1107/A XX.GP
Gem. § 74a Abs. 1 iVm. §93 Abs. 2 GOG - NR
der Abgeordneten Scheibner
und Kollegen
an die Bundesregierung
betreffend mangelnde Vorsorge der Bundesregierung in Katastrophen- und
Zivilschutzangelegenheiten
Österreich ist für Katastrophenfälle nicht gerüstet. Dies zeigte sich bereits nach der
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, als die verschiedenen Behörden des Bundes und
der Länder hilflos einander widersprechende und keineswegs aufeinander abgestimmte
Maßnahmen verfügten. Es wurde bereits damals erkannt, daß Katastrophensituationen
einen erhöhten Bedarf an Koordination und Information sowie insbesondere ein rasches
und koordiniertes Handeln zur Abwehr von Gefahrensituationen erfordern.
Aufgrund dieser Erfahrungen hat die Bundesregierung am 30. Oktober 1986 unter GZ
602.25815 - V/SL/86 die Einrichtung eines ,,Krisenmanagements“ zur Verbesserung der
Information und der Koordination in Krisensituationen beschlossen. Aufgabe des
„Krisenmanagements“ sollte die Erarbeitung von Empfehlungen zur Bewältigung von
Krisensituationen sein.
Nach diesem Konzept sind nicht nur unmittelbar bevorstehende oder bereits
eingetretene Gefahren für Leben und Gesundheit sondern auch Situationen erfaßt, die
eine Vielzahl von Verwaltungshandlungen, die rasch zu setzen und zu koordinieren sind,
erfordern. Das Vorliegen einer Krisensituation ist dabei allein vom Bundeskanzler zu
beurteilen, dem auch die Einberufung des ,,Krisenmanagements“ obliegt.
Obwohl somit bereits damals erkannt wurde, daß die Bewältigung von nicht alltäglichen
Krisensituationen in Österreich wegen der unübersehbaren Zersplitterung der in Betracht
kommenden Zuständigkeiten auf die verschiedensten Bundes - und Landesdienststellen
nahezu unmöglich
ist und mit dem ,,Krisenmanagement“ zumindest ein theoretischer
Ansatz einer Lösung versucht wurde, ist seither so gut wie nichts geschehen, um
wirklich eine Verbesserung der Situation zu ermöglichen.
Krisensituationen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß
• eine nicht alltägliche Gefährdungssituation vorliegt,
• die kurzfristig rasches Handeln der verschiedenen Verwaltungsbehörden erfordert,
• darüber hinaus ein längerfristiges koordiniertes Vorgehen verschiedener
Verwaltungsstellen verlangen,
• welches von einer Gesamtkonzeption getragen sein soll und
• sowohl hinsichtlich des Einsatzes der verschiedenen Maßnahmen als auch der
koordinierten Vorgangsweise einen erhöhten Informationsbedarf mit sich bringt,
werden nach wie vor sich selbst überlassen.
Wie Bundeskanzler Klima den Ministerratsbeschluß betreffend die Einrichtung eines
Krisenmanagements interpretiert, kann anhand der beiden Katastrophen von Lassing
und Galtür eindrucksvoll bewiesen werden.
In einer Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers vom 17.12.1998 rechtfertigt der
Bundeskanzler die Nichteinberufung des Koordinationsausschusses des staatlichen
Krisenmanagements in Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing damit, daß
es dessen Aufgabe sei, in Ausnahmesituationen (..) und bei Katastrophen technischen
und natürlichen Ursprunges, die das ganze Staatsgebiet oder große Teile davon
gefährden, den Schutz der Bevölkerung (...) sicherzustellen.
Im Falle des Lawinenunglücks von Galtür im Februar dieses Jahres wiederum wurde vom
Bundeskanzler das staatliche Krisenmanagement sofort aktiviert. Diese Maßnahme
werde laut Bundeskanzleramt dann ergriffen, wenn bei einer außergewöhnlichen
Situation die Behörden auf Landesebene mit den ihnen zur Verfügung stehenden
Mitteln nicht mehr das Auslangen finden würden, (Die Presse vom 25.02.1999).
