Stenographisches Protokoll.

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91. Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung
der Republik Österreich.

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Dienstag, den 6. Juli 1920.

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Tagesordnung: Bericht des Ernährungsausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (838 der Beilagen), betreffend das Gesetz, womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 3. Juli 1919, St. G. Bl. Nr. 345, über die Regelung des Verkehres mit Getreide und Mahlprodukten, abgeändert werden (885 der Beilagen). — 2. Eventuell: Bericht des Hauptausschusses über den Vorschlag, betreffend die Bildung der Staatsregierung (890 der Beilagen).

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Inhalt.

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Personalien.

Abwesenheitsanzeigen (Seite 2965).

Urlaubsbewilligung (Seite 2966).

Nachruf des Präsidenten anlässlich des Ablebens des Staatssekretärs für Verkehrswesen Ludwig Paul — Trauerkundgebung des Hauses (Seite 2965).

 

Zuschriften der Staatsregierung,

betreffend die Gesetzentwürfe:

1. betreffend die Ausübung der Zahntechnik (889 der Beilagen [Seite 2966]);

2. betreffend Änderung der Lohnklasseneinteilung in der Krankenversicherung der Arbeiter (891 der Beilagen [Seite 2966];

3. betreffend die Erhöhung des zur Unfallversicherung anrechenbaren Arbeitsverdienstes (V. Novelle zum Unfallversicherungsgesetze) (892 der Beilagen [Seite 2966]);

4. betreffend die Dienstverhältnisse der unter Artikel IV des Gesetzes vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15, fallenden Postdienerschaft Dienstprüfung 1893 der Beilagen [Seite 2966]).

 

Verhandlungen.

Bericht des Hauptausschusses über die Bildung der Regierung (890 der Beilagen — Redner: Berichterstatter Dr. Adler [Seite 2966] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 2969]).

Bericht des Ernährungsausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (838 der Beilagen), betreffend das

Gesetz, womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 3. Juli 1919, St. G. Bl. Nr. 345, über die Regelung des Verkehres mit Getreide und Mahlprodukten, abgeändert werden (885 der Beilagen — Redner: Berichterstatter Födermayr [Seite 2969 und 3013], die Abgeordneten Stocker [Seite 2970], Buchinger [Seite 2978], Größbauer [Seite 2981], Staatssekretär für Volksernährung Dr. LoewenfeldRuß [Seite 2982], die Abgeordneten Traxler [Seite 2996], Krötzl [Seite 2997], Hollersbacher [Seite 2998], Freundlich [Seite 2998], Stöckler [Seite 3004], Weber [Seite 3008] — Annahme des Gesetzes in zweiter Lesung [Seite 3018].

 

Ausschüsse.

Zuweisung von 888 der Beilagen an den Verfassungsausschuss (Seite 3018).

 

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Verzeichnis

der in der Sitzung eingebrachten Anträge und Anfragen:

 

Anträge

1. des Abgeordneten Müller-Guttenbrunn und Genossen, betreffend das Inkrafttreten des Friedensvertrages von Saint Germain bezüglich des Burgenlandes (894 der Beilagen);

2. der Abgeordneten Größbauer, Egger und Genossen betreffend Notstandsaushilfe für die durch Hagelschlag geschädigten Gemeinden in der Umgebung von Klagenfurt und St. Veit (895 der Beilagen);

3. des Abgeordneten Wiesmaier und Genossen, betreffend Fahrpreisermäßigung aus den Bahnen für die Flösser (896 der Beilagen); .

4. der Abgeordneten Scharfegger, Paulitsch und Genossen, betreffend die Zuweisung von Saatgetreide an die durch Hagelschlag geschädigten Besitzer der Gemeinden. Steierberg, St. Urban, Glanegg, Maria Fiecht, Sittich, Klein, St. Veit, Weiern, Siegering, Mosburg, St. Peter am Bichl, Steindorf, Lendorf, Krumpendorf, Maria Saal, Schiefling i. L, St. Stefan i. L. und Hingebung Wolfsberg (897 der Beilagen);

5. der Abgeordneten Weber, Bretschneider, Lenz, Danneberg und Genossen, betreffend Abänderung der Verordnung des Ackerbauministeriums vom 31. Jänner 1918, R. G. Bl. Nr. 37, betreffend Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebes der Landwirtschaft (898 der Beilagen);

6. der Abgeordneten Pick, Allina und Genossen, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 16. Jänner 1910, R. G. Bl. Nr. 20, über den Dienstvertrag der Handlungsgehilfen und, anderer Dienstnehmer in ähnlicher Stellung (Handlungsgehilfengesetz) (899 der Beilagen).

 

Anfragen

1. des Abgeordneten Dr. Schürff und Genossen an den Staatssekretär für Land- und Forstwirtschaft, betreffend den Schutz des Wienerwaldes (Anhang I, 374/1);

2. des Abgeordneten Altenbacher und Genossen an den Staatssekretär für Äußeres, betreffend die Räumung der Stadt Radkersburg (Anhang I, 375/I);

3. des Abgeordneten Fischer und Genossen an den Staatskanzler, wegen Durchführung des Journalistengesetzes (Anhang l, 376/I);

4. des Abgeordneten Fischer und Genossen an den Staatssekretär für Inneres und Unterricht in Angelegenheit der Freimachung des Schulgebäudes der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt in Graz (Anhang I, 377/I);

5. der Abgeordneten Fischer, Parrer und Genossen an die Staatsregierung, betreffend die Übernahme der Verwaltung des Burgenlandes durch, die Staatsregierung (Anhang I, 378/l);

6. der Abgeordneten Kunschak, Steinegger, Gruber und Genossen an den Staatskanzler, betreffend den Boykott gegen Ungarn (Anhang 1, 379/I);

7. des Abgeordneten Spalowsky und Genossen an die Staatsregierung, betreffend die von den sozialdemokratischen Gewerkschaften geübte Pressezensur (Anhang I, 380/I).

 

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           Zur Verteilung gelangen am 6. Juli 1920:

die Regierungsvorlagen 889, 891, 892 und 893 der Beilagen;

der Bericht des Hauptausschusses 890 der Beilagen;

die Anfragebeantwortung 159; der Antrag 888 der Beilagen.

 

 

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Beginn der Sitzung: 3 Uhr 30 Minuten nachmittags.

Vorsitzende: Präsident Seitz, zweiter Präsident Hauser.

Schriftführer: Schönsteiner, Dr. Angerer, Forstner.

Staatssekretär: Eldersch für Inneres und Unterricht, Dr. Deutsch für Heereswesen, Dr. Reisch für Finanzen, Hanusch für soziale Verwaltung, Dr. Loewenfeld-Ruß für Volksernährung, Dr. Ellenbogen.

Auf der Bank der Regierungsvertreter: Ministerialrat Dr. Haager, Ministerialrat Dr. Grünberger und Ministerialrat Dr. Mazaner von: Staatsamte für Volksernährung.

Präsident: Ich erkläre die Sitzung für eröffnet.

Das Protokoll über die Sitzung vom 25. Juni ist in der Kanzlei zur Einsicht für die Mitglieder aufgelegen, ist unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Der Abgeordnete Professor Dr. Gürtler, die Abgeordnete Frau Popp, die Abgeordnete Frau Sponner und der Abgeordnete Bretschneider haben sich krank gemeldet, der Abgeordnete Abram hat sich mit wichtigen Abhaltungen entschuldigt.

Hohes Haus! Am Donnerstag, den 1. Juli, ist der Staatssekretär für Verkehrswesen, Ludwig Paul, dem tückischen Leiden erlegen, dass er sich auf einer Dienstreise geholt hat. (Das Haus erhebt sich.) Die Nationalversammlung verliert in Ludwig Paul einen ihrer tüchtigsten Mitarbeiter, die Republik einen Beamten, der fein reiches Fachwissen mit beispielloser Hingabe und mit ungeheurem Fleiß in den Dienst des Volkes gestellt hat.

Staatssekretär Paul stand durch 30 Jahre im öffentlichen Leben aus den schwierigsten Posten. Dass er sich im Jahre 1918, als die alte Monarchie schon dem Zusammenbruch nahe war, nicht gescheut hat, das schwerste Amt, das eines Leiters des Ernährungsdienstes anzunehmen, beweist seinen großen Opfermut; dass in dem Augenblick, als die Nationalversammlung daran ging, das Verkehrswesen einem Beamten zu überantworten, sofort aller Augen aus ihn gerichtet waren, beweist seine Tüchtigkeit. Obwohl er niemals seine Überzeugung verleugnete, auch seine politische Überzeugung nichts war er doch bei allen Parteien und bei allen Richtungen geachtet und geliebt.

Sein Gerechtigkeitssinn, seine stete Hilfsbereitschaft, die Güte seines Wesens und die kluge Einsicht für die sozialen Erfordernisse unserer Zeit haben ihm die Liebe und die Achtung aller ihn: Nachgeordneten Beamten und Arbeiter im öffentlichen Verkehrswesen und weit darüber hinaus gesichert. Auch dort konnte man sagen, dass er ohne Unterschied von allen Parteien geachtet und geliebt ward.

Mit einer geradezu vorbildlichen Pflichttreue hat sich Paul sofort einer der wichtigsten Ausgaben der Republik gewidmet: Es war ihm die schwere Aufgabe gestellt, die durch den Zusammenbruch des alten Staates total zerstörten Verkehrsbeziehungen wieder herzustellen. Er musste das Amt übernehmen mit zerstörten Lokomotiven, mit zerstörtem Wagenmaterial und Schienen, besonders bei Mangel an Kohle und allen sonst notwendigen Bedarfsartikeln des Verkehrs; trotzdem wusste er den Verkehr so einzurichten, dass er den Bedürfnissen standhalten konnte.

Und in derselben Zeit oblag ihm die Ausgabe, in den allerschwierigsten Verhandlungen in Saint-Germain, in Prag, in Belgrad und anderwärts die Republik einzuordnen in den internationalen Verkehr und die Beziehungen mit der Welt wieder herzustellen.

Gerade in dieser schweren Arbeit hat ihn auf der Dienstreise von Belgrad, gleichsam auf den: Schlachtfeld, das tückische Leiden ereilt, dem sein sonst gesunder Organismus erlegen ist. Wir haben mit Sorge und fieberhafter Spannung die Nachrichten von seinem Krankenbett verfolgt, jeden Augenblick hoffend, dass es ihm gelingen werde, das tückische Leiden zu überwinden. Nun ist er

ihm doch erlegen: der von Überarbeit und Überanstrengungen geschwächte Organismus konnte nicht mehr standhalten.

Hohes Haus! Ich glaube in Ihrer aller Namen zu sprechen, wenn ich sage, wir werden Ludwig Paul, der unserem Vaterland, der Republik, in schwerster Zeit die Treue gehalten hat, mit Treue vergelten, sein Andenken bewahren. Die Geschichte der Republik wird diesen seltenen Menschen zeichnen, wie er
heute noch vor uns tut Bilde steht: als gütigen, edlen Menschen, als
 

kenntnisreichen Fachmann, als hingebenden Arbeiter im Dienste seines Volkes.

Sie haben sich zum Zeichen der Trauer von den Sitzen erhoben und ich bitte Sie um die Genehmigung, diese Kundgebung in den Protokollen des Hauses für immer festzuhalten. (Zustimmung.)

Ich habe noch einige Mitteilungen zu machen.

Dem Herrn Abgeordneten Ingenieur Stricker habe ich einen 14tägigen Urlaub erteilt.

Ferner sind Zuschriften eingelangt, in denen die Einbringung von Vorlagen der Staatsregierung angekündigt wird. Ich ersuche um deren Verlesung.

 

Schriftführer Forstner (liest):

„Auf Grund der mir in der Sitzung des Kabinettsrates vom 25. Juni l. I. erteilten Ermächtigung beehre ich mich, den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausübung der Zahntechnik (889 der Beilagen), mit dem Ersuchen zu übersenden, diesen Entwurf als Vorlage der Staatsregierung der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen.

Wien, 28. Juni 1920.

Der Unterstaatsekretär:

Jul. Tandler."

„Auf Grund der mir in der Sitzung des Kabinettsrates vorn 30. Juni 1920 erteilten Ermächtigung beehre ich mich, den Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderung der Lohnklasseneinteilung in der Krankenversicherung der Arbeiter (891 der Beilagen), mit dem Ersuchen zu übersenden, diesen Entwurf als Vorlage der Staatsregierung der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen.

Wien, 3. Juli 1920.

Hanusch."

„Auf Grund der mir in der Sitzung des Kabinettsrates vom 30. Juni 1920 erteilten Ermächtigung beehre ich mich, den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erhöhung des zur Unfallversicherung anrechenbaren Arbeitsverdienstes (V. Novelle zum Unfallversicherungsgesetze) (892 der Beilagen), mit dem Ersuchen zu übersenden, diesen Entwurf als Vorlage der Staatsregierung der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen.

Wien, 3. Juli .1920.

Hanusch."

„Auf Grund der mir in der Sitzung des Kabinettsrates vom 2. Juli 1920 erteilten Ermächtigung beehre ich mich, den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Dienstverhältnisse der unter Artikel IV des Gesetzes vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15, fallenden Postdienerschaft mit Dienstprüfung (893 der Beilagen), mit dem Ersuchen zu übersenden, diesen Entwurf als Vorlage der Staatsregierung der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen.

Wien, 5. Juli 1920.

Der Staatssekretär:

Hanusch."

Präsident: Wenn bis zum Schlusse der nächsten Sitzung kein Begehren auf Vornahme einer ersten Lesung im Sinne des § 35 der Geschäftsordnung gestellt wird, so werde ich die Vorlage betreffend die Dienstverhältnisse der Postdienerschaft mit Dienstprüfung, dem Finanz- und Budgetausschusse, die übrigen Vorlagen dem Ausschüsse für soziale Verwaltung zuweisen.

Hohes Haus! Gemäß § 33 der Geschäftsordnung schlage ich vor, unsere heutige Tagesordnung umzustellen und als ersten Punkt zu nehmen den Bericht des Hauptausschusses über die Bildung der Regierung, als zweiten Punkt den Bericht des Ernährungsausschusses. Wird gegen diesen Vorschlag eine Einwendung erhoben? (Nach einer Pause:) Es ist nicht der Fall, es bleibt also dabei und wir gelangen sonach zum ersten Punkt der Tagesordnung: Bericht des Hauptausschusses über den Vorschlag, betreffend die Bildung der Regierung. Zur Grundlage der Verhandlungen dient 890 der Beilagen.

Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, dass es sich hier um ein Verfassungsgesetz handelt und dass die Abstimmung nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder erfolgen kann. Zur Beschlussfassung ist eine Zweidrittelmajorität der Anwesenden erforderlich.

Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Dr. Adler, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Dr. Adler: Hohes Haus! Im Namen der Staatsregierung hat am 11. Juni 1920 Staatskanzler Dr. Renner dem Präsidenten der Nationalversammlung die Demission des Kabinetts überreicht. Der Präsident der Nationalversammlung hat im Sinne des Artikels 3 des Gesetzes über die Staatsregierung vom 14. März 1949 das bisherige Kabinett mit der Fortführung der Geschäfte betraut. Dadurch kam der Hauptausschuss in die Lage, entsprechend dem Artikel 2 des genannten Gesetzes einen Vorschlag für die Bildung einer Regierung dem Hause zu machen.

Der Hauptausschuss hat sich mit dieser ihm zufallenden Ausgabe in mehreren Sitzungen beschäftigt, er hat den Versuch gemacht, einen Vorschlag zu bringen, der es dem Hause ermöglichen würde, eine Regierung zu bilden. Es hat sich aber bei der Parteienkonfiguration dieses Hauses herausgestellt, dass unter den jetzigen Verhältnissen eine Mehrheitsbildung im Hauptausschusse ausgeschlossen ist, da eine Mehrheitsbildung eine Vereinigung mindestens zweier Parteien voraussetzen würde, eine Koalition von irgend welchen zwei Parteien des Hauses aber in der gegenwärtigen Zeit ausgeschlossen erscheint.

Dadurch war es dem Hauptausschusse durch nahezu vier Wochen nicht möglich, die ihm obliegende Aufgabe zu erfüllen, und er kommt nun an die hohe Nationalversammlung mit der Feststellung der Tatsache, dass er die Aufgabe nicht erfüllen konnte, und stellt weiter fest, dass für den Fall, der nun eingetreten ist, dass nämlich der Hauptausschuss keinen Vorschlag zu machen in der Lage ist, keine Vorkehrung in unserer provisorischen Verfassung vorhanden ist. Es besteht eine Verfassungslücke, die ausgefüllt werden muss, um die Bildung einer Regierung zu ermöglichen.

Der Hauptausschuss hat nun beschlossen, dem hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, in dem diese Verfassungslücke ausgefüllt wird, indem an Stelle des Vorschlages des Hauptausschusses die Bildung der Regierung durch die Nationalversammlung selbst aus dein Wege der Verhältniswahl vorgeschlagen wird. Der Hauptausschuss war sich dabei klar, dass eine derartige Maßregel nur ein Notbehelf für eine begrenzte Zeit sein kann.

Der Hauptausschuss hat daher geglaubt, dass dieser Vorschlag der Bildung der Regierung auf dem Wege der Verhältniswahl durch die Nationalversammlung selbst die Voraussetzung habe, dass die Periode der Nationalversammlung möglichst eingeschränkt werde, und er hat deshalb in dem vorliegenden Gesetzentwurf gleichzeitig die Bestimmung ausgenommen, dass die Gesetzgebungsperiode aus die Dauer bis zum 31. Oktober d. J. beschränkt werde.

In der Beratung über dieses Gesetz, womit die Gesetzgebungsperiode der Konstituierenden Nationalversammlung abgekürzt und einige Bestimmungen über die Wahl der Nationalversammlung getroffen werden, war der Hauptausschuss einig bezüglich aller Artikel, mit Ausnahme des Artikels 5, gegen den zwei Mitglieder des Hauptausschusses gestimmt haben, die in einer Erklärung im Hauptausschusse festgestellt haben, dass sie die Zahl der Regierungsmitglieder aus zwölf zu begrenzen wünschen und dies unter den gegebenen Verhältnissen am besten dadurch bewirken zu können glauben, dass sie gegen die Beibehaltung der Unterstaatssekretäre stimmen.

Was nun die einzelnen Artikel dieses Gesetzes betrifft, so wird im Artikel 1 die Gesetzgebungsperiode der Konstituierenden Nationalversammlung mit dem 31. Oktober 1920 begrenzt, die Neuwahlen für die Nationalversammlung für den 17. Oktober festgesetzt, der Beginn der Wirksamkeit der neuen Nationalversammlung in die erste Hälfte November verlegt und, da man die Verhältnisse im Einzelnen jetzt ja aus so lange Dauer nicht feststellen kann, es dem Präsidenten der Konstituierenden Nationalversammlung überlassen, an welchem Tage die neue Nationalversammlung einzuberufen ist. Im Artikel 2 des Gesetzes wird die Kontinuität bezüglich des Hauptausschusses und der drei Präsidenten festgestellt, wie sie in unseren Gesetzen ja vorgesehen ist, dass nämlich bis zur Neuwahl des neuen Hauptausschusses und der Präsidenten in der neuen Nationalversammlung der bisherige Hauptausschuss und die drei Präsidenten ihr Amt weiterzuführen haben. Im Artikel 3 des Gesetzes wird festgestellt, dass, insoweit die Bestellung der Regierung im Sinne des Artikels 2 des Gesetzes über die Staatsregierung nicht möglich ist, die Verhältniswahl stattfinden kann. Dieses „insoweit" bedeutet, dass es unter Umständen möglich sein könnte, dass eine Anzahl von Staatssekretären oder Unterstaatssekretären durch eine Mehrheitsbildung im Hauptausschusse dem Hause vorgeschlagen werden könnte und nur für den übrig bleibenden Teil dann die Verhältniswahl einzutreten hätte: in diesem Fall würden im getrennten Abstimmungsverfahren zunächst jene Mitglieder der Staatsregierung zu wählen sein, bezüglich deren ein Vorschlag des Hauptausschusses vorliegt, die andern würden dann auf Grund des Verhältniswahlrechtes aus dem Hause direkt zu wählen sein. Im Artikel 4 werden die Detailbestimmungen bezüglich dieser Wahlen festgelegt. Im Absatz 1 dieses Artikels wird festgestellt, dass, während bei anderen Wahlen stets das Ressort angegeben werden muss, für das der betreffende Staatssekretär gewählt wird, in dem Fall, dass ein Teil der Staatssekretäre durch Verhältniswahl gewählt wird, diese Ressortbezeichnung zu entfallen habe, weil, wie in einem späteren Artikel ausgeführt ist, die Ressortverteilung erst durch das Kabinett selbst nach der Wahl stattzufinden hat. Im Absatz 2 werden die näheren Bestimmungen bezüglich der Listen festgelegt. Es sind beim Präsidenten Parteilisten einzureichen. Im Absatz 3 und 4 endlich wird die Berechnung festgelegt, nach der die Proportionalwahl stattzufinden hat, die Berechnung, die sich auf das Gesetz vom 8. Dezember 1918, St. G. Bl. Nr. 115, das unsere Wahlordnung darstellt, stützt. Im Artikel 5 sind dieselben Bestimmungen, die im Artikel 3 bezüglich der Staatssekretäre ausgenommen sind, nun bezüglich der Unterstaatssekretäre wiederholt.


 

Es wird, um die Verhältniswahl durchzuführen, nötig sein, in zwei Listen zu wählen, eine Liste für die Staatssekretäre und eine Liste für die Unterstaatssekretäre. Endlich wird im ersten Absatz des Artikels 6 festgestellt, dass das gewählte Kabinett sofort nach der Wahl unter dem Vorsitz des Präsidenten der Nationalversammlung Zusammentritt und die Ressortverteilung festlegt.

Bezüglich des Absatzes 1 habe ich nun im Einvernehmen mit den Parteien des Hauses vorzuschlagen, dass noch einige Worte eingefügt werden, und zwar vor dem letzten Worte „Unterstaatssekretäre" eingeschoben wird: „bestimmt den Wirkungskreis der gewählten". Es wird dadurch deutlicher, dass nur die Staatssekretäre Ressorts haben, während die Unterstaatssekretäre ja nur einen Wirkungskreis innerhalb der Ressorts haben. Es würde also Absatz 1 nunmehr lauten ( liest):

„Das gewählte Kabinett tritt sofort unter dem Vorsitz des Präsidenten der Nationalversammlung zusammen und verteilt durch Beschluss die Ressorts auf die gewählten Staatssekretäre und bestimmt den Wirkungskreis der gewählten Unterstaatssekretäre."

Im Absatz 2 des Artikels 6 wird festgestellt, dass während der Gültigkeit, der Dauer dieses Gesetzes kein Staatskanzler bestellt wird, sondern einer der Staatssekretäre mit dem Vorsitz im Kabinett und der Leitung der Staatskanzlei betraut wird und das diesem Staatssekretär auch die übrigen dem Staatskanzler übertragenen Funktionen zugewiesen sind. Auch da habe ich Ihnen im Einvernehmen mit den Parteien eine stilistische Änderung vorzuschlagen, die das etwas erweitert. Es soll nicht heißen: „durch die Verfassung dem Staatskanzler übertragenen Funktionen", sondern „verfassungsmäßig dein Staatskanzler übertragenen Funktionen". Es würde also der ganze Absatz 2 lauten ( liest):

„Durch Beschluss wird ein Staatssekretär mit dem Vorsitz, im Kabinett und der Leitung der Staatskanzlei sowie mit den anderen verfassungsmäßig dem Staatskanzler übertragenen Funktionen und ein anderer Staatssekretär mit seiner Stellvertretung betraut."

Der Artikel 7 enthält die üblichen Bestimmungen bezüglich der Kundmachung und des Vollzuges durch die Staatsregierung.

Ich bitte das hohe Hauch dem Anträge des Hauptausschusses, diesen Gesetzentwurf zum Beschlusse zu erheben, Folge zu geben.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. So schreiten wir zur Abstimmung. Der Bericht ist in den Händen der Abgeordneten.

Die Artikel 1, 2, 3, 4 und 5 sollen nach dem Anträge des Referenten so lauten, wie es indem Berichte steht.

Abgeordneter Dr. Schönbauer: Ich bitte um das Wort zur formalen Geschäftsbehandlung.

Präsident: Ich bitte.

Abgeordneter Dr. Schönbauer: Ich beantrage getrennte Abstimmung über Artikel 5,

Präsident: Ich werde diesem Wunsche Rechnung tragen.

Ich bitte nunmehr diejenigen Abgeordneten, welche die Artikel 1 bis inklusive 4 annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das hohe Haus hat bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit einstimmig diese Artikel genehmigt.

Artikel 5! Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihm ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Gleichfalls mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Im Artikel 6 hat der Berichterstatter im Einvernehmen mit den Parteien einen Zusatz beantragt, und zwar soll in der vierten Zeile vor dem Worte „Unterstaatssekretäre" eingeschaltet werden: „bestimmt den Wirkungskreis der gewählten", so dass der Satz dann hieße (liest):

„Das gewählte Kabinett tritt sofort unter dem Vorsitz des Präsidenten der Nationalversammlung zusammen, verteilt durch Beschluss die Ressorts aus die gewählten Staatssekretäre und bestimmt den Wirkungskreis der gewählten Unterstaatssekretäre."

Das Wörtchen „und" vor „verteilt" in der dritten Zeile würde dann natürlich auch entfallen und ein Beistrich an seine Stelle treten. (Zustimmung.) Das ist nur eine stilistische Änderung.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche den Absatz 1 des Artikels 6 mit dem eben gekennzeichneten Zusatz genehmigen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen.


 

Der zweite Absatz des Artikels 6 lautet (liest):

„Durch Beschluss wird ein Staatssekretär mit dem Vorsitz im Kabinett und der Leitung der Staatskanzlei sowie mit den anderen durch die Verfassung dem Staatskanzler übertragenen Funktionen und ein anderer Staatssekretär mit seiner Stellvertretung betraut."

Jetzt soll es statt „durch die Verfassung" usw. heißen: „verfassungsmäßig dem Staatskanzler übertragenen Funktionen und ein anderer Staatssekretär mit seiner Stellvertretung betraut".

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Absatz 2 des Artikels 6 ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Absatz 2 des Artikels 6 ist gleichfalls mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich bitte jene Mitgliedern welche für den Artikel 7 sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Artikel 7 ist gleichfalls mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich bitte jene Abgeordneten, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Titel und Eingang sind mit der qualifizierten Mehrheit angenommen.

Damit ist das Gesetz in der zweiten Lesung beschlossen.

Berichterstatter Dr. Adler: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Ich bitte jene Abgeordneten, die diesem formellen Anträge zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Antrag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wünscht jemand in der dritten Lesung das Wort? (Nach einer Pause:) Es ist nicht der Fall. Ich bitte nunmehr jene Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von ihren Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz, womit die Gesetzgebungsperiode der Konstituierenden Nationalversammlung abgekürzt wird und einstweilige Bestimmungen für die Wahl der Staatsregierung getroffen werden, ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auch in dritter Lesung angenommen.

Damit ist das Gesetz endgültig zum Beschluss erhoben.

Der nächste Gegenstand unserer Tagesordnung ist der Bericht des Ernährungsausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (838 der Beilagen), betreffend das Gesetz, womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 3. Juli 1919, St. G. Bl. Nr. 345, über die Regelung des Verkehres mit Getreide und Mahlprodukten abgeändert werden. — Als Grundlage der Debatte gilt 885 der Beilagen.

Als Vertreter des Staatsamtes für Volksernährung sind erschienen die Herren Ministerialrat Dr. Haager, Ministerialrat Dr. Grünberger und Dr. Mazaner. Ich erlaube mir, die Herren dem hohen Hause vorzustellen.

Ich bitte den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Födermayr, die Verhandlung einzuleiten.

Berichterstatter Födermayr: Hohes Haus! Die in Verhandlung kommende Vorlage der Staatsregierung stellt sich als eine Novelle zum Getreideverkehrsgesetz vom Vorjahre dar. Es werden hiedurch nur zwei wesentliche Bestimmungen des Gesetzes vorn Vorjahre geändert, und zwar die §§ 4 und 5, während die übrigen Bestimmungen mit Ausnahme, einiger Abänderungen auf strafrechtlichen Gebiete infolge der neuen Fassung der §§ 4 und 5 aufrecht bleiben.

Der Ernährungsausschuss hat sich in seinen Sitzungen vom 19. Mai und 9. Juni mit dieser Gesetzesnovelle befasst und sich hiebei für die Beibehaltung des Kontingentierungssystems entschlossen. Für dieses System der Getreidebewirtschaftung hat sich vorher schon die Wirtschaftskommission im Staatsamte für Volksernährung, bestehend aus Produzenten- und Konsumenten-, sowie Vertretern aus den Ländern, ebenfalls entschieden. Für diesen Entschluss war insbesondere die große Schwierigkeit der Getreidebeschaffung aus dem Auslande maßgebend Es ist notwendig, dass der Staat mit einer gewissen Menge vom Getreide zur Deckung des Bedarfes für die Nichtselbstversorger rechnen kann, um immer Getreide zur Verfügung zu haben, wenn in der Belieferung aus dem Auslande Schwierigkeiten entstehen sollten. Es ist nun klar, dass eine zu bestimmende Kontingentmenge der tatsächlichen Lieferungsmöglichkeit voll Rechnung tragen muss. Die für das heurige Wirtschaftsjahr in Aussicht genommene Kontingentsmenge wurde eben nach Anhörung der Wirtschaftskommission festgelegt, und zwar unter Berücksichtigung der Umstände,
die wir heuer in Bezug auf den Hektarertrag zu berücksichtigen, haben.


 

Durch die Minderproduktion an Stalldünger und das gänzliche Fehlen von Kunstdünger ging, wie ja allgemein bekannt ist, die Nährkraft des Boden immer mehr und mehr zurück. Wir müssen daher auch infolge dieser Umstände mit einem verringerten Hektarertrag rechnen. Zudem wurde noch die Anbaufläche infolge Mangels an den notwendigen Betriebsmitteln ebenfalls gegenüber dem Vorjahre verringert und ein verringertes Kontingent ist daher die natürliche Folge dieser Umstände. Die vom Wirtschaftsausschuss festgesetzte Getreidemenge entspricht den tatsächlichen Verhältnissen, die wir in Österreich haben. Der Getreidepreis wird für die Ablieferung des Getreides einen wesentlichen Faktor darstellen; der Preis als solcher muss gerecht sein und seine Höhe muss den heutigen Produktionskosten entsprechen.

Was den § 5 betrifft, so hat der Ernährungsausschuss entgegen den Bestimmungen der Regierungsvorlage, den Beschluss gefasst, dass die über die Kontingentsmenge verbleibenden Getreideüberschüsse den Landwirten—zur freien Verfügung überlassen werden. Die Mehrheit des Ernährungsausschusses ging hiebei von der Erwägung aus, dass hiedurch nicht nur die Ablieferung selbst günstig beeinflusst, sondern dass auch die Produktion im allgemeinen wesentlich gefördert werde, was sich in der landwirtschaftlichen Produktion auf allen Gebieten bestimmt günstig äußern wird. Wenn die Landwirte, die ja auch den Drang nach freier Betätigung in ihren Wirtschaftsbetrieben in sich fühlen, über ihre geernteten Getreidemengen nach Ablieferung der Einzelkontingente frei verfügen können, bedeutet dies ganz bestimmt eine Wiederbelebung der Produktion aus sämtlichen Gebieten der Landwirtschaft.

Was die Strafbestimmungen anlangt, so ist eine Änderung insofern eingetreten, als im Falle vorsätzlicher Nichtablieferung das Strafausmaß nicht mit dem fünf- bis zehnfachen, sondern mit dem fünffachen des Übernahmspreises beantragt wurde. Eine Milderung wird insofern eintreten, als bei den übrigen Übertretungen nicht Arrest- und Geldstrafen nebeneinander verhängt werden sollen, sondern die Arreststrafe nur dann verhängt werden soll, wenn die Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gegeben ist. Von Seite der Minorität des Ernährungsausschusses wurde die Einbringung eines Antrags auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage durch Beibehaltung des § 5 und Ergänzung des § 7 in Aussicht gestellt.

Die von Seiten der Regierung im Ernährungsausschuss noch eingebrachten geringfügigen Abänderungen im § 5, Absatz 1, § 10, § 20 und Artikel II sind in den Text der Beilage zu dem vorliegenden Berichte bereits ausgenommen.

Ich ersuche das hohe Haus, den vom Ernährungsausschusse vorgeschlagenen Bestimmungen seine Zustimmung erteilen zu wollen! (Beifall.)

Präsident: Die Zustimmung des hohen Hauses vorausgesetzt, werde ich die General- und Spezialdebatte unter Einem vornehmen lassen. (Nach einer Pause): Da ein Widerspruch nicht erhoben wird, werde ich in diesem Sinne Vorgehen.

Zum Worte ist gemeldet kontra der Herr Abgeordnete Stocker. Ich erteile ihm das Wort.

Abgeordneter Stocker: Hohes Haus! Seit Jahren wird ein Kampf um die Beseitigung der Zwangswirtschaft, um die Beseitigung der Zentralenwirtschaft geführt, nicht nur vielleicht von Seiten der Landwirtschaft, sondern von einem großen Teile, ja dem größten Teile der Bevölkerung. Die letzten Wahlen zur Nationalversammlung sind bei allen bürgerlichen Parteien unter dem Zeichen der Hauptforderung gestanden, dass diese Nationalversammlung mit der Beseitigung der Zwangswirtschaft tatsächlich Ernst machen müsse. Keine Wählerversammlung ist vorübergegangen, in der nicht diese Forderung als unbedingte Volksnotwendigkeit betont worden ist, damit unser Wirtschaftsleben sich wiederum erholen kann. Auch hier in diesem Hause ist von beiden bürgerlichen Parteien zu wiederholten Malen die gleiche Forderung vertreten worden. Ich glaube, Sie geben mir alle zu, dass die Zwangswirtschaft, die Zentralenwirtschaft vollständig versagt hat, dass sie heute gänzlich durchlöchert ist und es absolut keinen praktischen Wert hat, die Zwangswirtschaft weiter aufrechtzuerhalten. Wird die Zwangswirtschaft nicht aus legalem Wege aufgelöst, dann, erstirbt sie von selbst und bringt sich selbst um. Da wir aber auf dem Standpunkte des Rechtes stehen, wollen wir, dass die Zwangswirtschaft durch Gesetz, durch Regierungsverfügung außer Kraft gesetzt wird. Die Forderung nach Aufhebung der Zwangswirtschaft wurde so oft in hunderten und hunderten Versammlungen und Besprechungen gefordert, es ist daher höchste Zeit, dass diese Versprechen eingelöst werden und dass mit der Beseitigung endlich Ernst gemacht wird.

Wir geben zu und erachten es als Notwendigkeit, dass zur Versorgung der sogenannten Konsumenten eine rationierte Abgabe der Lebensmittelmengen zu erfolgen hat und dass von Seiten des Staates die Versorgung zu bewerkstelligen ist; wir fordern aber, dass die inländische Getreideernte dem freien Verkehr übergeben wird. Denn die ausbringbaren Mengen der inländischen Getreideernte sind so gering, dass sie für die Versorgung kaum in Betracht kommen und nur für wenige Tage ausreichen.
Der staatliche Apparat sollte sich damit befassen, die


 

Lebensmittelmengen, die er vom Auslande kauft — und das ist ja die Hauptmenge zur Versorgung der konsumierenden Bevölkerung — an die Bevölkerung abzugeben. Weiter soll der Staat die inländische Ernte, die er im freien Verkehr auskauft, gleichfalls im Wege der staatlichen Verteilung der konsumierenden Bevölkerung zu verbilligten Preisen ebenso wie die ausländischen Ankäufe zur Verfügung stellen. Der Staat muss endlich mit der Konfiskation aufhören, er soll sich die inländische Ernte nicht im Wege der Konfiskation aneignen, sondern im Wege des freien Ankaufes. Wir haben ja heute schon trotz der bestehenden Vorschriften und Bestimmungen aus dem Papier eigentlich einen freien Handel, aber nicht den erlaubten freien Handel, sondern den Handel, der nur im Dunkel getrieben werden kann. (Huf von der Galerie: Schleichhändler!)

Präsident: Es hat jemand von der Galerie einen Zwischenruf gemacht. Ich kann absolut nicht dulden, dass sich die Galerie in die Verhandlungen einmengt und ich müsste sofort gegen den Betreffenden einschreiten. Ich bitte, sich jeder Äußerung zu enthalten.

Abgeordneter Stocker (fortfahrend): Wir haben heute eigentlich schon den Handel, der sich aber bedauerlicherweise auf dem Schleichhandelsweg abwickeln muss. Jeder ist angewiesen, sich durch alle möglichen Beziehungen Lebensmittel zu besorgen, weil das, was ihm der Staat zur Verfügung stellt, nicht annähernd ausreicht, um das Leben fristen zu können. Das, was der Konsument auf die Lebensmittelkarte erhält, ist eigentlich nur eine Zubuße zu den, was er sich auf andere Weise verschaffen muss, denn die staatliche Belieferung reicht ja höchstens auf zwei bis drei Tage in der Woche aus.

Es wird gesagt, wenn die inländische Ernte freigegeben würde, dann würden sich, die Reichen im Überfluss versorgen können, während die unbemittelte Bevölkerung umso mehr Not leiden musste. Auch dieser Einwurf ist gänzlich hinfällig, denn der sogenannte Reiche, der Lebensmittel trotz der bestehenden Zwangswirtschaft hat, besorgt sich seine Lebensmittel in einer solchen Menge, die er eben braucht, die er eben wünscht.

Meine Herren! Es ist doch etwas anderes. Nicht bloß die Reichen sind auf diese Versorgung angewiesen, sondern jeder ist angewiesen, sich zu der staatlichen Quote mindestens ebenso viel aus andere Weise zu verschaffen und wenn ich den Herrn Staatssekretär oder die Frau Kollegin Freundlich auf Ehre und Gewissen fragen möchte, ob sie mit diesen Mengen auskommen, die ihnen nach dem Buchstaben des Gesetzes zustehen, so müssten sie sagen, bei weitem nicht; sie müssen gleichfalls alle möglichen anderen Wege benutzen, um sich versorgen, um leben zu können. Wir haben tatsächlich heute schon die Verhältnisse, dass jeder daraus angewiesen ist, sich auf eigene Faust und auf eigene Veranlassung die notwendigen Lebensmittelmengen zu versorgen, und wenn heute ein drakonisches Rucksackverbot eingeführt würde, die Gesamtheit der städtischen Bevölkerung und auch die Arbeiterschaft würde auf das schärfste gegen eine solche Maßnahme protestieren. Wenn aber der Verkehr mit der inländischen Ernte freigegeben wird, dann ist jeder der Konsumenten, die aus die Zulieferung unbedingt angewiesen sind, viel leichter und mit billigeren Kosten in der Lage, sich die notwendigen Lebensmitteln versorgen zu können. Die Freigabe des inländischen Verkehres liegt im Interesse der billigeren und besseren Versorgung der konsumierenden Bevölkerung. ( Zwischenrufe.)

