung der heutigen Enquete gezeigt haben, und für Ihre wertvollen Diskussionsbeiträge.
Wir sehen uns der Wichtigkeit dieses Themas eindeutig gegenüber. Wir sehen aber auch die Gegensätzlichkeiten, ja Ungereimtheiten zwischen Naturschutzrichtlinien und der diesbezüglichen Gesetzgebung einerseits und andererseits den Zielen und Vorgaben für die erneuerbare Energie, sowohl in der EU als auch in der geplanten Gesetzgebung hier in Österreich. Wir haben daher als Politiker noch viel Handlungsbedarf und werden sehr gut darüber nachdenken.
Wichtig ist eine kontroverse Diskussion, kritische Betrachtungen müssen zulässig sein und sind zulässig, aber ich verwehre mich eindeutig gegen persönliche Angriffe gegen einzelne Referenten in diesem Haus und dieser Enquete. (Beifall.)
Ich danke Ihnen somit allen für Ihr Kommen, wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag und lade Sie nun, wie bereits zu Beginn erwähnt, zu einem informellen Ausklang in der Säulenhalle ein. – Danke schön. (Beifall.)
Die Enquete ist geschlossen.
RN/41
Schluss der Enquete: 12.55 Uhr