Mit dieser Begründung wäre der Bundeskanzler auch in Lassing unmittelbar nach
Auftreten des Unglücks verpflichtet gewesen, das staatliche Krisenmanagement zu
aktivieren, da man gerade bei Lassing wohl kaum davon sprechen konnte, daß die
Behörden auf Landesebene mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das
Auslangen gefunden hätten.
Der maximale und effiziente Schutz der Bevölkerung und aller Personen, die von
Unglücksfällen der Größenordnungen von Lassing, Galtür oder dem Tauerntunnelbrand
betroffen sind, hängt offensichtlich einzig und allein vom subjektiven Empfinden und
der Bewertung des Ausmaßes einer Katastrophe durch den Bundeskanzler und nicht von
objektiv nachvollziehbaren Größen ab.
So ist es nicht verwunderlich, daß selbst im Bericht des Bundesministers Fahrnleitner an
den Ministerrat vom 20. August 1 998 eine Reihe von Unzulänglichkeiten und Fehlern im
Zusammenhang mit Lassing aufgezeigt wurden:
• Unklare Führungsstruktur,
• Probleme beim Zusammenspiel der Einsatzmannschaften vor Ort
(Bergbehörde, Feuerwehr, Bundesheer, Gendarmerie, Rotes Kreuz)
• Vorliegen des Problems, das im Krisenfall im Sinne der gebotenen
Schnelligkeit der Hilfsmaßnahmen diverse gesetzliche Bestimmungen nicht
eingehalten werden können.
Bundeskanzler Klima erhob als einziges Resümee des Unglücks von Lassing die
Forderung, daß jedes Ressort einen eigenen Krisenstab bilden solle, der dann vom
Bundeskanzleramt koordiniert werde (siehe Standard vom 24.07.1998). Der
Bundeskanzler teilte mit, es wäre sehr gut, ein professionelleres Krisenmanagement
einzurichten. Die Katastrophe von Lassing aber auch ähnliche Vorfälle der jüngeren
Vergangenheit hätten die Notwendigkeit eines derartigen Schrittes aufgezeigt. Es sei
daran gedacht, in den zuständigen Ressorts eigene Krisenmanager zu installieren. In der
derzeitigen Form habe das Krisenmanagement offenbar zuwenig Kompetenz, es
bedürfe einer neuen Koordination. Die konkrete Ausarbeitung des neuen
Krisenkonzeptes müsse erst angegangen werden, ganz allgemein sollte dieses aber bei
Unglücken aller Art (z.B. Eisenbahn, Hochwasser, usw.) wirksam werden.
Der als Berater von Bundesminister Fahrleitner beigezogene Schweizer Risikomanager
Bruno Hersche tätigte daher die Aussage, daß „in Österreich das System des
,,Krisenmanagements“ nicht richtig aufgebaut ist. Die Gesamtorganisation paßt einfach
nicht“ (siehe Kurier vom 21.08.1998).
Tatsächlich wurde seither lediglich eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der
Vorkehrungen im Krisen - und Katastrophenfall eingesetzt, deren Zwischenbericht laut
AB/5715 nunmehr vorliegt. Ein Endbericht dieser Arbeitsgruppe ist angeblich deshalb
noch nicht möglich, da: „derzeit im Rahmen von zwei Arbeitsgruppen beim
Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten bzw. beim Fachverband der
Bergwerke der Wirtschaftskammer Österreichs neuorganisiert werden bzw. Notfallpläne
und Koordinationspläne neu konzipiert werden sollen, war es notwendig, die
Arbeitsgruppe solange zu unterbrechen, bis die diesbezüglichen Ergebnisse absehbar
sind..."