Es wird auch behauptet, insbesondere auch in der heutigen „Arbeiterzeitung" steht es ja, dass selbst die Landwirte das Beibehalten der Zwangswirtschaft fordern und — nach der „Arbeiterzeitung" wird die Bauernschaft geteilt in Getreidebauern und in Hörndlbauern dass die Hörndlbauern ein Interesse am Bestehen der Zwangswirtschaft mit den Getreideprodukten hätten. Ich bin ein Vertreter eines Gebietes, wo hauptsächlich Hörndlbauern wohnen, hauptsächlich Viehzüchter sind. Gerade dort wird am allermeisten die Forderung nach Freigabe des Verkehres wegen ihrer geringen Ernte erhoben, weil diese Bauern selbst unbedingt zufolge ihrer äußerst geringen eigenen Erzeugung darauf angewiesen sind, sich auf irgendwelche Weise den notwendigen Lebensmittelbedarf zu versorgen und nach dem der Staat nicht in der Lage ist, diese Versorgung zu bewerkstelligen, müssen sie mit ungeheuren Kosten und Schwierigkeiten sich das Notwendige versorgen. Gerade die Gebirgsbauernschaft fordert, um sich besser versorgen zu können, die rascheste Beseitigung der zentralen Wirtschaft.

Es wird weiter gesagt: Ja, wenn die inländische Getreideernte freigegeben würde, so würde zufolge der Notwendigkeit des vermehrten Einkaufes oder des verteuerten Einkaufes der inländischen Ernte das Defizit des Staates umso größer werden und das Defizit würde sich um 2 Milliarden vergrößern. Selbst wenn diese Zahl richtig wäre, so stünde dieses Defizit von 2 Milliarden im Vergleiche zu den vielen Milliarden, die die ausländische Lebensmitteleinfuhr kostet, nicht in dem geringsten Verhältnisse. Es ist ja bekannt, dass bei dem vorjährigen 48 - Millionendollarkredit, der bei dem damaligen Kurse einen Wert von über 15 Milliarden hatte, der Staat nur 1 1/2 Milliarden eingenommen und sich ein ungeheures Defizit ergeben hat. Im Vergleich zu den ungeheuren Kosten der ausländischen Einfuhr würde das, selbst wenn die Zahl
von 2 Milliarden stimmt, in keinem richtigen Verhältnis


 

stehen. Wenn wir die inländische Ernte frei geben würden, so hätte das zur Folge, dass ein Anreiz zur Steigerung der Produktion, ein Anreiz zur Hebung des Getreideanbaues gegeben wird. Und selbst wenn der Staatssäckel momentan, in diesem Jahre, allenfalls etwas mehr belastet würde, so würde er im nächsten Jahre dadurch entlastet werden, dass die inländische Produktion eine gesteigerte ist; denn solange die Zwangswirtschaft, solange die Zentralenwirtschaft besteht, ist jede Maßnahme zur Hebung der Getreideproduktion vergeblich, weil sich die Bauernschaft nach der Wiederkehr ihrer wirtschaftlichen Freiheit sehnt. Die Bauernschaft wird nicht gewillt sein, solange der Staat die hohen Preise ihr vorschreibt, solange der Staat das Produkt der Arbeit des Bauern konfisziert, zu einem höheren Anbau zu schreiten.

Übrigens ist es nach meinem Dafürhalten gar nicht zu verstehen, warum der Staat die Gesamtheit der konsumierenden Bevölkerung mit billigen Lebensmitteln versorgt; es ist nicht zu verstehen, dass der Staat auch denjenigen, die ein Jahreseinkommen von 70.000 oder 100.000 oder 1,000.000 K besitzen, dass er auch diesen Bevölkerungskreisen die Lebensmittel zu billigen Preisen abgibt und selbst bei diesen Reichen und Reichsten bei jedem Kilogramm 10, 12 und 15 K draufzahlt. Auch da könnte sich der Staat so manches ersparen, indem er an die Bevölkerungsschichten über ein gewisses Einkommen hinaus, sagen wir von 40.000 bis 50.000 K an, die Lebensmittel zu den tatsächlichen Gestehungskosten abgibt oder indem er für diese Kreise, für diese, wir wollen sagen reichen Kreise, überhaupt keine Lebensmittel liefert, so dass sie angewiesen sind, sich im Wege des freien Verkehrs von der freigegebenen inländischen Ernte zu versorgen.

In der jüdischen „Arbeiter-Zeitung" werden bei dem Eintreten für das Getreidebewirtschaftungsgesetz sogar antisemitische Töne angeschlagen. So schreibt die heutige „Arbeiter-Zeitung": Ja, wenn der Getreideverkehr freigegeben würde, dann würde wiederum der jüdische Händler hinaus, kommen. Da ändert sich nichts. Heute kommt der jüdische Schleichhändler und Schieber hinaus . . . (Abgeordneter Schneidmadl: Und wird mit offenen Armen auf

genommen!) Die Landwirte wären froh, wenn der Schleichhändler nicht kommen würde, wenn sie im offenen Wege Ihre Genossen und ihre Angehörigen versorgen könnten. Und meint dann gesagt wird, das Getreide würde dann den jüdischen Händlern verkauft werden, so ändert sich damit nicht viel, denn heute sitzen die Juden und jüdischen Getreidehändler in der Kriegs-Getreideverkehrsanstalt.

(Rufe: Sehr richtig!) Es sind dieselben Wege und dieselben Organe, die allenfalls arbeiten. Der Herr Staatssekretär Dr. Loewenfeld hat kürzlich Verwahrung dagegen eingelegt, dass die Kriegs-Getreideverkehrsanstalt gänzlich verjudet ist, und hat erklärt, dass nur etwa ein Drittel der Beamten Juden sind. Nun, meine Herren, ich glaube, es ist einerlei, wenn nun die Schreibmaschinenfräuleins Christinnen sind, wenn aber die leitenden Beamten durchgehends oder zum größten Teile Juden sind. Und wenn die Argumente bei der „Arbeiter-Zeitung" auslassen, dann glaubt sie persönlich verdächtigen zu müssen und so schreibt sie heute (liest): „Der ,freie Handel' mit Getreide wäre wiederhergestellt. So will es das Handelskapital, in dessen Namen Herr Meinl kommandiert, in dessen Dienste Herr Stöcker agiert (Rufe! Sehr richtig! — Heiterkeit.) und die Christlichsozialen parieren. (Sehr richtig!)

Ich sage Ihnen folgendes: Wie der Schelm denkt, so ist er. (Zwischenrufe.) Wir haben auch nicht versäumt, uns auch mit sozialdemokratischen Angehörigen über diese Frage auseinanderzusetzen, wir haben auch nicht versäumt, uns mit Staatsbeamten ohne Unterschied der Partei auseinanderzusetzen, mit jedermann, der sich ernstlich mit dieser Frage befasst, um zu einem endgültigen, abschließenden Urteil kommen zu können und nach reiflichster Überlegung und Betrachtung aller Umstände sind wir eben zu diesem Entschlüsse gekommen, dass die Zwangswirtschaft, die Zentralenwirtschaft das größte Unglück unserer Volkswirtschaft ist (Abgeordneter Schneidmadl: Und der Schleichhandel legalisiert werden muss!) und der Schleichhandel gerade durch das Bestehen des Zwangssystems weiter aufrecht bleibt, denn jedermann, der nicht ein Brett vor dem Hirn hat, muss zugeben, dass die Zwangswirtschaft den Schleichhandel direkt begünstigt und dass er die unmittelbare Folge ist.

Es wird weiter gesagt, alle Staaten haben die Zwangswirtschaft und Staaten mit einer größeren Getreideernte als wir, Deutschland, die Tschecho-Slowakei usw. In diesen Ländern mag die Zwangswirtschaft noch eher am Platze sein, weil dort tatsächlich etwas vorhanden und etwas zu verteilen ist. Aber bei unserer geringen Ernte und bei unseren geringen Quantitäten im Verhältnisse zum Bedarf ist die aufbringbare Menge so gering, dass es tatsächlich nicht der Kosten und der Sekkiererei lohnt, die Zwangswirtschaft weiter aufrecht zu erhalten. Aber auch in diesen Staaten, wie in Deutschland, der Tschecho-Slowakei usw., wird sich die Zwangswirtschaft von selbst umbringen, dort schleppt sie sich, weil die Länder eben reicher sind, vielleicht noch etwas länger fort, aber sie wird gleichfalls in kürzester Zeit beseitigt werden, weil sie sich selbst totschlagen wird.

Es ist seinerzeit auch, die Idee besprochen worden und im Ernährungsausschusse hat diese Idee
Frau Abgeordnete Freundlich vertreten, die dahin geht: Ja, wenn wir auch die Freigabe des


 

inländischen Verkehres beschließen würden, in acht Tagen  müsste die Zwangswirtschaft ja doch wieder auf Befehl der Reparationskommission eingeführt werden. Das ist unrichtig. Die Reparationskommission hat gar kein Interesse an dem Bestehen der Zwangswirtschaft, im Gegenteil, die Engländer und die englische Regierung können es nicht verstehen, dass wir heute noch Zwangswirtschaft betreiben. Wenn man bei der englischen Regierung und bei der Reparationskommission in Paris anfragen würde, würden sie im Gegenteil sagen, sie haben gegen das Auflassen der Zwangswirtschaft gar nichts einzuwenden. Ich weiß nicht, ob die letzten Verlautbarungen richtig sind, die dahin gehen sollen, dass angeblich die Forderung erhoben wurde, dass die Zwangswirtschaft aufgehoben und der freie Handel eingeschaltet werden soll.

Wir alle miteinander haben das Interesse, unsere Lebensmittelproduktion zu heben, um uns in den nächsten Jahren nicht so abhängig vom Auslande zu machen, und das erste Mittel zur Hebung unserer Produktion ist die Beseitigung der Zwangswirtschaft. Die Beseitigung der Zwangswirtschaft liegt nicht nur im Interesse der Förderung der Landwirtschaft und der Vermehrung des Getreideanbaues, sondern auch im Interesse der Konsumenten, weil diese sich auf leichtere und billigere Weise versorgen können, wenn das ganze Schleichhandelsrisiko, das heute die Ware so belastet, in Wegfall kommen würde. Wenn man die Frage von welchem Gesichtspunkte immer behandeln mag, wir kommen immer zu dem Endergebnisse, welches lautet: eheste Beseitigung der Zwangswirtschaft.

Sollte diese unsere Forderung nach Aufhebung der Zwangswirtschaft wider Erwarten und zum Nachteile der Bevölkerung nicht durchführbar sein, so werden wir eine Reihe von Abänderungsvorschlägen Vorbringen, aber wir müssen uns denn doch fragen, ob es sich lohnt, die Zwangswirtschaft weiter aufrechtzuerhalten. Im vorigen Jahre sind im Wege der Kontingentierung rund 100.000 Tonnen aufgebracht worden, ein beträchtlicher Teil der aufgebrachten Menge musste aber in Form von Saatgut wiederum an die Landwirtschaft zurückgegeben werden, es war mit einem Wort eine Hin- und Herschieberei und dabei hat sich die Tatsache ergeben, dass die Saatgutversorgung nicht geklappt hat oder dass das Saatgut zu einer Zeit gekommen ist, wo der Anbau schon vorüber gewesen ist, oder dass die Leute Saatgut bekommen haben, das für ihre wirtschaftlichen Verhältnisse einfach nicht gepasst hat. Ich weiß aus meinem eigenen Wahlkreis in Obersteiermark, dass durch das Nichtklappen des Saatgutverkehres nicht diejenigen Flächen angebaut werden konnten, die die Landleute anbauen wollten.

Auch in der Öffentlichkeit ist die Frage erörtert worden, ob denn die Getreidebewirtschaftung bei den geringen aufbringbaren Mengen tatsächlich einen praktischen Wert habe. So schreibt das christlichsoziale Organ Steiermarks, das „Grazer Volksblatt", am 17. April folgendes (liest):

„Während früher von Regierungsstellen immer über die geringe Aufbringung geklagt wurde, findet der Staatssekretär jetzt auf einmal, dass im heurigen Jahr das Kontingentierungssystem eigentlich nicht versagt hat. Das zu sagen ist eine eitle Selbsttäuschung, wenn man weiß, dass das Kontingent nur zur Hälfte aufgebracht wurde. Schon im nächsten Satz kündigt Dr. Loewenfeld die Festsetzung einer Kontingentmenge an, die von der Landwirtschaft nicht als drückend empfunden wird. Das heißt auf gut deutsch, dass das Kontingent herabgesetzt wird. Aber wie die Erfahrung lehrt, werden Kontingente nie voll abgeliefert, und da ist also zu erwarten, dass Steiermark von der nächsten Ernte vielleicht gar nur 200 Waggons abliefert. Selbst für den Bedarf eines so kleinen Landes wie Steiermark wäre die Ablieferung bloß für wenige Wochen ausreichend. Und wegen dieser Kleinigkeit soll man erst einen schwerfälligen, kostspieligen Apparat in Tätigkeit setzen, den Verbrauchern unerfüllbare Hoffnungen machen und die Erzeuger fortwährend mit Ablieferungsmaßnahmen quälen?"

Und weiter sagt das christlichsoziale „Grazer Volksblatt" (liest):

„Der Staat beschränke sich auf die Bewirtschaftung des eingeführten Auslandsgetreides und trachte samt den Einfuhrgesellschaften, dass möglichst viel hereinkommt. Das inländische Getreide überlasse man der Bevölkerung als Zubuße. Wenn durch das Auslandsgetreide die volle Mehlmenge und eine Erhöhung der Brotportion gesichert sind, dann wird die Nachfrage nach Inlandgetreide, beziehungsweise -Mehl nicht so stürmisch sein wie Heuer. Dass es einen durch Gefahren und Verbote kostspielig gemachten Schleichhandel — wenigstens bei Getreide und Mehl — nicht mehr geben wird, weil ja der Verkehr frei ist, und da durch diesen freien Handel dann doch größere Mengen zur Verfügung stehen dürften, so ist anzunehmen, dass wir keine übermäßigen Preise erleben werden. Ein Hinweis auf das Emporschnellen der Haferpreise ist nicht am Platze, weil kein Hafer eingeführt und weil eben auch bei Hafer der Schleichhandel gezüchtet wurde."

Ich bin vollständig mit diesen Ausführungen des christlichsozialen „Grazer Volksblattes" einverstanden. Weiters veröffentlicht das „Grazer Volksblatt", das Organ der christlichsozialen Partei Steiermarks, am 23. Mai, und zwar unter der Überschrift „Misserfolg der Getreidebewirtschaftung in Steiermark" einen Artikel von Josef Karl, Abteilungsleiter im Verbande landwirtschaftlicher Genossenschaften, der die
Aufbringung des Getreides als Vorsteher dieser Verbandsabteilung durchzu-


 

führen hatte. Nachdem der Verfasser mitgeteilt hat, dass in Steiermark 297 Waggons Getreide aufgebracht wurden, sagt er, dass diese Menge (liest): „bei Berücksichtigung des normalen Versorgungsstandes der Nichtselbstversorger und, wenn der einbezogene Hafer außer Acht gelassen wird, ungefähr zur Deckung eines zehntägigen Landesbedarfes hinreicht."

Und er sagt weiters (liest):

„Bei diesem Umstande muss aus rein ökonomischen Gründen klipp und klar gesagt werden, dass die Getreideaufbringung, zumindest für Steiermark, wie überhaupt für die Alpenländer, ein überlebter Standpunkt ist."

Das sagt ein Mann, der in der Getreideausbringung gearbeitet hat.

Dann fragen wir uns weiter: welchen Praktischen Zweck soll es haben, dass in Vorarlberg die Zwangswirtschaft bestehen bleibt, wenn im Lande Vorarlberg 30 Waggons Getreide aufgebracht werden sollen. In Tirol sollen 40, in Salzburg 30, in Steiermark 300 und in Kärnten 120 Waggons Getreide aufgebracht werden. Steht insbesondere in Anbetracht dieser Gebirgsländer diese geringe aufbringbare Menge in irgendwelchem Verglich zu den ungeheuren Kosten, die der Apparat erfordert und im praktischen Verhältnis zu all der Sektiererei, mit der die Behörden belastet und zu all der Sektiererei, der die Landwirte fortwährend ausgesetzt sind? Diese aufbringbaren Mengen sind bezüglich der Ernährung ein Tropfen auf einen heißen Stein, von denen man nicht drei Tage leben kann, und der Schaden ist weit, weit größer als der Nutzen. Für Tirol bestand im vorigen Jahre die Zwangswirtschaft und soll natürlich auch Heuer nach dem Gesetze bestehen. Tirol hat im vorigen Jahre 27 Waggons Getreide aufgebracht und der Staat musste 1912 Waggons zuliefern. Da stehen doch die 27 Waggons und der ganze große Apparat im vollständigen Missverhältnis. Oder Kärnten: es hat 132 Waggons aufgebracht und zugeschoben mussten 1377 Waggons werden. Da ist noch zu berücksichtigen, dass ein Teil wieder in Form von Saatgut, das die Leute abgeliefert haben, zurückgegeben werden musste, dass ferner den Landwirten Getreide zurückgegeben worden ist in Form von Brot- und Mehlkarten; denn zu wiederholten Malen ist es vorgekommen, dass sie im Herbste abgeliefert haben und dann im März oder April die Brotkarte beanspruchen mussten. Mit einem Worte: eine Hin- und Herschieberei des Getreides aus verteuertem Wege. Aus verschiedenen Stimmen englischer Fachleute in der englischen Presse ist zu ersehen, dass diese die Zwangswirtschaft in Deutschösterreich absolut nicht verstehen können.

"Sollte wider Erwarten der Antrag aus Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung niedergestimmt werden, so werden wir eine Reihe von Abänderungsanträgen stellen, und zwar einen Antrag dahingehend, dass, wenn der betreffende Landwirt sein Getreidekontingent abgeliefert hat, er über den verbleibenden Rest frei verfügen kann. Die heutige Vorlage des Ausschusses sieht vor, dass erst das Überkontingent freigegeben wird, wenn das Landeskontingent abgeliefert ist. Diese Bestimmung ist eine Augenauswischerei; denn das Landeskontingent wird nirgends abgeliefert werden, das heißt praktisch, es wird nichts frei, es gibt kein freies Überkontingent. Oder nehmen wir theoretisch den Fall an, es kam die Ablieferung des Kontingentes zustande, so wäre, dies sicherlich vielleicht erst im Mai oder Juni, des nächsten Jahres der Fall, das heißt, durch das ganze Wirtschaftsjahr würde ungeschmälert die Zwangswirtschaft bestehen, mit einem Wort: die Bestimmung, das Getreidekontingent ist erst dann frei, wenn das Landeskontingent abgeliefert ist, hat keinen Zweck. Daher verlangen wir, dass nach Ablieferung des einzelnen Landwirtes, wenn er seiner Ablieferungspflicht nachgekommen ist, sofort sein Überkontingent frei ist. Wir haben diese Bestimmung auch in Steiermark bezüglich der Viehaufbringung. Nachdem die bisherige Viehaufbringung schon gar nicht mehr geklappt hat, ist man dazu übergegangen, eine Bestimmung aufzunehmen, welche dahin lautet, dass der Viehbesitzer, wenn er sein vorgeschriebenes Fleischkontingent abgeliefert hat, über die verbleibende Menge bei freier Preisbestimmung und im freien Handel nach Belieben frei zu verfügen hat. Und wenn die grundsätzliche Beseitigung der Zwangswirtschaft abgelehnt wird, so stellen wir auch bezüglich des Getreidekontingents und der Getreideaufbringung diese Forderung: Freigabe des individuellen Überkontingents.

Es wird auch mit der Frage sympathisiert, vom Landeskontingent abzugehen, weil es eine Augenauswischerei ist, und sich allenfalls auf die Freigabe des Überkontingents einzulassen, wenn das Bezirkskontingent abgeliefert ist. Auch diese Ansicht und diese Forderung ist ohne praktische Bedeutung. Im Interesse der raschen Ablieferung  müsste man den einzelnen für seine Lieferungsraschheit dadurch belohnen, dass er, wenn er abgeliefert hat, Freiherr über seine Erzeugnisse wird. Im Falle der Ablehnung des individuellen Überkontingents wird als weiterer Eventualfall die Ansicht vertreten, dass das Überkontingent dann freizugeben ist, wenn das Gemeindekontingent abgeliefert ist, und zwar im Interesse der Raschheit der Ablieferung. Denn die einzelnen Besitzer in der Gemeinde werden, damit sie möglichst bald von dieser Zwangsfessel befreit werden, alles daran setzen, dass die säumigen Landwirre möglichst rasch abliefern. Einer wird den anderen anspornen
und einer hat auf den anderen Einfluss. Es würde sich dadurch praktisch ergeben,


 

dass das Gemeindekontingent möglichst bald aufgebracht wird, deshalb möglichst bald aufgebracht wird, damit die einzelnen Grundbesitzer frei werden. Innerhalb der Gemeinde hat ein Besitzer aus den anderen den entsprechenden Einfluss und einer würde, möchte ich sagen, förmlich den anderen zwingen. Aber wenn gesagt wird, das Überkontingent würde erst freigegeben werden, wenn das Bezirkskontingent abgeliefert ist, so ist das ohne praktische Bedeutung, denn die einzelnen Landwirte oder die einzelnen Gemeinden haben auf die Abstellung des Bezirkskontingentes gar keinen Einfluss. Und dann müssen wir uns denn doch fragen, wie kommt der einzelne lieferungswillige Landwirt oder die rasch liefernde Gemeinde dazu, dass sie deswegen, weil ein paar Gemeinden im Bezirk mit der Ablieferung säumig sind, monatelang hingehalten werden und nicht die Freiheit über die Verfügung ihrer Produkte erhalten. (Sehr richtig!) Wir stellen daher zum vorliegenden Gesetze folgende Anträge (liest):

„Als Hauptantrag: Die bisherigen Bestimmungen über die Regelung des Verkehres mit Getreide und Mahlprodukten sind von Grund auf zu ändern.

Die Versorgung der Bevölkerung hat nach folgenden Gesichtspunkten zu geschehen:

1. Der Verkehr mit Getreide und Mahlprodukten inländischer Herkunft ist frei.

2. Für die Nichtselbstversorger hat der Staat den Getreide- und Mehlbedarf durch ausländische Bezüge und durch freien Ankauf, im Inlande sicherzustellen und für die Übergangszeit zu verbilligten Preisen an die Verbraucher abzugeben."

Im Falle der Ablehnung dieses Antrages werden zu dem Gesetze folgende Zusatzanträge gestellt (liest):

„Zu Artikel I die Einfügung der Zahl 13 und die Einfügung der Zahl 19."

Ein zweiter Abänderungsantrag zum § 5, Absatz 2, der zu lauten hätte (liest):

„Im Übrigen kann er die beschlagnahmten Sachen (§ 2) zur Deckung des Bedarfes seines landwirtschaftlichen Unternehmens verwenden. Insoweit eine Verwendung für diese Zwecke nicht stattfindet und noch ein weiterer Getreideüberschuss vorhanden ist, kann der Unternehmer diese Menge nach Ablieferung seines Kontingentes frei veräußern."

Das heißt, wenn der einzelne sein Kontingent abgeliefert hat, kann er über den Rest frei verfügen.

Für den Fall der Ablehnung dieses Antrages stellen wir folgenden Eventualantrag zum § 5, Absatz 2 (liest):

„Im Übrigen kann er die beschlagnahmten Sachen (§ 2) zur Deckung des Bedarfes seines landwirtschaftlichen Unternehmens verwenden. Insoweit eine Verwendung für diese Zwecke nicht stattfindet und noch ein weiterer Getreideüberschuss vorhanden ist, ist nach Abstellung des Gemeindekontingentes eine Veräußerung des Getreides und der Mahlprodukte zulässig."

Das heißt, wenn die Gemeinde das vorgeschriebene Kontingent abgeliefert hat, dann können die Gemeindeinsassen über den verbleibenden Rest frei verfügen.

Ein dritter Abänderungsantrag zum § 5, Absatz 4 (liest):

„Der ganze Absatz ist zu streichen und hat zu lauten:

Der Verkehr mit Saatgut unter Land wirten ist frei. Die nachweisbar zu Saatgutzwecken von einem landwirtschaftlichen Unternehmer abgegebenen Getreidemengen werden ihm von dem vorgeschriebenen Kontingente ab- und dem Käufer zugeschrieben."

Das soll den Zweck haben, die Saatgutversorgung für den nächstem Anbau sicherzustellen. Den Landwirten soll die Ermächtigung eingeräumt werden, dass sie sich selbst das Saatgut versorgen können. Der Staat kommt bei der Ablieferung nicht zu kurz, denn dem Landwirte, der Saatgut an einen anderen zu Saatzwecken abgibt, wird diese abgegebene Menge abgeschrieben und dem empfangenden Landwirt wird dann diese Menge zu seinem Kontingent zugeschrieben.

Dadurch soll eine glattere und raschere Abwicklung des Saatgutverkehrs ermöglicht werden. (Sehr gut!)

Ein vierter Zusatzantrag (liest):

„Im § 13 des Gesetzes ist als neuer Absatz hinzuzufügen:

Der bisherige Mahlscheinzwang und die Sperre der Hausmühlen der landwirtschaftlichen Unternehmer ist aufgehoben."

Tatsächlich ist in den meisten Ländern der Mahlscheinzwang und die Hausmühlensperre ohnedies schon aufgehoben und es richtet sich ohnedies heute kein Mensch mehr nach dieser Mühlensperre. Es liegt
also im Interesse der Sache, dass dies nun auch auf legalem Wege durchgeführt wird.

Ein fünfter Zusatzantrag als zweiter Absatz zum §19 (liest):

„Gegen das Straferkenntnis, das schriftlich auszufertigen und dem Bestraften ordnungsmäßig zuzustellen ist, ist eine Berufung innerhalb 14 Tagen an die Landesregierung, gegen das Erkenntnis der Landesregierung eine Berufung innerhalb derselben Zeit an das Staatsamt des Innern zulässig."

Es ist selbstverständlich, dass man auch den Landwirten die Berufung an die nächsthöhere Instanz ermöglichen muss.

Als Resolutionen beantragen wir folgende (liest):

„ 1. Die Staatsregierung hat die strengsten Anordnungen für die sorgsamste Verwahrung des abgelieferten Getreides zu erlassen und jeden Funktionär, durch dessen Verschulden Getreide und Mahlprodukte zugrunde gehen, der gerichtlichen Bestrafung wegen mangelnder Obsorge zuzuführen sowie zur Ersatzleistung zu verhalten."

Ich glaube, es ist selbstverständlich, dass dort, wo das amtliche Organ schlecht gewirtschaftet hat und Ware dem Verderben ausgeliefert worden ist, der Betreffende zum Ersatz verhalten und zur Rechenschaft gezogen wird.

Eine weitere Entschließung:

„2. Jeder Gemeinde ist das Recht einzuräumen, die ortsansässigen Nichtselbstversorger für das ganze Jahr im Voraus aus dem abgelieferten Kontingent mit Getreide zu beteilen und dieses in der Ortsmühle Zermahlen zu lassen. Der Staatsgetreideanstalt gebührt für diese Getreidemenge keinerlei Manipulationsgebühr."

Wie war es heute praktisch? Eine Gemeinde musste beispielsweise im Herbst abliefern und nach zwei Monaten musste derselben Gemeinde wieder von Gott weiß woher Getreide zugeschoben werden. Zuerst ein Abschieben des Getreides, dann ein Zuschieben des Getreides, mit einem Wort, die Schieberei, wie wir sie während des ganzen Krieges miterlebt haben, wodurch die Versorgung erschwert und vor allem verteuert wird.

Als weitere Entschließung (liest):

„Die Regierung wird aufgefordert, alle Maßnahmen zu treffen, um der Not an Lebensmitteln ein Ende zu bereiten. Sie hat zu diesem Zwecke Verfügungen zu erlassen, deren wesentlicher Inhalt folgender ist:

Die Einfuhr von Lebensmitteln (mit Ausnahme von unnötigen Luxusartikeln) und deren inländischer Handelsverkehr ist frei. Sämtliche Einfuhrbeschränkungen für diese Lebensmittel werden aufgehoben. Die Zollbehandlung hat in kürzester und einfachster Weise zu erfolgen."

Diese Entschließung soll den Zweck verfolgen, dass auch dem privaten Kauffmann, dem privaten Händler die Möglichkeit gegeben werde, aus dem Auslande Getreide hereinzubringen. Bei den heutigen Sekkaturen und Erschwernissen ist es allerdings dem privaten Händler und dem privaten Kaufmann nicht möglich gewesen, Getreide einzuführen. Unsere Kaufleute haben im Auslande von der Friedenszeit her die vielfachsten Beziehungen. Unsere Kaufleute haben ausländischen Kredit und können sich ihn vielfach mit Leichtigkeit verschaffen, häufig viel eher als der Staat selbst. Ihnen soll nun wiederum die Möglichkeit zur Betätigung gegeben werden.

Ein derartiger privater Handelsverkehr mit dem Auslande ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn der Staat nicht alle möglichen Erschwerungen einführt. Wenn es so gemacht wird wie bisher, wenn sich der Staat für eingeführte Waren das Beschlagnahmerecht usw. Vorbehalt, ist es selbstverständlich, dass dann niemand dieses Risiko übernehmen kann.

Ich möchte ein praktisches Beispiel anführen. Im vorigen Jahr beabsichtigte der steirische Bauernbund 200 Waggons Mais, zu Futterzwecken einzuführen. Die Verträge sind bereits geschlossen gewesen. Es hat zwei Monate gedauert, bis man von Wien und von der Landesregierung die Bewilligung erhalten hat. Zwei Monate! Die Konjunktur war während dieser Zeit selbstverständlich längst vorüber. In dieser Bewilligung hat es geheißen: Ja, ihr dürft es einführen, aber wenn die Not an Futtermitteln im Lande groß ist oder wenn das Land aus Nahrungsmittelnot diese Menge für sich in Anspruch nimmt, dann seid ihr verhalten, die Hälfte des Eingeführten dem Lande zu dem Preise, den sie auch vorgeschrieben haben, zur Verfügung zu stellen.

Dass unter solchen Umständen jedes Einfuhrgeschäft hinfällig wird und nicht durchgeführt werden kann, ist eine Selbstverständlichkeit.

Ich glaube, derjenige, der im praktischen Leben steht, muss längst zur Erkenntnis gekommen sein, dass eigentlich ein radikaler Schritt notwendig ist. Ich möchte da an die Ausführungen eines Engländers, „Für den Handel" von Hirst erinnern. Er schreibt (liest):

„Die vorherrschende Meinung der Fachleute geht dahin, dass zwischen Österreich und seinen


 

Nachbarstaaten die Freiheit des Handels wieder hergestellt werden  müsste. Ich wünschte, die österreichische Regierung würde mit gutem Beispiel vorangehen: dies würde, glaube ich, für die Bevölkerung sofort große Vorteile mit sich bringen, denn in kurzer Zeit würden auch die Regierungen von Prag, Budapest und Belgrad diesen Schritt als erwünscht und nützlich erkennen und dem Beispiel folgen. Sicherlich ist auch die Zeit dafür gekommen, dass die österreichische Regierung die Höchstpreise und die anderen Handelsbeschränkungen aufgebe. Ein solcher Schritt würde den Wiener Markt wieder Herstellen und allmählich die natürlichen Verhältnisse zurückbringen."

Die führenden Volkswirtschaftler in Österreich sind derselben Ansicht. Wenn in Österreich die Zwangswirtschaft aufgehoben, wenn dem freien Handel und dem Auslandshandel die Möglichkeit der Betätigung gegeben wird, dann können die anderen Staaten auf die Dauer ihre Verbote und ihre Zwangswirtschaft nicht aufrecht erhalten, weil aus allen möglichen Wegen Getreide nach Österreich herein käme.

Es wäre daher im Interesse der gesamten Bevölkerung gelegen, wenn die Zwangswirtschaft grundsätzlich aufgehoben und wenn das Versprechen, das im Jänner vorigen Jahres der Bevölkerung gegeben worden ist, von den bürgerlichen Parteien eingelöst würde. Ich möchte wiederum vorlesen, was das „Grazer Volksblatt", das christlichsoziale Organ, am 11. Mai anlässlich des Feldbacher Rummels über die Zwangswirtschaft geschrieben hat. Unter der Überschrift „Weg mit der Zwangswirtschaft" heißt es (liest):

"An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Wenn die staatliche Bewirtschaftung, die behördliche Regelung solche Früchte trügt — Hunger in den Städten, Aufruhr am Lande —, dann muss man sich denn doch ernstlich fragen, ob das der richtige Weg ist. Der Staat legt durch die Zwangsbewirtschaftung den Bauernstand in Fesseln und drängt ihn in eine Lage, die noch viel ungünstiger ist als die der Friedenszeit, in eine Lage, die den Bauer von Grund und Boden vertreiben muss!"

Und weiter heißt es (liest):

"Also einerseits: immer weniger Produktion, Drangsalierung des Bauers, Requirieren, Zwangsmaßnahmen, Verbitterung des Bauernstandes, Abstrafungen von Landwirten, Untergrabung der Existenz des Bauernstandes — anderseits der tatsächliche Effekt: stetes Sinken der staatlich ausbringbaren Lebensmittelmengen, rasches Überhandnehmen des Schleichhändler- und Schiebertums, unerschwingliche Preise, für die der Verbraucher sich Lebensmittel im Schleichhandel beschaffen muss, vollkommener wirtschaftlicher Ruin des Mittelstandes, vor allem der Festbesoldeten. Verfall jedweder Moral und Sittlichkeit."

Das christlichsoziale Organ bezeichnet also den Kampf gegen die Zwangswirtschaft als Maßnahme der Moral und Sittlichkeit. Ich stimme diesen Ausführungen vollständig bei und in unseren Anträgen ist dies auch zum Ausdrucke gebracht.

Ich glaube daher annehmen zu können, dass die christlichsoziale Partei, deren Bänke leider sehr leer sind, nach solchen Ausführungen unbedingt für die Aufhebung der Zwangswirtschaft stimmen muss. Die Bevölkerung könnte es sonst absolut nicht verstehen, dass man draußen den Kampf gegen die Zwangswirtschaft als sittlichen und moralischen Kampf bezeichnet und in der Nationalversammlung für die Zwangswirtschaft stimmt.

Auch von der konsumierenden Bevölkerung wird diese Ansicht vertreten. In einem Bericht über die Versam­mlung eines christlichsozialen Abgeordneten heißt es in der Nummer der „Reichspost" vom 5. Mai (liest):

"Im Interesse der Allgemeinheit fordern wir daher, um die Agrarerzeugung zu vermehren, vor allem die Aushebung der Zwangswirtschaft und des unglücklichen Höchstpreissystems für landwirtschaftliche Produkte."

Und in den „Wiener Stimmen" vom 10. Juni heißt es in einem Artikel:

„Die Festbesoldeten und unsere Wirtschaftspolitik. Vom Abgeordneten Leopold Kunschak, Obmann der Christlichsozialen Gesamtpartei. Aus einer Rede in der gestrigen Versammlung der Christlichsozialen Beamtenorganisation", also aus einer Rede, die von Konsumentenvertretern gehalten worden ist, aus einer Rede, die der christlichsoziale Arbeiterführer gehalten hat, unter Fettdruck (liest):

"Es unterliegt keinem Zweifel, dass unsere großen Kaufhäuser in der Lage wären, riesige Mengen von Lebensmitteln und Bedarfsartikeln aus dem Auslande hereinzubringen. Dasselbe gilt von der, Industrie, kann ja, doch schon ein kleiner Gewerbetreibender unter Umständen ausländischen Kredit haben. Alle diese Möglichkeiten können jedoch nicht ausgenutzt werden, weil wir die Zwangswirtschaft haben, durch welche die privaten Unternehmer verhindert werden, sich selbständig auf eigenes Risiko zu betätigen.

Untere ganze Wirtschaft leidet außerordentlich darunter und darauf ist es zurückzuführen, dass es zu einer Verbilligung der Lebenshaltung infolge des erhöhten Angebotes aus den Märkten nicht kommen kann. Die Konsequenz für uns ist, dass wir diese Zwangswirtschaft, die ein selbstmörderisches Hindernis ist für unsere wirtschaftliche Entwicklung, endlich beseitigen." Heute ist Gelegenheit, dieses
selbstmörderische Mittel zur Hinderung unserer Volkswirtschaft aus

dem Wege zu schaffen, wenn alle bürgerlichen Parteien, Mann für Mann, für die Forderungen einstehen, wie sie das „Grazer Volksblatt" im Interesse des moralischen und sittlichen Kampfes und wie sie Abgeordneter Kunschak als Obmann der Christlichsozialen Gesamtpartei vertritt. Die Bevölkerung erwartet daher -— nicht nur die bäuerliche Bevölkerung, sondern auch die konsumierende — dass endlich diesen Worten auch die Taten folgen.

Im Ernährungsausschuss ist unser Antrag auf Freigabe des inländischen Verkehrs mit einem Stimmenverhältnis von 7:6 abgelehnt worden; die bäuerlichen Vertreter beider Parteien haben einstimmig für die Freigabe des inländischen Verkehrs gestimmt, dagegen haben die Sozialdemokratische Partei und der Gewerbevertreter Partik gestimmt.

Ich finde es nicht begreiflich, dass gerade der Herr Kollege Partik als Gewerbevertreter, zumal das Gewerbe gleichfalls die Beseitigung der Zwangswirtschaft fordert und er zu wiederholten Malen in Versammlungen die Aufhebung der Zwangswirtschaft verlangt hat, es war, welcher mit den sozialdemokratischen Stimmen die Forderung nach Aufhebung der Zwangswirtschaft zu Fall gebracht hat.

Meine Herren, das heutige Zwangssystem, das über der Landwirtschaft aufgerichtet ist, erinnert so recht lebhaft an die Zeiten des Robot und der Leibeigenschaft. Auch heute haben wir dasselbe System. Die Zwangswirtschaft gleicht aufs Haar der Untertänigkeit, dem Robot. (Lachen.) Aber heute ist der allmächtige Herr nicht wie seinerzeit der Zwingherr, heute ist der Zwingherr der Staat, welcher den Bauernstand in dieselben Fesseln legt, wie vor Jahrzehnten die Untertänigkeit, die Robot. Es ist daher der Kampf der Bauernschaft nach Beseitigung der Zwangswirtschaft ein Freiheitskampf und wir wundern uns, dass uns gerade die Arbeiterschaft in dieser Frage in den Rücken fällt. (Lachen und Zwischenrufe.) Die Arbeiterschaft kämpft mit allen zu Gebote stehenden Mitteln um ihre wirtschaftliche und politische Freiheit.