Wie wenig das staatliche „Krisenmanagement“ seine Anforderungen, nämlich Vorsorge
für unmittelbar bevorstehende Gefahren für „Leben und Gesundheit“ bzw. auch für
andere Gefahren erfüllt hat, beweisen nachstehende Fälle:
*Atompolitik
Aufgrund der Erfahrungen im Gefolge des Reaktorunglücks in Tschernobyl wurde
wegen des Bedarfs an Verbesserung der Koordination und der Information in
Krisensituationen das „Krisenmanagement“ eingerichtet. Der Reaktorunfall in
Tschernobyl hat deutlich vor Augen geführt, daß die energetische Nutzung der
Kernenergie im Katastrophenfalle unermeßliche Schäden an Mensch und Umwelt
anrichtet. Daher ist das Ziel der österreichischen Anti - Atom - Politik der dauerhafte Schutz
von Leben und Gesundheit und die Bewahrung der Umwelt vor irreversiblen Schäden als
Folge einer verfehlten Energiepolitik. Obwohl sich der österreichische Nationalrat in
mehreren Entschließungen für eine aktive Politik der Ablehnung der
Kernenergienutzung ausgesprochen und Maßnahmen zur Umsetzung dieses Zieles
gefordert hat, läßt die Bundesregierung nicht nur eine offensive Vorgangsweise
vermissen, sondern vernachlässigt (im Rahmen der Koordinierungsfunktion)
entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Unfällen in
Kernkraftwerken.
Während die Schweiz allen Bürgern einen sicheren Schutzplatz vor Strahlen - und
Chemiekatastrophen anbieten kann, stehen in Österreich lediglich für 3% der
Bevölkerung Sofortschutzräume bereit, hiervon in Bundesbauten lediglich nur rund
167.000 Schutzplätze.
In Linz z.B. haben nur 8.000 der 211.000 Einwohner die Chance, sich vor Giftwolken in
Sicherheit zu bringen (siehe Kronenzeitung vom 28.08.1998).
Wie wenig der Regierung die Sicherheit trotz steigender Gefährdungspotentiale am
Herzen liegt, zeigen die Ausführungen im Vortrag an den Ministerrat vom 13.06.1996,
Zl. 600.030/19 - V/4 - 96:
„Als Schutzmaßnahmen halten die benachbarten Länder Schweiz und Deutschland an
dem Ziel fest, jedem Einwohner mit einem Schutzplatz zu versorgen.
Im Hinblick auf das Sparpaket soll jedoch die Ausrüstung mit der Restausstattung, die
durch die nutzenden Ressorts bereitzustellen ist, bis auf weiteres zurückgestellt
werden“ -
Dessen ungeachtet liegen keine konkreten Konzepte, wie das erklärte Ziel eines
atomfreien Mitteleuropa erreicht werden soll, wie die Beispiele Temelin, Dukovany,
Bohunice, Mochovce, Pacs oder Krsko zeigen, vor. Die Position der Bundesregierung
verlagert sich vielmehr von den Zielen eines Atomausstieges, der Reaktorstillegung und
der Nichtinbetriebnahme in Richtung möglichst hohe Sicherheitsstandards und
Untersuchung von Nachrüstungsmaßnahmen.
Wesentliche europäische energiepolitische Erfordernisse, wie etwa die Änderung des
Euratom - Vertrages in Richtung Beendigung der EU - Atomförderung, immerhin als
klare Aufträge des Parlaments an die Bundesregierung beschlossen, wurden mittlerweile
als unrealisierbar schubladiert bzw. es ist nichts über die Erarbeitung eines
Umsetzungskonzeptes bekannt. Dabei bedeutet gerade diese Atomförderpolitik ein
massives Problem für die österreichische Glaubwürdigkeit in Atomfragen.
Österreich leistet nach wie vor jährlich rund 100 Millionen Schilling zur EU -
Atomförderung (z.B. Euratom, PHARE/TACIS).
Das bisherige Engagement der EU zur Verbesserung der Sicherheit der Atomkraftwerke
in Osteuropa und Rußland im Rahmen der Programme PHARE und TACIS war zwar
finanziell beträchtlich (300 Mio. Euro (rd. 4,1 Mrd. öS) im Zeitraum 1990 - 1997, die
tatsächlichen
Fortschritte bei den Sicherheitsstandards faktisch nicht vorhanden.
* Osterweiterung und Atomausstieg
Es liegt auch kein konkretes Konzept der Regierung vor, wie sie den
Parlamentsbeschluß, nämlich im Rahmen der EU - Beitrittsverhandlungen mit Mittel - und
Osteuropastaaten verbindlich zur Erstellung von Atom - Ausstiegskonzepten einzutreten
und parallel kooperativ EU - Finanzierungsinstrumente umzuwidmen bzw. zu schaffen,
umsetzen wird.