Wie haben Sie geschrien und wie haben Sie gekämpft, als während des Krieges die Industriebetriebe unter staatlicher Aufsicht gestanden sind? Wie haben Sie sich dagegen gewehrt, dass vor den Toren der Industriebetriebe ein alter Landwehrmann gestanden ist? Sie haben diese Zwangswirtschaft als unerträglich bezeichnet und Sie haben mit allen Mitteln diesen Befreiungskampf geführt. Auch hier handelt es sich von Seiten der Bauernschaft letzten Endes um einen Kampf um die Erringung der Freiheit. Sie wissen, wie die Bauernschaft um ihre wirtschaftliche Freiheit gerungen hat, wenn wir uns die Zeit der Bauernkriege vergegenwärtigen, wenn wir uns vergegenwärtigen den Kampf, den sie zu führen hatte, um befreit zu werden von der Zwangsherrschaft, von der Robot und Untertänigkeit. Heute ist der Kampf derselbe. Und da wundern wir uns, dass gerade Sie als Freiheitsverkünder dem Landwirt dem Bauern die Freiheit nicht geben wollen. Ich bin der Überzeugung, dass sich die Bauernschaft diese Fesseln nicht länger gefallen lässt, sondern dass die Bauernschaft mit allen zu Gebote stehenden Mitteln sich die Freiheit erringen, erkämpfen wird. Und weil wir das voraussehen, weil wir die Psyche der Bauern kennen, deswegen wollen wir, dass rechtzeitig auf legalem Wege die Zwangswirtschaft aus dem Wege geräumt wird. (Lebhafter Beifall.)

Präsident: Der Herr Abgeordnete Stocker hat einen als Abänderungs- und Zusatzantrag bezeichneten Antrag gestellt. Er lautet (liest):

„Die bisherigen Bestimmungen über die Regelung des Verkehres mit Getreide und Mahlprodukten sind von Grund auf zu ändern. Die Versorgung der Bevölkerung hat nach folgenden Gesichtspunkten zu geschehen."

Folgen dann die Gesichtspunkte. Ich bemerke, dass ich in dieser Form den Antrag als einen Gesamtgegenantrag gegen das in Verhandlung stehende Gesetz nicht zur Abstimmung bringen lassen kann. Wenn der Abgeordnete Stocker den Wunsch hat, einen Gesetzentwurf dem Hause zu unterbreiten, der als ein Gesamtgegenantrag gegen den vorliegenden Gesetzentwurf gelten soll, so muss er ihm auch die hiezu notwendige verfassungsrechtliche Form geben. Ich würde also diesen Antrag in der Form nicht zur Abstimmung bringen können.

Die übrigen Abänderungsanträge sind dem Hause bekannt, die Anträge sind auch gehörig gezeichnet und stehen daher in Verhandlung.

Zum Worte gelangt der nächste Redner Abgeordneter Buchinger.

Abgeordneter Buchinger: Hohes Haus! Heute stehen wir wieder in der Beratung über die Getreidekontingentierung, über jene Zwangswirtschaft, welche uns seit dem Jahre 1915 auf dem Gebiete der Landwirtschaft nicht verlassen hat. Ich brauche dabei nicht extra aufmerksam zu machen, dass aus der einen Seite die unselige Preispolitik und auf der anderen Seite die Zwangswirtschaft die Produktion unserer Landwirtschaft in jedem Gebiete und in jedem Belange unbedingt unterbunden hat. Die Landwirtschaft ist keine Maschine, die man so leicht regulieren kann, in der Landwirtschaft muss mit besonderer Zähigkeit und Ausdauer sinngemäß und fachlich gearbeitet werden, um das Möglichste aus ihr hervorzubringen.


 

In unserem Staatsgebilde wird oft und oft gesprochen von dem Wiederaufbau unseres gesamten Staatswesens. Ich kann mir den Wiederaufbau unseres Staatswesens nicht anders vorstellen, als in der Weise, dass die Landwirtschaft in erster Linie gekräftigt, dass sie produktionsfähig gemacht wird, denn die Landwirtschaft ist in unseren Staatsgebilde die Grundlage für ein Weitergedeihen.

Meine Herren! Die Bauernvereinigung, speziell der Reichsbauernbund, haben x-mal ihre warnende Stimme erhoben, aber leider haben wir mit der Forderung, dass man uns endlich einmal von der einseitigen Zwangsbewirtschaftung unserer landwirtschaftlichen Produkte befreien möge, immer taube Ohren gefunden. Ich erkläre hier, dass sich die Landwirtschaft jederzeit dessen bewusst ist, dass sie ihre Pflicht gegenüber der Ernährung der Allgemeinheit durch Ablieferung erfüllen muss, aber wir stehen auf dem Standpunkte der freien Wirtschaft. Unser Ideal, das wir alle anstreben, ist die freie Wirtschaft für unsere landwirtschaftliche Produktion, was wir wollen, ist, dass wir hier genau sowie die Industrie volle Freizügigkeit haben. Ich bin mir auch voll und ganz dessen bewusst, dass wir heute noch vollständig vom Auslande abhängig sind, weil wir nicht jene Mengen von Lebensmitteln produzieren können, die wir benötigen. Ich bin mir auch voll und ganz dessen bewusst, dass wir Verteilungsstellen haben müssen, solange das System der Brot- und Mehlkarten nicht gefallen ist.

Aber in unserer jetzigen Situation müssen wir uns auch fragen: Was ist möglich, was können wir unter den gegebenen Umständen erreichen? Und an diesem Möglichen müssen wir festhalten, damit wir wenigstens unsere Forderungen durchsetzen können. Im vorigen Jahre hatten wir eine Kontingentierung und ein Getreidebewirtschaftungsgesetz. Ich sage es ganz offen, dass es nicht eine Kontingentierung in dem Sinne war, wie wir sie uns vorgestellt haben, denn unter Kontingentierung verstehe ich, dass ich, wenn ich mein vorgeschriebenes Quantum abgeliefert habe, über den Überschuss nach meinem Gutdünken verfügen kann. Das war leider nach dem Getreidebewirtschaftungsgesetze vom Jahre 1919 nicht der Fall. Alls der anderen Seite war dieser unheimliche Mahlscheinzwang, der speziell von unserer Landesregierung in Niederösterreich sehr drückend ausgeübt wurde. Andere Landesregierungen haben von diesem Mahlscheinzwang nichts gewusst. Für unsere Wirtschaft war dieser Mahlscheinzwang aber sehr drückend. Die Landwirte haben 12 Kilogramm Korn monatlich zur Vermahlung zu Verfügung gehabt und auf der anderen Seite wurde unter Patronanz unserer Landesregierung den organisierten landwirtschaftlichen Arbeitern in den Kollektivvertragen eine Zubuße von 20 Kilogramm. Mehl bewilligt, trotzdem dabei eigentlich die Mahlvorschriften sicherlich übergangen worden sind, weil laut Verordnung der Landesregierung nur 12 Kilogramm bewilligt waren. Dafür trachten wir auch möglichst, dass wir den Mahlscheinzwang in den Ländern, die ihn noch eingeführt haben, zu Falle bringen.

Weiters noch zur Kontingentierung für das Jahr 1919: Als praktischer Landwirt und als Obmann, einer landwirtschaftlichen Genossenschaft erkläre ich Ihnen, dass das Kontingent für das vorige Jahr unter allen Umständen zu hoch war. Der Landwirtschaft war es gar nicht möglich, dieses Kontingent zur Abstellung zu bringen, aus dem ganz einfachen Grunde, weil dieses Kontingent in den Monaten April und Mai zur Ausstellung kam, in denen wir im vorigen Jahre die beste Hoffnung auf eine gute Ernte hatten. Leider war die Blütezeit speziell für das Edelgetreide ziemlich ungünstig und so haben wir schon beim Schnitt und erst recht beim Drusch gesehen, dass die Ernte weit hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben ist.

Nun möchte ich mir erlauben, auf das Getreidekontingentierungsgesetz für das heurige Jahr einzugehen. Der § 5 der Regierungsvorlage sagt, dass der Überschuss den landwirtschaftlichen Genossenschaften zur Verfügung stehen soll. Wir Landwirte haben dagegen Stellung genommen, weil die landwirtschaftlichen Genossenschaften freie Gebilde unserer Organisation und kein Hemmschuh sein sollen, durch den ein Zwang aus die Mitglieder unserer eigenen Genossenschaften ausgeübt werden soll. Die Genossenschaften sollen so fest in der bäuerlichen Bevölkerung wurzeln, dass wirklich jeder einzelne Landwirt Mitglied ist und seine Pflicht erfüllt. Es ist unsere volle Überzeugung, dass wenn die Genossenschaften ein Zwang für die Bauern sein sollen, dass dadurch das Genossenschaftswesen nicht gestärkt, sondern fein Ansehen mehr oder weniger abbröckeln würde.

Ich komme auch auf die sogenannte Reichswirtschaftskommission zu sprechen. Es wird uns immer zum Vorwurf gemacht, dass in der Reichswirtschaftskommission doch die Vereinbarungen mit den Landwirten abgeschlossen worden sind. Ich erkläre: Wenn die Landwirte die Vereinbarungen abgeschlossen haben, wozu braucht man die Nationalversammlung, wenn diese Vereinbarungen diesbezüglich bindend sein sollen? Aus der einen Seite werden mit dieser Reichswirtschaftskommission Vereinbarungen abgeschlossen und aus der anderen Seite soll diese Verantwortung niemand anderer tragen als die Nationalversammlung, nicht aber die Reichswirtschafts­kommission. Wenn ich gerade von der Reichswirtschaftskommission spreche, so bitte ich nicht zu glauben, dass die Produzenten keinen Vertreter hatten, denn ich verweise daraus,
dass der sozialistische Vizepräsident des


 

Landeskulturrates Christof, ein ehemaliger Beamter, als Vertreter der Produzenten von Niederösterreich zugezogen war. Das wurde mir von einem Mitgliede diesbezüglich berichtet und dagegen protestieren wir.

Ich will nicht zu lange aufhalten, aber noch eine kurze Bemerkung über die Preise sei mir gestattet. Die Landwirtschaft gibt ihrer Meinung dahin Ausdruck, dass sie als Preis für ihre Produkte einen gerechten Lohn für ihre Arbeit erhalten muss, das ist einen Lohn, der den Gestehungskosten entspricht. (Sehr richtig!) Bei dieser Gelegenheit möchte ich speziell darauf aufmerksam machen, dass heute Superphosphat 800 K pro 100 Kilogramm kostet und schwefelsaures Ammoniak 1500 K pro 100 Kilogramm.

Ich will auch auf den landwirtschaftlichen Streik zu sprechen kommen, der mehr oder weniger in Niederösterreich setzt vor der Ernte in Aussicht steht, und ich sage speziell in bezug auf die Arbeiterfrage, dass, wenn da zu stark gerüttelt wird, Sie nicht den Bauern einen Hieb versetzen werden, sondern in erster Linie wird dieser Hieb, wenn die Einbringung der Ernte bedroht ist, die Produzenten treffen. Was wir verlangen, ist die gleiche Behandlung der Landwirte mit der der übrigen Bevölkerung.

Es wurde uns auch mehr oder weniger hoch vorgerechnet, dass der Staat 100 Millionen Kronen pro Jahr für die sogenannte Warenverteilungsstelle ausgibt. Ich habe bei der landwirtschaftlichen Warenverteilungsstelle öfters zu tun und scheue mich nicht zu sagen, dass sie manchmal ihre Aufgabe nicht erfüllt, weil sie oft nicht in der Lage ist, ihre Aufgabe so zu erfüllen, wie es notwendig wäre. Die landwirtschaftliche Warenverkaufsstelle hat zu jener Zeit eine Berechtigung gehabt, in der durch das Sinken unserer Valuta die Warenpreise im Auslande im Steigen begriffen waren; zu dieser Zeit war es noch möglich, Waren bei dieser Verkaufsstelle einkaufen zu können. Aber wie die Verhältnisse heute liegen, kauft man bei jedem Kaufmanne besser und billiger ein als bei der landwirtschaftlichen Warenverkaufsstelle und deshalb sage ich, dass damit der für unsere Landwirtschaft angestrebte Zweck nicht erfüllt ist.

Die Grundbedingung der heurigen Getreidebewirtschaftung ist im Interesse des Staates, dass das Getreidekontingent möglichst rasch erfasst wird und möglichst rasch dem Staate zur Verfügung steht. Da denke ich, dass wir das nur dann erreichen können, wenn wir trachten, heute bei der Nationalversammlung durchzusetzen, dass derjenige, der sein Einzelkontingent abgeliefert hat, über seinen Überschuss frei verfügen kann. Dazu benötigen wir allerdings eine starke Kontrolle, die sofort nach der Ernte umsetzen muss, und ich glaube, die Regierung wird imstande sein, nach der Ernte eine dementsprechende

Kontrolle auszuüben. Die Regierung muss sich einmal aufraffen, den Schleichhandel auszurotten, der ja heute noch verboten ist, genauso wie der Rucksackverkehr verboten ist, aber man sieht trotzdem auf jeder Eisenbahnstation die Schleichhändler mit ihren Rucksäcken daherkommen. (Abgeordneter Weber: Die Bürgermeister sollen das machen!) Es ist ja nicht in jeder Gemeinde eine Eisenbahnstation und der Bürgermeister auf dein Lande draußen ist meist ein Bauer, ein Landwirt, der während des Tages keine Zeit hat, die Gemeinde zu überwachen; die Amtsstunden des Bürgermeisters auf dem Lande sind deshalb Zeitlich in der Früh, zu Mittag oder spät in der Nacht. Anderseits aber werden Sie, meine Herren, sagen, zum Schleichhandel gehören zwei: einer, der den Schleichhandel betreibt und einer, der dem Schleichhändler verkauft. Ich sage Ihnen aber, dass in der nächsten Nähe von Wien, trotzdem niemandem etwas im Schleichhandel verkauft werden soll, den Bauern unter außerordentlichem Drucke angedroht wird, dass ihnen die Häuser angezündet werden, wenn sie nichts verkaufen, so dass die Bauern unter unwiderstehlichem Zwange etwas hergeben. (Abgeordneter Weber: Unter der Sucht, zu verdienen!) Keine Rede.

Die Landwirtschaft im Tullner Bezirk — und ich rechne ihr das zur Ehre an — war es, die den Schleichhandel endlich eingestellt hat und im Vorjahr ist durch volle vier Wochen nichts hereingekommen. Was war aber die Folge? Der Schleichhandel ist wieder ausgeblüht, weil die Ernährungsverhältnisse derartige waren, dass es geheißen hat: Wien kann ohne den Schleichhandel nicht leben. Da war wieder ein Erwachen des Schleichhandels und des Rucksackverkehrs auf der Tagesordnung. Ich verweise nur auf die Kartoffeln, die jetzt draußen schon gestohlen werden, obwohl sie noch nicht einmal halb reif sind. Die Kartoffeln werden vielfach auf dem Boden gezogen und das ganze wird eigentlich systematisch betrieben.

Ich erkläre hier ausdrücklich, dass die Bauernschaft kein Interesse am Schleichhandel hat, sondern es wirklich nur begrüßen würde, wenn die Regierung in der Lage wäre, dem Schleichhandel ein Ende zu machen. Was die Ablieferung der Kontingente betrifft, so waren wir im Vorjahre jederzeit bestrebt, als bäuerliche Vertreter auf eigenen Bauerntagen in den einzelnen Gerichtsbezirken die Leute aufzufordern, dass sie unbedingt ihre Pflicht erfüllen. Speziell Niederösterreich hat so ziemlich seine Getreidemenge aufgebracht, natürlich nicht voll, weil ja das Kontingent, wie ich eingangs erwähnt habe, im Verhältnis zur Ernte unbedingt viel zu hoch war.

Ich erlaube mir jetzt einen Resolutionsantrag, betreffend die Aufhebung der
Mahlscheinverordnungen, einzubringen, denn was in anderen Ländern möglich


 

 

ist, muss auch in Niederösterreich und in den übrigen Ländern möglich sein.

Die Resolution lautet (liest):

„Die Regierung wird aufgefordert das Nötige zu verordnen, damit von Seiten der Landesregierungen Mahlscheinverordnungen nicht mehr erlassen werden."

Und nun, hohes Haus, will ich Sie nicht mehr lange aufhalten. Die Landwirtschaft ist jederzeit bereit, an dem Wiederaufbau mitzuwirken; sie weiß voll und ganz, dass auch die anderen Konsumenten leben wollen und dass der Bauernstand auch in Zukunft der Nährstand im Lande sein soll, wie er es bisher gewesen ist. Aber, hohes Haus, verschaffen Sie auch der Landwirtschaft die Möglichkeit zu arbeiten, verschaffen Sie ihr die nötigen Mittel, speziell den nötigen Kunstdünger, damit unsere Landwirtschaft wieder möglichst viel produzieren und aus dem Boden herausbringen kann. (Abgeordneter Schiegl: Aber nichts abliefern!) Was die Ablieferung anbelangt, verehrter Kollege Schiegl, so kann die Bauernschaft noch stolz sein auf die Mengen, die sie zur Ablieferung gebracht hat. Seien Sie versichert, dass die Konsumenten in der freien Wirtschaft gewiss noch viel mehr erhalten würden , als unter der Zwangswirtschaft, denn die Zwangswirtschaft ist alles eher, nur nicht Produktionsfördernd. Damit schließe ich. ( Beifall und Händeklatschen.)

Präsident Hauser (welcher während vorstehender Ausführungen den Vorsitz übernommen hat): Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Größbauer.

Abgeordneter Größbauer: Hohes Haus! Alle Reden haben heute mit den Worten ausgeklungen. Frei werden soll die Wirtschaft des Getreides! Es ist ja logisch, dass jeder über seine Arbeit frei verfügen will, und das Erzeugnis des Landwirtes ist eben auch nur ein Ausfluss seiner Arbeit. Es ist merkwürdig, dass man nicht einsieht, dass der freie Verkehr nicht nur für den Produzenten von Vorteil ist, sondern auch für den Konsumenten. Es ist heute viel vom Schleichhandel gesprochen worden und es ist richtig: der Schleichhandel verteuert alles. Ich sage aber, dass der Schleichhandel in dem Moment, wo das Getreide frei wird, von selbst aufhören wird. Man wird dann keinen Schleichhändler mehr kennen, denn wenn das Getreide frei wird, dann wird der Bäcker und Greisler etwas haben und es wird niemandem mehr einfallen, sich im Schleichhandel oder auf dem Hamsterwege zu versorgen, sondern jeder wird einfach zum Bäcker oder Greisler gehen und sich kaufen, was er braucht. Wenn aber die Preise etwas anziehen, so ist es logisch, dass die staatliche Bewirtschaftung da mitspielt, denn der Staat rechnet auch mit dem ausländischen Getreide, für das er jeden Preis zahlen muss. Wenn aber der Preis auch etwas anzieht, so wird das Mehl den Konsumenten immer noch billiger kommen, als es heute im Schleichhandel oder beim Hamsterer ist. Wie weit fährt denn jemand heute um 30 K mit der Eisenbahn? Hin und her — gar nicht weit.

Und sagen wir, es geht jemand hinaus hamstern und er hat Glück, er hat sich drei bis vier Kilogramm erhamstert — wenn er dazu rechnet, was ihn die Eisenbahn gekostet hat, wie teuer kommt ihm dann die gehamsterte Menge? Wenn er es aber kommod beim Greisler oder Kaufmann kaufen kann, dann wird es ihm gewiss nicht teurer kommen. Denn wenn er heute hinauskommt, muss er gute Worte ausgeben und viel Geld — das wissen wir ja. Wir wissen auch und können es Nachweisen, dass die Versorgung durch den freien Handel besser wird, wir haben Beispiele dafür. Seitdem das Fett frei ist, ist das Fett da; früher hat man überall geklagt, dass kein Fett da sei, speziell bei uns war Fett nicht zu haben und auch die Arbeiterschaft hat geschrieen: wenn wir nur Fett haben könnten! Seitdem das Fett frei ist, hat man Fett in Hülle und Fülle. (Abgeordneter Schiegl: Das ist doch kein inländisches Fett!). Nein, es ist ausländisches Fett. ( Staatssekretär für Volksernährung Dr. LoewenfeId-Ruß: Der Staat hat es importiert und wir haben es den Händlern billiger gegeben!) Es ist billiger, weil es frei ist. Es wird immerhin besser werden, denn das, was im Schleichhandel hereingebracht wird, muss ja doch auch irgendwo sein, warum soll es also nur im Schleichhandel zu haben sein, warum gibt man es nicht frei und warum soll nur der Landwirt, wie schon Herr Abgeordneter Stocker gesagt hat, zur Ablieferung gezwungen, werden, warum wird auch nicht der Industrielle zur Ablieferung gezwungen? (Abgeordneter Schiegl: Auch, die werden gezwungen!) Wodurch? (Abgeordneter Schiegl: Sie dürfen nicht ausführen!) Der Fabrikant ist nicht gezwungen, uns Leinwand oder Stoff zu geben. Wir verlangen übrigens, dass auch für den Kaufmann der Warenverkehr frei werde. Seien Sie versichert, wenn der Kaufmann wieder das Recht hat einzuführen, so wird er Mittel und Wege finden, um Waren hereinzubringen, denn der Kaufmann hat Kredit, er wird Waren hereinbringen, es ist sein Geschäft, und wenn er fein Geschäft versteht, wird er mehr hereinbringen, als der Staat allein.

Wir verlangen und müssen verlangen, dass die Bewirtschaftung frei werde, und wer dagegen ist, schneidet sich selbst ins eigene Fleisch. Wir können die Einschränkung des freien Verkehrs, den Ablieferungszwang überhaupt nicht verstehen. Während der Kriegszeit hat jeder Bauer, jeder Landwirt es verstanden,
weil auch die Industrie die Verpflichtung zur Ablieferung gehabt hat; da
 


 

hat der Bauer nicht so gemurrt gegen die Ablieferung, weil er gewusst hat, die Grenzen sind hermetisch durch den Feind abgeschlossen, die Front draußen muss leben und auch das Volk im Hinterland. Aber heute, wo der Krieg lange zu Ende ist, wo es nur sozusagen eine Kaprize des Staates ist, dass man dem Kaufmanne nicht das Recht gibt, Waren hereinzubringen, kann es niemand verstehen, dass man diese Zwangswirtschaft beibehält. Jede Zwangswirtschaft benachteiligt die Erzeugung. Wenn jemand gezwungen wird zu arbeiten und über seine Arbeit nicht frei verfügen darf, so wird er nicht arbeitsfreudig sein, sondern er wird aufhören zu arbeiten. Wir verstehen gar nicht, dass nur gerade beim Landwirt dieser Arbeitszwang besteht, wo doch, wie ich schon gesagt habe, das Produkt der Ausfluss der Arbeit ist. Hier ist der Arbeitszwang, aber sonst gibt es keinen Arbeitszwang. Wir haben diesen Arbeitszwang satt, wir wollen frei sein. Wir haben früher abgegeben, was wir übrig gehabt haben und wir werden es auch jetzt tun. Natürlich zu dem Preis, den der Staat uns früher geboten hat, ist es uns unmöglich, und wenn der Staat auch sagt, er gibt zehn Kronen mehr — gut, wir sagen nicht, dass der Preis niedrig ist, aber wir wollen frei sein.

Was das Saatgutgetreide anlangt, so ist hier schon im Ausschüsse erwähnt worden, dass es ein Unding ist, dass das Staatsamt für Volksernährung das Samengeschäft verwaltet.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass zunächst oft jemandem Getreide zugewiesen worden ist, dass er gar nicht hat brauchen können, weil es verunkrautet war, und anderseits, dass, wie es einem unserer Besitzer passiert ist, er statt Sommerweizen Winterweizen bekommen hat. Sommerweizen und Winterweizen kennt man nicht sehr leicht auseinander. Er war fest überzeugt, dass er Sommerweizen sät und daher hat er nichts davon gehabt. Kartoffeln sind bei uns im Juni zur Saat angekommen, im Juni kann man aber keine Kartoffeln bauen. Unser Antrag lautet also nur, es soll dem einen und dem andern das gleiche Recht zugesprochen werden. Dadurch wird ja der Konsument nicht benachteiligt. Warum klebt die staatliche Verwaltung darauf, das Samengetreide allein bewirtschaften zu wollen? Wir wissen, warum sie darauf klebt: weil sie mit horrenden Profiten rechnet. Oft wird es nur umkartiert und der andere soll gleich das Doppelte dafür bezahlen. Warum ist das, soll das vielleicht zur Hebung der Erzeugung beitragen? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Es ist sicher eine kuriose Bedingung, wenn der Bauer den Samen um das Doppelte bezahlen muss und nicht weiß, was er ernten wird. Blicken Sie einmal in die Alpenländer und betrachten Sie, wie die Kontingentierung bei uns ausschauen wird. Wir haben heuer zu viel Regen, alles lagert, wir werden daher heuer in den Alpenländern schlechte Ernte zu erwarten haben, und wenn das Kontingent auch niedrig ist, wir werden es nicht liefern können. Wird nun der Staat etwas davon haben, wenn er das Kontingent nur auf dem Papier errechnet und, weil eben nichts da ist, es nicht hereinbringen kann? Es wird eine Unmöglichkeit sein, dass die Alpenländer etwas abliefern. Wir sind ja damit einverstanden, es soll nichts hinausgehen, wir brauchen ja selbst viel; es soll aber wenigstens der freie Verkehr gestattet sein und wir sollen berechtigt sein, das Überkontingent in den freien Verkehr zu bringen. Wenn es schon darauf ankommt, was hier gesagt worden ist, womit ich aber nicht einverstanden bin, so soll wenigstens das Überkontingent in dem Moment, wo das Kontingent abgeliefert ist, frei sein. Es ist nämlich hier im Gesetze ein Passus enthalten, der recht närrisch ist — ich kann keinen anderen Ausdruck finden. Es heißt da, der Besitzer kann das in seiner Wirtschaft verbrauchen, aber verkaufen darf er es nicht. Was soll das heißen? Ich bin berechtigt, mein Getreide zu verfüttern, aber einem Nebenmenschen zur Nahrung darf ich es nicht geben. Ist das nicht ein Blödsinn, ist das nicht ein Unsinn, wenn auf der einen Seite der Verkauf verboten ist, aber auf der anderen Seite nicht dafür gesorgt wird, dass es in der richtigen Weise verbraucht wird?

Es wird niemandem einfallen, dass er Getreide verfüttert — bei diesen Preisen unbedingt nicht, denn die Viehpreise sind noch lange nicht so hoch, dass er dann aus seine Kosten kommt. Es soll einmal einer versuchen, ein Kilogramm Getreide an ein Schwein zu verfüttern — er wird sehen, wieviel er da herausbringen wird. Das soll er einmal versuchen, da wird er mit dem Getreideverkauf immer noch viel mehr herausbringen. Wir sind darum der Anschauung und wir verlangen, dass der Getreideverkehr frei werde. Der Absatz 4 des § 5 des Gesetzes sollte, wie ich früher erklärt habe, gestrichen werden, so dass der Verkehr mit Saatgut frei wird; das müssen wir kategorisch verlangen. Und so glaube ich, dass ja alle Redner, die gesprochen haben, dasselbe wollen: dass wir frei sein wollen, und ich kann den Herren versichern, wenn sie in Güte das nichtwollen, so wird es aus anderem Wege geschehen. (Beifall)

Präsident Hauser: Der Herr Staatssekretär für Volksernährung hat sich zum Worte gemeldet. Ich erteile dem Herrn Staatssekretär das Wort.

Staatssekretär für Volksernährung Dr. Loewenfeld-Ruß: Hohes Haus! Ich befinde mich heute in einer nicht sehr erfreulichen Lage. Ich habe eine Regierungsvorlage zu vertreten und es gibt eigentlich keine Regierung, ich bin allein auf weiter Flur (Heiterkeit.), und im Ernährungsausschuss ist


 

ein Antrag angenommen worden, der jetzt von den Parteien auch nicht mehr als der ihrige erklärt wird. Ich gebe zu, dass es sich um ein strittiges Gesetz handelt, indem ein wirtschafts-politisches Problem zu lösen ist, wobei die einen die Lösung in der Richtung der vollkommen freien Wirtschaft suchen, während die anderen auf dem Standpunkt einer vollkommen oder zumindest teilweisen Staatswirtschaft stehen.

Meine Herren! Es ist heute schon sehr viel über Zwangswirtschaft gesprochen worden, es existiert eine ganze Literatur darüber. Darüber, dass die Zwangswirtschaft im Kriege ihre Aufgaben nicht erfüllt hat, nicht erfüllen konnte, besteht allerdings kein Zweifel und ebenso darüber, dass produktionspolitisch die Zwangswirtschaft versagt dar. Allerdings soweit möchte ich nicht gehen, zu sagen, dass alle Wirkungen der Produktionshemmung einzig und allein auf die Zwangswirtschaft zurückzuführen sind. Es ist ja auch darüber schon sehr viel gesprochen worden und es wird einmal die Geschichte der Kriegswirtschaft Nachweisen, dass nicht allein die Zwangswirtschaft daran schuld ist, sondern auch eine ganze Reihe von Ursachen, die der Krieg eben mit sich gebracht hat. Wenn man nun einmal erkannt hat, dass die Zwangswirtschaft, die volle Zwangswirtschaft — denn das, was dieses Gesetz sagt, ist ja gar keine Zwangswirtschaft — produktionshemmend wirkt, muss man sich fragen: Warum gibt es überhaupt noch Menschen, die an der öffentlichen Bewirtschaftung festhalten wollen?

Meine Herren! Wenn ich wiederholt und auch heute sage, dass ich innerhalb bestimmter Grenzen an der öffentlichen Bewirtschaftung bei Getreide — und wir sprechen ja heute nur von Getreide — festhalte, so tue ich es nicht deshalb, weil ich ein prinzipieller Anhänger der Zwangswirtschaft bin, sondern ich tue es deshalb, weil es nach meiner Ansicht keine Regierung verantworten könnte, im heutigen Momente die Voraussetzungen für die Verbrauchsregelung preiszugeben und durch die volle Preisgabe der Bewirtschaftung eine Marktlage von gar nicht abzuschätzenden" sozialen Konsequenzen zu schaffen oder zuzugeben.

Meine Herren! Dass man heute noch nicht die volle freie Wirtschaft herstellen kann, wird ja von einer ganzen Reihe unverdächtiger Zeugen aus Ihrem Lager selbst bestätigt. Gestatten Sie, dass ich aus dem Referate des Referenten am dritten Reichsbauerntag vom 3. Februar zitiere. Der damalige Referent, selbstverständlich ein Vertreter der Landwirtschaft, hat wörtlich gesagt (liest):

„Eine vollständige Freigabe des Handels in Getreide wäre ein gewagtes Experiment, weil zu befürchten ist, dass in diesem Falle eine wüste Spekulation einsetzt, die sowohl für den Produzenten als auch für den Konsumenten eine schädliche Rückwirkung nach sich ziehen  müsste."

Ich könnte solcher Ausführungen mehrere zitieren. Jedenfalls glaube ich, dass der Zeitpunkt der vollen freien Wirtschaft aus dem Gebiete des Getreides noch nicht gekommen ist.

Im Motivenbericht, den wir dem hohen Hause unterbreitet haben, sind die Gründe kurz angeführt, welche uns veranlassen, hinsichtlich der Getreideernte noch auf einer beschränkten Bewirtschaftung zu beharren. Gestatten Sie, dass ich diese Gründe ganz kurz noch einmal markiere.

Zunächst müssen wir damit rechnen, dass unsere eigene Produktion völlig ungenügend ist; dabei brauche ich mich nicht weiter aufzuhalten, die Tatsache ist ja notorisch. Die Länder, die das heutige Österreich sind, haben selbst bei Friedensproduktion nur 50 Prozent unseres Bedarfes erzeugt. Dass wir jetzt keine Friedensproduktion haben, darüber brauche ich mich ja auch nicht weiter auszulassen. Wenn gesagt wird — und ich glaube, der Herr Abgeordnete Stöcker hat es heute gesagt — dass gerade das Ungenügende dieser Produktion der Grund sei, die Produktion freizugeben, weil nur die Freigabe die Produktion steigern könne, so ist das meiner Meinung nach ein Fehlschluss. Denn durch die Freigabe allein werden wir die Produktion in dem Maße, wie sie für uns erforderlich ist, sicherlich nicht steigern können.

Der zweite Grund, warum wir die Bewirtschaftung noch nicht aufgeben können, ist, dass die Importmöglichkeiten beschränkt sind. Gestatten Sie, dass ich mich darüber ganz kurz auslasse, weil ja immer gemeint wird, man kann das inländische Getreide freigeben, man importiert eben das, was man braucht. Wir haben von hervorragenden amerikanischen Fachmännern Berichte, welche die Weltgetreidelage pro 1920/21 speziell für Weizen sehr ungünstig ansehen. Ich habe hier einen Bericht, in dem diese ungünstigen Aussichten zurückgeführt werden zunächst auf die schlechten Ernteaussichten im allgemeinen in Argentinien und Australien, aus die allgemeine Auszehrung der Weltvorräte, auf den allgemeinen Rückgang der Produktion in Europa, insbesondere wegen des Mangels an Düngemitteln — es ist ja die Produktion nicht mir bei uns, sondern in ganz Europa zurückgegangen, ich rede gar nicht von Russland — und schließlich aus den Rückgang der Anbaufläche in Amerika selbst infolge der Aushebung der Minimalpreise. Die Amerikaner behaupten, dass nächstes Jahr vielleicht kein Weizen aus Amerika ausgeführt werden kann. England befürchtet, im Winter Schwarzmehl anstatt des landesüblichen Weißmehles zu essen und in Frankreich ist während der Debatte über die Getreidebewirtschaftung der Antrag gestellt worden, die Brotkarte wieder einzuführen.
Ich weiß noch nicht, ob dieser Antrag angenommen worden ist.


 

Und wie schaut es im Osten aus? Meine Herren! In Jugoslawien ist mir während meiner Anwesenheit in Belgrad gesagt worden, dass die heurige Weizenernte gegenüber der normalen um 40 Prozent geringer ausfallen würde. Als Gründe wurden angeführt: Allgemeine Arbeitsunlust — auch bei uns ist ja die Arbeitslust keine allzu hohe — eine überstürzte Agrarreform und Überschwemmungen. Die Maisernte wird gut sein und wird Überschüsse ergeben. Mit Mais werden wir auch rechnen können aus Rumänien und Bulgarien. Wie weit wir aus Ungarn etwas bekommen, ist vorläufig nicht bekannt. Jedenfalls können wir mit Mais allein — und ich glaube nicht, dass jemand der Anwesenden dies wünschen würde — die Mehl- und Brotration nicht alimentieren.

Es ist schon aus dieser allgemeinen Situation die Begrenztheit der Importmöglichkeiten zu ersehen, Todsicher sind ja statistische Berichte und Ziffern nicht. Amerikanischerseits wurde uns jedenfalls größte Sparsamkeit mit dem kreditierten Mehl empfohlen. Aber selbst wenn die Situation viel günstiger stünde unsere finanzielle Lage fesselt uns ja hinsichtlich der Importmöglichkeiten. Unser Importbedarf beträgt, wie Sie aus dem Motivenbericht ersehen, je nachdem wir die Quoten austeilen und etwas karger oder weniger large Vorgehen, 450.000 bis 500.000 Tonnen Mehl. Ich schätze, selbst wenn ich schon eine gewisse Mischung Weizens mit Roggen, Gerste und Mais annehme und ohne dass ich das uns jetzt kreditierte amerikanische Mehl, von dem wir ja leben, überhaupt in die Rechnung einstelle, dass wir bis. zum 31. Juli des nächsten Jahres etwa acht Milliarden Kronen für den Import von Getreide ausgeben müssen, wenn die heutigen Preise und die heutigen Kurse ungefähr bleiben. Da sind aber noch keine Vermahlungskosten dabei, sondern nur reine Importkosten plus der Fracht.

Aber selbst wenn das nicht wäre, selbst wenn wir kaufen und bezahlen könnten, muss ich die Herren daraus aufmerksam machen, dass die Transportschwierigkeiten bei den heutigen Verhältnissen es fraglich erscheinen lassen, ob wir, selbst wenn wir die Mengen gekauft hätten, sie immer und rechtzeitig hereinbekommen.

Ich werde über die Transportschwierigkeiten, insbesondere aus dem Osten, später noch kurz sprechen. Ich möchte nur noch folgendes sagen: Es wurde heute vom Herrn Abgeordneten Stocker und auch in verschiedenen Artikeln, die zum Beispiel in der letzten Zeit der Herr Abgeordnete Kraft geschrieben hat, gesagt: „Wenn sich der Staat entschließen würde, seine Tore zu öffnen und die Brotfrucht frei einführen ließe, würde bald der freie Handel ganz Österreich versorgen: macht die Tore auf und lasst die Ware herein!"

Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Kraft vergisst, dass auch die Anderen Tore haben und es uns nichts nutzen würde, wenn nur wir die Tore aufmachen und die anderen sie verschlossen haben. Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Abgeordneten bekannt ist, dass Jugoslawien — und das ist ja das Land, welches in erster Linie für unsere Versorgung in Betracht kommt — Ausfuhrverbote und Ausfuhrzölle hat, die heute, wenn sie nicht in der nächsten Zeit herabgesetzt werden, eine Einfuhr aus Amerika billiger erscheinen lassen als aus Jugoslawien. (Hört! Hört!) Der Zoll für jugoslawisches Getreide beträgt über fünf österreichische Kronen pro Kilogramm, für Rinder tausend französische Franken pro Stück ohne Rücksicht aus das Gewicht, das heißt, wenn wir das beziehen und bezahlen wollen, sind wir eigentlich schon über der Weltmarktparität, trotz des schlechten Standes unserer Valuta.

An uns liegt es nicht, wenn der freie Verkehr mit den Sukzessionsstaaten nicht schon wieder eingeführt ist. Wir sind auch nicht die Ersten gewesen, die diese Kompensationsverkehrsgeschichten Angeführt haben, sondern die Lucke liegt so, dass die Sukzessionsstaaten, die, was Lebensmittel anbelangt, die Geber sind, die größte Zurückhaltung üben und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen vielfach auch politischen Bedingungen — uns diese Lebensmittel zur Verfügung stellen. Wie wenig Neigung manche Sukzessionsstaaten haben, den freien Verkehr zu eröffnen, geht aus einer Rede des Handelsministers Nincic hervor, der während unserer Anwesenheit in Belgrad in der Nationalversammlung anlässlich einer Debatte über das Verbot der Lebensmittelausfuhr erklärte, der freie Handel und die freie Ausfuhr würden eine ungeheuere Steigerung und Teuerung der Lebensmittelpreise in Jugoslawien Hervorrufen und deshalb sei eine vollkommene Monopolisierung der Ausfuhr geboten. Das sagt der Minister eines Überschusslandes, das über Nahrungsmittel und Getreide im größten Ausmaße verfügt! Gar so einfach ist also die Geschichte mit der freien Einfuhr nicht. Wenn wir als der ärmste Staat, der von allen anderen Staaten Lebensmittel beziehen muss, unsere Tore aufmachen würden, so ist damit noch nicht gesagt, dass wir Getreide und Lebensmittel auch bekommen und dass der freie Handel uns tatsächlich versorgen könnte. Es wäre nur wahrscheinlich, dass auch die letzten Güter über die wir noch verfügen, aus dem Lande kämen. (Zustimmung.)