Denn es ist zu konstatieren, daß sich die österreichische Regierungsposition inhaltlich
auf die Frage der Schaffung (einheitlicher, - akzeptabler“) Sicherheitsstandards von
(Ost) Reaktoren verlagert hat, womit die Frage von Ausstiegskonzepten in den
Beitrittsverhandlungen offensichtlich kein Thema ist.
Im Gegensatz dazu wäre es mehr als angebracht. im Rahmen der EU -
Beitrittsverhandlungen mit den Kandidatenländern sicherzustellen, daß diese
1) umgehend verbindliche Atomausstiegskonzepte vorlegen und insbesondere die
besonders gefährlichen Reaktoren sowjetischer Bauart unverzüglich stillegen und,
2) spätestens zum Beitrittszeitpunkt nachweisen, daß der Atomausstieg vollzogen ist.
Widrigenfalls wäre das Vetorecht gegen den Beitritt jener Staaten, die nicht rechtzeitig
von der Erzeugung der Atomenergie Abstand nehmen, auszuüben.
* Tunnelkatastrophen
In den Jahren 1995 bis 1997 ereigneten sich in Österreichs Straßentunnels 991 Unfälle
mit 23 Toten und 203 Verletzten. Im Jahre 1995 starben im Pfändertunnel drei
Menschen in den Flammen, vier wurden verletzt, der Tunnel wurde schwer beschädigt
und blieb wegen Einsturzgefahr einige Zeit gesperrt. Aus diesem Grund wurden sowohl
von Verkehrsexperten als auch von Politikern jeweils zweite Tunnelröhren - vor allem für
den Ambergtunnel - gefordert.
Aus den zahlreichen Unfällen wurden aber keine Konsequenzen gezogen. Es wurde
trotz massiver Sicherheitsbedenken gegen „einröhrige Tunnels“ keinerlei Maßnahmen
gesetzt und diesbezüglich Länderforderungen ignoriert. Dies obwohl z.B. für den
Gräberntunnel aufgezeigt wurde, daß das nach heutigem technischen Stand übliche
Sicherheitsniveau nicht gegeben, die Lüftungsanlage unzureichend, eine wirtschaftliche
Sanierung des bestehenden Halb - Quer - Lüftungssystems nicht möglich ist, sich das
Verkehrsaufkommen in den letzten 10 Jahren verzehnfacht hat und die Unfallhäufigkeit
dramatisch angestiegen ist. Auch der aus Sicherheitsgründen unentbehrliche Ausbau der
zweiten Röhre des Katschbergtunnels wurde von der Regierung verschleppt, obwohl das
Detailprojekt für die zweite Röhre seit rund 10 Jahren vorhanden ist und die
Grundeinlösen bereits durchgeführt wurden.
Anstatt aufgrund massiver Sicherheitsbedenken bzw. aufgrund von Forderungen von
Landesorganen, das „Krisenmanagement“ zur Abwehr der Gefahren für Leib und Leben
einzuberufen, blieben der Bundeskanzler sowie die Bundesministerien untätig. Daran
änderte sich auch nach dem Inferno im Mont Blanc - Tunnel nichts, obwohl bereits in
einer Anfrage des sozialistischen Abg. Mag. Johann Maier im Zusammenhang mit dem
letztgenannten Inferno darauf hingewiesen wurde, daß der Tauern - und
Katschbergtunnel sowie der Arlbergtunnel von Einsatzkräften und Sicherheitsexperten
als besonders problematisch angesehen wurden.
Auch der Hinweis des ehemaligen SPÖ - Abgeordneten Harald Hofmann vom 7. April
1999 blieb ungehört, der wörtlich ausführte, „wenn so was hier passieren würde, dann
müßte man eigentlich sagen, all jene, die das bisher erfolgreich verhindert haben,
werden moralisch an den Toten mitverantwortlich“.
Ein "Krisenmanagement“ im Zusammenhang mit den Gefahren im Tunnelbereich hat es
bis dato nicht gegeben, es wurden vielmehr Sicherheitsdefizite beharrlich ignoriert:
* Das im Ambergtunnel geplante größer dimensionierte Lüftungssystem wurde vom
Bundesministerium durch eine weniger leistungsfähigere Variante ersetzt, obwohl im
selben Jahr im Pfändertunnel drei Insassen verbrannten und Erfahrungen betreffend
starker
Rauchentwicklung und Bekämpfung von Tunnelbränden gemacht wurden.