Meine Herren! Ich muss Ihnen, weil so oft davon gesprochen wird, dass der Handel in der Lage ist, uns Lebensmittel zu verschaffen, in ganz kurzen Zügen eine Notiz über die Transportschwierigkeiten aus dem Osten vorlegen. Ich überspringe die Transportschwierigkeiten, die sich einstellen, wenn wir etwas


 

aus dem Norden über Deutschland beziehen oder aus dem Süden über Triest — das würde zu lange aufhalten — es ist genug, wenn ich Ihnen zeige, welchen Schwierigkeiten der Transport aus dem Osten auf der Donau begegnet, auf der Bahn sind die Schwierigkeiten noch größer. (Liest:)

„Während in Friedenszeiten der freie Verkehr auf der ganzen Donau von Ulm bis Sulina durch das Gebiet sämtlicher Territorialstaaten eine Selbstverständlichkeit war, machen die gegenwärtigen Verhältnisse in jedem einzelnen Falle zur Notwendigkeit, die Durchfuhr durch die der Hoheit der diversen Staaten unterstehenden Teilstrecken sicherzustellen, Dabei betrachten" — nach dein Friedensvertrag ist das ja auch richtig — „die Uferstaaten einen Fluss, der nur durch ihr Gebiet geht, als nationalen Fluss; so betrachten die Jugoslawen die Save als nationalen Fluss und die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaften dürfen die Save überhaupt nicht befahren. Es bedarf jedes Mal einer Intervention bei den Regierungen der Länder, welche der Transport zu passieren hat, und die Ausstellung der notwendigen Geleitbriefe zu erwirken, wozu noch die Regelung der Durchfuhr in zolltechnischer Hinsicht kommt, welche gegenwärtig weit umständlicher behandelt wird, als in Friedenszeiten. Weiters erfordern die Sicherheitsverhältnisse, dass man notwendigerweise auf jedem Schlepp eine Begleitperson installieren muss."

Wenn Sie selbst, meine Herren, einmal als Privatpersonen nach Jugoslawien gefahren sind, werden Sie wissen, was es bedeutet, einen Pass zu bekommen und hier muss für jede Begleitperson eines Schleppers ein Pass besorgt werden. Ein Privatkaufmann wird diesen Hindernissen allein schon fast hilflos gegenüberstehen. Aber auch die Beschaffung des Frachtraumes ist keineswegs einfach.

Die Schifffahrtsgesellschaften bieten den Frachtraum nicht jedem an, der gerade kommt, sondern man muss Monate vorher erklären, dass man diese und jene Schiffe für den Transport in Beschlag nimmt. Die Schifffahrtsgesellschaften stellen auch nicht die Kohle bei, denn sie haben selbst keine, und was es in Österreich heißt, heute Kohle für den Transport beizustellen, muss ich wohl nicht näher ausmalen. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, dass die erforderliche Kohle für Transporte aus Jugoslawien ein Viertel des Gewichtes des zu befördernden Getreides ausmacht. Natürlich werden nicht einzelne Schlepper befördert, sondern nur ganze Konvois. Wenn ich einen Konvoi mit 10 Schleppern zu 400 Tonnen, um Kohle zu sparen, aus Jugoslawien heraufkommen lasse, so kostet dieser einzige Konvoi, wenn es sich um eine Weizenladung handelt, bei den heutigen Weizenpreisen über 80 Millionen Kronen und dieser Aufwand deckt die Versorgung für knapp drei Tage. Sagen Sie mir nun, ob ein Privatkaufmann tatsächlich in der Lage wäre, unsere Versorgung auch nur einige Zeit durchzuführen.

Dazu kommt, dass die Zahlungsbedingungen solche sind, dass der Kaufpreis mindestens schon bei der Verladung erlegt werden muss, wenn nicht vorher, und dass alle Risken der Valuta und der Verkehrsverhältnisse vorn Verfrachter, das heißt vom Besteller übernommen werden müssen. Meine Herren, zur Beförderung eines Konvois von 4000 Tonnen, also von 10 Schlepps, sind 80 bis 90 Waggons Kohle erforderlich. Wie sich das ein Kaufmann, ein Großhändler oder selbst eine Organisation von Händlern regelmäßig und rechtzeitig verschaffen soll, will ich dahingestellt sein lassen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich selbst die allergrößten Schwierigkeiten habe, um die nötige Kohle zu beschaffen. Nebenbei gesagt, machen die Kohlenkosten bei der Beförderung aus der Donau per Kilogramm Getreide, schon über eine Krone aus. Ich will gar nicht erwähnen — ich habe schon darauf hingewiesen -— dass so einfach kaufmännisch die Sache in der Regel sich auch nicht abspielt, weil bei größeren Geschäften immer oder häufig ein Junktim mit politischen und anderen wirtschaftlichen Fragen von den betreffenden Regierungen gemacht wird.

Wenn dem so ist, wenn also die Importschwierigkeiten es immerhin nicht ganz sicher erscheinen lassen, dass unser Bedarf immer rechtzeitig durch Import gedeckt wird, nicht nur wegen der, Transportschwierigkeiten sondern auch wegen der finanziellen Schwierigkeiten, — diese sind immens, weil ich ja nicht die Zahlungsmittel habe, es ist ein täglicher Kampf die Zahlungsmittel aufzubringen, und ich muss heute schon Monate im Voraus Vorsorgen — wenn dem also so ist, so kann ich auf die inländische Getreideernte, wenigstens aus das bescheidene Kontingent, das ich verlange, nicht verzichten. Wenn der Verkehr des inländischen Getreides, wie das heute vom Abgeordneten Stöcker gewünscht wurde, vollständig freigegeben würde — gar so wenig ist es ja doch nicht — denn die 100.000 Tonnen Getreidekontingent repräsentieren doch die Deckung eines Bedarfes von 2 1/2 Monaten so ist das immerhin kein zu vernachlässigendes Quantum, welches der geordneten und allgemeinen Verbrauchsregelung entzogen wird. Für alle reicht es nicht und so wird das Getreide eben in die Hände jener kommen, die die Zahlungsmöglichkeit haben. Ich will gar nicht sagen, dass das die reichen Schichten sind, es werden auch sehr viele Arbeiter in der Lage sein, das zu kaufen, es geht in die Hotels, in die Gasthäuser, in die Verarbeitungsindustrie, die ich absolut nicht hindern kann, zu hohen Preisen einzukaufen, kurz und gut, es tritt eine vollkommen ungleichmäßige Versorgung und


 

Störung der Verbrauchsregelung ein, von der ich heute nicht sagen kann, dass ich sie durch Importe ausgleichen kann.

Wie das in verschieden versorgten Gebieten aussehen wird, wenn in einem Gebiete eine reiche Versorgung ist und in einem anderen eine große Industriearbeiterschaft, die vielleicht nicht versorgt ist, diese Frage möchte ich heute nicht beantworten. Ich kann mich nur auf die Ausführungen des Motivenberichtes berufen, dass hinter der Freigabe — das ist auch meine Überzeugung — soziale Unruhen schwerster Art lauern.

Was die Preisfrage anlangt, so wird immer gesagt, der Preis habe seine Grenze in der Weltparität. Es ist fraglich, ob der Preis bei dieser Parität stehen bleibt. Es klingt das zwar scheinbar paradox, aber bei der völligen Unterbindung der Transportverhältnisse, wo Anbot und Nachfrage nicht geordnet funktionieren, wo die kommunizierenden Gefäße nicht vorhanden sind, ist die Möglichkeit vorhanden, das; die Preise über die Weltparität Hinübergehen. Auf dem Markte in Belgrad, den ich jeden Tag in der Früh besuchte, kostete das weiße Mehl, das feinste Nullermehl vier bis fünf Dinar das Kilo im freien Verkehre. Damals war der Dinar sechs österreichische Kronen, es hat also das Kilo Mehl in Belgrad, in einem Überschusslande ersten Ranges, 30 Kronen gekostet. Heute steht der Dinar auf ungefähr neun Kronen, das Mehl kostet also 45 Kronen. Zu diesem Preise ist das Mehl ohne weiteres und billiger sogar aus Amerika zu beschaffen, allerdings, wenn wir genügend Zahlungsmittel und Transportmöglichkeit haben. Der Weizengrieß hat sechs Dinar gekostet, die Kartoffel zwei Dinar. Das sind alles Preise, die eigentlich viel höher sind als bei uns, die keine Konvenienz zu uns geben.

Ich werde Ihnen eine kleine Notiz vorlesen, die ich in einer Zeitung in Agram unter der Spitzmarke ein „Preisrätsel" gefunden habe. Da heißt es: „In Wien kostet ein Kopf Salat 20 Heller. (Zwischenrufe.) Was  müsste dann ein Kopf Salat in jugoslawischem Gelds kosten, wenn man bedenkt, dass wir in Kroatien mehr Salat haben, als ganz Wien brauchen würde? Die städtische Approvisionierung antwortet auf dieses Preisrätsel mit dem Preise von 2 Jugokronen für den Kopf." Die Zeitung sagt dann: „Also fehlt es nach Ansicht dieser Herren bei uns entweder an Salat oder an Köpfen." (Heiterkeit.)

Meine Herren! Unter solchen Umständen zweifle ich, dass der freie Handel in der Lage ist, uns billiges oder billigeres Getreide zu beschaffen.

Es wird nun folgendes, und zwar insbesondere aus dem Gesichtspunkte der finanziellen Lasten, welche der Staat durch die verbilligte Abgabe auf sich nimmt, folgendes gesagt: Warum versorgt der Staat überhaupt die ganze Bevölkerung? Er soll nur die Mindestbemittelten versorgen und die anderen sollen sich — das ist auch seitens des Herrn Abgeordneten Stöcker gesagt worden — aus dem freien Handel versorgen. Entweder aus dem Inlande, wenn nicht, wird der freie Handel in der Lage sein, das Mehl zu beschaffen. Er hat auch gesagt, der Privathandel ist in der Lage, den notwendigen Kredit zu beschaffen. Ich muss sagen, ich möchte nicht immer nur davon reden hören, dass die private Kaufmannschaft sich große Kredite für Getreide verschaffen kann, sondern ich möchte endlich einmal einen solchen Kredit sehen. Bisher war niemand in der Lage, sich einen solchen Kredit in entsprechendem Umfange zu beschaffen. Ich habe schon einmal hier gesagt und wiederhole neuerdings, dass große Konsumtivkredite für den Privaten nicht verfügbar sind, um die großen Importe von Getreide zu ermöglichen, die notwendig sind, um die Bevölkerung zu versorgen. (Ruf: Der Stocker soll sie beschaffen!) Ich sage ja, die Herren sollen sich den Kredit beschaffen, es wird mich sehr freuen.

Was die Idee der Mindestbemitteltenversorgung selbst anbelangt, so ist das leicht gesagt, aber schwer durchgeführt. Wer ist denn heute bei uns mindestbemittelt? Man könnte das doch nur aus der Einkommenstatistik ersehen; die reicht aber auf zwei bis drei Jahre zurück. Die letzte Steuerstatistik ist aus dem Jahre 1917. Glauben Sie wirklich, dass diese Statistik heute noch zutreffend ist und für die Feststellung der Mindestbemittelten etwas nutzt; und wenn sie richtig wäre, ist das genügend, dass ein Haushaltungsvorstand irgendeine Einkommensteuer zahlt? Es ist ein Unterschied, ob er ledig, verheiratet ist oder fünf Kinder hat. Danach wird es sich richten, ob er mindest oder schlecht bemittelt ist. Dazu gehört, um diese komplizierte Berechnung zu machen, ein vollkommen funktionierender Verwaltungsapparat, der nicht vorhanden ist. Nehmen wir aber an, er wäre da, und ich hätte also eine bestimmte Menge zu versorgen: jetzt kommt eine bestimmte Schichte der Bevölkerung, zum Beispiel alle Eisenbahner, mir mehr oder weniger Temperament und sagt: „Ich will auch von dir versorgt werden; ich kann bei den heutigen Preisen, die beim freien Handel zu zahlen sind, mich nicht selbst versorgen!" Ich müsste den Leuten sagen: Geht zum freien Handel und wenn ihr es nicht zahlen könnt, verhungert! Was soll ich ihnen sonst sagen? Und Wo ist die Cynäsur? Wer ist heute mindestbemittelt? Der Herr Abgeordnete Kraft hat in einer Grazer Zeitung vor einigen Tagen geschrieben, bei
20.000 Kronen soll die Versorgung aufhören. Meine Herren! Das


 

ist ein Einkommen von 55 Kronen täglich. Dann fallen bei dem heutigen Stand der Verhältnisse die meisten Fixangestellten, die meisten Staatsangestellten und so ziemlich alle Arbeiter, glaube ich, heraus. Ich würde also nur den ganz verbettelten Mittelstand und dann noch einige Leute zu versorgen haben, die unter 20.000 K Einkommen haben. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung, speziell die Arbeiterschaft und die Fixbesoldeten mit dieser Lösung, dass der Staat gar nicht mehr für sie sorgt, zufrieden sein können, dass sie sich ihr Mehl und ihr Brot im freien Handel holen müssen. Ich muss also mit der Ziffer hinausgehen. Wenn ich auf 50.000 K hinaufgehe, so brauche ich Ihnen auch nicht länger auseinanderzusetzen, dass 50.000 K in Wien, zum Beispiel bei einer mehrköpfigen Familie, das Einkommen eines Mindestbemittelten sind. Ich habe vor ein paar Tagen aus einer Statistik entnommen, dass eine Arbeiterfamilie in Wien mit 4'8 Köpfen

— es ist eine Durchschnittsrechnung —- wenn sie sich die Lebensmittel anschaffen will, die sie nach einer Statistik, die schon vor dem Kriege vom arbeitsstatistischen Amt angelegt wurde, bezog, setzt

— Ende Jänner 1920 wurde diese Statistik angelegt — bezahlen wollte, 32.800 K ausgeben  müsste, nicht zu den Schleichhandelspreisen, sondern zu den normalen Preisen. Da ist nicht darinnen: Wohnung, Beheizung, Licht, Kleidung, kulturelle Bedürfnisse usw. Wenn eine Arbeiterfamilie von 4 Köpfen 32.800 K allein für Nahrungsmittel auszugeben hat, wo soll ich die Cynäsur für die Mindestbemittelten machen? Sie  müsste so hoch sein, dass ich bei dem sozialen Ausbau der Einkommen unserer Bevölkerung doch 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung zu versorgen hätte, und damit hört sich die Sache auf. Dazu kommt noch, dass ein Einkommen von 100.000 K in Wien eine ganz andere Bedeutung hat als in der Provinz, wenn ich auch zugebe, dass draußen die Teuerungsverhältnisse auch schon vorgeschritten sind. Eine einheitliche Cynäsur für die Mindestbemittelten könnte meiner Meinung nach im ganzen Lande überhaupt nicht durchgeführt werden können.

Alles, was ich bisher gesagt habe, führt dazu, dass eine gewisse Kontrolle, ein gewisses Bewirtschaftungssystem für Mehl und Brot meiner Überzeugung nach nicht entbehrt werden kann. Wir sind ja nicht allein auf der Welt und es ist doch von einem gewissen Wert, sich umzusehen, wie es eigentlich in anderen Staaten ausschaut. Wenn ich so höre, was heute hier gesagt worden ist und was ich in endlosen Verhandlungen in den letzten Tagen gehört und selbst gesprochen habe, so habe ich mir schon manchmal gedacht, ob ich denn allein so gottverlassen bin, gegen den unbeschränkten Handel aufzutreten und für ein Bewirtschaftungssystem, wenn

auch in sehr gemäßigter Form, einzutreten, ob denn die Chefs der ganzen Ernährungsämter der Welt wirklich alle solche Esel sind, dass sie sich gerade ausgerechnet aus eine solche Geschichte einstellen! Und da möchte ich nun folgendes sagen. Von denjenigen Staaten, die Überschussgebiete sind, kann ich natürlich nicht reden; ich muss jene zum Vergleich heranziehen, die einen Abgang haben. Dem tschechischen Parlament ist ein Gesetz vorgelegt, welches die vollständige Beschlagnahme nicht nur des Getreides, sondern auch der ganzen Hülsenfrüchte vorsieht. (Hört! Hört!) Pro Hektar soll in Tschechien abgeliefert werden an Weizen vier Meterzentner und an Gerste fünf Meterzentner. Der Getreidepreis ist in Tschechien noch nicht bestimmt, ist aber nach dem Vorschläge, soweit er mir bekannt ist, wohl niedriger als der unsere. Er ist nämlich hundert tschechische Kronen plus einer gewissen Schnelligkeitsprämie, die für August und September 8 und 7 K ausmacht, und wenn einer drei Viertel seines Kontingentes abgeliefert hat, bekommt er noch 40 K auf das Ganze drauf. Es ist also der Preis zwischen 160 und 220 tschechischen Kronen; soviel ich weiß, ist der Preis aber noch nicht fest bestimmt.

Deutschland hat die allerstraffste Bewirtschaftung mit Gesetz eingeführt, das Gesetz ist bereite angenommen und geht soweit, dass dem Landwirt, was wir schon längst aufgegeben haben, auch die Quoten für die Selbstversorger und für Futter im Gesetze vorgeschrieben sind. Es ist von Interesse, nur einen ganz kurzen Satz aus dem Motivenbericht zu dem deutschen Gesetz vorzulesen, weil es sich aus das Kontingentierungsverfahren bezieht. Er sagt, dass man nicht von der Bewirtschaftung absehen könne, aus denselben Gründen, die ich mitgeteilt habe und sagt weiter (liest):

„Bei dieser Sachlage kann den aus den Kreisen der Landwirtschaft hervorgetretenen Wünschen, an Stelle der allgemeinen Beschlagnahme des Getreides ein Umlageverfahren" — so nennt man dort das Kontingentverfahren — „treten zu lassen, nicht entsprochen werden. Einer gerechten Bemessung einer solchen Umlage stehen die erheblichsten Schwierigkeiten entgegen, wie auch der von der Kommission zur Erzeugungsförderung beim preußischen Landwirtschaftsministerium unter dem 17. Jänner 1920 gefasste Beschluss über die Art der Ausgestaltung einer solchen Umlage zeigt. Außerdem würde angesichts der eingangs geschilderten Verhältnisse die Umlage eine solche Gesamthöhe erreichen müssen, dass dem Landwirt aus ihr eine größere Bewegungsfreiheit als unter dem bisherigen System nicht erwachsen würde."

Das heißt also, dass die deutsche Regierung das Entgegenkommen, welches wir der Landwirt-


 

schaft in der Vorschreibung eines sehr kleinen Kontingents entgegenbringen, nicht entgegenbringt. Ich bitte die Redner, die heute zum Teile gesprochen haben und die der großdeutschen Partei angehören, zu erwägen, dass, wenn wir schon den Anschluss an Deutschland vollzogen hätten (Sehr gut!), dieses Gesetz auch für uns gelten würde. Es scheint mir, als ob sie dann vom Anschluss nicht gar so entzückt wären.

Auch die Siegerstaaten sind nicht alle in der Lage, auf die Bewirtschaftung zu verzichten. Der italienische Ernährungsminister hat mir, wie ich in Rom war, mitgeteilt, dass er auf die strengste Weise requirieren werde, wenn nicht die angeforderten Mengen eingebracht werden. Und in Frankreich, meine Herren, ist ein Gesetzentwurf vor wenigen Tagen angenommen worden, der eine Bewirtschaftung vorsieht, die sich allerdings etwas von der unsern unterscheidet. Es ist wirklich interessant, den Motivenbericht der Vorlage dieses Landes zu studieren, eines Landes wie Frankreich, das heuer voraussetzt, dass es seinen Bedarf restlos oder zumindest zum großen Teile aus der eigenen Ernte wird decken können. Am besten wäre es gewesen, ich hätte überhaupt noch gar kein Wort gesprochen, sondern nur diesen Motivenbericht vorgelesen. Wenn ich ihn früher gekannt hätte, hätte ich ihn einfach als unseren Motivenbericht dem Gesetze beigedruckt. Es heißt dort (liest):

"Die Stunde ist noch nicht gekommen, um den Handelsverkehr für Weizen und Brotgetreide vollständig freizugeben. Es scheint, dass, wenn man schon jetzt die volle Freiheit wieder einführen wollte, dies die Wirkung hätte, den Preis unseres Getreides auf die Höhe des Preises des nach Frankreich importierten Überseegetreides zu bringen, das heißt ihn um alle, aus der Fracht und dem Wechselkurse resultierenden Lasten zu erhöhen.

Diese zwei letzten Faktoren stehen indes keineswegs im direkten Zusammenhänge mit dem inneren Werte des Getreides, vielmehr nur mit unseren finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Auslande.

Der einheimische Produzent würde daher aus seiner Ware einen höheren Gewinn ziehen, als dem fremden Landwirte der Verkauf seines Getreides im Erzeugungsorte einbringt. Nun ist es wünschenswert, dass der in Frankreich bezahlte Preis soweit als möglich im Verhältnis zu jenem stehe, den der Überseeproduzent in lokalem Gelde bezahlt, losgelöst von allen Ursachen, welche normalerweise nicht zu den Elementen zählen, welche den Selbstkostenpreis bilden.

Zur Zeit ist das Feld der Weltkonkurrenz beschränkt und die wirtschaftlichen Kräfte, welche auf den Abbau der Preise hinzielen, wirken entweder gar nicht oder nur im beschränkten Maße. Die Freiheit des Handels wäre daher nichts Reales und würde den Konsumenten ohne Schutz gegen eine übermäßige Wertsteigerung des Getreides lassen; anderseits hätte ein solches Regime die Folge, entweder die finanzielle Hilfe des Staates ganz wesentlich zu erhöhen, was unser Budget nicht ertragen kann, oder den Brotpreis zu Sätzen ansteigen zu lassen, die geeignet wären, die soziale Ordnung zu stören. Auch wären" — schreibt der Motivenbericht — „die Müller, die Kaufleute und die Importeure infolge der großen erforderlichen Kapitalien nicht imstande, die ihnen gegebene Handelsfreiheit voll auszunutzen; auch die Produzenten, insbesondere die kleinen, würden unter den weitgehenden Kursschwankungen sehr leiden." Das sagt Frankreich, meine Herren. (Zwischenrufe:) „Endlich darf man nicht vergessen, dass, solange die Transportverhältnisse nicht wieder im normalen Zustande sein werden, die Freiheit des Handelsverkehres mit Getreide nicht wird normal ausgeübt werden können und dass die Verteilung dieser Lebensmittel nicht nach Maßgabe der Bedürfnisse eines jeden Departements wird erfolgen können; mehrere Departements mit einem Defizit der Produktion werden das für ihre Versorgung erforderliche Getreide nicht erhalten," usw. Ich will sie nicht länger aufhalten.

Frankreich hat folgendes System gewählt: es hat das System des Einkaufes durch den Staat. Im französischen Text heißt es: achat amiable, freundschaftlicher Einkauf durch den Staat.

Es heißt aber in den Paragraphen weiter: Der Staat kauft zu einem bestimmten Preise ein und dieser Preis ist vorgestern — die Nachricht ist einer Zeitung entnommen und noch nicht bestätigt — bereits durch eine Kommission des Parlaments bestimmt worden, und zwar mit 100 Franken, er ist also, wenn ich den jetzigen Kurs zum Vergleich nehme, etwas höher als unser Preis, aber gegenüber dem Preis, den amerikanisches Getreide in französischen Häfen bis vor kurzen kostete, fast um die Hälfte billiger, das heißt, Frankreich gibt seinem Landwirt nicht, den sogenannten Weltmarktpreis, sondern einen wesentlich niedrigeren Preis und sagt dem Landwirt: ich kaufe dir das Getreide im freundschaftlichen Wege ab, aber bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt; denn es heißt weiter: wenn dieser freihändige Verkauf zu keinem Ergebnisse führt, so requiriere ich. Frankreich hat ja eine Armee zum Requirieren und kann das machen.

Ich bitte, meine Herren, ist da gegenüber unserem Gesetz ein gar so großer Unterschied vorhanden? Ich sage dem Landwirt: bitte, sei so freundlich und gib mir von deinem Getreide einen kleinen Teil, der, wenn ich es nach unserer Ernte und dem Hektarertrag umrechne, vielleicht 15 Prozent seines
Ertrages ausmacht (Rufe: Mehr!), 15 bis 20 Prozent, das ist natürlich verschieden, ich


 

meine nur den Durchschnitt. Der Landwirt bekommt dafür einen Preis, der allerdings auch unter der Weltmarktparität ist, aber nach den Erhebungen und Mitteilungen unter den heutigen Verhältnissen derzeit sicher annähernd angemessen ist. Wenn er liefert, so hat er seiner Verpflichtung genügt, und wenn er nicht liefert, habe ich gar nicht die Möglichkeit, es ihm zu requirieren, wie in Frankreich. Ich glaube also, dass die österreichischen Landwirte entschieden nicht schlechter daran sind als die französischen Landwirte.

Meine Herren! Ich habe im Zuge meiner Ausführungen im Ernährungsausschuss, wo ich auch schon aus die fremde Gesetzgebung nebenbei hingewiesen habe, auch über England gesprochen und ich habe in der Sitzung des Ernährungsausschusses vom 19. Mai im Zusammenhänge mit einer Erörterung über die schlechte Weltsituation in Getreide aus der „Daily Mail" vom 7. Mai einen Auszug aus der Rede des englischen Ernährungsministers zitiert, der im englischen Unterhause eben nach der „Daily Mail" ' die Erklärung abgegeben hatte, dass der Weltmangel an Lebensmitteln noch ein bis zwei Jahre dauern werde und dass die Welternte in den nächsten zwölf Monaten einen Rückgang aufweisen werde. Er erklärte ferner — das war schon vor einiger Zeit, am 7. Mai — sich gegen die Aufhebung der staatlichen Kontrolle aussprechen zu müssen, und führte als Beispiel Speck an, der nach Freigabe des Handels in England um 15 bis 25 Prozent im Preise gestiegen sei, ohne dass dies durch den Stand des Angebotes oder Wechselkurses begründet gewesen wäre. Das habe ich damals im Ernährungsausschusse gesagt in wörtlicher Zitierung der englischen Zeitung, Ich habe dann noch hinzugefügt, dass somit auch in England von maßgebender Seite noch eine gewisse staatliche Einflussnahme für- zweckmäßig erachtet werde. Mehr habe ich nicht gesagt und ich kann ja nichts dafür, dass der englische Ernährungsminister sich für die staatliche Kontrolle ausgesprochen hat. Möglich ist, dass die Zeitungsnachrichten diese meine Bemerkungen unrichtig wiedergegeben haben, jedenfalls habe ich kein Wort davon gesprochen, dass etwa in England die Zwangswirtschaft herrsche — denn schließlich bin ich über englische Verhältnisse auch orientiert —, sondern ich wollte mit meinen Bemerkungen bloß sagen, dass selbst in einem Lande, das unter ganz anderen, wesentlich günstigeren Verhältnissen lebt und unbeschränkte Bezugsmöglichkeiten hat, der Chef des dortigen Ernährungswesens sich gegen den uneingeschränkten Handel ausgesprochen und die Notwendigkeit einer Kontrolle vorläufig noch betont hat. Ich möchte auch bemerken, dass in England der Weizenimport in einer eigenen Kommission organisiert und monopolisiert ist.

Darüber, dass wir unsere Verhältnisse mit den englischen Verhältnissen nicht vergleichen können, will ich gar nicht reden. Der bekannte Vorkämpfer für den freien Handel, Herr Julius Meinl, der für sich das Monopol in Anspruch nimmt, allein über englische Verhältnisse urteilen zu können, hat mir meine Bemerkungen — und es waren, wie gesagt, ausschließlich Zitierungen aus einer Zeitung — sehr übel genommen und hat in einem Brief, den er einer Reihe von Mitgliedern der Nationalversammlung geschickt hat, erklärt, dass sowohl meine Darstellung, die ich Ihnen eben gegeben habe, als der damit beabsichtigte Eindruck von Grund aus unrichtig sind. Ich halte es unter meiner Würde, auf diese Insinuation der beabsichtigten Fälschung der öffentlichen Meinung zu reagieren. (Beifall und Händeklatschen.) Ich muss mich aber trotzdem noch einen Moment mit Herrn Meinl beschäftigen, erstens weil er sich wiederholt in letzter Zeit mit meinem Ressort und meiner Person befasst hat und durch seine Agitation gerade auf dem Gebiete, das uns heute beschäftigt, meiner Meinung nach schweren Schaden angerichtet hat.

Wer ist Herr, Meinl? Herr Meinl ist ein hervorragender, vielleicht einer unserer ersten Kaufleute, dessen Firma im Auslande einen Weltruf hat; er hat außerdem seinen Marmeladeerzeugnissen einen ausgezeichneten Namen zu machen gewusst, sie sind überall verbreitet. Er hat durch eine großartige Verkaufsorganisation, die in Österreich nicht ihresgleichen hat, eine mustergültige Einrichtung geschaffen. Aber auch große Männer — und ich will ihm gar nicht abstreiten, dass er auf kaufmännischem Gebiete ein hervorragender Mann ist — haben ihre Schwächen. Der Ehrgeiz des Herrn Meinl geht in letzter Zeit dahin, neben seinen sonstigen Erzeugnissen, Erzeugnisse seiner volkswirtschaftlichen Muse in leider ganz unbeschränkten Rationen zu verschleißen. (Heiterkeit) Herr Meinl hat nicht nur den Ehrgeiz uns über englische Verhältnisse zu informieren, sondern er informiert auch England über unsere Verhältnisse, und zwar überschwemmt er, wie mir selbst von englischer Seite mitgeteilt worden ist, die englischen Zeitungen mit einer ganzen Literatur über Österreich.

Gestatten Sie, dass ich aus dieser Meinlschen Wissenschaft eine Probe gebe. Er schreibt in einem englischen Flugblatte, das undatiert ist (liest): „Die Angaben, dass unsere" — das ist österreichische— „landwirtschaftliche Produktion ein unbedeutender Faktor und nur imstande sei, das Land wenige Monate im Jahre zu ernähren, stützt sich entweder auf Unwissenheit oder auf Böswilligkeit. Diese Angabe ist durch und durch falsch. Unsere Landwirtschaft kann bei richtigem Betriebe das ganze Land einschließlich Wien den größten Teil des Jahres hindurch ernähren." (Hört! Hört!)


 

Solange die Entente über unsere Verhältnisse nicht genügend orientiert war — und das war sie nach Abschluss des Waffenstillstandes — hat die Verbreitung solcher Angaben wiederholt uns die allergrößten Schwierigkeiten gemacht. (Zustimmung.) Seit aber die Vertreter der Entente — und ich kann sagen, durch die ehrliche Arbeit meines Amtes — fortwährend und gewissenhaft informiert werden, sind solche Angaben einfach eine Lächerlichkeit.

Herr Julius Meinl — und Herr Abgeordneter Stocker hat heute darauf reagiert — hat kürzlich neuerlich ein Schreiben an eine ganze Reihe von Abgeordneten, aber nicht nur an Abgeordnete, sondern auch an Landwirte und Vertreter der landwirtschaftlichen Organisationen gesendet, über das ich noch einige Worte verlieren mich. Ich glaube, der Herr Meinl hat den Inhalt dieses Schreibens auch in einer Bauernversammlung, die der Herr Abgeordnete Stöcker abgehalten und wo Herr Meinl einen Vortrag gehalten hat. . . (Abgeordneter Stocker: Der Meinl? Bitte wo? Das ist mir vollständig neu!) Wenn ich mich irre, ziehe ich es zurück. Mir ist mitgeteilt worden, Herr Meinl hätte in einer Versammlung unter Ihrem Vorsitz eine Rede gehalten. (Abgeordneter Stocker: Das ist unrichtig!) Wenn Sie sagen, es ist unrichtig, so bin ich falsch unterrichtet worden.

Tatsache ist, dass Herr Meinl am 14. Juni einen Brief an eine ganze Reihe von Abgeordneten und landwirtschaftlichen Organisationen gerichtet hat, in dem er mitteilt, es sei von uns im Ernährungsausschusse behauptet worden, dass die Reparationskommission, beziehungsweise die Entente darauf bestehe, dass wir die Zwangswirtschaft aufrechterhalten. Es sei auch von uns behauptet worden, dass man in England und Frankreich, wo die Zwangswirtschaft teilweise aufgehoben wurde, dieselbe wiedereinführe. Meinl schreibt nun (liest):

„Diese Behauptungen beruhen entweder aus vollkommener Unkenntnis der Tatsachen oder auf bewusster Unwahrheit. Das Gegenteil von dem, was gesprochen wurde, ist wahr. Die Reparationskommission" — schreibt Meinl — „verlangte niemals die Aufrechterhaltung der Zwangswirtschaft, sondern gerade im Gegenteil, man hat von offizieller englischer Seite und auch von Seiten der Reparationskommission seit langem und zu wiederholtest Malen darauf aufmerksam gemacht, dass die Beibehaltung der Zwangswirtschaft Österreich ganz ruinieren muss, ja man hat jetzt sogar die Absicht, weitere Unterstützungen für Österreich an die Bedingung zu knüpfen, dass vorher die Zwangswirtschaft restlos abgeschafft wird.

Wenn man sich über die Stellungnahme der englischen Regierung und der Reparationskommission informieren will, braucht man sich nur an ...  —1 und jetzt zählt Herr Meinl eine Reihe englischer Persönlichkeiten auf, die teils als Privatpersonen, teils in amtlicher Funktion in Wien anwesend waren — „wenden, man braucht sich nur bei diesen Herren orientieren und wird erfahren, dass sie zu wiederholten Malen diesbezüglich bei unserer Regierung Vorstellungen machten, aber leider immer ohne Erfolg."

Meine Herren! Diese Geschichte ist mir doch zu bunt gewesen und ich habe diesen Brief dem Chef der Reparationskommission, Sir William Goode übermittelt und habe ihm bitten lassen, er möge mir seine Meinung über den Inhalt dieses Briefes mitteilen. Ich habe darauf unter dem 26. Juni folgendes offizielles Schreiben erhalten, das ich wörtlich zitiere (liest):

„Herr Staatssekretär! Unter Bezugnahme auf das angeschlossene Schreiben, das von Herrn Julius Meinl an mehrere Mitglieder der Nationalversammlung gerichtet wurde, beehre ich mich, mitzuteilen, dass ich von Sir William Goode ermächtigt bin, bekanntzugeben, dass die in diesem Schreiben enthaltenen Behauptungen, soweit sie sich auf die Politik der britischen Regierung beziehen, in keiner Weise authentisch und in vielen Belangen unrichtig sind.

Soweit die Feststellungen Meinls die Reparationskommission betreffen, wünscht Sir William Goode zu konstatieren, dass seitens der Reparationskommission keine wie immer geartete Aktion unternommen wurde, die sich auf die Getreidebewirtschaftung bezieht und dass niemand berechtigt ist, einer solchen Stellungnahme der Reparationskommission vorzugreifen." (Hört! Hört!)

Was sagt dieser Brief, meine Herren? Er stellt zunächst fest, dass die Angaben Meinls über die englische Wirtschaftspolitik in keiner Weise authentisch sind und er stellt überdies weiters fest, dass sie in vielen Belangen unrichtig sind. (Zwischenruf.) Er stellt aber weiters fest, dass die Reparationskommission in keiner Weise, also auch nicht in der Weise wie Herr Meinl in seinem Brief sagt, irgendeine Aktion unternommen hat, dass die Reparationskommission auf dem Gebiete der Getreidewirtschaft bisher gar keine Stellung genommen hat, also auch niemand berechtigt ist, einer solchen Stellungnahme vorzugreifen. Ich überlasse es dem Eindruck der Herren, ob das eine Abfuhr des Herrn Meinl ist oder nicht. Jedenfalls ist die Behauptung des Herrn Meinl — und das geht aus dem Brief zweifellos hervor —, dass die Reparationskommission ihre Unterstützung uns versagt, wenn nicht die Zwangsbewirtschaftung aufgehoben wird,
absurd. Insofern sich Meinl auf erhaltene Informationen


 

beruft, beziehen sie sich aus Persönlichkeiten, die mit der Reparationskommission, zumindest was das Ernährungswesen anbelangt, in keinem Zusammenhänge stehen.

Nun hätte ich zu dieser Sache nichts mehr hinzuzufügen. Ich meine, es ist genügend klargestellt. Ich möchte nur persönlich folgendes bemerken. So wenig wie die Reparationskommission je von mir die Aufhebung der Zwangswirtschaft in irgendeiner offiziellen oder inoffiziellen Form verlangt hat, so wenig, meine Herren, habe ich je selbst davon gesprochen, dass die Reparationskommission die Beibehaltung der Zwangswirtschaft von mir gefordert hätte. Ich habe nie etwas ähnliches gesagt, habe mich nie auf die Reparationskommission berufen und ich muss sagen, dass ich überhaupt eine Anrufung der Reparationskommission in rein österreichischen Angelegenheiten für eine sehr wenig geschmackvolle Sache betrachte. (Sehr richtig! — Zwischenrufe des Abgeordneten Stocker.)

Meine Herren! Was irgendeine unrichtige Zeitungsnachricht eventuell bringt, darauf darf man solche Briefe nicht ausbauen. Ich habe wiederholt gesagt, meine Herren — und das ist ja auch im Motivenbericht des Gesetzes enthalten — dass wir die Hilfe von der Entente schließlich nur dann erwarten können, wenn die Fremden unsere ernsten Bemühungen sehen, aus eigenen Mitteln das zu leisten, was in den Grenzen des Erreichbaren gelegen ist, ohne die heimische Produktion zu lähmen. Das habe ich wiederholt gesagt und ich war gezwungen, es zu sagen, denn ich habe wiederholt Verhandlungen in Paris mit den Ententevertretern und mit Vertretern der Reparationskommission zu führen gehabt und die erste und die letzte Frage war immer die: Was hast du zu deiner eigenen Verfügung, was brauchst du, wieviel kannst du im Lande beschaffen, wieviel musst du importieren? Wenn ich gar nichts in der Hand habe, wenn der freie Handel ist, kann ich die Frage, wo ist Deine Ernte und was hast Du mit ihr gemacht, nicht beantworten. Wenn ich die Bewirtschaftung bis zu einem gewissen Maße aufrechterhalten will, so geschieht es eben deshalb, damit ich etwas von der Ernte in die Hand bekomme und nicht alles, was ich zur Versorgung der Bevölkerung brauche, importieren muss.

Ich habe mich wahrscheinlich etwas zu lange bei Herrn Meinl ausgehalten (Widerspruch) und bitte um Entschuldigung. Aber es schien mir notwendig, diesen Quertreibereien endlich einmal die Spitze abzubrechen (Lebhafte Zustimmung), und sie haben eine Spitze, denn sie wirken gefährlich.

Meine Herren! Ich komme nun zum Gesetze selbst. Ich habe schon erklärt, dass ich aus dem Standpunkt einer gemäßigten Bewirtschaftung des Getreides stehe, und ich hoffe, dass mir dieser Stand Punkt von Ihnen nicht, wie es heute gesagt wurde, als Ein-Brett-vor-dem-Kopfe-haben ausgelegt wird. Meine Herren! Dieses Gesetz ist in einem Abendblatte mit dem Epitheton ornans eines Schandgesetzes bezeichnet worden, und zwar deshalb, weil es ein zu niedriges Kontingent vorsehe. (Zwischenruf.) Nein, nicht von einem Blatte, das für die Wirtschaftsfreiheit ist, im Gegenteil, es beanstandet das zu niedrige Kontingent und aus der anderen Seite den zu hohen Preis. Aus Seiten der Landwirtschaft wird das Gesetz von anderen Gesichtspunkten aus betrachtet. Ich möchte die Versicherung abgeben, dass ich dieses Gesetz als ein Übergangsgesetz auffasse und dass in seinen Bestimmungen der Zweck und die Absicht zu erblicken ist, durch ein verhältnismäßig geringes, die Landwirtschaft nicht belastendes Kontingent einerseits und durch Bewilligung eines angemessenen Preises anderseits die Produktion in keiner Weise zu behindern und einen gewissen Anreiz zur Ablieferung zu geben.

Wenn die Höhe des Kontingents beanstandet wird, und zwar in der Richtung, dass es zu klein sei oder auch dass es zu groß sei, so möchte ich aus folgende Ziffern Hinweisen. Wir haben der Ernte einen durchschnittlichen Hektarertrag von 8'7 Meterzentnern zugrunde gelegt. Die Friedensernte in den Alpenländern war bei Weizen und Roggen 13'9, bei Gerste 12´5 Meterzentner, im Durchschnitt 13´6 Meterzentner. Es ist also bei unserer Annahme eines so kleinen Hektarertrages jedenfalls eine ziemlich reichliche Marge für den Landwirt gelegen, trotz des unzweifelhaften Rückganges der Landwirtschaft infolge des Krieges. Ich halte das Kontingent für nicht zu groß, aber auch nicht für zu klein unter den gegenwärtigen Verhältnissen, insbesondere wenn wir berücksichtigen, dass wir sehr viel Kleinbesitz haben, von dem ich eben annehme, dass er möglichst verschont bleiben soll, soweit es möglich ist natürlich. Großgrundbesitz über 200 Hektar ist nur 1/2 Prozent, Mittelbesitz von 50 bis 200 Hektar nur 2'7 Prozent der Bodenfläche. Der größte Teil der Bodenfläche ist ja bei uns tatsächlich Kleinbesitz. Wenn bei verschiedenen Verhandlungen, die ich mit den Vertretern der Parteien geführt habe, gewünscht wurde, dass der Kleinbesitz, der eventuell gegen Ende des Jahres wieder in die Brotkarte kommt, womöglich ganz von der Ablieferung entlastet sein soll, so bin ich damit selbstverständlich einverstanden, und ich wiederhole, was ich bei diesen Verhandlungen gesagt habe, dass, wenn das nicht geschieht, das nur eine Folge technischer Unzulänglichkeit der Unterstellen ist, eventuell auch der Gemeindeämter und sonstiger Organe, die dabei Mitwirken.

Meine Herren! Bei der Ablieferung des Kontingents im allgemeinen kann ich, wenn ich
 


 

von der Höhe des Kontingents rede, nicht an dem Kollektivvertrag vorbeigehen, der vor einiger Zeit geschlossen worden ist, und an den Forderungen der landwirtschaftlichen Arbeiter im allgemeinen.

Meine Herren! Ich brauche Ihnen ja nicht zu sagen, welche Deputate in letzter Zeit bewilligt worden sind. Wenn ich nur von Mehl rede, wo 20 Kilogramm Mehl pro, Monat bewilligt worden sind (Hört!), so macht das 666 Gramm Mehl pro Tag oder, auf die Woche gerechnet, 4670 Gramm, das ist fast das Doppelte dessen, was ein industrieller Schwerarbeiter bekommt. Es ist also in diesem Deputat an sich schon, nachdem nicht nur quantitativ, sondern auch hinsichtlich der Bezahlung dem Betreffenden entgegengekommen wird, ein wesentlicher Vorteil gelegen. Es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Deputaten.

Im Zusammenhänge mit der Frage der Ablieferung des Kontingents muss ich auf diese Deputate hinweisen, weil sie tatsächlich die Schwierigkeit einer Ablieferung verschärfen können. Diese 20 Kilogramm Mehl im Monat machen bei einer 90 prozentigen Ausmahlung 2'6 Meterzentner Frucht im Jahre. De facto wird es mehr sein, weil ja die Ausmahlung nicht 90 Prozent, sondern eine geringere sein wird. Nun nehme ich an, dass, wenn ein landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter 20 Kilogramm Mehl für sich in Anspruch nimmt, das Gesinde hinter diesen Forderungen nicht zurückbleibt und auch der Bauer mit Recht sagen wird, das muss ich auch essen dürfen. Wenn man annimmt, dass in Österreich 370.000 große und mittlere Betriebe sind — ich lasse den kleinen ganz außer Betracht, der nicht mit landwirtschaftlichen Hilfsarbeitern arbeitet — und wenn ich nur drei Köpfe nehme für den Bauer, das Gesinde und die landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter, so macht das Deputat für 1'1 Million Köpfe 286.000 Tonnen Frucht aus. Rechne ich nun noch das Saatgut, das der Bauer ja unbedingt braucht, und das, auf die Hektarfläche mit 200 Kilogramm gerechnet, 110.000 Tonnen ausmacht, so macht das Deputat und das Saatgut zusammen 400.000 Tonnen rund aus. Nun haben wir die Ernte, allerdings ohne Zweifel viel zu gering, mit 500.000 Tonnen angenommen. Es würde dann Deputat und Saatgut knapp das Kontingent sein. (Zwischenrufe.) Natürlich Weizen, Roggen und Gerste.

Meine Herren! Es find über diese neuen Forderungen der landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter, die in den letzten Tagen gestellt wurden, Verhandlungen im Zuge und ich will hier nicht durch irgendwelche Bemerkungen auf diese Verhandlungen nach der einen oder anderen Seite störend einwirken, ich will nicht Öl ins Feuer gießen. Aber eines möchte ich von meinem Standpunkte oder vom Standpunkte meines Ressorts und sicherlich auch vom Standpunkte des Staatsamtes für Landwirtschaft sagen, wenn die Forderungen der landwirtschaftlichen Arbeiter in diesem Maß und Tempo weiter gehen, gelangen wir zweifellos zu einer extensiven Wirtschaft und nicht zu einer intensiven, die wir mit Rücksicht auf unsere ganze Lage notwendig brauchen. Die Fürsorgen wegen Kunstdünger usw. nutzen nichts, wenn durch die Forderungen der landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter die Intensität der Landwirtschaft derart belastet wird. Ich will nicht davon reden, dass meiner Meinung nach — die Vertreter der Linken mögen mir das nicht übelnehmen —- ein Teil der Deputate in den Schleichhandel kommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles gegessen wird.

Und nun, meine Herren, zur Frage, die heute am allerstrittigsten ist, zur Frage der Verwendung des Überkontingents! Theoretisch, wenn man die Bewirtschaftung als solche nimmt, dürfte diese Frage eigentlich gar nicht auftauchen und es  müsste der Landwirt dasjenige, was er nicht in feinem Betriebe braucht, der allgemeinen Verbrauchsregelung zuführen. Aber mit der Theorie kommt man nicht weit, wenigstens in den meisten Fällen nicht, und die praktischen Erfahrungen erweisen, dass die ganz straffe Erfassung, wie wir sie während des Krieges hatten und wie sie jetzt Deutschland wieder eingeführt hat, bei unseren Verhältnissen wenigstens schon wegen des mangelnden Verwaltungsapparates nicht zum Ziele führt, insbesondere aber auch deshalb nicht, weil die notwendige Stimmung unter den Landwirten nicht vorhanden ist und man einen Zwang nicht ausüben kann. Ich kann es den Landwirten nicht verdenken, dass sie möglichst frei sein wollen, aber ich muss meinerseits doch auch die allgemeinen Interessen im Auge haben und muss das eine Interesse mit dem anderen auszugleichen suchen. Wenn der Landwirt alles abzuliefern hat, ist allerdings ein Anreiz für ihn nicht gegeben, denn der gut abliefernde Landwirt wird mit dem schlecht abliefernden in einen Topf geworfen.

Ich möchte feststellen, dass ich bei den allerersten Vorberatungen, die wir schon im März gehabt haben, mich mit Vertretern der Landwirtschaft ins Einvernehmen gesetzt und sie gefragt habe, wie sie sich dazu verhalten, dass ein Teil des Überschusses nach Ablieferung des Kontingents in irgendeiner Form unter bestimmten Kautelen freigegeben werde. Ich dachte damals schon, dass man, wenn ein gewisser Territorialverband abgeliefert hat, dem Landwirt eventuell die Freigabe des Überschusses unter bestimmten Kautelen ermöglichen soll. Ich habe mich insbesondere mit maßgebenden Vertretern
der niederösterreichischen Landwirtschaft ins Einver-


 

nehmen gesetzt und habe damals folgende Antwort bekommen: Sie seien nicht dafür, dass der Landwirt sein Überschussgetreide an jemand anderen als an Genossenschaften abliefern dürfe, und zwar deshalb, weil in der Bindung an die Genossenschaft eine Stärkung des Genossenschaftsgedankens gelegen sei. Als zweiter Grund wurde mir eingewendet, die Landwirtschaft sehe es nicht gerne, wenn der jüdische Zwischenhandel wieder aufs Land hinaus komme. (Zwischenrufe.) Ich habe mir damals gedacht, ich brauche nicht päpstlicher zu sein als der Papst, und habe in die Regierungsvorlage die Formulierung ausgenommen, dass die Überschüsse an die Genossenschaften abzuliefern sind. Wir dachten, wir werden ein Überkontingent im Wege der Genossenschaften bekommen, wenn wir der Landwirtschaft entgegenkommen durch gewisse Warenlieferungen im Wege der Genossenschaften, da es sicherlich richtig ist, dass der einzelne Landwirt sich heute im Wege des freien Handels eine Menge von Bedarfsgegenständen kaum oder wenigstens nicht zu so billigen Preisen wie durch den Staat, beziehungsweise durch seine Organe verschaffen kann, dass die Lieferung des Überkontingents eventuell auch mit der Lieferung von Superphosphat in eine gewisse Verbindung gebracht werden könne und insbesondere — und daran denken wir noch heute — dass wir, da wir Mais in größeren Mengen zur Verfügung haben werden, als uns lieb ist, der Landwirtschaft Mais zum Tausche anbieten, wenn sie uns das Überkontingent an Weizen, Roggen und Gerste zur Verfügung stellt. Es  müsste natürlich das entsprechende Verhältnis hergestellt werden, zur Verfütterung dürfte ja der Landwirtschaft Mais willkommen sein. (Zwischenrufe.)

Später haben sich dann die Verhandlungen im Ernährungsausschuss abgespielt, in welchem der gewisse Antrag angenommen wurde, dass die Getreideüberschüsse nicht an die Genossenschaften abgeliefert werden, sondern dass den Landwirten, wenn das gesamte Kontingent des betreffenden Landes abgeliefert ist, die Verfügungsfreiheit über ihre Getreideüberschüsse gegeben werden soll. Ich gebe ganz offen zu, dass ich in dieser einen Frage mit dem Herrn Abgeordneten Stocker übereinstimme — aber auch nur in dieser einen Frage —, dass das bis zu einem gewissen Grade eine Augenauswischerei ist, weil auch ich glaube, dass es zur vollen Ablieferung des Landeskontingents in kaum einem Lande kommen wird.

Es sind nun Verhandlungen geführt worden, wieweit man eventuell auf einem anderen Wege den Bedenken der Landwirtschaft entgegenkommen kann. Der Herr Abgeordnete Stocker — und ich glaube, auch ein Redner der chriftlichsozialen Partei — hat heute gewünscht, es soll, wenn schon nicht überhaupt die freie Wirtschaft Platz greifen kann — und dass das nicht möglich ist, habe ich ja dargetan — der einzelne Landwirt, wenn er sein Kontingent abgeliefert hat, die Verwertung des gesamten Überschusses frei zur Verfügung haben: Dieser Antrag erscheint mir auf das höchste gefährlich. (Sehr richtig! — Zwischenrufe.) Ich bitte, meine Herren, ich achte vollkommen Ihre Überzeugung, ich bitte, mir aber auch meine Meinung zu lassen. Ich bin der Meinung, dass diese sogenannte individuelle Freiheit eigentlich ein vollkommener Bruch mit dem Bewirtschaftungssystem ist. (Zustimmung.) Vor ein paar Tagen hat der englische Botschafter beim Empfang durch den deutschen Reichspräsidenten — allerdings in einem anderen Zusammenhang — gesagt, ein Janustempel kann nur offen oder zu sein, einen Zwischenzustand gibt es nicht. Bis zu einem gewissen Grade möchte ich dieses Wort auch auf diese Bewirtschaftung anwenden. Die Gefahr ist jedenfalls vorhanden, dass wenn man einmal eine Masche in diesem ganzen Netz löst . . . (Zwischenrufe. — Abgeordneter Eisenhut: Dann brauchen wir ein Kontingent überhaupt nicht!) Darum handelt es sich nicht. Wenn Sie sagen, wir wollen gar kein Kontingent, wir wollen die freie Wirtschaft, hört sich die ganze Diskussion auf. Ich erkläre, dass ich auf die inländische Ernte nicht verzichten kann. Wenn der einzelne Landwirt frei ist, sind Schiebungen unvermeidlich — das ist kein Vorwurf gegen den einzelnen Landwirt. (Lebhafte Zwischenrufe.) — Wenn einmal ein Teil der Landwirte frei ist, glauben Sie wirklich, dass die anderen, wenn sie die hohen Preise sehen, noch abliefern werden? Wer soll sie zwingen? Wenn einmal der Landwirt oder eine Anzahl von Landwirten in einem bestimmten Gebiete frei ist, ist eine Kontrolle überhaupt nicht möglich. Es wird teures Mehl neben dem Kontingentmehl schwimmen und wie dann bei der heutigen geringen Zahl unserer Kontrollorgane und bei dem Mangel eines guten Willens zur Kontrolle, bei dem fehlenden Mahlscheinzwang, eine solche ausgeübt werden soll, ist ziemlich klar. Ich bin vollkommen der Überzeugung, dass wir das Kontingent auf diese Weise nicht bekommen. Wir werden am Anfang vielleicht rasch von einzelnen gewisse Mengen bekommen, nach kurzer Zeit aber wird eine Stockung eintreten, nach der Zeit nämlich, in welcher die im freien Handel vorhandenen Mengen nicht genügen werden, um die Nachfrage zu befriedigen und das Getreide einen unfehlbar eintretenden, sehr hohen Preis haben wird, ja haben muss. Dies kann ich Ihnen natürlich nicht garantieren, dass zu jener Zeit die Importe so stark sind, dass sie in Konkurrenz treten können. Die gewerbeverarbeitende Industrie wird mit dem Staate, der einkaufen will, in Konkurrenz treten, und da das Anbot unzureichend sein wird, wohl aber eine große Nachfrage,
so müssen die Preise in die Höhe gehen und ich bin nicht einmal


 

sicher, ob sie bei der Weltmarktparität haltmachen werden. Wir werden also riesige Preise haben und darin sehe ich eine sehr schwere Gefahr für die soziale Ruhe. Sie dürfen nicht vergessen, in irgendeinem Produktionsgebiete ist ein großer Betrieb, die Leute können vielleicht nicht von: Staate voll versorgt werden und da werden sie zu hohen Preisen freies Mehl einkaufen müssen.. (Zwischenrufe. — Abgeordneter Stocker: In Steiermark wird das beim Vieh bereits so gemacht!)

Präsident Hauser (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um Ruhe, meine Herren.

Staatssekretär für Volksernährung Dr. Loewenfeld-Ruß (fortfahrend): Meine Herren, lassen Sie mich nur noch ein paar Minuten sprechen, ich bin gleich fertig. Mir haben ernste und maßgebende Landwirte gesagt, dass in der Landwirtschaft eine solche Missstimmung über die Zwangswirtschaft herrsche, dass bei Aufrechthaltung selbst meines gemäßigten Vorschlages an eine Aufbringung des Kontingentes nicht gedacht werden könne. (Zustimmung.) Ich muss sagen, dass diese Mitteilung auf mich einen großen Eindruck machen musste. Denn schließlich und endlich, ich will kein Gesetz haben, das nicht ausgeführt wird, sondern das mir das Getreide bringt. Ich habe also neuerlich darüber nachgedacht, in welcher Weise ich, ohne dass ich mein Prinzip, beziehungsweise die Sorge für die Versorgung der Bevölkerung im Stiche lasse, der Landwirtschaft entgegenkommen kann. Es wird sich natürlich, wenn man einmal schon im Konzedieren drin ist, oder die Absicht hat, zu konzedieren, schwer die Grenze finden lassen. Aber eine Grenze muss sein und ich habe gegen die freie Bewirtschaftung, das heißt die freie Verwertung des individuellen Kontingents, wenn der einzelne Landwirt abgeliefert hat, so schwere Bedenken, dass ich das unbedingt ablehne. Zu dieser Konzession bin ich unmöglich bereit. Dagegen halte ich es für möglich — obwohl ich auch dagegen schwere Bedenken habe, vielleicht wird mich die Praxis eines Besseren überzeugen — dass, wenn innerhalb eines kleineren Territorialverbandes, eventuell eines politischen Bezirkes oder der Gemeinde (Zwischenrufe)... Lassen Sie mich doch ausreden, Sie können dann noch immer Nein sagen. innerhalb des politischen Bezirkes oder der Gemeinde die Landwirte abgeliefert haben, dann die Freiheit innerhalb dieses Raumes gegeben wird und ich dann vielleicht zu meinem Kontingent komme und Sie zu Ihrem erwünschten Vorteil für sich und für Ihre Produktion. Ich glaube, dass in einer Gemeinde doch eine solche Zusammengehörigkeit besteht, dass es ohne Zweifel möglich sein muss, dass einer auf den anderen drückt, dass nicht an einem eventuell die Freigabe scheitert. Man wird ihm — und ich glaube, die Landwirte treffen das schon, — in entsprechendem Tone sagen können oder mit sonstigen Mitteln bewirken, dass er die Ablieferung vollzieht, damit die Gemeinde endlich frei wird. Lieber wäre es mir, wenn Sie diese Freigabe für den politischen Bezirk abgrenzen würden.

Ich habe, ob das dann auf den Bezirk oder auf die Gemeinde abgestellt wird, eine Formulierung verfasst, über die ich leider unmittelbar vor der Sitzung mit den Herren nicht mehr sprechen konnte.

Wenn zum Beispiel eine Gemeinde ihr Kontingent abgeliefert hat und diese Tatsache, sagen wir der Landesregierung oder dem Staatsamte gemeldet wird, soll binnen einer bestimmten Frist, sagen wir, binnen vier Wochen, die Freigabe, die freie Verwertung gestattet werden.

Das wäre aber meiner Meinung nach das äußerste, was ich zugestehen könnte, und ich muss es der Beschlussfassung des hohen Hauses überlassen, ob es meint, dass aus dieser Formulierung eine Gefahr für die Versorgung nicht entstehe und doch den Wünschen der Landwirtschaft entgegengekommen werden kann. Ich habe, wie gesagt, Bedenken, aber wenn ich wählen muss zwischen der Tatsache, dass mir der Landwirt sagt, du bekommst auf die Weise, wie das Gesetz bestimmt, kein Kontingent, weil die Missstimmung zu groß ist und zwischen dem Übel, dass ich als solches erkenne, so scheint mir mein Kompromissantrag vielleicht als das kleinere Übel. Allerdings, es ist ein Experiment, ein verantwortliches Experiment und ich bitte sich es sehr zu überlegen. (Zwischenrufe.)

Ich möchte nur noch einige Worte sagen über die Frage des Preises. Ich weiß, dass der Preis von 1000 K von verschiedenen Seiten als zu hoch und speziell dann als zu hoch angesehen wird, wenn der Landwirt die freie Verwertung eines bestimmten Überschusses noch außerdem hat. Meine Herren! Ich habe im Ausschusse gesagt, dass der Preis sozusagen „nach dem Gefühl" bestimmt worden ist. Ich möchte das rektifizieren, weil mir das übel ausgenommen worden ist. Nach dem Gefühl ist er nicht bestimmt worden, ich wollte damit nur sagen, auf Krone und Heller kann man heute Produktionskosten und Preise auf Monats nicht vorausberechnen. Wir haben selbstverständlich Produktionskostenberechnungen stichprobenweise angestellt. Was das heute für einen Wert hat, darauf will ich mich nicht weiter einlassen. Bei den heutigen Produktionsverhältnissen, bei der Steigerung der Preise, bei dem fortwährenden Schwanken der Valuta lassen sich wirkliche Produktionskosten nicht berechnen. Sie lassen sich auch nicht berechnen mit Rücksicht auf die
Einwirkungen der Lohnarbeiterfrage. Jedenfalls habe


 

ich mich dafür eingesetzt, dass bei den Beratungen der Wirtschaftskommission Rücksicht darauf gelegt werde, dass der Landwirt einen seine Produktionskosten deckenden Preis erhalte. Die Wirtschaftskommission setzt sich aus von den Landesregierungen nominierten Vertretern zusammen, derart, dass jede Landesregierung einen Produzenten- und Konsumentenvertreter und einen amtlichen Vertreter entsendet. Ich nehme keinen Einfluss auf die Nominierung. Ich habe also Wert darauf gelegt, dass der Preis unbedingt den Aufwand der Produktionsmittel decke. Ich betone, dass der Preis nach den Beschlüssen, die gefasst worden sind, ein Minimalpreis ist, indem er zu Beginn des nächsten Jahres kontrolliert werden wird. Ich glaube, dass unter den heutigen Verhältnissen ein Preis von 1000 K vorläufig als zureichend bezeichnet werden kann — in vielen Gebieten ist er sicherlich höher als die Produktionskosten plus bürgerlichen Gewinn, in manchen Gebieten ist er vielleicht jetzt schon tatsächlich knapp, jedenfalls, wenn unsere Krone weiter steigen würde, könnten wir sogar ziemlich nahe an die Weltmarktsparität kommen — die Krone  müsste allerdings noch beträchtlich steigen. Es steht mir keine Statistik zur Verfügung, aber es sollte auch einmal berechnet werden, was die österreichische Landwirtschaft an diesem Preise verdienen kann. Diese 100.000 Tonnen Getreide repräsentieren, wenn ich nur den Weizenpreis rechne und die Gerste gar nicht berücksichtige, eine Milliarde Kronen. Wenn ich das, was der Landwirt für sich als Selbstversorger braucht und die sonstigen Kosten als Produktionskosten betrachte, so stellt diese Milliarde Kronen ungefähr den Bruttoertrag des Wertes des landwirtschaftlichen Besitzes dar und danach könnte man die Verzinsung errechnen. Ich weiß aber heute nicht, wie hoch der Wert des landwirtschaftlichen Besitzes in Österreich beziffert wird, ich überlasse es daher den Nationalökonomen, zu berechnen, ob diese Milliarde Kronen eine entsprechende Verzinsung ist. Allerdings  müsste auch der Erlös aus dem Überkontingente in die Berechnung einbezogen werden! Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass durch die jetzige Erhöhung des Getreidepreises die einheimischen Mehl- und Brotpreise unverändert gelassen werden. (Bravo!) Ich weiß, dass ich hier mit Manchen nicht immer im Einverständnis bin. Tatsache ist natürlich, dass durch die Erhöhung des inländischen Getreidepreises der Staat in Hinkunft auch auf das aus inländischem Getreide hergestellte Mehl draufzahlen muss. Wenn die 100.000 Tonnen Kontingent abgeliefert werden, was ich hoffe, so würde daraus dem Staate nach meiner Berechnung ein Verlust von 600 Millionen erwachsen, der aber noch immer eine sehr bedeutende Ersparung bedeutet gegenüber dem Falle, dass ich diese 100.000 Tonnen aus dem Auslande beziehen  müsste; und dies ist mit ein Hauptgrund, weshalb an der Bewirtschaftung festgehalten werden muss!

Meine Herren, ich weiß nicht, ob ich noch auf einige Anregungen, die gegeben wurden, reagieren kann. Ich möchte nur sagen, dass die Aufhebung der Mühlensperre, die verlangt wurde, Sache der Landesregierungen ist. Ich habe in diesen Details keine unmittelbare Ingerenz und kann höchstens empfehlen. Dasselbe ist mit dem Mahlscheinzwang der Fall. Die Landesregierungen sind nach dem Gesetze ermächtigt, den Mahlscheinzwang einzuführen oder nicht. Ich bitte, sich also an die jeweilige Landesregierung zu wenden. Was die Berufung im Strafverfahren anbelangt, die vom Herrn Abgeordneten Stocker beantragt worden ist, so ist sie überflüssig; sie würde auch eine wahnsinnige Komplizierung des Instanzenganges bedeuten und ist deshalb nicht notwendig, weil so wie so die Überprüfung der Entscheidungen und Verfügungen von Amts wegen der Vorgesetzten politischen Behörde und unserem Staatsamte Vorbehalten ist. Was das Saatgut anbelangt und dass der Saatgutverkehr nicht klappt, so möchte ich darauf aufmerksam machen, dass das nicht Schuld unseres Systems oder der Bewirtschaftung ist, sondern dass da viel Schuld auch bei Ihren eigenen Organisationen liegt. Im Übrigen heißt es im § 5: „Den Verkehr mit Saatgut regelt das Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Volksernährung", und ich bin bereit, jeden Antrag, den mir das Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft hinsichtlich des Saatgutes macht, zu akzeptieren.

Ich möchte also kurz resümieren, damit Sie wissen, welche Stellung ich einnehme: Ich halte bei den heutigen Verhältnissen in bestimmten Grenzen die Aufrechterhaltung der Wirtschaft beim Getreide für notwendig, ich halte fest an den Kontingentziffern, die die Wirtschaftskommission festgesetzt hat; höchstens könnte eventuell für einzelne Länder aus irgendwelchen Gründen, die sich aus einer schlechten Ernte oder sonst ergeben, eine Herabsetzung eintreten, wenn die Wirtschaftskommission, die nach dem Gesetze die Vorschläge zu erstatten hat, zustimmt. Es heißt ja hier (liest): „Das Staatsamt für Volksernährung setzt nach Anhörung der bei ihm bestehenden Wirtschaftskommission die Gesamtmenge der im ganzen Staate voraussichtlich erzielbaren Überschüsse (Gesamtkontingent) fest." Daran muss ich mich halten. Ebenso halte ich an dem festgesetzten Preise fest. Was die Verwertung des Überschusses anbelangt, so habe ich gesagt, dass ich äußersten Falles, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen, zustimmen würde, dass die Freigabe des Überschusses dann stattfinden darf, wenn in der betreffenden Gemeinde oder in dem betreffenden politischen Bezirke
das Kontingent restlos abgeliefert ist, unter Einschaltung eines


 

kleinen Respektzeitraumes von etwa vier Wochen. In welcher Form und in welcher Richtung, wie weitgehend, ob Bezirk oder Gemeinde, das würde dem Beschlüsse des Hauses überlassen sein. Dagegen lehne ich die individuelle Freigabe ab.

Meine Herren! Gestatten Sie mir noch eine ganz kurze persönliche Bemerkung. Der Hauptausschuss hat vor ein paar Tagen an mich die ehrende Anfrage gerichtet, ob ich geneigt wäre, die Wahl in die neue Regierung anzunehmen. Diese Anfrage ist für mich umso ehrender gewesen, als ich mir bewusst bin, dass trotz aller Anstrengungen die Erfolge auf dem Gebiete des Ernährungswesens weder den Ansprüchen der Nationalversammlung und deren Abgeordneten, noch den Wünschen der Bevölkerung entsprechen, auch nicht entsprechen können unter den gegenwärtigen Verhältnissen und Schwierigkeiten.

Meine Herren! Wenn Sie und Ihre Parteien mir aber das Vertrauen schenken, so nehme ich an, dass Sie daran nicht die Bedingung knüpfen, dass ich nur ein Amt und keine Meinung haben darf. Meine Herren, ich habe die volle innere Überzeugung, trotz der Argumente, die mir in den letzten Tagen ausführlich dargelegt worden sind, dass die individuelle Freigabe des Kontingentes eine Gefahr für die Ernährungssituation bildet. Diese Gefahr wird nicht unmittelbar und sofort eintreten, aber das Gesetz in dieser Form wird allgemach zur allgemeinen Auflösung einer geordneten Verbrauchsregelung, zur Steigerung der Mehlpreise führen und möglicherweise schwere soziale Missstände erzeugen. All dies insbesondere dann, wenn wir nicht genug Importe haben sollten!

Ich habe deshalb, meine Herren, die Annahme der Wahl an den Vorbehalt geknüpft, dass dieses Gesetz das Haus in einer Form verlasse und der Gesetzgeber diesem Gesetze einen Inhalt gebe, welcher meiner Meinung nach seine Durchführung verbürgt und unter den gegenwärtigen Verhältnissen unserer schwierigen Lage Rechnung trägt. Das ist sicherlich keine Frage der Person, denn jede Person ist erschlich, es ist wirklich eine sachliche Frage, eine Frage, die auch mehr enthält, als den an und für sich geringfügigen Streit, in welcher Weise das Überkontingent zu verwerten ist, es ist eine Frage, die mit unserer Gesamternährung auf das innigste zusammenhängt. Meine Herren, ich bin über einundeinhalb Jahre Staatssekretär für Volksernährung, unsere Volksernährung ist wiederholt an einem Faden gehangen und ich gebe Ihnen die ehrlichste und überzeugungsvollste Versicherung, dass ich die Verantwortung für ein Experiment, wie dieses eines ist, nicht tragen kann.

Meine Herren! Ich muss noch etwas sagen — und diese Bitte richte ich an die Vertreter der Landwirtschaft, die bäuerlichen Abgeordneten: Es kann mir wirklich nicht genügen, ein Gesetz zu bekommen, das gegen oder ohne die Stimmen der bäuerlichen Vertreter angenommen wurde. Meine Herren! Im Vorjahre haben die Vertreter der Landwirtschaft persönlich und wie ich weiß, vielfach unter Einsatz ihrer Popularität (Sehr richtig!) sich für die Ablieferung der Kontingente eingesetzt und ich weiß speziell in Niederösterreich Abgeordnete, die wirklich mit Einsatz all ihres persönlichen Einflusses dafür gewirkt haben. Wenn, meine Herren, dieses Gesetz ohne oder gegen Ihre Zustimmung zustande kommt, kann ich die Erwartung nicht haben, dass Ihr Einfluss auf die Landwirte wirklich ausgenutzt wird und ich halte dann das Gesetz für ein totes Gesetz; dass das Gesetz im Staatsgesetzblatt steht, dafür habe ich kein Interesse, sondern ich habe das Interesse, dass ein lebendiges Gesetz gemacht wird, das den Zweck erfüllen soll, der damit verfolgt wird. Meine Herren, ich glaube, es ist keine Ungebühr, wenn ich mir gestatte, Sie auf die Verantwortlichkeit Ihrer Entscheidung aufmerksam zu machen. Es ist ein Problem, das weder von einem parteipolitischen noch von einem wahlpolitischen Standpunkte gelöst werden kann. Ich bin überzeugt, dass wir das Gesetz durchführen können, wenn die Vertreter der Landwirtschaft sich dafür einsetzen in der Form, die ich ja ungefähr skizziert habe. Meine Herren, einmal werden wir natürlich aus diesen Ausnahmsgesetzgebungen herauskommen müssen, unsere Lage ist aber heute noch nicht so, dass wir auf die Ausnahmsgesetzgebung verzichten können. Das, was ich Ihnen vorlege, meine Herren, ist ein Minimum noch an Bewirtschaftung, ein — fast möchte ich sagen — schäbiger Rest und von einer Zwangswirtschaft kann man ja wirklich kaum mehr reden. Ich bitte Sie, meine Herren, diesen Rest der Bewirtschaftung, den bewilligen Sie mir! (Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: (welcher wahrend vorstehender Rede wieder den Vorsitz übernommen hat): Ich möchte an die weiteren Redner das dringende Ersuchen richten, sich nach Tunlichkeit kurz zu fassen. Es sind nämlich noch acht Redner vorgemerkt und wir müssen heute noch mit dem Gegenstände fertig werden.

Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Traxler.

Abgeordneter Traxler: Hohes Haus! Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf über die Getreidebewirtschaftung im Jahre 1920 möchte ich folgendes bemerken. Der Bauer ist schon durch fünf Jahre in die Zwangswirtschaft eingeschraubt. Für sein braves Wirken, für sein Schaffen, für seine Arbeitsfreudigkeit wird
er unter den Druck der Zwangsmaschine gestellt, das heißt: Bauer, das Getreide,


 

das du im Schweiße deines Angesichtes dem Boden abgerungen hast, wird dir vom Staate in Verwaltung übernommen. Verdient das der Bauer? Ich glaube nicht. Weil der Bauer viel lieber seiner Arbeit nachgeht als der Politik und trachtet, sein Fortkommen so viel als möglich zu erleichtern, und ruhig ist, untersteht man sich, Jahr für Jahr sein Getreide zu beschlagnahmen. Ich glaube nicht, dass der Bauer das verdient. Der Bauer hat nicht nur im Kriege große Blutopfer gebracht, sondern wenn er zufällig Urlaub vom Felde bekam, so war zu Hause seine erste Frage: Wie steht es mit der Arbeit? Die Antwort seiner Gattin, seiner Eltern oder Geschwister war: Arbeit über Arbeit! Und obwohl er sich vor Augen halten konnte, dass vielleicht die letzte Stunde geschlagen hat, wenn er wieder an die Front muss, verdross es ihn nicht, die Arbeit wieder zu beginnen. Er arbeitete so lange, bis auch der Urlaub zu Ende ging, dann nahm er wieder den Rucksack und ging an die Front, um Kriegsdienste zu leisten. Alle diese Männer, die so treu und tapfer gekämpft haben, stellt man heute noch unter den Zwang, damit sie noch längere Zeit geknechtet werden. Ich will nicht mehr von den Kommissionen sprechen, die ihr grässliches Handwerk in den Bezirken ausgeübt haben. Ich verkenne nicht, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln eines der wichtigsten Kapitel in Österreich ist. Es muss getrachtet werden, die hungernde Bevölkerung zu versorgen. Wenn man aber den Bauer unter die Zwangsmaschine stellt, so soll man auch die Zentrale unter Zwangsaufsicht stellen, damit man weiß, wie mit dein angelieferten Getreide gewirtschaftet wird und damit es nicht wieder vorkommt, wie in den vergangenen Jahren, wo man für den angelieferten Hafer 1 K 60 h bekam, wenn man aber irgendeinen Konsumenten, der Pferde hatte, fragte, wie wurde von den Zentralen der Hafer abgeliefert, so bekam man immer zur Antwort, man hat Hafer bekommen, aber nicht bei Hinzurechnung eines bürgerlichen Gewinnes, sondern um einen weit höheren Preis. Wenn man den Bauer unter Kontrolle stellt, so glaube ich, soll man auch andere Klassen der Menschheit unter Kontrolle stellen. Denn wenn der Bauer sieht, dass jedermann auf seinem Posten steht, so wird er auch seine Lasten leichter ertragen.

Da ich einsehe, dass das Volk ohne Nahrung nicht leben kann und es durch gänzliche Freigabe des Getreides unmöglich sein wird, das Volk zu ernähren und vielleicht eine Stockung eintreten könnte, erfüllen wir Bauern noch einmal die Pflicht — und zwar das sechste Jahr — uns wieder unter die Zwangsmaschine stellen zu lassen. Was die Mahlscheine, bezüglich der in der Gesetzesvorlage nichts vorgesehen ist, anbelangt, so glaube ich, dass dies am besten den Ländern überlassen wird. Der Mahlschein hat nur den Zweck, die Bauern zu sekkieren oder den Müllern die Taschen zu füllen.

Ich erwähne zum Schlusse, dass wir für den Antrag stimmen werden, aber nur dann, wenn der Überschuss des Getreides, der nach der Lieferung übrig bleibt, freibleibt und wenn der Mahlschein ausgehoben wird. (Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gelangt der HerrAbgeordnete Krötzl.

Abgeordneter Krötzl: Hochverehrte Anwesende, sehr verehrte Damen und Herren! Ich werde Ihre Aufmerksamkeit gewiss nicht lange in Anspruch nehmen, nachdem die Zeit vorgeschritten ist. Aber nachdem meine sehr verehrten Herren Vorredner in ausgezeichneter Weise ihre Ansichten entwickelt haben und dabei Produzentenpolitik, Konsumentenpolitik, Regierungspolitik und auch Handelspolitik gestreift worden ist, wollen Sie mir gestatten, dass ich bemerke, dass ich dabei eines vermisse. Wir streiten darum, wie man es macht, dass aus einer Sache, die wenig ist, mehr wird, dass eine Sache die teuer ist, billiger wird. Das ist mehr oder weniger das ganze Um und Auf.

Ich möchte mir erlauben, bei aller Hochachtung der Parteien und Persönlichkeiten einen kleinen Vorschlag zu machen. Sehen Sie, wenn unsere den Produzenten zugehörigen Kollegen sich seinerzeit etwas mehr dem Getreidebau zugeneigt hätten, der heute lohnender ist als seinerzeit, so würden sie mehr erzeugen können. Wenn man sowohl von Seiten der Regierung, wie auch von Seiten der Konsumentenkreise daran gehen möchte, uns zu unterstützen, dass wir die vernachlässigten Weiden, wo jetzt Hirsche sind, zuvor aber Haustiere waren, wieder mit Haustieren besiedeln könnten, wenn man jene Flächen, die für den menschlichen Vorteil dadurch verloren gehen, dass man eine Wildhegung nicht mehr hat, für die Ziegen- und Schafzucht ausnutzen würde

— für andere Zwecke sind sie nicht geeignet — dann hätte man Kleinvieh, man hätte Schafwolle, Fleisch und feineres Leder und man hätte dann in den Mittelweiden, wo die Hirsche stets ihr Spiel getrieben haben, den Platz, um schwere Haustiere zu züchten. Es ist mir bekannt, dass seinerzeit in Steiermark die Schweinezucht in rigoroser Weise betrieben worden ist. Es wird sich vielleicht

— ich bin nicht so eingeweiht in die Verhältnisse

— auch hier etwas machen lassen und jedes Stück Fleisch, das in der Produktion gewonnen wird, ist ein Entgegenkommen für das Stück Brot. Meine Herren, ich bin zugleich Müller. Wenn wir den Auftrag erhalten haben, aus 400 Kilogramm Getreide 97 Kilogramm herauszumahlen, so beachten Sie,
was wir damit haben machen müssen: Den Unkrautsamen,


 

den wir einmal über Auftrag der Bezirkshauptmannschaften bei Seite geben mussten, der Gift enthalten hat — es sind einige Giftsamen darunter — den haben wir zusammenmahlen und unter das Mehl schütten müssen, um das Gewicht herauszubringen. Das ist doch kein Vorteil gewesen. Wenn die Statthalterei in Oberösterreich uns gestattet hätte — und die Konsumenten nicht etwas kleinlich gedacht hätten —, wenn man uns gestattet hätte, von 100 Kilogramm Getreide 88 Kilogramm herauszumahlen und die restlichen 12 Prozent für das Vieh zu verwerten, so hätten wir Ihnen etwas mehr Milch gebracht, wir hätten Ihnen etwas mehr Fett und Fleisch gebracht und ich meine, Sie würden vielleicht zufriedener gewesen sein, wie wenn Sie mit Giftsamen vermischtes Mehl genießen müssen. Das ist doch einleuchtend. Ich will niemanden verletzen, ich will nur darauf hinweisen, dass es nicht recht ist, dass man uns Produzenten so hart behandelt. Sagen Sie mir, wo ist denn ein Stand, den man sowohl heute, unter diesen Verhältnissen, wie schon früher unter der kaiserlichen Regierung so unter Kuratel gestellt hat wie die Getreidebauern? Es ist ja nicht sein Eigentum, was er erzeugt, während es doch sein rechtmäßiges Eigentum wäre. Wir haben aber gar nichts einzuwenden, wenn man Rücksichten nimmt, wenn auch von anderer Seite uns gegenüber ein Entgegenkommen gezeigt würde. Aber ich verweise auf die Lederpreise, ich verweise auf den Preis der Kleiderstoffe, die wir auch unbedingt brauchen, und so manches andere — die Textilbranche hat Preise angenommen, die entsetzlich sind und auch die Kohle geht im Preise sehr hinauf; wenn wir heute die Druschkohle mit 60 K pro Meterzentner zahlen müssen, so ist das eine bedeutende Mehrbelastung gegenüber früher, wo wir 1 K 20 h gezahlt haben.