* Am 01.09.1998 wurde das Gefahrengutbeförderungsgesetz in Kraft gesetzt und die
aufgrund der bisherigen Rechtsgrundlage erlassenen Verordnungen, u.a. die
Straßentunnelverordnung wegen angeblicher EU - Rechtswidrigkeit außer Kraft gesetzt.
Dies bewirkte, daß Gefahrengüter ohne Voranmeldung und ohne Begleitfahrzeuge seit
01.09.1998 Tunnels passieren können, weil der Bundesminister für Wissenschaft und
Verkehr bis dato die längst ausständigen Gefahrengutverordnungen nicht erlassen hat
und auch sonst in keiner Weise die damit verbundenen Gefahrenpotentiale zur Kenntnis
genommen hat.
Der ÖAMTC erachtet es daher als unverständlich, daß Verkehrsminister Einem nicht
sofort die von seinem französischen Amtskollegen nach dem Brand im Mont - Blanc -
Tunnel erlassenen Sonderverordnungen für Tunnel übernommen hat. Der
Verkehrsexperte des ÖAMTC, Willy Matzke, kommt daher zu dem Schluß "hätte man
diese Regelung in Österreich umgesetzt, wäre es nicht zu dem Inferno im Tauerntunnel
gekommen“.
Bereits zu Beginn des Jahres 1 998 wurde auch nach einigen besonders schweren
Verkehrsunfällen eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Ergebnisse schon im Mai 1998
vorlagen. Bundesminister Einem hat es jedoch bis jetzt verabsäumt, die Ergebnisse dieser
Arbeitsgruppe auch nur ansatzweise umzusetzen. Nach der Katastrophe im
Tauerntunnel will er vielmehr wieder eine neue Arbeitsgruppe einsetzen.
In dieses Bild paßt auch der Umstand, daß die Mittel für Kontrollen von Gefahrengütern
durch den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr erheblich gekürzt wurden. Die
Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge teilte daher am 1 5.04.1999 mit, daß trotz der
erzielten Erfolge die Einsätze zur Kontrolle der Gefahrenguttransporte erheblich gekürzt
werden müssen. Die Kürzung wird durch die durch das Bundesministerium für
Wissenschaft und Verkehr nicht mehr nachbesetzten Planstellen verursacht. Von sechs
Chemiker - Planstellen werden voraussichtlich nur mehr vier besetzt. Von diesen vier
Planstellen werden mit 1. Juli 1999 und 1. Oktober 1999 zwei weitere Chemiker der
Bundesprüfanstalt zur anderen Dienststellen wechseln.
Anscheinend kürzt die Bundesregierung die Mittel für sinnvolle Prüfungen, um
genügend Budget für sinnlose Werbeaktivitäten zu haben. So hat der Bundesminister
für Wissenschaft und Verkehr im Jahr 1998 ca. 37 Mio. Schilling allein für
Werbeeinschaltungen ausgegeben. Bezeichnend für sein Problembewußtsein ist, daß die
Verkehrsprobleme in seinen Werbeeinschaltungen per Knopfdruck „weggebeamt“
werden; auf diese Weise erspart er sich die Lösungskompetenz. Die sinnvolle
Weiterleitung der Gefahrengutkontrollen hätte nur 2 bis 3 Mio. S erfordert.
Wie sehr die Bundesregierung die Problematik trotz Kenntnis der Sachlage,
insbesondere der Sicherheitsbedenken negiert hat. zeigt die Vorgangsweise bei der
Realisierung des Galgenbergtunnels bei Bruck/Mur.
Der Bundeskanzler versucht das Versagen der Bundesregierung in Zivilschutz- und
Katastrophenangelegenheiten dadurch zu kaschieren, daß er der Bevölkerung nunmehr
die zweite Röhre für den Tauerntunnel verspricht. Dies zeigt zum einen, daß er kein
ausreichendes Problembewußtsein hat und zum anderem daß er nicht Willens ist,
Krisenvorsorge zu betreiben.