Ich möchte das, also nur einiges, angeregt haben, und wenn ich Zeit gehabt hätte, hätte ich mir erlaubt, Sie noch auf verschiedene andere Dinge aufmerksam zu machen; um Sie aber nicht aufzuhalten, da, wie ich erfahre, noch einige Herren nach mir reden wollen, schließe ich und möchte herzlichst gebeten haben — und ich appelliere da an Ihr Gerechtigkeitsgefühl — lassen Sie uns nicht Unrecht zuteilwerden, handeln Sie so, dass Sie uns gegenüber Rücksicht nehmen, und dann werden wir auch Ihnen gegenüber Rücksicht nehmen. (Beifall.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Hollersbacher.

Abgeordneter Hollersbacher: Hohes Haus! Das Getreidekontingierungsgesetz trifft besonders schwer jene Landwirte, welche in Ländern sind, wo wenig Getreidebau getrieben wird. In diesen Ländern machten die Landesregierungen die Aufbringung einfach so: Sie teilten das Kontingent auf die Bezirke auf, die Bezirke teilten das Kontingent auf die Gemeinden auf und die Gemeinden mussten vielfach, um etwas auszubringen, das Flächenausmaß zur Grundlage nehmen. Infolgedessen ist es vorgekommen, dass Besitzer mit ein, zwei Joch herangezogen wurden zur Lieferung; es ist auch eine ganze Reihe von Fällen vorgekommen, wo Landwirte zur Lieferung herangezogen wurden, welche ein oder zwei Monate daraus mit der Brotkarte wandern mussten. Dass diese Zustände Erbitterung verursachten, ist selbstverständlich. Erbitterung verursachte auch weiters, dass das, was mit den größten Zwangsmaßnahmen, was mit dem größten Aufwande an Arbeit und Kosten aufgebracht wurde, bei uns zum Beispiel in Steiermark nur für vierzehn Tage zur Ernährung ausreichte. Es ist daher die Frage berechtigt, ob die Getreidekontingentierung wirklich zweckmäßig ist. Diese Frage wird bei uns in Steiermark von den Produzenten und auch von einem großen Teile der Konsumenten verneint.

Da es aber momentan nicht möglich ist, das Getreidekontingentierungsgesetz aus der Welt zu schaffen, haben wir uns erlaubt, einen Antrag zu stellen, um die Schärfen des Gesetzes zu mildern (liest):

„Landwirten, welche nicht mehr produzieren, als sie für ihre Wirtschaft brauchen, ist ein Kontingent nicht aufzuerlegen und ist jener Teil, der auf diese entfallen würde, vom Landeskontingente abzuschreiben."

Ich glaube auch, das hohe Haus wird der Meinung sein, dass man Leute nicht zur Ablieferung heranzieht, die überhaupt nicht das ernten, was sie brauchen, dass man ihnen nicht ihren Bissen Brot noch schmälert. Ich glaube also, dass der Antrag gerechtfertigt ist und ersuche um dessen Annahme.

Gleichzeitig erlaube ich mir folgenden Antrag einzubringen:

„Zur Vorlage der Staatsregierung, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 3. Juli 1919, St. G. Bl. Nr. 345.

Nach § 16, Absatz 1, ist einzuschalten:

,Jedoch darf ein Mahlscheinzwang nicht angeordnet werden"

Ich ersuche, auch diesem Antrag Ihre Zustimmung geben zu wollen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gelangt die Frau Abgeordnete Freundlich.

Abgeordnete Freundlich: Hohes Haus! Der Herr Staatssekretär hat davon gesprochen,
dass die Frage der Getreidebewirtschaftung eine Frage des


 

Prinzips sei. Ich möchte aber Wert darauf legen, festzustellen, wenn es eine Frage des Prinzips ist, so ist es durchaus nicht eine Frage des sozialistischen Prinzips, sondern es ist eine Frage des Prinzips, wie wir unsere Ernährungswirtschaft organisieren. Und wie wenig dies eine Frage ist, die von irgend einer Parteipolitik abhängt, wie sehr sie abhängt von der allgemeinen Wirtschaftspolitik, das ersehen Sie ja daraus, dass vor ein paar Tagen, die französische Kammer der strengen Bewirtschaftung zugestimmt hat. In Frankreich hat — wie mir heute ein Mitglied der französischen Deputiertenkammer, das auch bei unserer Sitzung anwesend war, mitgeteilt hat — die Kammer, die die reaktionärste Kammer ist, die Frankreich seit 50 Jahren gehabt hat, eine Kammer, die fast ausschließlich aus Vertretern besteht, die von Bauern gewählt worden sind, diese Kammer hat zugestimmt. . . (Ruf: Und die Sozialisten?) Es sind unter 700 Mandataren 60 Sozialisten, die überwiegende Mehrheit ist also nicht sozialdemokratisch! — Diese Kammer hat zugestimmt, dass es in Frankreich nur einen einzigen Käufer gebe und dieser Käufer ist der Staat. Und selbst die Minorität, die einen Gegengesetzentwurf eingebracht hat, hat in diesem auch verlangt, dass der Staat der alleinige Einkäufer sei. Dabei dürfen Sie nicht vergessen, dass Frankreich in einer wesentlich günstigeren Situation hinsichtlich seiner Getreidebewirtschaftung ist als wir, denn es wird sich bei der sehr guten Ernte, die auch Frankreich Heuer haben wird, bis zu 90 Prozent aus seiner eigenen Ernte versorgen können, ein Versorgungsstand, den wir natürlich aus keinen Fall erreichen können.

Es ist nun etwas ganz Eigentümliches und man sollte, wenn man heute die Reden im Hause gehört hat und weiß, wie die verschiedenen Klubs zu stimmen gesonnen sind, meinen, dass dieses Gesetz geschaffen wurde, ohne dass man vorher auch nur die Landwirtschaft gehört hätte. Es ist aber gerade das Gegenteil der Fall. Es find zu allererst, bevor im Staatsamt für Volksernährung überhaupt daran gedacht wurde, ein neues Gesetz auszuarbeiten, die Verhandlungen mit den Vertretern der Landwirtschaft geführt worden. Es ist nur das Merkwürdige: Wenn man mit dem einen Teil der Landwirte verhandelt, kommt nach 14 Tagen der andere Teil und sagt: Aber ich will ja ganz etwas anderes! Ich weiß nicht, welche Vorstellung Sie von Organisationen haben, aber wenn bei uns eine Organisation verhandelt hat, dann hat natürlich die ganze Organisation, auch jene Teile, die persönlich an den Verhandlungen nicht teilgenommen haben, die Pflicht, diese Vereinbarungen einzuhalten. Bei Ihnen ist es anders. Ja, es ist das Eigentümliche, dass dieses Gesetz von dem früheren Kabinettsrat beraten wurde, dass der frühere Kabinettsrat, dem auch der landwirtschaftliche Vertreter der einen Koalitionspartei angehört hat, diesem Gesetz zustimmte. Und jetzt hat sich plötzlich die Situation unserer Ernährungswirtschaft in 14 Tagen so gewendet, ist sie so anders geworden, dass Sie hingehen und erklären können: Bitte, das können wir nicht mehr verantworten, wir sind jetzt für eine ziemlich vollständige Freigabe unserer Wirtschaft.

Meine sehr verehrten Anwesenden! Wir verstehen das ja natürlich. Sie haben ja draußen immer über die freie Wirtschaft geredet und mein Kollege Stocker hat ja heute die Liebenswürdigkeit gehabt, mich einer Aufgabe zu überheben: Er hat

Ihnen vorgelesen, was Ihre Provinzblätter schreiben: Sie haben solange den Mund gespitzt, dass Sie jetzt, wo die Wahlen näher kommen, natürlich auch einmal pfeifen müssen und dass Sie im Gegensatz zu uns, die wir den Mut haben, unsere Meinung auch gegen extreme Richtungen zu vertreten, diesen Mut nicht haben und sich heute einfach vor den Gegenaktionen des Herrn Stocker fürchten, der dadurch unverdienter- und nicht gerechtfertigter Weise zum Mentor der österreichischen Ernährungswirtschaft geworden ist. Ich will nicht aus der Schule schwatzen, aber die Angst bei Ihnen vor der Gegenaktion des Herrn Stocker ist ja sehr groß.

Nun sind wir, die wir niemals von dem Prinzip der Wirtschaft, das uns heute nicht unser freier Wille, sondern die Not der Verhältnisse aufzwingt, abgegangen sind, natürlich in der guten Situation, dass wir einfach das beschließen, was wir seit Jahren vertreten, was wir zu vertreten unter allen Verhältnissen und in allen Situationen den Mut haben. Wir werden auch den Mut haben, vor die bäuerlichen Wähler hinzutreten und ihnen zu sagen: Wir haben es für unsere Pflicht gehalten, in einer Situation, wo wir, wie ich Ihnen bestätigen kann, im Ernährungsamte am Freitag noch nicht wussten, woraus wir am Montag in Wien Brot backen werden, wo unsere ganze Ernährungswirtschaft immer an einem Faden und sehr oft an dem Faden des Zufalls hängt, nicht ausschließlich im Interesse eines Teiles der Bevölkerung zu handeln, sondern im Interesse der Gesamtbevölkerung zu handeln.

Es ist ja heute schon vom Herrn Staatssekretär für Volksernährung sehr eingehend dargestellt worden, wie sich die Getreidebewirtschaftung in den anderen Ländern, die uns umgeben, gestaltet. Es wird hier in Österreich auch immer erzählt, wie die Verhältnisse in England sind. Ich war heuer zufällig in einer Sitzung anwesend, wie im englischen Parlament ,— als Mitglied eines Parlaments habe ich im Gegensätze zu den übrigen Fremden die Erlaubnis bekommen, den Parlamentsverhandlungen beizuwohnen — die Frage erörtert wurde:
sollen wir das Ernährungsamt aufgeben, sollen wir der Agitation, die dort nicht vom


 

Herrn Meinl, aber von ähnlichen Interessentengruppen wie der Herr Meinl geführt sind, nachgeben oder sollen wir beschließen, dass das Ernährungsamt und die Kontrolle der Preise, die Kontrolle der Einfuhr weiter aufrechterhalten bleibe? Da hat nun das englische Parlament beschlossen, dass „ mindestens noch zwei Jahre der ganze Ernährungsdienst aufrechterhalten werden muss, weil es, wie vom englischen Ernährungsminister erklärt wurde, unmöglich ist, zu konstatieren, wie sich die Situation in der Getreideversorgung auf der ganzen Welt stellen werde. Man hat in England damals in den Parlamentsdebatten die größte Befürchtung geäußert, dass es bei dem ständigen Rückgang der nordamerikanischen landwirtschaftlichen Produktion — denn in Amerika wird man durch die ungeheuren Verdienstmöglichkeiten zum Export des Getreides verlockt — unmöglich sein könnte, so viel Getreide in Amerika zu ernten, dass die Versorgung der Bevölkerung Europas durchführbar wäre. Auch in den Debatten der französischen Kammer ist, wie mir der französische Deputierte heute erzählte, von allen Parteien festgestellt worden, dass, wenn auch Frankreich sich bis zu einem hohen Grade selber zu ernähren imstande ist, es im Hinblick auf die allgemeine internationale Situation der Lebensmittelversorgung den Mut nicht aufbringen könne, jetzt die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass ein System, das gewiss seine Fehler hat, das aber bis zu einem gewissen Grade die Versorgung der Bevölkerung garantiert, radikal beseitigt werde.

Es fällt mir natürlich nicht ein, die bürgerlichen Parteien zu überzeugen, es fällt mir nicht ein, zu meinen, dass meine Worte irgendetwas an ihren Entschlüssen ändern könnten. Ich habe hier nur unseren allen bekannten und durch gar keine momentane politische Konstellation irgendwie beeinflussten Standpunkt darzulegen.

Aber, meine sehr geehrten Herren, es ist manchmal schon ein bisschen merkwürdig, was man in unserem Lande an Politik der Bevölkerung sich darzubieten gestattet. (Abgeordneter Stocker: Sehr richtig! Insbesondere in den verflossenen Monaten!) Sehr geehrter Herr Kollege Stocker, ein merkwürdiges Schicksal, das ich durchaus nicht segne, bringt uns immer wieder in Kampfesstellung gegeneinander. Ich muss gestehen, wenn ich die Wahl meiner Gegner hätte, ich würde Sie nicht wählen, denn ich bin auch in der Auswahl meiner Gegner ein bisschen wählerisch.

Aber, sehr geehrter Herr Kollege Stocker, wenn Sie als Großdeutscher auf der einen Seite mit demselben Pathos, mit dem Sie heute für den Freiheitskampf der Landwirte eingetreten sind, für die Vereinigung mit dem Deutschen Reich eintreten und auf der anderen Seite so geflissentlich jene Kreise unterstützen, die ihre Wirtschaftspolitik entweder, wie der Herr Meinl, aus dem Interesse ihrer eigenen persönlichen Handelsbeziehungen mit den Sukzessionsstaaten verfolgen oder die Politik jener Kreise, die ganz konsequent durch ihre Wirtschaftspolitik eine Donauföderation herbeiführen wollen, wenn man Sie also Arm in Arm mit diesen ihren politischen Antipoden in die Schranken treten sieht, um für die Aufhebung der Zwangswirtschaft zu kämpfen. .. (Abgeordneter Stocker: Auch in Deutschland kämpfen die Landwirte für die Aufhebung der Zwangswirtschaft!) Die Landwirte in Deutschland haben, wie schon der Herr Staatssekretär Ihnen dargelegt hat, mit der ganzen Konsequenz, die jede verantwortliche Handlung erfordert, unter dem Eindrücke der Verhältnisse, wie sie international bestehen, für die Ausrechterhaltung der straffsten staatlichen Bewirtschaftung gestimmt. (Abgeordneter Stocker: Gegen die Stimmen der Landwirte!)

Und, Herr Kollege Stocker, die deutschen Landwirte sind sogar noch weiter gegangen, wie die deutsche Nationalversammlung, denn in Deutschland war zum Beispiel die Bewirtschaftung verschiedener Dinge, so des Hafers, schon freigegeben und man hat dieses Jahr die strenge Bewirtschaftung des Hafers wieder eingeführt. Sie sehen also, man zieht in anderen Staaten seine Erkenntnisse nicht aus den Möglichkeiten kommender Wahlkämpfe (Zustimmung), sondern man gewinnt seine Erkenntnisse auf Grund der internationalen Verhältnisse, die nun einmal bestehen und über die wir nicht hinwegkommen können. (Abgeordneter Stocker: Wir haben denselben Standpunkt schon vor drei Jahren vertreten! — Zwischenrufe.) Unsere Ernährungsverhältnisse in Europa werden sich solange nicht bessern, solange die internationale europäische Reaktion ihren Kampf gegen Russland nicht einstellt. (Zustimmung.) Wenn man, anstatt Polen in den Krieg zu hetzen, Frieden im Osten gemacht hätte und wenn die polnische Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Organisationen des Ostens auf Grund dieses Friedenszustandes imstande wären, anzubauen, dann könnten wir in absehbarer Zeit zu einer besseren Versorgung und dann vielleicht auch zur vollständigen Aufhebung der Zwangswirtschaft kommen. Aber solange man in den fruchtbarsten Getreideländern Europas Krieg führt, solange man diese fruchtbarsten Länder zwingt, anstatt Sensen zu erzeugen, Maschinengewehre mit Munition zu versorgen. . .(Abgeordneter Luttenberger: Das ist der Krieg des Kommunismus!) Das ist nicht der Krieg des Kommunismus, sondern der Krieg der polnischen Regierung, die beeinflusst wird von der gesamten Reaktion. (Zustimmung.) Wir werden uns das nicht unterschieben lassen, dass wir am Ende irgend eine
Schuld an dem Kriege gegen Polen oder zwischen Polen und Russland haben. Denn im allgemeinen


 

steht heute die ganze internationale Arbeiterschaft auf dem Standpunkte, dass es eine einzige Lösung der wirtschaftlichen Situation in Russland gibt, und das ist der Friede. Der Friede — und darüber sind sich heute auch die Engländer schon vollständig klar würde eine bessere Getreideversorgung Europas in absehbarer Zeit herbeiführen. (Abgeordneter Stocker: Der Wirtschaftskrieg gegen Ungarn! — Zwischenrufe.) Herr Kollege Stocker, ob wir die tausend Waggons Obst kriegen oder nicht, spielt keine so große Rolle. Da ich ja zufällig auch alle Berichte im Ernährungsamte über alle anderen Lieferungen bekomme, kann ich Ihnen aus Grund dieser statistischen Nachweisungen versichern, dass wir an sonst aus Ungarn nichts bekommen haben. (Zwischenrufe)

Wir haben gar nichts aus dem Lande bekommen und die Ungarn sind auch schon im Kriege diejenigen gewesen, die unsere inneren Engländer waren und die uns innerhalb der alten Grenzpfähle mit aller Energie blockierten, liefern auch jetzt nichts. Aber es ist auch schon da merkwürdig, dass ausgerechnet die Großdeutschen alles tun, um dem Horthy-Regime, das nichts anderes will, als die Wiederaufrichtung des alten Österreich, zu dienen. (Zwischenrufe des Abgeordneten Stocker)

Präsident: Dürfte ich die Herren einladen, die Frau Abgeordnete ihre Rede ungestört fortzuführen zu lassen.

Abgeordnete Freundlich: Herr Präsident, ich danke Ihnen, wenn es aber dem Herrn Kollegen Stocker Freude macht, ich habe Zeit.

Präsident: Ich muss aber bemerken, dass es dem Hause keine Freude macht, wenn ein Redner seine Rede nicht vollenden kann. Ich muss darauf bestehen, dass die Herren, die etwas zu sagen haben, sich zum Worte melden, nicht aber unausgesetzt Zwischenrufe machen.

Abgeordnete Freundlich: Wenn die Herren Zwischenrufe machen, werde ich auf jeden Zwischenruf antworten. Wenn Sie Zeit haben, ich habe Zeit bis Mitternacht.

Was nun, meine Herren, das vorliegende Gesetz anbelangt, so erinnere ich an das, was wir Ihnen auch schon im Ernährungsausschusse erklärt haben: Wir gehen von der Regierungsvorlage nicht ab. Wir verlangen, dass man bewirtschaftet, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man bei dem System der Zwangswirtschaft nicht auf zwei Füßen stehen kann. Man kann nicht auf der einen Seite bewirtschaften und auf der anderen Seite nicht bewirtschaften. Dieses gemischtwirtschaftliche System hat sich nirgends bewährt; überall, wo man mit diesem System zu arbeiten angefangen hat, hat man in der kürzesten Zeit wieder damit brechen müssen. Überall, meine sehr verehrten Herren, musste man zur Bewirtschaftung wieder zurückkehren. Und in England sind die Einflussreichsten volkswirtschaftlichen Kreise der Überzeugung, dass es noch gar nicht sicher ist, dass wir nicht in ganz Europa noch zu einem Brotkartensystem kommen, wenn es nicht gelingt, die landwirtschaftliche Produktion in ganz Europa zu heben. (Abgeordneter Stocker: Wir haben ja nichts gegen dieses System!) Sie haben sehr viel gegen das System, Sie stellen ja Anträge, die dieses System vollständig vernichten. Aber, meine Herren, wir stellen heute außer den Minoritätsanträgen, die ja in dem Gesetze vom Verfassungsausschuss mitgeteilt worden sind, einige weitere Anträge.

Es ist im § 7 des Gesetzes bestimmt, dass den Übernahmspreis das Staatsamt für Volksernährung im Einverständnis mit den: Staatsamte für Landwirtschaft und mit dem Staatsamte für Finanzen festsetze. Wir stellen den Antrag, dass dieser Absatz zu lauten hat:

„Der Übernahmspreis wird einheitlich für das ganze Reich bestimmt und darf nicht mehr als 800 K für den Zentner betragen."

Meine Herren! Wir haben von vornherein gegen diesen Getreidepreis Stellung genommen, und zwar aus dem höchst einfachen Grunde, weil wir dieses Jahr eine sehr gute Ernte haben. (Widerspruch und lebhafte Zwischenrufe) Aber, meine Herren Kollegen, die Ernte ist bei den Landwirten glänzend bis zum Juni. Im Juni fängt dann die Ernte an schlecht zu werden und je näher der Tag der Ablieferung kommt, umso schlechter wird die Ernte und ich bin fest überzeugt, dass im August die Ernte so schlecht sein wird, wie man sie nur darstellen kann, auch wenn die Ernte noch so gut ist. Tatsache ist, dass jedenfalls Bauern, wie auch Vertreter der Landwirtschaft heute schon erklären, dass die diesjährige Ernte eine wirklich ausgezeichnete wird. (Ruf: Bei uns nicht!) Wir können heuer mit einem viel höheren Erträgnis der Ernte rechnen, als es die Ernte des vergangenen Jahres gewesen ist. Wir haben heuer überall einen sehr guten Stand der Ernte und je besser die Ernte ist, umso kleiner wird die Menge, die der Bewirtschaftung unterliegt, umso größer wird die Aussicht für Sie für die freie Verwendung und umso leichter werden Sie natürlich Ihre Gestehungskosten hereinbringen.

Meine Herren! Die Berechnung der Gestehungskosten in der Landwirtschaft ist ja deshalb so approximativ,
und der Herr Staatssekretär hat schon daraus hingewiesen, wie schwer es ist, diese Kosten


 

zu berechnen, weil ja die Landwirte nicht nur Getreidebauern oder Viehzüchter sind, nicht nur Gemüse oder Kartoffel bauen, sondern sie haben eine gemischte Wirtschaft, und man kann die Gestehungskosten des Gesamtbetriebes doch nicht so aus das einzelne Produkt austeilen, dass man wirklich eine Berechnung der Gestehungskosten anlegen könnte. Man kann da mehr schätzen, als man zu berechnen imstande ist. Meine Kollegen, die aus ländlichen Bezirken kommen, werden Ihnen erzählen, dass eine ganze Reihe von bäuerlichen Vertretern nicht erfreut sind über den Getreidepreis von 1000 K, sondern vielmehr entsetzt sind, weil sie einen großen Teil des Saatgutes kaufen müssen (Zwischenrufe), und wenn sie das Saatgut zu einem so hohen Preise zu kaufen gezwungen sind, verringert sich ihre Verdienstmöglichkeit.

Außerdem herrscht heute in sehr vielen Gegenden die Gepflogenheit, dass für eine bestimmte Arbeitsleistung als Lohn eine bestimmte Menge von Getreide gegeben wird, zum Beispiel für das Abmähen eines Hektars Feld ein Meterzentner Getreide. Das war voriges Jahr 200 K, heute kostet das den Landwirt 1000 K. Aus allen diesen Gründen sind auch sehr viele, namentlich kleinere Landwirte, Landwirte, deren Landwirtschaft nicht so groß ist, dass sie sich wirklich das ganze Jahr restlos selbst versorgen können, gegen die Festsetzung eines so hohen Getreidepreises.

Ich brauche gar nicht daraus hinzuweisen, dass die Festsetzung eines so hohen Getreidepreises auf unsere Staatsfinanzen natürlich einen sehr ungünstigen Einfluss üben muss. (Zwischenrufe) Gerade der Herr Abgeordnete Kraft schreibt ja so viele Artikeln, in denen er zur Sparsamkeit mahnt, es wäre doch auch gut, wenn er sich bei einem solchen Gesetze an diese Mahnung zur Sparsamkeit erinnern, wenn er auch bei einem solchen Gesetze dafür eintreten würde, dass man nicht unnötigerweise große Geschenke austeilt, um die bäuerliche Bevölkerung mit der Erfüllung ihrer Pflicht zu versöhnen. (Abgeordneter Stocker: Was ist es mit dem Landarbeiterstreik?) Ich werde sofort darauf zurückkommen. Ich erinnere Sie an den letzten Aufstand der Eisenbahner. Damals ist es uns gelungen, die Forderungen der Eisenbahner wesentlich herabzusetzen und dem Staate durch die Arbeit unserer Organisation, durch die Arbeit unserer Gewerkschaften wesentliche Summen zu ersparen. Wir hätten gewünscht, dass auch die bäuerlichen Vertreter in diesem Falle nicht nur fragen, was den Wählern gefällt, sondern auch Rücksicht auf die außerordentlich schwierige Situation unserer Staatsfinanzen nehmen. Denn, wenn heute gesagt wird, die Brot- und Mehlpreise sollen nicht erhöht werden, so wird der Bauer in dein Moment, wo er 1000 K für das Getreide bekommt, natürlich auch mit allen anderen Preisen — ich erinnere da nur an Gemüse, an Obst und dergleichen Dinge — in die Höhe gehen, weil er immer berechnen wird, ob diese Preise mit den offiziellen Preisen in Einklang zu bringen sind, die er für das Getreide bekommt.

Der Herr Kollege Stocker hat von dem Landarbeiterstreik gesprochen. Die Vertreter unserer Landarbeiterorganisation haben uns heute mitgeteilt, dass die Landarbeiterorganisation jede Verantwortung für diesen Streik ablehnt, dass die Organisation mit diesen Streik gar nichts zu tun hat, dass die Organisation auch ihren ganzen Einfluss geltend machen wird, um es nicht zum Streik in der Erntezeit kommen zu lassen. Wenn die landwirtschaftlichen Vertreter hier erklärt haben, dass sie die hohen Getreidepreise fordern müssen, weil neuerliche Forderungen der Landarbeiter zu verzeichnen sind, so möchte ich auf die Verhandlungen des Ernährungsausschusses zurückkommen, wo der Herr Abgeordnete Leisching erklärt hat: „Wir verlangen einen Getreidepreis von 1000 K, weil wir endlich einmal in die Lage kommen wollen, die wirtschaftliche Situation der landwirtschaftlichen Arbeiter zu verbessern. Wir werden glücklich sein, wenn wir ihnen dieselben Verhältnisse schaffen können, wie sie die Industriearbeiterschaft heute schon hat." Sie haben also selbst gefordert, dass die Landarbeiter Forderungen stellen, denn Sie haben das Petit um den Getreidepreis von 1000 K gestellt, weil Sie den Landarbeitern ihre wirtschaftliche und kulturelle Lage verbessern wollen. Der Herr Staatssekretär für Volksernährung hat erklärt, dass eine weitere Erhöhung der landwirtschaftlichen Löhne mit Naturnotwendigkeit zu einer extensiven Wirtschaft führen muss. Das ist durchaus nicht richtig, sondern es wird nur endlich auch die österreichische Landwirtschaft gezwungen sein, von der Handarbeit zur Maschinenarbeit überzugehen. (Abgeordneter Stocker: Im Gebirge!) Ich komme auch darauf zu sprechen. Wenn wir heute in dem ganzen östlichen Europa .... (Zwischenrufe und Lärm.)

Präsident: Die Abgeordnete Freundlich wird es wahrscheinlich ablehnen, dass ich sie als Frau in Schutz nehme, obwohl ich schon sagen muss, dass es sonderbar ist, wenn man sich gerade einer Frau gegenüber so benimmt. Aber als Abgeordnete hat sie doch das Recht, ungestört reden zu können, ohne unausgesetzt unterbrochen zu werden. Ich muss die Herren dringend bitten, die Zwischenrufe zu unterlassen.

Abgeordnete Emmy Freundlich: Wir haben im ganzen östlichen Europa, wir haben vor allem in Ungarn
immer einen weit niedrigeren Hektarertrag gehabt, als in den westlichen Gebieten

 

Europas. So war der Erntehektarertrag in Deutschland immer bedeutend höher als in Ungarn. Das kam einfach daher, dass man in Deutschland schon zu einer wirklich maschinellen Bearbeitung des Bodens übergegangen war, während man in Ungarn noch mit sehr rückständigen Methoden gearbeitet hat. Wir haben gewiss in Österreich Gegenden, wo wir sehr viel Gebirgsland haben, aber warum man am Marchfeld weniger mit Dampfpflügen arbeitet als in der norddeutschen Tiefebene, das wird niemand einsehen und ich weiß nicht, warum die Herren Landwirte im Verein mit der landwirtschaftlichen Warenverkaufsstelle eine große Organisation für Dampfdruschstationen, für Dampfpflugstationen schaffen, wenn die maschinelle Bearbeitung des österreichischen Bodens nicht möglich ist. Gerade sehr maßgebende und meiner Überzeugung nach sehr vernünftige Kreise der landwirtschaftlichen Organisationen setzen sich mit aller Energie für die maschinelle Bearbeitung des Bodens ein und es ist gerade der frühere Staatssekretär Stöckler gewesen, der auf einem Bauerntag mit aller Energie dafür eingetreten ist, dass auch die österreichische Landwirtschaft endlich die Maschine in den Dienst ihrer Arbeit stellt. Wir sind überzeugt, dass wir in der ganzen Welt zu einer wirklich rationellen Bewirtschaftung des Bodens kommen können, wenn wir die Landwirtschaft aus den Methoden, die noch in dem alten Ägypten auf den Pyramiden abgebildet sind, wenn wir sie von den Sicheln, von den Sensen, von der Handarbeit soweit als möglich befreien und sie, wenn sie es nicht freiwillig tut, durch die höheren Forderungen der Landarbeiter zwingen, die Maschine in den Dienst ihrer Arbeit zu stellen.

Ich möchte nur noch ein Wort über das Verhältnis sagen, das merkwürdigerweise zwischen den Landwirten und ihren Organisationen besteht. Es hat schon der Herr Staatssekretär darauf hingewiesen, dass die landwirtschaftlichen Organisationen verlangt haben, dass das Überkontingent weiterhin bewirtschaftet wird, weil sie hoffen, dass sie dadurch den Landmann langsam zu jener kulturellen Höhe erziehen werden, auf der die Landwirtschaft in Dänemark schon lange steht, dass nämlich der einzelne Bauer individuell überhaupt nicht verkauft, sondern individuell nur an seine landwirtschaftlichen Organisationen verkauft. Gerade aus diesem Grunde haben wir es begrüßt, dass wir nach langen Bemühungen, die wir von Seiten der Konsumenten unterstützt haben, dass wir durch Eingaben, die wir gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Genossenschaften gemacht haben, es endlich erreicht haben, dass an die Stelle des Getreidekommissärs die landwirtschaftliche Organisation tritt, weil wir uns gesagt haben, die Organisation wird dem Landwirte gegenüber mit anderen Methoden bei der Aufbringung arbeiten, der Landwirt wird durch seine Organisation leichter zu liefern imstande sein und lieber liefern, als wenn er irgendeinem jüdischen oder christlichen Getreidekommissär abliefert. Leider, meine Herren, müssen wir konstatieren, dass tut Gegensätze zur Arbeiterschaft, die geschlossen hinter ihren Organisationen steht, die Landwirte zu einem großen Teil hinter ihren landwirtschaftlichen genossenschaftlichen Organisationen nicht stehen, dass sie diese landwirtschaftlichen genossenschaftlichen Organisationen nicht als eine Vertretung betrachten, der sie im gegebenen Momente auch individuelle Opfer bringen müssen, sondern dass sie diese Organisationen nur als ein Mittel betrachten, um sich höhere Preise und günstiger andere Dinge zu verschaffen. Man hat ja im letzten Jahre schon die Getreideaufbringung wesentlich dadurch fördern müssen, dass man der Landwirtschaft eine ganze Reihe von Artikeln zur Verfügung gestellt hat. Man hat dieses Jahr den Landwirten neuerlich einen Kredit von 160 Millionen gegeben, auf der einen Seite für die Landwirtschaftliche Warenverkehrsstelle, auf der anderen Seite für die Landwirtestelle, damit jene Artikel gekauft werden, die der Landwirt braucht, und damit er nicht umsonst abliefert, sondern für die Erfüllung seiner Ablieferungspflicht auch noch eine bessere Versorgung gegenüber der städtischen Bevölkerung haben kann. Ich möchte konstatieren, dass wir als Konsumentenvertreter diesen Subventionen zugestimmt haben, dass gerade der frühere Staatskanzler, der Genosse Renner, sich im Einvernehmen mit den Vertretern der landwirtschaftlichen Organisationen beim Staatsamt für Finanzen dafür eingesetzt hat, weil wir sagen: bitte, es soll dem Landwirte so weit als möglich geholfen werden. Aber, meine sehr verehrten Anwesenden, wir müssen auch verlangen, dass der Landwirt solange seine Pflicht bei der Ablieferung erfüllt, dass der Landwirt solange wirklich arbeitet im Dienste der Allgemeinheit, solange diese Allgemeinheit auf das landwirtschaftliche Produkt angewiesen ist. (Abgeordneter Stocker: Auch die Arbeiter haben Pflicht!) Die Arbeiter tun auch ihre Pflicht. Die Bergarbeiter fahren seit Wochen jeden Sonntag in den Schacht, um unsere Kohlenförderung zu heben; davon spricht man aber nicht, sondern man spricht, obwohl das geschieht, immer wieder davon, dass die Arbeiter nicht arbeiten wollen, dass die Arbeiter faul sind, und alles Mögliche andere. (Zwischenrufe.) Tatsache ist aber, meine Herren, dass die Kohlenproduktion in Österreich heute steigt, weil die Bergarbeiter bereit sind, vielfach drei Wochen ohne Ruhetag jeden Tag unter der Erde zu arbeiten und es ist immer noch schöner, 14 Stunden in der Sonne als 8 Stunden in der Nacht des Schachtes zu arbeiten. Ich meine also,
 dass die Herren gar keine Ursache haben, zu


 

behaupten, dass die Arbeiter ihre Pflicht nicht erfüllen. In den volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben erfüllen die Arbeiter ihre Pflicht und bemühen sich, die Produktion zu steigern. Wenn das nicht in der ganzen Industrie möglich ist, so kommt das einfach daher, dass wir noch immer keine Kohle haben, dass wir große Industrien haben, welche nur drei Tage in der Woche arbeiten können, und unter diesen Verhältnissen kann man natürlich an eine Steigerung der industriellen Produktion nicht denken.

Es ist heute hier erklärt worden, dass das Kontingent des vergangenen Jahres zu hoch ist. Meine sehr verehrten Anwesenden! Die heurige Ernte ist besser als die Ernte des vergangenen Jahres und wir sehen nicht ein, warum der Erntesegen restlos nur der ländlichen Bevölkerung zugutekommen soll. Wir verlangen deshalb die Wiederherstellung der Kontingente des vergangenen Jahres und wir verlangen, dass es im § 4, Absatz 2, folgendermaßen heißen soll (liest):

„Das Kontingent ist mit 1,800.000 Meterzentnern festzusetzen. Das Staatsamt für Volksernährung teilt dieses Kontingent im Einvernehmen mit der Reichswirtschaftskommission auf die einzelnen Länder auf."

Ich möchte Sie also nicht bitten, die Anträge anzunehmen, denn es hat ja gar keinen Zweck, weil Sie sie ohnehin nicht annehmen, aber wir halten es für notwendig, dass hier im Hause festgestellt wird, wer sich der Verantwortlichkeit gegenüber der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung Deutschösterreichs bewusst ist, wer sich bewusst ist, dass der städtische Konsument versorgt werden muss und dass es die erste Pflicht des Staates ist, für diese Versorgung aus der heimischen Ernte so viel herauszuholen, als herausgeholt werden kann, und wer sich der Verantwortlichkeit dieser Situation nicht bewusst ist. Wir legen Wert darauf, dass festgestellt wird, wer hier die Interessen der städtischen Konsumenten, wer hier die Interessen all der Landwirte, die Getreide kaufen müssen, wer die Interessen all der kleinen Häusler auf den: Lande draußen wirklich vertritt, und wir sehen dann, meine sehr verehrten Herren, der Abstimmung bei der kommenden Wahl mit aller Ruhe entgegen. (Zwischenrufe.) Wir wissen sehr gut, dass wir unseren Standpunkt nicht verlassen haben, dass wir nicht erst 14 Tage vor den Wahlen eine andere Haltung einzunehmen für gut befunden haben als früher, als die Wahlen noch in weiter Ferne gewesen sind. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass man seine Pflicht als Volksvertreter immer zu erfüllen hat, nicht nur erst dann, wenn man das Gefühl hat, dass man das, was man tut, in kürzester Zeit vor den Wählern zu verantworten haben wird. Wir erklären, dass wir einem anderen Antrag nicht zustimmen werden, wir werden für die Anträge stimmen, die wir eingebracht haben, und werden nur dann für das Gesetz stimmen, wenn diese Anträge angenommen werden. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Stöckler.

Abgeordneter Stöckler: Hohe Nationalversammlung! Bei der Beratung des heutigen Gesetzes ist besonders der Gegensatz hervorgetreten, ob die Zwangswirtschaft aufrechterhalten werden soll oder nicht. Ich sage ganz offen: Wir haben immer den Standpunkt vertreten, dass der Abbau der Zwangswirtschaft, das unbedingt notwendigste ist, dass wir bei einer freien Wirtschaft besser auskommen als bei der Zwangswirtschaft, dass die Zwangswirtschaft ein Narrenturm ist, den uns der unglückliche Krieg, der auch eine Narretei war, aufgezwungen hat. (Zwischenruf: Späte Erkenntnis!) Diese Erkenntnis haben wir immer gehabt und haben sie heute, wir haben keine Ursache, nicht das zu sagen, was wir denken. Ich bin daher durchaus nicht bemüßigt, die Äußerungen unseres Herrn Kollegen Kunschak, sowie die Äußerungen des „Grazer Volksblattes", zu widerrufen, die gegen die Zwangswirtschaft aufgetreten sind.

Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkte, dass die Zwangswirtschaft sobald wie möglich abgebaut werden muss. Und trotzdem können wir uns nicht dazu entschließen, wie schon gesagt, dass wir die ganze Situation mit einem Schlag Umstürzen. Ich habe gesagt, die Zwangswirtschaft ist ein Narrenturm. Wir wollen aber nicht in diesen Narrenturm eine Bombe hineinwerfen, dass aus dieser Welt eine ganze Narretei würde, sondern mit Vernunft soll diese Zwangswirtschaft abgebaut werden, und da können wir uns mit der Ansicht des Abgeordneten Stocker nicht befreunden.

Ich erkläre das ganz unumwunden. Die Zwangswirtschaft ist nicht aus uns selbst heraus. Sie ist in der jetzigen Zeit diktiert durch die unglückseligen Verhältnisse. Denn täuschen wir uns nicht darüber — jeder weiß es ja — es wäre ein ganz Leichtes, die Zwangswirtschaft mit einem Schlage wegzubringen, wenn wir heute frei einkaufen könnten und die Grenzen offen wären. Der Herr Abgeordneter Stocker hat während seiner Rede immer gesagt: „Weg mit der Zwangswirtschaft! Freier Weltverkehr!" Der freie Weltverkehr aber existiert nicht und deshalb kann man nicht so mir nichts dir nichts sagen: „Weg mit der Zwangswirtschaft!" Sie ist uns von unseren Feinden diktiert, weil die es in der Hand haben, für uns zu sorgen, sie können tun,
wie sie wollen. Und wir haben aus den Bericht des Herrn Staatssekretärs Loewenfeld-


 

 

Ruß gehört, wie schwierig es, ist einzukaufen und wie schwer es ist, sich die Nahrungsmittel zu beschaffen.

Und das bestimmt uns dazu, dass wir für einen Übergang von der Zwangwirtschaft zur freien Wirtschaft eintreten, und dieser Übergang soll die Kontingentierung sein. Die Kontingentierung scheint uns jenes Mittel zu sein, dass einerseits die Produktion gefördert, dass die Landwirtschaft nicht länger gehemmt wird; sie scheint uns aber auch jenes Mittel zu sein, das uns zur freien Wirtschaft überführt. Nur zwei Bedingungen brauchen wir: ein Kontingent, das jeder liefern kann (Sehr richtig!) und die entsprechende Bezahlung für dieses Kontingent.

Die unmittelbare Frau Vorrednerin hat sich insbesondere mit der Bezahlung, mit dem Getreidepreis beschäftigt. Ich muss offen sagen, dass ein Mut dazu gehört — auch wenn man Arbeiterinteressen vertritt (So ist es!) — wenn man in einem Atem die Forderungen der Landarbeiter verteidigt, die unerhört sind (Zustimmung), anderseits aber wiederum sagt, der Getreidepreis ist zu hoch. Die „Arbeiter-Zeitung" hat heute in einer ihrer Ausführungen ausgerechnet, dass selbst nach ihrer Rechnung die Gestehungskosten für ein Joch 6000 K sind; natürlich hat sie herausgerechnet, dass der Ertrag ein so großer ist, dass der Bauer 7500 K einnimmt. Von einer Berechnung, die die „Arbeiter-Zeitung" aufstellt, können wir versichert sein, dass sie nicht zugunsten des Landwirtes ist; dessen können wir ganz versichert sein. Wenn also diese Aufstellung heute schon Auslagekosten von 6000 K bei einem Joch ergibt, so, Verehrteste, wissen wir, was die Sache heute kostet.

Der Herr Staatssekretär Loewenfeld-Ruß hat es mit drastischen Ziffern gekennzeichnet, wo das hinführen soll und hat als Folgerung angeführt, wenn hier nicht Einhalt getan wird, gehen wir zur extensiven Wirtschaft über. Mir liegen gerade die Forderungen eines Kollektivvertrages, betreffend den Drusch, vor, nämlich die der Druschgenossenschaft Raasdorf. Hier fordern die Maschinisten und die Arbeiter Lohn 25 K pro Stunde (Hört! Hört!), für jede Druschstunde — das ist aber noch nicht alles — für jede Drusch stunde ein Kilogramm Getreide und volle Verpflegung. (Hört! Hört!) Ich bitte, wie teuer kommt nun ein solcher Druschtag bei zehnstündiger Arbeitszeit, die vielleicht doch beim Drusch geleistet werden soll. Auf 250 K Lohn, 100 K kostet dann das Getreide, mit 10 K pro Kilogramm gerechnet und dazu kommt noch die ganze Verpflegung und die Bedingung, dass der Lohn mindestens zehn Wochen garantiert werden muss. (Hört! Hört!) Ich glaube, dazu braucht man kein Wort verlieren. Nun meine ich, dass das ein solcher Gegensatz ist, der jedem in die Augen fällt.

Wenn man einerseits solche übertriebene Forderungen verteidigt, anderseits den Getreidepreis bekämpft, so ist das eine so einseitige Stellungnahme gegen die Landwirtschaft (Lebhafte Zustimmung.), dass ich nicht mehr darüber zu sprechen brauche. Es ist sehr billig, wenn man heute sagt, wir tragen keine Verantwortung für den Landarbeiterstreik. Natürlich, wenn monatelang die Arbeiterschaft durch unverantwortliche Elemente aufgepeitscht wird und man dann, wenn der Schnitt vor der Türe ist, sagt, wir tragen keine Verantwortung . . . (Ruf: Die alte Sklavenwirtschaft wollt Ihr haben!) Nur nicht aufregen! Die Frau Abgeordnete Freundlich hat gesagt. Sie trauen sich Ihren Leuten auch vor der Wahl die Wahrheit zu sagen. Ja, ich vermisse es aber, dass hier den Arbeitern die Wahrheit gesagt wird. Wir trauen uns und sagen den Bauern, ihr müsst Getreide abliefern. Wir gehen nicht als Apostel mit schönen Versprechungen hinaus.

Präsident: Ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen.

Abgeordneter Stöckler: Das haben selbst unsere Gegner anerkannt, dass wir in Niederösterreich in den Bezirken Versammlungen abgehalten und die Bauern gebeten haben, sie sollen Getreide abliefern; das war auch nicht ohne Wirksamkeit. Aber deshalb, weil wir den Mut haben, auch den Bauern die Wahrheit zu sagen, maßen wir uns auch das Recht an, in dieser Beziehung mitzusprechen, wenn es sich darum handelt, wie die Arbeit des Bauern entlohnt werden soll. Es ist ja geradezu lächerlich, wenn man heute noch von einer Kopfquote spricht, wo ein Mehldeputat für jeden Arbeiter und für jeden Kopf seiner Familie von 20 Kilogramm fordert. Wir müssen aber auch jene Arbeiter versorgen, die nicht im Kollektivvertrag stehen, und auch jene Arbeiter, die kein Deputat haben und was der Bauer braucht zu seiner eigenen Versorgung in seinem Haushalt. Wir sind, wie ich ganz offen erklärt habe; für die Ablieferung eines Kontingentes. Wir möchten unsere Ernährung nicht diesen Schwierigkeiten aussetzen, wir betrachten die Verhältnisse, wie sie sind. So schwer es heute ist, das Getreide zu besorgen, so kritisch ist oft der Transport des Getreides. Und da ist es ganz natürlich, dass wir im Inlande eine Reserve schaffen müssen für diese kritischen Verhältnisse. (So ist es!) Deswegen treten wir für die Kontingentierung ein, das ist der Schutz, den unsere Bevölkerung erheischt.

Ich muss es entschieden zurückweisen, dass man diese Kontingentierung mit Zehent und Robot vergleicht. Da ist doch ein kleiner Unterschied. Hier verpflichten sich freie Bauern, für ihre
bedrängten und hungernden Mitbürger etwas zu leisten, und


 

Robot und Zehent wurden von Zwingherren auferlegt zu ihrer eigenen Versorgung und Bequemlichkeit den unfreien Bauern und Hörigen. (Lebhafter Unfall und Händeklatschen.) Das ist der Unterschied. Damit lassen wir uns nicht vergleichen, Herr Abgeordneter Stocker; wir liefern, weil wir wissen, unsere Bevölkerung braucht etwas. Die arme Bevölkerung hungert, wir brauchen Reserven, damit wir auch über die kritische Zeit hinüberkommen, wenn uns das Ausland in Stich lässt oder wenn die Transportmöglichkeiten versagen. Und nur aus diesem Grunde allein sind wir für ein Kontingent, für ein vernünftiges Kontingent.

Erklärlich ist es, wenn ganze Gebiete der Landwirtschaft gegen dieses Kontingent wettern, weil die Bemessung oft die unglücklichste war und auch die Durchführung. (So ist es!) Es muss verbittern, wenn der Bauer vom Gebirge 50 und 100 Kilogramm Getreide herabschleppen muss, dann vielleicht im halben Erntejahr selbst nicht mehr zu essen hat und sich das Getreide um den zehnfachen Preis kaufen muss.

Noch weit mehr hat es gefehlt beim Saatgut. Da war es einfach ein Verbrechen. Und wenn uns heute die Frau Abgeordnete Freundlich förmlich eine Vorlesung über den Betrieb der Landwirtschaft gehalten hat, so muss ich schon sagen, aus der eigenen Erfahrung kennt man sie doch auch so ziemlich. Ich habe es auch ganz gut verstanden — ich bin kein Gebirgsbauer — was man mir draußen in Salzburg gesagt hat: Jetzt soll ich meinen Weizen liefern und ich habe kein Saatgut! Da sagen Sie, Sie schicken mir eines zu, aber wird es auf meinen Boden wachsen? Ich frage Sie, Herr Kollege Geisler, war es nicht so? (Abgeordneter Geisler: Ja!) Ganze Gebiete sind brach gelegen, sie haben Weizen angebaut aus andern klimatischen Verhältnissen, der dort nicht gewachsen ist. So hat man es getrieben und da klagen Sie die Landwirtschaft an, weil die Produktion zurückgegangen ist! Das wollen wir endlich abstellen, das wollen wir verhindern, und darum sagen wir: Über das Überschussgetreide soll der Bauer verfügen können, er wird so verfügen, wie er es braucht und wie es seine Wirtschaft braucht, und er wird seine Nachbarn und Verwandten auch damit versorgen, wenn sie in Not sind. Das ist aber, glaube ich, durchaus nicht das Interesse des einzelnen, sondern das Interesse der Gesamtheit. (Lebhafte Zustimmung).

Am weitesten hat es beim, Saatgutverkehr gefehlt. Denn jeder praktische Landwirt und auch jeder Theoretiker, der aus den Büchern etwas gelernt hat, wird mir bekennen, dass es mit dem Saatgut am weitesten fehlte, weil hier kein Austausch möglich war. Der staatliche Betrieb hat den Austausch des Saatgutes vollständig unterbunden. Deswegen glauben wir, dass mit einem Schlage dem abgeholfen ist, wenn es möglich ist, dass sich ein Landwirt vom andern Saatgut eintauschen und kaufen kann. Die Landesgrenzen haben das überhaupt unmöglich gemacht und im eigenen Bezirke hat es nur mit Schwindel geschehen müssen, auf ordentlichen: Wege war es nicht möglich. Deswegen treten wir dafür ein, dass über das Kontingent das Getreide frei ist.

Hier hat der Herr Staatssekretär Loewenfeld-Ruß seine warnende Stimme erhoben. Ich habe seine Argumentation nicht ganz verstanden, das muss ich offen sagen. Er hat gesagt, es ist möglich, dass das Überkontingent frei ist, wenn die Gemeinde abgeliefert hat; dort lässt es sich überwachen, aber nicht bei den einzelnen. Diese Argumentation kann ich nicht ganz begreifen. Wenn man es in der Gemeinde überwachen kann, kann man es doch noch leichter beim Einzelnen. (So ist es!) Und das wäre wirklich für den einzelnen sehr bedauerlich, wenn er davon abhängig wäre, wenn einer, der vielleicht einen schlechten Willen hat, den es nicht freut, ein Querkopf, wie es doch manche gibt, nicht liefert! Die Ablieferung hat ihre Schwierigkeiten; wir verhehlen es nicht, trotzdem wir dafür eingetreten sind, hatten wir große Schwierigkeiten.

Wir glauben, es kann sich nur bessern, wenn man dem Lieferungswilligen eine Prämie gibt in der Form, dass er über das, was er noch übrig hat, frei verfügen kann. Wir glauben, dass die Freigabe des Überkontingents bei den Einzelnen eine bedeutende Förderung der Ablieferung des Kontingentes bedeutet. (Zustimmung.) Dass das eine Handhabe ist, womit der einzelne förmlich gezwungen wird. Wir bestreiten gar nicht, dass es auch unter den Landwirten nicht lauter Heilige gibt. Wir treten nicht für jeden ein. Wir wollen es möglich machen, dass jeder seine Pflicht erfüllt, und die kann er erfüllen, wenn er durch Ablieferung des Kontingentes sich frei macht. Das ist für sie ein Antrieb.

Viele glauben, dass wir dafür eintreten, dass das Überkontingent, nur für die Schleichhändler da sei. Der Landwirt hat gar verschiedene Verpflichtungen. Der Landwirt ist heute in der Situation, dass er sich seine Bedarfsartikel in vieler Beziehung überhaupt nicht beschaffen kann. Ich nenne zum Beispiel den Kunstdünger. Bei dem Kunstdünger, den wir mit Ach und Krach von Frankreich erhalten werden, haben wir Preise gehört, von denen wir nicht wissen, wer das bezahlen wird. Es wird dein Landwirt schwer möglich sein, den Kunstdünger mit baren: Gelde zu bezahlen. Vielleicht ist es aber möglich, wenn er, 100 Kilogramm Getreide zu liefern hat, dass er ein paar hundert Kilogramm Kunstdünger im Tauschwege erhält.

Dann bildet eine große Misere der Viehverkehr. Es wird mit Recht in Wien darüber
 


 

geklagt, dass die Milchlieferung förmlich zu Ende geht. Wie soll man die Milchlieferung erhöhen? Sie kann nur dadurch erhöht werden, dass der Stand unserer Kühe vermehrt wird. Die kann man aber nicht aus dem Boden stampfen. Wir haben durch die vielen Lieferungen im Kriege — in jeder Landwirtschaft können wir das bemerken — den Stand der Kühe um 50, 60, ja 80 Prozent vermindert. Dafür haben wir Jungvieh. Das gibt aber keine Milch. Bisher hat man immer das Jungvieh zur Schlachtung führen müssen, bevor es eine milchgebende Kuh geworden ist. Hingegen sehen wir in den Alpenländern, dass Kühe der Schlachtung zugeführt werden, dass einem das Herz weh tut. Ein Austausch ist nicht möglich. In diesen Ländern haben sie gewiss Lebensmittelnot. Wir haben uns interessiert, wie das denkbar wäre. Die Leute sagen uns: Schickt uns Getreide, wir geben euch Kühe. Hier ist wieder nichts anderes möglich, als dass der Landwirt von seinem Überkontingent einige hundert Kilo Getreide hergibt, damit er eine Kuh bekommt. Und das liegt auch im Interesse der Konsumenten. Der Landwirt hat vielleicht den einen Nutzen, dass er sich selbst im Haushalt leichter tut, aber den Nutzen haben insbesondere die Konsumenten, dass das schöne Nutzvieh draußen in Salzburg und in Tirol nicht geschlachtet wird, dass wir es ausnutzen können. Dazu brauchen wir den freien Verkehr mit Getreide. Bisher war es undenkbar und unmöglich, denn gerade die Konsumenten in diesen Ländern, zum Beispiel in Tirol, verlangen: wenn wir Vieh hinauslassen, müssen sie uns Getreide dafür liefern. Nicht die Bauern, sondern die Konsumenten verlangen das. Und mit einem gewissen Recht: wenn ihnen die Fleischquote verkürzt wird und sie dann noch zu wenig Brot und Mehl haben, dann ist es begreiflich, dass sie einen Austausch wollen. Das sind die Gründe, warum die Landwirtschaft für die Freiheit des Überkontingents eintritt.

Ich muss noch eine Ausführung der Frau Abgeordneten Freundlich richtigstellen. Sie hat behauptet, dass in der früheren Regierung dieses Gesetz im Kabinettsrat beraten und dass es dazumal so beschlossen wurde, wie es eingebracht worden ist. Hier muss ich schon ein Geheimnis ausplauschen, weil Frau Abgeordnete Freundlich sich auf den Kabinettsrat bezogen hat, und ich muss die Kollegen aus der früheren Regierung als Zeugen anrufen, dass von uns dort allerdings das Gesetz beschlossen wurde, dass aber von uns ausdrücklich gesagt wurde: über das Überkontingent wollen wir die Nationalversammlung beschließen lassen. Über das Überkontingent hat der Herr Staatssekretär gesagt, lasse ich mit mir reden. Wie es sehr oft der Fall war, es war ein einstimmiger Beschluss des Kabinettsrates notwendig, und wenn eine Vorlage nicht so ganz durchgefeilt war, hat man die Beschlussfassung darüber der Nationalversammlung überlassen, weil eine Einmütigkeit in solchen Fällen nicht zustande gekommen ist, und die Einbringung der Gesetzvorlage nur verzögert worden wäre. Das ist der wahre Sachverhalt. Eine Bindung unserer Mitglieder hat also im Kabinettsrat nicht stattgefunden. Es lässt sich ja auch über diese Frage reden und wir find uns ja schon bedeutend nähergekommen.

Die Frau Abgeordnete Freundlich hat an der Führung der Landwirtschaft Kritik geübt und hat insbesondere darauf verwiesen, dass man Arbeitskräfte durch Maschinen ersparen kann. Es ist, Frau Abgeordnete Freundlich, eine Schulweisheit, die bei uns jeder Schüler kennt, wenn er mit 13, 14 Jahren aus der Schule austritt, dass der Bauer Maschinen braucht, um leichter zu arbeiten. Bedenken Sie aber die eigenartigen Verhältnisse unseres Landes, schauen Sie unser bergiges Gelände an, und versuchen Sie, da mit Maschinen zu arbeiten, ackern Sie in unserem Berggelände und mähen Sie in unserer Gebirgsflur. Ich habe es schon oft bedauert, wir haben keine Maschinen, die lagerndes Getreide schneiden, und wir haben in vier Fünftel von Deutschösterreich Lagerfrucht und heuer haben wir sie überall. Das ist der Weisheit Schluss, warum wir Maschinen nicht anwenden: weil wir sie nicht anwenden können. (Zustimmung.) Glauben Sie sicher, wenn wir den Bleistift zur Hand nehmen und berechnen, was uns jeder Arbeitstag kostet, wir würden gerne Maschinen kaufen, aber die Maschinen sind in unseren Bergländern nicht anzuwenden. Solange die Technik nicht vorwärts schreitet, solange sie sich mit ihren Erfindungen nicht auf dieses dankbare Gebiet wirft, wird unsere landwirtschaftliche Produktion in Deutschösterreich nicht billig arbeiten können. (Zustimmung.)

Ich glaube mit diesen wenigen Worten die Anwürfe widerlegt zu haben, die gegen die Landwirtschaft erhoben wurden. Ich glaube auch mit einigen Worten begründet zu haben, warum wir für das Kontingent eintreten. Der Herr Staatssekretär Loewenfeld-Ruß möge mir verzeihen, ich muss leider den Standpunkt einnehmen, dass wir entschieden dafür eintreten müssen, dass der Überschuss über das Kontingent dem Landwirt freigegeben wird, wenn er sein Kontingent abgeliefert hat. (Sehr richtig!) Wir begründen das am besten damit, dass die Freigabe eine Prämie für lieferungswillige Landwirte darstellt und auch der säumige Landwirt, jener, der nicht gern abliefert, gezwungen wird, seine Pflicht zu erfüllen. Die Überwachung ist, glaube ich, ebenso leicht möglich; wenn jedem einzelnen eine Bestätigung gegeben wird, dass er sein Kontingent
abgeliefert hat, kann ihm auch in beschränktem Umfang die Erlaubnis


 

gegeben werden, dass er das Überschussgetreide veräußern, vertauschen oder sonst wie verkaufen kann. Das erfordert nicht mehr Arbeit, als wenn die Verfügungsfreiheit erst nach Ablieferung des Gemeindekontingents gewährt wird, wir erreichen aber dadurch, dass derjenige, der liefern will, belohnt und der andere zur Lieferung gezwungen wird. Warum geht die Ablieferung so schwer von statten? Das ist leider auch auf allgemeine Kalamitäten zurückzuführen. Wenn unsere Behörden keine Macht mehr haben oder sie nicht mehr üben, so übt es auf diejenigen, die ihr Kontingent abgeliefert haben, keine gute Wirkung, wenn sie sehen, dass diejenigen, die nicht abgeliefert haben, ungeschoren geblieben sind. Ich sage es offen, es wurden viele ausgelacht, die abgeliefert haben. Es ist gewiss nicht die Schuld der lieferungswilligen Landwirte, wenn die anderen nicht abliefern, hier müssen sich eben die Behörden die nötige Autorität verschaffen. Aber weil wir nicht glauben, dass es in Zukunft besser sein wird, halten wir es für das einzige Mittel, das sich eignet, wenn der Lieferungswillige eine Prämie erhält.

Ich ersuche daher das hohe Haus, für unsere Anträge zu stimmen. Kurz gesagt, wir sind entschlossen, dafür einzutreten, dass die Landwirtschaft ihr Kontingent liefert. Wir wollen es liefern für unsere notleidende Bevölkerung, als eine Reserve für schwere Zeiten. Wir fassen es nicht als Zehent und Robot auf, als freie und unabhängige Landwirte wollen wir unsere Pflicht erfüllen. Wir verlangen nur, dass die andere Bevölkerung auch unsere Leistungen anerkennt und uns nicht immer beschimpft und verspottet. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Parrer; ich erteile ihm das Wort. (Nach einer Pause:) Der Herr Abgeordnete ist nicht anwesend, er verliert daher das Wort.

Zum Schlusse gelangt noch zum Wort der Herr Abgeordnete Weber.

Abgeordneter Weber: Hohe Nationalversammlung! Trotz der vorgeschrittenen Zeit kann ich es mir nicht ersparen, auf einige Ausführungen zu erwidern, insbesondere auf jene Zweifel, die gegenüber der Behauptung laut wurden, dass die Ernteerträgnisse des Vorjahres beträchtlich besser waren als sie eingeschätzt wurden, und auf die Zweifel gegenüber der Behauptung, dass die heurige Ernte die vorjährige Ernte wesentlich übersteigen wird. Es ist Tatsache, dass wir eine amtliche Statistik, amtliche Erhebungen darüber, wie groß die Ernteerträge im Vorjahre gewesen sind, wie groß die Anbaufläche war, wie viel von den einzelnen

Brotgetreidesorten geerntet wurde, in unserem Staate nicht zur Verfügung haben. Sie wurden nicht gemacht und wir wissen auch heuer nicht genau, wie viel angebaut wurde. Aber das eine steht fest, dass im allgemeinen ein Rückgang der Anbaufläche nicht zu verzeichnen ist, im Besonderen nicht bei jenen landwirtschaftlichen Besitzungen, welche einen namhaften Getreidebau betreiben.

Nun, meine Herren, ist es von der entscheidendsten Bedeutung, wenn über das Kontingent gesprochen wird, zu wissen, welche Erträgnisse man hat und welche man im Vorjahre gehabt hat, weil man nur dann in der Lage ist, zu beurteilen, ob die Herabsetzung des Kontingents von 180.000 Tonnen auf 111.000 Tonnen gerechtfertigt ist oder ob nicht die Herabsetzung einfach willkürlich vorgenommen wurde, um den Profitinteressen einer Schichte, und zwar einer verhältnismäßig kleinen Schichte der Getreide produzierenden Bevölkerung dieses Staates entgegenzukommen. Laut den amtlichen Erläuterungen, im Motivenberichte sind ungefähr 570.000 Hektar mit Brotgetreide bebaut. Es wird weiter ein durchschnittlicher Hektarertrag von 8'7 Meterzentner angenommen und bemerkt, dass in diesem Ertrage auch das Saatgut von etwa 2 Meterzentnern pro Hektar eingerechnet ist, so dass der faktische Ertrag nur 6'7 Meterzentner beträgt. Wenn die Landwirtschaft tatsächlich nur durchschnittlich 6'7 Meterzentner pro Hektar ernten würde, sie wäre schon lange zugrunde gegangen. Es ist eine arge Zumutung, jemand solche Ziffern zu unterbreiten.

Allerdings könnte man sagen, ja, es müssen andere Beweise erbracht werden. Amtlich werden sie nicht erbracht, die Herren Vertreter der Agrarier bestätigen vielmehr diese Ziffern — sonst werden alle amtlichen Ziffern bestritten —, also gibt es keinen Widerspruch. Wir sind daher auf die Erhebungen angewiesen, die wir persönlich Vornahmen, und ich muss schon sagen, dass die Erhebungen, die wir vorgenommen haben, ein ganz anderes Resultat in allen Teilen unseres ganzen Staatsgebietes und ganz andere Ernteergebnisse im Durchschnitte zeitigten, als die amtlichen Ziffern uns beweisen wollen. Wir haben sowohl bei den großen Besitzungen als auch bei Kleinbauern im Marchfelde, wir haben aber auch in den Alpenländern Erhebungen gepflogen. Wir haben auch von landwirtschaftlichen Arbeitern, also gewiss von berufenen Leuten, die ja auch wissen, welche Erträge bestätigt, beziehungsweise mitgeteilt erhalten, dass der durchschnittliche Ertrag im Vorjahre 11'5 Meterzentner an Korn und Weizen und 12'5 Meterzentner an Gerste betragen hat. Es ist ohne weiters klar — die Rechnung ist ja einfach — dass, wenn wir eine Anbaufläche von 570.000 Hektar haben,
bei diesem Ernteertrag eine Fechsung von 650.500 Tonnen erzielt wurde. (Ruf: Am Papier!) Das be-


 

haupten Sie! (Zwischenrufe.) So lange Sie mir nicht das Gegenteil beweisen und nicht einseitige Behauptungen . . . (Zwischenrufe.) Ich beweise das, weil wir die Erhebungen gemacht haben, Sie müssen meine Beweise widerlegen, das ist Ihre Sache. (Zwischenrufe.) Diese Beweise stammen von der bäuerlichen Bevölkerung selbst. Wir haben 650.500 Tonnen tatsächlich gefechst im Vorjahre. Wenn das Saatgut abgerechnet wird — es werden fälschlich zwei Meterzentner per Hektar gerechnet, während de facto im Durchschnitt nur 1'8 Meterzentner ausgewendet werden —, wenn wir das abziehen, wenn wir ferner die für die Selbstversorgung notwendige Menge und für die Fütterung des Viehes dieses Quantum, 280.000 Tonnen abziehen, so ergibt das im ganzen einen Abzug von 382.600 Tonnen. Dann sind noch immer rund 267.900 Tonnen im Vorjahre verblieben. Geliefert wurden im ganzen 109.692 Tonnen, rund 160.000 Tonnen Überkontingent. Wohin ist das Überkontingent gekommen? Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, dass man überall in der Lage ist, sich Getreide und Mehl zu kaufen, Tatsachen beweisen das. Man bekommt in den Konditoreien die feinsten Mehlspeisen. Man sieht allenthalben in den reicheren Familien Salzstangel und Kipfel und in den Restaurants bekommt man Mehlspeisen wie in der Vorkriegszeit. Das Überkontingent ist durch den Schleichhandel in die Häuser der Reichen gewandert. Die breiten Massen bekommen wenig davon.

Tatsache ist, dass, als das vorjährige Kontingentierungsgesetz beschlossen wurde, wir sofort eine Wendung in der Preispolitik gesehen haben. Von dem Tage an, als die strenge zentrale Bewirtschaftung gelockert und das Kontingentierungsgesetz beschlossen war, sind die Getreidepreise von 180 K auf 3500 und 4000 K hinaufgeschnellt. Dass wir unerhörte Preise bezahlen mussten, war das praktische Ergebnis.

Nun könnte man sagen, es ist der Landwirtschaft ein Ertrag zugeflossen, der ihr für den Wiederaufbau gut bekommt. So kann man die Dinge in einem Staate, der zusammengebrochen ist, aber nicht beurteilen, dass nur eine Produktionsgruppe allein berücksichtigt wird. Die nächste Folge dieser Politik war natürlich, dass infolge dieser ganz unerhörten Treiberei der Getreidepreise, die Viehpreise, die Eierpreise, kurz die Preise aller Produkte, welche mit der Landwirtschaft in einer Beziehung stehen, enorm emporgeschnellt sind, und die weitere Folge war — und das ist bei allen Verhandlungen zutage getreten — dass, nachdem, wie schon hier wiederholt bemerkt wurde, niemand von der staatlichen Ration zu leben vermag, Löhne und Gehalte den Preisen angepasst werden mussten. Die Leute erklärten, als sie ihre Forderungen gestellt haben, das Kilogramm Mehl 30, 40, 50 K, wir können von den staatlichen Rationen nicht leben, wir müssen von den Bauern, wir müssen von den Schleichhändlern kaufen, daher müssen die Löhne und die Gehälter in dem und dem Ausmaße festgesetzt werden. Da sieht man schon, wohin die verkehrte Wirtschaftspolitik führt, und die Wirkung des sogenannten freien Handels, den Sie haben können und der nur dann möglich ist, wenn ein Überangebot an Ware vorhanden und die Nachfrage nicht großer ist als das Angebot. Wenn Sie in diesem Wirtschaftsjahre noch weiter gehen, wird es natürlich nicht dazu kommen, dass — was der Herr Staatssekretär befürchtet — Getreide zur Versorgung der Bevölkerung auf legalem Wege nicht vorhanden sein wird, es wird das Getreide hier sein, nur wird es sich die arbeitende Bevölkerung und der Mittelstand nicht kaufen können, es werden nur die sogenannten oberen Zehntausend, die diesen Staat heute noch bevölkern, versorgt sein.

Aber interessant ist der Gewinn, der in die Taschen der Produzenten wanderte. Wie ich schon gesagt habe, haben wir im Vorjahre den Getreidepreis mit 130 K im Gesetze festgesetzt, er wurde auf 180 K pro Meterzentner hinaufgesetzt und er ist dann auf 3000 bis 4000 K pro Meterzentner hinaufgeschnellt. Wenn ich nur 2000 K Überpreis bei den Quantitäten rechne, die nicht abgeliefert wurden, so gibt das eine runde Summe von 3 Milliarden Kronen, die in die Taschen der Getreide liefernden Großbauern und Grundherren geflossen sind. Wer hat sie bezahlt? Natürlich die Konsumenten, denn uns kann man nicht einreden, dass dieses ganze Getreide draußen geblieben und als Deputat aufgegangen ist — auf diese Frage komme ich noch zurück —, sondern es ist tatsächlich aus den Taschen der Konsumenten der Betrag von rund 3 Milliarden Kronen herausgeholt worden. (Beifall.) Zu einer solchen Wirtschaftspolitik geben wir uns unter gar keinen Umständen her. Aber wie liegen die Dinge in diesem Jahre? In diesem Jahre wird nach den Schätzungen von Fachleuten, die mir allein maßgebend sind — und Sie können das überprüfen, wie Sie wollen —, der Ertrag wahrscheinlich 141/2. Meterzentner bei Weizen, 13 1/2 Meterzentner bei Gerste und 13 Meterzentner bei Korn betragen. (Zwischenrufe.) Aber wenn das hier angezweifelt wird . . . (Anhaltende, lebhafte Zwischenrufe.) Das hören Sie nicht gerne, Ihnen wäre es am liebsten . . . (Ruf: Wir hätten es ganz gerne!) Sie haben es nur gern, aber hören tun Sie es nicht gern! (Beifall.) Der Herr Staatssekretär hat schon früher ausgeführt, dass in den Alpenländern, in den Gebirgsgebieten der Ertrag durchschnittlich 13'7 Meterzentner betrug. (Widerspruch. — Ruf: Statistik!) Statistik? Heuer haben wir kein Durchschnittsjahr, sondern ein ausgezeichnetes Jahr, und wenn es Ihnen noch so unangenehm ist, ich konstatiere diese Tatsache, die jeder sieht. (Zwischenrufe und Lärm.)


 

Präsident: Ich bitte, meine Herren, es handelt sich doch hier bloß um eine Prognose. Wozu also die Aufregung.

Abgeordneter Weber: Bei der gleichen Anbaufläche, wie im Vorjahre, ernten wir in diesem Jahre rund 790.000 Tonnen und es erübrigen, wenn die Quantitäten für Saatgut und Viehfütterung usw. abgezogen werden, rund 290.000 Tonnen. Nun ist natürlich, wenn der 1000 K-Preis festgesetzt wird, nicht damit zu rechnen, dass der Preis, der von 180 K auf 3000 bis 4000 K hinaufgeschnellt ist, bei 4000 K seine Grenze hat ... (Abgeordneter Eisenhut: Warum hat die Stadt

Wien ihre Güter verpachtet?) Das ist ein anderes Problem, darüber wollen wir jetzt nicht reden ..., sondern es werden sicherlich die Vorjahrspreise überschritten werden. Aber davon will ich nicht reden, sondern ich sage: Wenn nur 2000 K

Überpreis erreicht werden, so macht das die runde Summe von fünf Milliarden Kronen in diesem Jahre.

Hohes Haus! Zu einer Zeit, in der unsere innere Gebarung so außerordentlich schwer ist, zu einer Zeit, in der die Christlichsozialen und insbesondere die Großdeutschen in allen Versammlungen draußen vor den Wählern unausgesetzt vom Preisabbau sprechen und ihn von der Regierung fordern, in dieser Zeit bringen Sie es über Ihr Gewissen, einen Preis festzusetzen, der die exorbitanteste Steigerung aller übrigen Artikel herbeiführt. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Der Herr Staatssekretär Stöckler hat mit sehr herablassender Geste sachliche Belehrungen durch meine Kollegin Freundlich abgelehnt. Es fällt uns nicht ein, irgendjemanden zu belehren. Wir wissen, dass das eine vergebliche Sache für diese Seite des Hauses ist; aber wir werden Ihnen Tatsachen entgegenhalten und wir bitten Sie, diese Tatsachen zu widerlegen. (Zwischenrufe des Abgeordneten Kunschak.) Ja, das sind die Nachwirkungen der christlichsozialen Verwaltung. (Zahlreiche Zwischenrufe.) Ja, meine Herren .... (Andauernde Zwischenrufe.) Ich habe Zeit.

Nun wurde die Behauptung aufgestellt, dass sich die Gestehungskosten überhaupt nicht errechnen lassen, sondern dass man da so in die Luft greift oder wie bei einer Lotterieziehung eine Nummer aus dem Beutel zieht und das ist dann der Getreidepreis. So liegen die Dinge natürlich nicht und mit solchen Methoden geben wir uns als Sozialdemokraten und als gewissenhafte Menschen nicht zufrieden. Es ist richtig, dass sich der Getreidepreis errechnen lässt, wie sich alles errechnen lassen muss. Denn womit wollen Sie es denn begründen, dass 1000 K gerade ausreichend sind, wo sind die Beweise dafür, dass das nicht zu viel oder zu wenig ist? Ich werde Ihnen also jetzt eine Rechnung vorlegen, die ich wieder von Landwirten habe.

Für den Anbau eines Hektars Getreideacker ist zweimaliges Ackern notwendig, das ergibt 1800 K, für Kunstdünger 2600 K, für den Anbau selbst 300 K, für die Ernte 800 K, für die Abfuhr und das Einlagern 400 K, für den Drusch 700 K, für die Versicherung 200 K und für das Saatgut, das wir mit 1000 K berechnen, also mit dem geforderten Preise, 1800 K. Das gibt zusammen an Kosten 8600 K. In diese Beträge sind reichlich eingerechnet die Verpflegung der Arbeiter und der Zugtiere, sind eingerechnet die Reparaturen, die Amortisation der Geräte und wir wollen darüber hinaus noch 2000 K für unvorhergesehene Kosten zugestehen und für die Kosten, die aus den unverschämten Forderungen, wie sich Staatssekretär Stöckler ausgedrückt hat, aus den Lohnforderungen fließen. So ergibt sich, dass bei dem früher angegebenen Ernteergebnis per Hektar mindestens 14.000 K Einnahmen erzielt werden und dass .... (Zwischenrufe und Gelächter.) Sie lachen darüber, weil Sie sich schon auf den Rebbach freuen, den Sie dabei machen! (Lebhafter Beifall.) Also mindestens 3400 K bleiben selbst bei dieser ganz unerhört hohen Kostenberechnung, die jeder Fachmann, der nicht voreingenommen ist und wirklich etwas von der Landwirtschaft versteht, bestätigen wird, übrig. (Zwischenrufe.) Wenn Sie uns das Gegenteil beweisen, sind wir die ersten, die sofort sagen: die Landwirtschaft muss so viel bekommen, dass sie ihre Betriebe aufrechterhalten kann und darüber hinaus noch so viel beiseitelegen kann, um dann, wenn wir wieder in die normalen Verhältnisse kommen, der Wiederaufbau erfolgen kann. Aber solange Sie den Beweis nicht erbringen, solange Sie nur mit den vagen Behauptungen kommen, dass unsere Felder ausgesaugt sind und der Ernteertrag zurückgegangen ist, und wir auf der anderen Seite sehen — wie der Herr Staatssekretär hier selbst bestätigt hat —, dass zum Beispiel in der Tschecho-Slowakei pro Hektar vier Meterzentner abgeliefert werden, dass dies jetzt beschlossen wurde, obwohl in der Tschecho-Slowakei der Grund und Boden genau so ausgesaugt werden musste wie bei uns (lebhafte Zwischenrufe), und bei uns nur 1/8 Meterzentner pro Hektar abgeführt werden, müssen wir schon sagen, dass da etwas nicht stimmt. (Zwischenrufe.) Also das Gegenteil beweisen, meine Herren, ich sage Ihnen das wiederholt.

Was nun das Kontingent anbelangt, so hat meine geschätzte Klubgenossin, Frau Freundlich, ja schon das Notwendige ausgeführt. Herr Stöckler hat es zwar nicht offen ausgesprochen, aber doch verblümt gesagt, dass der Versuch unternommen werden soll, die zentrale Bewirtschaftung schon
heute zu beseitigen. Wir Sozialdemokraten sind nicht prin-


 

zipiell für die zentrale Bewirtschaftung (Zwischenrufe), aber die zentrale Bewirtschaftung ist gegenwärtig eine Notwendigkeit nicht nur für die Konsumenten, sondern eine dringende Notwendigkeit auch für die Produzenten. Sie werden fragen: wieso für die Produzenten? Ja, glauben Sie denn, dass unter den Bauern, die wir haben, lauter Produzenten sind, die soviel Getreide bauest als sie für ihre Wirtschaft benötigen und alle Kleinbauern, Häusler und Gebirgsbauern wie die Kriegsgewinner und Schieber auf den Markt gehen können, und sich dort das teure Brot oder das teure Futtergetreide zu kaufen, um ihre eine Kuh, eine Ziege oder zwei Schweine und die paar Hühner aufzufüttern, die sie haben? Nein, sie sind natürlich auf den großen Nachbar im Dorf angewiesen und deshalb ist heute draußen schon ein heftiger Kampf entstanden, weswegen Sie uns Sozialdemokraten beschuldigen. (Zwischenrufe.) Nein, meine Herren! Die größten Hetzer und größten Aufreizer sind Sie, weil Sie diesen Tausendkronenpreis verlangen, der für die anderen einfach unerschwinglich ist.