Ein ernstzunehmendes Krisenmanagement hätte schon längst eine umfassende
Darstellung außerordentlicher Gefährdungspotentiale in Angriff nehmen müssen.
Angesichts der gerade in den letzten Jahren immer wieder auftretenden
Katastrophensituationen (z.B. Überschwemmungen, Lawinen) wäre es angebracht
gewesen, diese Gefährdungspotentiale zu prüfen und Wege ihrer optimalen
Bewältigung zu suchen. Krisenmanagement darf sich nicht darin erschöpfen, auf bereits
eingetretene Situationen zu reagieren, sondern muß bei der Erkennung der
Gefährdungspotentiale ansetzen, Sicherheitsdiagnosen erstellen, die Mittel zum
erfolgreichen Handeln aufzeigen und bereitstellen und sich letztlich im Ernstfall
bewähren.
Davon kann aber in Österreich bisher nicht die Rede sein:
Ein erfolgreiches Krisenmanagement wird bereits durch die Zersplitterung der
Kompetenzlage verhindert. So kommen folgende beispielhaft aufgezählten
Kompetenzen in Betracht;
BKA - Koordination in Angelegenheiten des staatlichen Krisenmanagements.
BKA - teilweise Vollziehung des Strahlenschutzes,
BKA, BMAGS, BMI - Vollziehung des Strahlenschutzgesetzes,
BM LF, BMwA. - Wild- und Lawinenverbauung
BMF - Katastrophenfondsgesetz,
BMI - bundesweite Warneinrichtungen,
BMI - Ausbildung von Rettungsorganisationen für dem Katastrophenfall,
BMI - Angelegenheiten des Zivilschutzes,
BMWuV - Genehmigung von Gefahrengütertransporten,
BMLV - Hilfeleistung bei Efementarereignissen,
Länder - Katastrophenschutz,
BmwA - bautechnische Angelegenheiten des Zivilschutzes.
Die Regierungsvorlage zur Strukturreform des Bundesstaates (Bundesstaatsreform) sah
zwar im Artikel 10 Abs. 1 Zif. 7 B - VG eine Kompetenz „Zivilschutz“ hinsichtlich
überregionaler Koordination und Warnung der Bevölkerung“ vor, das Anliegen der
Länder nach einer Kompetenzbereinigung wurde aber in keiner Weise berücksichtigt.
Anstelle des Anliegens der Länder wurde eine unklare , den Zivilschutz betreffend
Bundeskompetenz vorgesehen. Obwohl seit dem Jahr 1990 Gespräche geführt wurden,
kam es bis dato zu keiner Bereinigung der Katastrophenhilfekompetenzen. Eine
Änderung der Bundesgesetzgebung in dieser Hinsicht ist nach wie vor ausständig,
obwohl die EU - Vorschriften (Seveso - Richtlinie) und die hierzu in Rede stehende
Ergänzung endlich eine klare und sachgerechte Regelung der Zuständigkeit erfordern.
Nicht nur die unklare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sondern ebenso
die Zersplitterung der Kompetenzen innerhalb der verschiedenen Ministerien behindert
die erfolgreiche Bewältigung von Krisensituationen. Es ist jedoch evident, daß diese
Bundesregierung unfähig ist, eine umfassende Kompetenzbereinigung durchzuführen,
sondern diesbezüglich am Proporzdenken der Koaltionsparteien und den daraus
resultierenden proporzmäßig einzementierten Besitzständen scheitert. Auch der 2.
Präsident des Nationalrates Dr. Neisser hat die Kompetenzverteilung der Ministerien
mehrfach kritisiert und als „kaum noch sachlich zu rechtfertigen“ bezeichnet (vgl. OÖ
Nachrichten vom 17.11.1998).
Diesbezügliche parlamentarische Anfragen wurden immer wieder ausweichend
beantwortet und zuletzt sogar erst für die nächste Gesetzgebungsperiode in Aussicht
gestellt (vgl. Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers vom 20. Jänner 1999,4926/AB).
Nach den Katastrophenfällen der letzten Zeit ist es nunmehr dringend erforderlich, die
notwendigen Schritte zur Kompetenzbereinigung zu setzen. Dabei ist es notwendig, zur
Bekämpfung von außerordentlichen Katastrophenfällen eine Generalkompetenz zu
schaffen.