Ich stelle also fest, dass die Sozialdemokraten absolut nicht etwa fanatische Vertreter der straffen zentralen Bewirtschaftung sind. Im Gegenteil: Sobald die zentrale Bewirtschaftung dadurch unnötig wird, dass der Welthandel für uns erschlossen ist und die Tore des Auslandes für uns offen sind, in dem Moment werden auch wir Sozialdemokraten sofort für die Aufhebung der zentralen Bewirtschaftung eintreten. Wenn Sie aber früher, — es ist in Ihren! Schuldenbuch unauslöschlich eingetragen — unausgesetzt den Zollschutz bis auf die Spitze getrieben haben, so sage ich Ihnen: Wenn Sie dann wieder kommen werden und hohe Schutzzölle verlangen werden, dann werden wir erklären: Nein! einen Schutzzoll gewähren wir nicht; Ihr habt die Öffnung der Tore gefordert und wir wollen nun, dass die Tore auch offen bleiben für immerwährende Zeiten! (Lebhafter Beifall und, Händeklatschen.)

Aber, meine verehrtesten Anwesenden, wenn wir auch nicht unbedingt für die zentrale Bewirtschaftung sind, so ist es doch vollständig ausgeschlossen, sie im gegenwärtigen Moment aufzulassen. In diesem Moment die staatliche Bewirtschaftung auslassen, würde nichts anderes heißen als den arbeitenden Schichten den Brotkorb noch höher hängen, als er schon hängt. (Beifall.) Dazu geben wir uns natürlich nicht her, und wenn Sie es beschließen, müssen Sie es für Ihren Teil beschließen und müssen Sie die Verantwortung dafür tragen. Wir Sozialdemokraten lehnen die Verantwortung von vornherein rundweg aus das entschiedenste ab.

Ich komme nun zu einer anderen Frage und das ist die Frage, die zwar sehr behutsam, mehr

in Zwischenrufen als in ganz konkreten Ausführungen hier angeschnitten wurde, die Frage der Landarbeiterschaft. Ich weiß nicht, warum die Herren gerade heute, wo die Gelegenheit gewesen wäre, das Herz auszuschütten, gar so schweigsam über diese Frage, die doch brennt, die jetzt in allen Zeitungen in einem recht ausgiebigen Maße behandelt wird, so glatt hinweggegangen sind. Eines muss ich vorweg auf das entschiedenste zurückweisen: Wenn etwa die Herren Agrarier, die paar tausend Grundherren, die wir haben, glauben, die Schuld für die ganze kommende Erhöhung der Getreidepreise und in deren Gefolgschaft der Mehlpreise, der Eierpreise, der Fleischpreise usw. auf die landwirtschaftlichen Arbeiter überwälzen zu können, und wenn sie glauben, die städtische Bevölkerung und besonders die Arbeiterschaft gegen die ländliche Arbeiterschaft hetzen zu können, so täuschen Sie sich gründlich. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Es wurde recht ausgiebig Genügsamkeit gepredigt. Ich wundere mich sehr, das aus christlichem Munde zu hören. Aber eines möchte ich ihnen empfehlen, allen diesen Herren, die diese Genügsamkeit predigen: Vier Wochen nur mögen die Herren so genügsam und arbeitsam sein, wie es die Landarbeiter sein müssen, und ich bin überzeugt, sie werden nicht mehr davon reden, dass die Deputate und die Löhne der Landarbeiter zu hoch sind. So liegen die Dinge. (Zwischenruf: Unsinn!) Das ist kein Unsinn. Vor allem haben Sie, meine Herren, die Sie die Interessen der Grundherren vertreten, keine solchen landwirtschaftlichen Arbeiter, mit denen Sie Verträge abschließen müssen, daher haben Sie kein Recht, über diese Fragen zu urteilen. (Lebhafte Zwischenrufe.)

Wie liegen denn die Dinge? Wir haben in Niederösterreich ungefähr 300 landwirtschaftliche Großbetriebe, Höfe, auf denen Lohnbewegungen stattgefunden haben und mit welchen Lohnverträge abgeschlossen worden sind. Die große Masse der bäuerlichen Unternehmungen, die Mittlern, die Kleinbauern und die Großbauern sind von den Lohnverträgen überhaupt nicht berührt, sondern nur die ganz großen Besitzungen, aber sie machen sich diese Bewegung zunutze, um damit die unerhörten Preistreibereien zu begründen.

Was nennen Sie denn „unerhört"? Bezeichnen Sie es etwa als unerhört, wenn heute ein landwirtschaftlicher Arbeiter, ein Professionist im Monate neben den Deputaten 600 oder 700 Kronen bezieht? Nennen Sie es unerhört, wenn ein Arbeiter die Forderung stellt, dass er soviel Lohn erhält, dass er damit alle absolut notwendigen Bedürfnisse zu decken vermag und er nicht gezwungen ist, Deputate zu verkaufen, also seine Ernährung und die der Seinen herabzudrücken? (Ruf: Aber!) Ja, wenn Ihnen die
Deputate zu hoch sind, können wir das Lohnver-


 

hältnis ändern — bitte, einverstanden! Die landwirtschaftlichen Arbeiter sind erwacht. Damit müssen Sie sich abfinden. Bisher wurden sie brutalisiert, und wie Sklaven behandelt. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen.) Heute haben sie eine Organisation und bessere Lebensbedingungen als ehemals aber noch lange nicht solche wie Arbeiter in der Industrie, wie Sie zu behaupten belieben. Sie sind besser gestellt durch eigene Kraft und nicht etwa weil Sie als angebliche Christen und Deutsche es als selbstverständlich gefunden haben, die Entlohnung den heutigen Preisverhältnissen anzupassen. Das ist die Wahrheit.

Die Revolution hat auch das Landproletariat befreit. Es stehen in Niederösterreich heute 36.000 Männer und Frauen in der gewerkschaftlichen Organisation — eine respektable Körperschaft. Meine Herren! Wenn Ihnen die Deputate zu hoch sind — die übrigens nicht von den Arbeitern gefordert werden, sondern von den Unternehmern den Arbeitern lieber gegeben werden, als der Barlohn, weil sie vermeinen, sich damit der Ablieferungspflicht entziehen zu können, — dann machen wir Ihnen den Vorschlag, die Leute so zu bezahlen, dass sie sich das Getreide, bei dem Sie die Preise hinauftreiben, dass sie sich das teuere Schweinefleisch, das teure Fett, die teuren Eier bei Ihnen kaufen können. Dieses Geschäft schließen wir sofort mit Ihnen ab. (lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Solange Sie das aber nicht machen, solange Sie auch diesen Menschen die Milch nicht verkaufen, weil die große Masse der Produzenten lieber den jüdischen und den christlichen Schleichhändler ins Dorf ziehen, weil sie von ihm bedeutend mehr verlangen können als von dem im Orte ansässigen Arbeiter, solange Sie also den Menschen im Dorfe das Leben unmöglich machen, dürfen Sie sich auch nicht aufhalten, wenn die Leute statt des Geldlohnes einen Naturallohn fordern, und zwar einen so hohen Naturallohn fordern, dass sie tatsächlich auch zu leben vermögen.

Im Übrigen offenbart sich Ihre ganze Menschenfreundlichkeit in den gehässigen Angriffen gegen die landwirtschaftlichen Arbeiter. (Abgeordneter Stocker: O nein!) Sie möchten es gerne anders hören, Sie möchten es. . . . (Abgeordneter Stocker: Die Landwirte sind bereit, den landwirtschaftlichen Arbeitern dieselben Löhne zu geben, wie sie die industriellen Arbeiter beziehen, aber den Landwirten  müsste das durch eine entsprechende Preispolitik ermöglicht werden!) Herr Kollege Stocker, die Geschichte lehrt und hat gelehrt, dass dort, wo die Arbeiterschaft sich nicht organisiert hat und den Kampf gegen jedwedes Unternehmertum, daher auch gegen die Bauern nicht geführt hat, die Arbeiter nicht einen Heller mehr Lohn bekommen; alles muss erobert und erkämpft werden. Übrigens Hütten Sie die Möglichkeit ja gehabt — warum warten Sie denn auf die bösen Sozi und die Landarbeiterorganisation? Es war ja Zeit während der 22 Jahre der Herrschaft der Christlichsozialen — und ebenso hätten ja die Großdeutschen durch lange Jahre dazu Gelegenheit gehabt. Wir Sozialdemokraten haben Ihnen am Lande gar nichts hineingeredet, da war überall eine absolutistische Bauernherrschaft. Da hätten Sie ja die Möglichkeit gehabt, überall die Aussöhnung des Klassengegensatzes herbeizuführen. (Abgeordneter Stocker: Unsere Arbeiter waren auch zufrieden!) Ja, sie mussten zufrieden sein weil sie Sklaven waren. Der Arbeiter soll nur arbeiten und beten, im Übrigen soll er ruhig sein, er soll kein Kulturmensch sein und soll keine Bedürfnisse haben — so stellen Sie sich den landwirtschaftlichen Arbeiter und seine Familie vor.

Ich komme nun wieder auf das eigentliche Thema zurück — ich musste ab schweifen, weil diese versteckten Angriffe gemacht worden sind — ich komme also zu dem eigentlichen Thema zurück und erkläre nochmals, wir lehnen Anträge, die gestellt wurden, ab, wir fordern, wie schon meine Vorsprecherin Freundlich erklärt hat, dasselbe Kontingent, wie es im vorigen Jahre war, und zwar mit Rücksicht darauf, dass die Erträgnisse in diesem Jahre gewaltig größer sind als sie im Vorjahre waren, und wir verlangen überdies, dass der Getreidepreis auf 800 K herabgesetzt werde. Tun Sie das, dann werden auch die Sozialdemokraten für das Gesetz stimmen und mit die Verantwortung dafür übernehmen, es überall vertreten und dafür Sorge tragen, dass aus diesen Dingen keine Komplikationen entstehen, weder wirtschaftlicher noch politischer Natur; tun sie es nicht, dann tragen Sie allein die Verantwortung dafür! (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? (Berichterstatter Födermayr: Ja, ganz kurz!)

Ich erteile dem Herrn Berichterstatter das Schlusswort.

Berichterstatter Födermayr: Hohes Haus! Zu den verschiedenen Anträgen habe ich nur kurz folgendes zu bemerken. Der Antrag auf Einführung der freien Bewirtschaftung ist gegenwärtig nicht annehmbar, weil ein unvermittelter Übergang zur freien Bewirtschaftung des Getreides die schwersten Folgen für die Versorgung mit sich bringen würde. Persönlich habe ich die volle Überzeugung, dass die Zwangswirtschaft ehe möglichst abzustellen ist. Dies muss aber unbedingt vernünftig und auch zur richtigen Zeit geschehen.

Der Antrag auf Kontingentierung und Freigabe der Überkontingentmengen ist mir sehr
sympathisch, da sich dieser Antrag mit meinem im


 

Ernährungsausschusse gestellten Antrag vollkommen deckt. Als Berichterstatter bin ich aber gezwungen, mich an den Ausschussbeschluss zu halten.

Es sei mir gestattet, bezüglich der Ernteerträge im heurigen Jahre noch einiges richtigzustellen. Es wurde hier gesagt, dass die Ernteerträge Heuer höher sein werden als im vorigen Jahre. Es wurde auch erklärt, dass die Kontingentsmenge willkürlich festgesetzt worden ist. Ich glaube, das ist mehr ein Anwurf gegen die Regierung als gegen den Ernährungsausschuss. Wenn einige Herren annehmen, dass die Kontingentsmenge willkürlich festgesetzt worden ist, dann muss ich es sehr bedauern, weil allen Herren, die in diesem Hause sitzen, bekannt ist, dass die Kontingentsmengen im Einvernehmen mit der Wirtschaftskommission nach Anhörung der Vertreter der verschiedenen Länder, einerseits der Konsumenten-, anderseits aber auch der Produzentenvertreter festgesetzt worden find.

Wenn hier erklärt wurde, dass ein Durchschnittshektarertrag von 6'7 Meterzentnern angenommen wird, so dürfte das auf einem Irrtum beruhen. In Wirklichkeit wird der Durchschnittshektarertrag mit 8'7 Meterzentner angenommen, was ich hiemit richtigstelle.

Wenn gesagt worden, ist, dass wir nur ganz geringe Mengen pro Hektar abliefern, so muss ich erwidern, dass das nur Durchschnittsziffern sind und dass wir in Deutschösterreich Gebiete haben, die weit hinter den Durchschnittsziffern Zurückbleiben, während wir allerdings auch Gebiete haben, die über dem Durchschnitt produzieren.

Es wurde hier erwähnt, dass wir im vorigen Jahre Hektarerträgnisse von 13,7 Meterzentnern Brotgetreide zu verzeichnen hatten. Das ist ebenfalls unrichtig, diese Ziffer bezieht sich auf das Jahr 1913. (Hört! Hört!) Einen klaren Beweis, dass die Hektarerträge nicht ansteigen können, habe ich ja schon anfangs angeführt. Der Mangel an dem notwendigen Betriebsmaterial, insbesondere an Düngemitteln, und die Verpachtung von Gemeindewirtschaften und Landwirtschaften ist gewiss kein Beweis dafür, dass die Hektarerträge steigen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Die Debatte ist geschlossen. Wir schreiten zur Abstimmung.

Im Artikel I findet sich zunächst die Bestimmung, welche Paragraphen des geltenden Gesetzes außer Kraft zu treten haben, beziehungsweise abzuändern seien. Schon dagegen und damit gegen das Ganze des Gesetzes stellt sich der Antrag Stocker, den die Herren ja alle kennen und der verlangt, dass eine weit größere Zahl von Paragraphen außer Kraft zu setzen sei. Die weitere Bestimmung habe zu lauten (liest):

„1. Der Verkehr mit Getreide und Mahlprodukten inländischer Herkunft ist frei.

2. Für die Nichtselbstversorger hat der Staat den Getreide- und Mehlbedarf durch ausländische Bezüge und durch freien Ankauf im Inlande sicherzustellen und für die Übergangszeit zu verbilligten Preisen au die Verbraucher abzugeben."  Dieser Gegenantrag kommt zuerst zur Abstimmung.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die für ihn sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Es ist die Minderheit. Der Antrag ist ab gelehnt.

Es kommt nunmehr Artikel I, erster Absatz, zur Abstimmung und zugleich § 4, erster Absatz.

Ich bitte jene Mitglieder, die diesen Bestimmungen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Sie sind angenommen.

Zu § 4, zweiter Absatz, stellt die Frau Abgeordnete Freundlich einen Gegenantrag, welcher lautet (liest:)

„Das Kontingent ist mit 1,800.000 Tonnen festzusetzen. Das Staatsamt für Volksernährung teilt dieses Kontingent im Einvernehmen mit der Reichswirtschaftskommission auf die einzelnen Länder auf."

Das ist ein Gegenantrag gegen den Absatz 2.

Ich bitte jene Abgeordneten, die dem Anträge Freundlich zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Ich werde beim ersten Anlässe die Auszählung vornehmen lassen, die übrigen Abstimmungen werden dann wohl so ziemlich das gleiche Resultat ergeben. (Nach Auszählung des Hauses:) Der Antrag der Abgeordneten Freundlich ist mit 70 gegen 61 Stimmen abgelehnt.

Es kommt nunmehr der Antrag des Ausschusses, Absatz 2, Absatz 3 und Absatz 4 zur Abstimmung. Ich bitte jene Abgeordnete, die diesen Absätzen zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Nach Absatz 4 kommt ein Zusatzantrag des Herrn Abgeordneten Hollersbacher zur Abstimmung, der lautet (liest):

„Landwirten, welche nicht mehr produzieren, als sie für ihren gesamten Wirtschaftsbedarf einschließlich der Viehhaltung, der Deputate, des Saatgetreides ect. brauchen, ist ein Kontingent nicht vorzuschreiben.

Jener Teil, der auf diese entfallen würde, ist vom Landeskontingente abzuschreiben."

Ich bitte jene Mitglieder, die diesem Zusatzantrag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Es sind jetzt statt der vorgenannten 70 nur 67 Stimmen. Ich bitte um die Gegenprobe. (Nach einer Pause.) Das sind die bekannten 61 Stimmen. Der Antrag Hollersbacher ist also angenommen.

Ich muss den Herrn Abgeordneten Hollersbacher als den Antragsteller doch fragen: Lautet der letzte Satz des Antrages wirklich so, wie ich ihn verlesen habe: „Jener Teil, der auf diese entfallen würde" — es sind wohl die Deputate usw. gemeint — „ist vom Landeskontingent abzuschreiben?" (Abgeordneter Eldersch: Der Antrag ist ja schon angenommen!) Ich frage ja nur deshalb, weil die Schrift etwas undeutlich ist und ich schlecht gelesen haben kann. (Zu dem Abgeordneten Hollersbacher:) Ich darf keine authentische Interpretation geben, ich durfte nur fragen, ob dieser Satz richtig ist. (Abgeordneter Hollersbacher: Ja, das ist richtig!)

Der Antrag Hollersbacher ist also angenommen und § 4 durch diesen Zusatz ergänzt.

Wir kommen zu § 5. Gegenüber der vom Ausschuss beantragten Fassung liegt ein Minderheitsantrag des Ausschusses vor, unterzeichnet von dem Abgeordneten Alois Bauer und Genossen. Nachdem dies ein Gegenantrag gegen die gesamte Fassung des § 5 ist, bringe ich ihn zuerst zur Abstimmung. Er deckt sich mit der Regierungsvorlage. Soll ich ihn vorlesen? (Rufe: Nein!)

Zu einem formalen Anträge hat sich der Herr Abgeordnete Forstner zum Worte gemeldet.

Abgeordneter Forstner: Ich bitte, über den Minderheitsantrag Bauer, Freundlich und Vogl namentlich abzustimmen.

Präsident: Ich werde zunächst die Unterstützungsfrage für diesen formellen Antrag stellen.

Es steht jetzt der Minoritätsantrag Alois Bauer, das ist die Fassung des § 5, so, wie er in der ursprünglichen Regierungsvorlage war — der Ausschuss hat an dieser Vorlage Änderungen vorgenommen, die Herren finden das auf Seite 9 des Berichtes — zur Abstimmung. Ich lasse daher jetzt zunächst über den ganzen Antrag, gemäß dem Anträge Bauer, abstimmen, dann erst kommt die Abstimmung über den Ausschussantrag. Wünschen Sie dafür die namentliche Abstimmung? (Abgeordneter Forstner: Nein!) Nicht, dann erfolgt die gewöhnliche Abstimmung. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem Minderheitsantrage Alois Bauer zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Es ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den § 5 selbst. Da ist zunächst der erste Absatz und vom zweiten Absatz der erste Satz unbestritten; diese würden daher lauten (liest):

„(1) Aus dem beschlagnahmten Getreide hat der Unternehmer landwirtschaftlicher Betriebe sein Kontingent abzuliefern. Soweit das Getreide bereits vermahlen wurde, tritt an seine Stelle das daraus gewonnene  Mahlprodukt.

(2) Im Übrigen kann er die beschlagnahmten Sachen (§ 2) zur Deckung des Bedarfes seines landwirtschaftlichen Unternehmens verwenden."

Ich lasse jetzt über den Paragraph, soweit ich ihn verlesen habe, abstimmen und bitte diejenigen Mitglieder, die ihm zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist angenommen.

Jetzt kommt ein Antrag Stocker. Es soll nach den Worten: „Insoweit eine Verwendung für diese Zwecke nicht stattfindet und noch ein weiterer Getreideüberschuss vorhanden ist," statt der nun folgenden Worte des Ausschussantrages eingesetzt werden:

„ . . . kann der Unternehmer diese

Mengen nach Ablieferung seines Kontingents frei veräußern."

Abgeordneter Forstner: Ich bitte um das Wort zur Abstimmung!

Präsident: Bitte!

Abgeordneter Forstner: Ich beantrage Über den Antrag des Abgeordneten Stocker die namentliche Abstimmung.

Präsident: Ich werde natürlich diesen Antrag zur Unterstützung stellen, ich mache den Herrn Antragsteller aber darauf aufmerksam, dass dieser Antrag ja wahrscheinlich nicht sehr strittig sein wird. Wünschen Sie trotzdem die namentliche Abstimmung? (Abgeordneter Forstner: Ja!)

Gemäß § 57 der Geschäftsordnung bitte ich diejenigen Mitglieder, welche diesem formellen Anträge auf namentliche Abstimmung unterstützen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist mit der erforderlichen Anzahl von 25 Mitgliedern unterstützt, daher wird die namentliche Abstimmung vorgenommen.


 

Maßgebend ist § 57 d der Geschäftsordnung, danach haben sich die Mitglieder der ihnen von der Kanzlei zur Verfügung gestellten Blätter zu bedienen, die die Namen der Abgeordneten und die Bezeichnung „Ja" und „Nein" tragen. Hiefür bestimmte Beamte werden die Karten abnehmen. Ich bitte diejenigen Mitglieder, welche für den Antrag Stocker sind, mit „Ja" zu stimmen und die Karte „Ja", das ist die weiße Karte, jene Mitglieder, welche gegen den Antrag Stocker sind, die Karte, die auf „Nein" lautet, abzugeben.

Ich ersuche nunmehr die Herrn Beamten, die Einforderung der Stimmzettel vorzunehmen. (Nach Abgabe der Stimmzettel:) Die Stimmenabgabe ist geschlossen. Das Skrutinium wird sofort vorgenommen. Ich unterbreche die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 9 Uhr 16 Minuten unterbrochen. — Nach Wiederaufnahme der Sitzung um 9 Uhr 23 Minuten:)

Ich nehme die Sitzung auf.

Für den Antrag Stocker wurden 49 Stimmen mit „Ja" abgegeben, auf „Nein" haben 77 Stimmen gelautet. (Abgeordneter Stocker: Unglaublich!) Eine Stimme ist ungültig. (Zwischenrufe.) Ich hoffe, dass das „unglaublich", das der Herr Abgeordnete ausgestoßen hat, nicht der Enunziation des Vorsitzenden gilt. (Abgeordneter Stocker: Nein!) Der Antrag Stocker ist daher abgelehnt.

(Mit „Ja" stimmten die Abgeordneten: Altenbacher, Angerer, Birchbauer, Buchinger, Buresch, Dengg, Dersch, Diwald, Egger, Eisenhut, Fink, Fischer, Frankenberger, Gimpl, Grahamer, Grim, Größbauer, Gruber, Höchtl, Hollersbacher, Hosch, Jutz, Kletzmayr, Klug, Kocher, Kraft, Krötzl, Lieschnegg, Luttenberger, Dr. Anton Maier, Josef Mayer, Dr. Michael Mayr, Paulitsch, Pauly, Pischitz, Scharfegger, Schöchtner, Schönbauer, Schoiswohl, Schürff, Stocker, Straffner, Thanner, Traxler, Ursin, Wagner, Weigl, Weiß Josef, Wimmer.

Mit „Nein" stimmten die Abgeordneten: Adler, Aigner, Allina, Austerlitz, Bauer Alois, Bauer Otto, Boschek, Danneberg, Dannereder, Deutsch, Domes, Ebner, Eisler, Eldersch, Ellenbogen, Fohringer, Forstner, Freundlich, Gabriel, Geisler, Geßl, Glöckel, Goldemund, Gröger, Hafner, Hanusch, Hartmann Josef, Haueis, Hauser, Heinl, Hermann Hermann, Hermann Matthias, Hohenberg, Hölzl, Huber, Hubmann, Hueber, Idl, Kollmann, Kunschak, Lenz, Leuthner, Meißner, Muchitsch, Partik, Pick, Polke, Rauscha, Regner, Renner, Resch, Rieger, Scheibein, Schiegl, Schlager, Schlesinger, Schneidmadl, Schönfeld, Schönsteiner, Seipel, Skaret, Smitka, Spalowsky, Tomschik, Tuller, Tusch, Ullrich, Vogl, Weber, Weiser, Weiskirchner, Wiedenhofer, Wiesmaier, Witternigg, Witzany, Zelenka, Zwanzger.)

Nun bitte ich um besondere Aufmerksamkeit. Es liegt nämlich ein Antrag Stöckler vor, welcher sagt, dass die Worte „nach Abstellung des Landeskontingents" wegzulassen seien. Danach würde der Satz im Wesen sich mit der Ansicht des Abgeordneten Stocker, über die wir eben abgestimmt haben, decken; nur im Wesen. Es ist der Antrag Stocker nur deswegen zuerst zur Abstimmung gekommen, weil er formell anders gefasst ist.

Der Ausschussantrag lautet (liest):

„Insoweit eine Verwendung für diese Zwecke nicht stattfindet und noch ein weiterer Getreideüberschuss vorhanden ist, ist" — nun bleiben die vom Herrn Abgeordneten Stöckler beanstandeten Worte „nach Abstellung des Landeskontingents" weg — „eine Veräußerung des Getreides und der Mahlprodukte zulässig."

Das deckt sich im Wesen mit dem jetzt eben abgelehnten Anträge.

Ich werde unter vorläufiger Hinweglassung der Worte „nach Abstellung des Landeskontingents" abstimmen. Ist in dieser Fassung der Satz angenommen, so werde ich positiv abstimmen lassen über den Ausdruck „nach Abstellung des Landeskontingents". Sollte das abgelehnt werden, das heißt, sollte sich das Haus dahin entscheiden, dass diese Worte zu entfallen haben, so kommen gemäß dem Anträge Stocker noch die Worte „nach Abstellung des Gemeindekontingents" zur Abstimmung.

Ich bitte also diejenigen Mitglieder, welche unter vorläufiger Hinweglassung der Wörter „nach Abstellung des Landeskontingents" für die Fassung des Ausschusses sind, sich von den Sitzen zu erheben. ( Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nunmehr jene Abgeordneten, welche für die Wörter „nach Abstellung des Landeskontingents" sind . . . (Abgeordneter Forstner: Zu einem formellen Antrage!) Zu einem formellen Anträge hat der Herr Abgeordnete Forstner das Wort.

Abgeordneter Forstner: Ich beantrage namentliche Abstimmung über diese Worte „nach Abstellung des Landeskontingents".

Präsident: Der Abgeordnete Forstner beantragt namentliche Abstimmung. Ich stelle zuerst die Unterstützungsfrage und bitte jene Abgeordneten, welche für die namentliche Abstimmung sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das ist die erforderliche Unterstützung von 25 Stimmen.

Ich werde also gemäß § 57 c in der vorhin schon gekennzeichneten Art Vorgehen und bitte jene

Abgeordneten, welche die Worte „nach Abstellung des Landeskontingents" belassen wollen, wie es der Ausschuss beantragt, mit „Ja" zu stimmen — weiße Karten —, und jene Abgeordneten, welche gegen die Worte „nach Abstellung des Landeskontingents" sind, mit „Nein" zu stimmen. Ich ersuche die Herren Beamten, die Stimmzettel einzuholen.

Ich bitte die Herren, die Plätze einzunehmen; es ist sonst die Abstimmung sehr schwer. Es muss doch eine Kontrolle sein. Darf ich bitten, die Plätze zu behalten? (Nach Abgabe der Stimmzettel:) Die Stimmenabgabe ist geschlossen. Ich unterbreche die Sitzung zwecks Vornahme des Skrutiniums.

(Die Sitzung wird um 9 Uhr 30 Minuten unterbrochen — Nach Wiederaufnahme der Sitzung 9 Uhr 33 Minuten abends:)

Ich nehme die Sitzung wieder auf.

Es wurden mit „Ja" 60 Karten abgegeben, mit „Nein" 68 Karten. Es ist also vom hohen Hause die Streichung der Worte „nach Abstellung des Landeskontingents" angenommen, oder umgekehrt gesagt: die Worte „nach Abstellung des Landeskontingents" haben zu entfallen.

(Mit „Ja" stimmten die Abgeordneten Adler, Allina, Austerlitz, Bauer Alois, Bauer Otto, Boschek, Danneberg, Dannereder, Deutsch, Domes, Ebner, Eisler, Eldersch, Ellenbogen, Fohringer, Forstner, Freundlich, Gabriel, Geßl, Glöckel, Gröger, Hafner, Hanusch, Hartmann Josef, Hermann Hermann, Hermann Matthias, Hölzl, Hohenberg, Hubmann, Hueber, Idl, Lenz, Leuthner, Meißner, Muchitsch, Pick, Rauscha, Regner, Renner, Rieger, Scheibein, Schiegl, Schlager, Schlesinger, Schneidmadl, Schönfeld, Skaret, Smitka, Tomschik, Tuller, Tusch, Ullrich, Vogl, Weber, Weiser, Wiedenhofer, Witternigg, Witzany, Zelenka, Zwanzger.

Mit „Nein" stimmten die Abgeordneten Aigner, Altenbacher, Angerer, Birchbauer, Buchinger, Buresch, Dengg, Dersch, Diwald, Egger, Eisenhut, Fink, Fischer, Frankenberger, Geisler, Gimpl, Goldemund, Grahamer, Grim, Größbauer, Haueis, Hauser, Heinl, Höchtl, Hollersbacher, Hosch, Huber, Jutz, Kletzmayr, Klug, Kocher, Kollmann, Kraft, Krötzl, Kunschak, Lieschnegg, Luttenberger, Maier Dr. Anton, Mataja, Mayer Josef, Mayr Dr. Michael, Miklas, Niedrist, Partik, Paulitsch, Pauly, Pischitz, Resch, Scharfegger, Schneider, Schöchtner, Schönbauer, Schönsteiner, Schoiswohl, Seipel, Spalowsky, Steinegger, Stocker, Straffner, Thanner, Traxler, Ursin, Wagner, Weigl, Weiskirchner, Weiß Josef, Wiesmaier, Wimmer.)

Nunmehr kommt der Antrag Stocker zur Abstimmung.

Abgeordneter Stocker: Herr Präsident, ich bitte ums Wort.

Präsident: Der Abgeordnete Stocker hat das Wort.

Abgeordneter Stocker: Ich ziehe meinen Eventualantrag zurück.

Abgeordneter Forstner: Herr Präsident, ich bitte uns Wort.

Präsident: Der Abgeordnete Forstner hat das Wort.

Abgeordneter Forstner: Ich nehme den soeben zurückgezogenen Antrag Stocker auf. (Rufe: Das geht nicht!)

Präsident: Die beiden Erklärungen kompensieren sich. Es kommt also der Antrag Stocker als vom Herrn Abgeordneten Forstner wieder ausgenommen zur Abstimmung. (Unruhe.)

Ich bitte, hohes Haus, das ist ganz klar. Die Geschäftsordnung enthält über Zurückziehung solcher Anträge keine Bestimmung. (Ruf: Ja! —- Unruhe.) Ich habe meine Gründe, dass ich das erkläre. Überdies wird meine Enunziation durch einige Bemerkungen eines ,Mitgliedes des Hauses, dessen Geschäftsordnungskenntnis ich schätze, bestritten. Die Geschäftsordnung enthält also nichts. Im § 19 ist nur vorgesehen, dass Initiativanträge zurückgezogen werden können. Eine Zurücknahme von Anträgen, die während der Debatte gestellt worden sind, kennt die Geschäftsordnung überhaupt nicht. Da ich aber einem Abgeordneten nicht verweigern kann, dass er von einem Anträge zurücktritt, ein anderer Abgeordneter aber vielleicht nur in der Voraussetzung, dass ein solcher Antrag schon gestellt wurde, es unterlassen hat, selbst diesen Antrag zu stellen, muss ich so Vorgehen.

Es kommt also der Antrag Stocker, vom Herrn Abgeordneten Forstner wiederaufgenommen, zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Abgeordneten, welche nach diesem Anträge für die Worte „nach Abstellung des Gemeindekontingents" sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt. (Ruf: Der Stocker stimmt gegen seinen Antrag! — Heiterkeit. — Unruhe.)

Aber, ich bitte, meine Herren.

Gegen den Absatz 3 liegt kein Gegenantrag vor.

Ich bitte jene Mitglieder, welche für ihn stimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist angenommen.

Der Absatz 4 ist bestritten durch einen Gegenantrag des Herrn Abgeordneten Stocker. Er lautet nach dem Anträge des Ausschusses (liest):

„(4) Den Verkehr mit Saatgut regelt das Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft in: Einvernehmen mit dem Staatsamte für Volksernährung, wobei Ausnahmen von den Vorschriften der Absätze 2 und 3 getroffen werden können."

Der Herr Abgeordnete Stocker beantragt dagegen, dass Absatz 4 zu lauten habe (liest):

„(4) Der Verkehr mit Saatgut unter Landwirten ist frei. Die nachweisbar zu Saatgutzwecken von einem landwirtschaftlichen Unternehmen abgegebenen Getreidemengen werden ihm von dem vorgeschriebenen Kontingent ab- und dem Käufer zugeschrieben."

Ich bitte jene Mitglieder, welche für den Gegenantrag des Herrn Abgeordneten Stocker sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Da muss ich doch wieder, auszählen lassen.

Ich bitte jene Mitglieder, die für den Antrag Stocker sind, stehen, jene, die gegen diesen Antrag sind, sitzen zu bleiben. Ich bitte um die Auszählung. (Nach Auszählung des Hauses:) Für den Antrag Stocker haben 67 Abgeordnete gestimmt, gegen ihn 59 Abgeordnete. Der Antrag Stocker ist daher angenommen.

Nunmehr kommen wir zum § 6. Er ist unverändert geblieben, ein Gegenantrag liegt nicht vor. Ich bitte die Abgeordneten, die für ihn stimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Nunmehr kommt § 7. Die ersten zwei Absätze sind unbestritten. Ich bitte jene Mitglieder, welche ihnen zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Zum Absatz 3 liegt ein Gegenantrag der Abgeordneten Freundlich vor (liest): „Absatz 3 des § 7 soll heißen:

Der Übernahmspreis wird einheitlich für das ganze Reich bestimmt und darf nicht mehr als 800 K für den Zentner betragen."

Ich bitte jene Mitglieder, welche dem Antrage Freundlich zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Es ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Ich bitte nunmehr die Abgeordneten, welche den dritten Absatz des § 7 in der Fassung des Ausschusses annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Zum § 7 liegt noch ein Zusatzantrag vor, der als Minoritätsantrag der Abgeordneten Alois Bauer und Genossen aus Seite 9 des Berichtes verzeichnet ist. Er lautet (liest): „Im § 7 wird als vierter Absatz beantragt:

Diese Bestimmungen gelten auch für das gemäß § 5, Absatz 2, veräußerte Getreide oder Mahlprodukt."

Ich bitte jene Mitglieder, welche diesem Minoritätsantrage Bauer zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Ist abgelehnt.

§ 9 ist unbestritten, § 10 gleichfalls, ebenso § 14. Wir können daher unter einem über alle Paragraphen von 9 bis 14 ...

Abgeordneter Stocker: Zum § 13 ist ein Zusatzantrag gestellt!

Präsident: Das kommt nicht mehr zur Abstimmung, weil nachdem schon im § 1 bei der Abstimmung über die Aufzählung der zu ändernden Paragraphen die Zitation des § 13 wie sie der Herr Abgeordnete Stocker wollte, abgelehnt worden ist; damit ist auch darüber entschieden.

Ich kann also unter einem über die §§ 9 bis 16, erster Absatz, abstimmen. Gegenanträge liegen nicht vor.

Ich bitte jene Mitglieder, welche für diese Bestimmungen sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Jetzt kommt zum § 16, erster Absatz, ein Zusatzantrag des Abgeordneten Hollersbacher. Er lautet (liest):

„Jedoch darf ein Mahlscheinzwang nicht angeordnet werden."

Ich bitte jene Abgeordneten, welche für diesen Zusatzantrag sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Er ist angenommen.

Ich bitte nun jene Mitglieder, welche dem zweiten Absätze des § 16, dann dem § 18 und § 19 ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Angenommen.

Zum § 19 liegt ein Zusatzantrag des Herrn Abgeordneten Stocker vor (liest):

„Im § 19 ist als zweiter Absatz hinzuzufügen:

„(2) Gegen das Straferkenntnis, das schriftlich auszufertigen und dem Bestraften
 

ordnungsmäßig zuzustellen ist, ist eine Berufung innerhalb 14 Tagen an die Landesregierung, gegen das Erkenntnis der Landesregierung eine Berufung innerhalb derselben Zeit an das Staatsamt des Innern zulässig."

Ich bitte jene Mitglieder, welche diesem Zusatzantrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist abgelehnt.

§ 20 ist unbestritten. Artikel II, III, IV, und V sind unbestritten.

Ich bitte jene Mitglieder, welche diesen Bestimmungen des Gesetzes zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Wir kommen jetzt zum Titel und Eingang des Gesetzes.

Ich bitte jene Mitglieder, welche für Titel und Eingang sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Födermayr: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Zu diesem formellen Antrag ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich bitte jene Mitglieder, welche diesem formellen Antrag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Es ist nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit, der formelle Antrag ist somit abgelehnt, die dritte Lesung wird erst in einer nächsten Sitzung vorgenommen werden.

Es liegen noch Resolutionsanträge vor, die aber gemäß der Geschäftsordnung erst nach der dritten Lesung beschlossen werden.

Es ist also dieser Gegenstand erledigt. Ich werde zuweisen dem Verfassungsausschusse den Antrag des Abgeordneten Dr. Mayr, betreffend die Schaffung einer Bundesverfassung. (888 der Beilagen.)

Als nächsten Sitzungstag schlage ich vor Mittwoch, den 7. Juli, 3 Uhr nachmittags, mit folgender Tagesordnung:

1. Bericht des Hauptausschusses, betreffend den Vorschlag über die Wahl der Staatssekretäre und die Bestellung von Unterstaatssekretären.

2. Wahl der Staatsregierung.

Ich mache aufmerksam, dass, nachdem die Wahl der Staatsregierung gemäß dem heute beschlossenen Gesetz vorgenommen sein wird, das Kabinett sich sofort zur Konstituierung zu versammeln hat. Wir werden daher zu diesem Zwecke die Sitzung unterbrechen. Vorher werden schon Unterbrechungen zur Vornahme der Skrutinien notwendig sein. Sodann wird das hohe Haus den Bericht über die Konstituierung entgegennehmen und wird erfahren, wie das Kabinett die Ressorts verteilt hat. Es ist vorauszusetzen, dass anlässlich dieser Mitteilung nach den Dispositionen der verschiedenen Parteien der Wunsch bestehen wird, zu der Erklärung, mit der sich die Regierung dem Hause vorstellt, eine Debatte zu eröffnen. Es kann also eventuell noch eine solche politische Debatte abgeführt werden. (Abgeordneter Stöckler: Zur Tagesordnung!) Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Stöckler zur Tagesordnung das Wort.

Abgeordneter Stöckler: Ich beantrage, dass die dritte Lesung des eben beschlossenen Gesetzes auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung gestellt werde.

Präsident: Gegen meinen Vorschlag, betreffend die Tagesordnung, ist von dem Herrn Abgeordneten Stöckler eine Einwendung erhoben worden. Er hat den Antrag gestellt, die Tagesordnung der morgigen Sitzung durch die dritte Lesung des Gesetzentwurfes, betreffend die Regelung des Verkehres mit Getreide und Mahlprodukten im Wirtschaftsjahre 1920/21, zu ergänzen.

Ich bitte jene Mitglieder, welche dem Anträge Stöckler zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ich bitte um Auszählung. (Nach der Auszählung des Hauses:) Für den Antrag des Herrn Abgeordneten Stöckler haben sich 51 Stimmen, gegen ihn 52 Stimmen ergeben. (Heiterkeit.) Der Antrag ist daher abgelehnt. Es bleibt bei meinem Vorschläge.

Die Sitzung ist geschlossen.

 

Schluss der Sitzung: 9 Uhr 55 Minuten abends.

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