Durch diese Generalkompetenz sollten Landes - bzw. Bezirkshauptleute in die Lage
versetzt werden, auch Angelegenheiten der unmittelbaren Bundesverwaltung (wie z.B.
Angelegenheiten des Bergwesens, des Verkehrswesens bezüglich der Eisenbahnen und
der Luftfahrt sowie der Schiffahrt bzw. des Waffen - Munitions - und
Sprengmittelwesens) im Katstrophen (Großschadensfall entsprechend den Regeln der
mittelbaren Bundesverwaltung zu vollziehen. Dies heißt, daß ein Weisungsrecht des
zuständigen Bundesministers gegeben ist. Der mit dieser Generalkompetenz
ausgestattete Bezirks - bzw. Landeshauptmann sollte, sofern er die Einsatzleitung nicht
selbst wahrnimmt, einen Einsatzleiter bestimmen können.
Die gesetzlichen Bestimmungen, um dem entsprechen zu können, wären durch den
Gesetzgeber mittels einer Änderung der Bundesverfassung herbeizuführen.
Weiters sind noch folgende Maßnahmen zu setzen:
- Klare und sachgerechte Abgrenzung der Bundes - und Landeskompetenzen auf dem
Gebiet des Katastrophen - und Zivilschutzes.
- Konzentration aller Bundeszuständigkeiten auf dem Gebiet des Katastrophen- und
Zivilschutzes bei einer Zentralstelle.
- Erhebung aller besonderen Gefährdungspotentiale für Leben und Gesundheit der
Österreicherinnen und Österreicher insbesondere im Bereich des Verkehrswesens
und der Bedrohung durch chemische und atomare Stoffe.
- Erstellung von Sicherheitsdiagnosen, Maßnahmenpaketen und Zeitplänen zur
Beseitigung dieser Gefährdungspotentiale.
- Schaffung von Einsatzplänen und Einsatzstäben für aktuelle Gefährdungssituationen;
Installierung von verantwortlichen Einsatzleitern.
. Einheitliche Ausbildung für alle Funktionsträger und Einsatzkräfte auf dem Gebiete
des Katastrophen- und Zivilschutzes.
. Schaffung eines Zivilschutzdienstes statt des Zivildienstes beim BMLV (gemäß Antrag
vom 31. Mai 1995).
. Ausstattung des ÖBH und des Zivilschutzdienstes mit modernstem Gerät in
entsprechender Stückzahl.
. Änderung des Katastrophenschutzgesetzes; Verwendung der Mittel auch für den
Ausbau gefährlicher Verkehrswege, den Schutzraumbau und die Anschaffung von
Zivilschutzgeräten.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher gem. § 74a Abs. 1 iVm. § 93 Abs. 2
GOG - NR folgenden
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich eine Regierungsvorlage
vorzulegen, die eine umfassende Regelung des Katastrophen - und Zivilschutzes vorsieht
und insbesondere folgende Punkte enthält:
- Schaffung einer bundesverfassungsrechtlichen Generalkompetenz zur Bekämpfung
von außerordentlichen Katastrophenfällen.
- Klare und sachgerechte Abgrenzung der Bundes- und Landeskompetenzen auf dem
Gebiet des Katastrophen - und Zivilschutzes.
- Konzentration aller Bundeszuständigkeiten auf dem Gebiet des Katastrophen- und
Zivilschutzes bei einer Zentralstelle.
- Erhebung aller besonderen Gefährdungspotentiale für Leben und Gesundheit der
Österreicherinnen und Österreicher insbesondere im Bereich des Verkehrswesens
und der Bedrohung durch chemische und atomare Stoffe.
- Erstellung von Sicherheitsdiagnosen, Maßnahmenpaketen und Zeitplänen zur
Beseitigung dieser Gefährdungspotentiale.
- Schaffung von Einsatzplänen und Einsatzstäben für aktuelle Gefährdungssituationen;
Installierung von verantwortlichen Einsatzleitern.
- Einheitliche Ausbildung für alle Funktionsträger und Einsatzkräfte auf dem Gebiete
des Katastrophen- und Zivilschutzes.
In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Dringlichen Antrag zum frühestmöglichen
Zeitpunkt zu behandeln.