1107/A XX.GP

 

DRINGLICHER ANTRAG

Gem. § 74a Abs. 1 iVm. §93 Abs. 2 GOG - NR

 

der Abgeordneten Scheibner

und Kollegen

an die Bundesregierung

betreffend mangelnde Vorsorge der Bundesregierung in Katastrophen- und

Zivilschutzangelegenheiten

 

Österreich ist für Katastrophenfälle nicht gerüstet. Dies zeigte sich bereits nach der

Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, als die verschiedenen Behörden des Bundes und

der Länder hilflos einander widersprechende und keineswegs aufeinander abgestimmte

Maßnahmen verfügten. Es wurde bereits damals erkannt, daß Katastrophensituationen

einen erhöhten Bedarf an Koordination und Information sowie insbesondere ein rasches

und koordiniertes Handeln zur Abwehr von Gefahrensituationen erfordern.

 

Aufgrund dieser Erfahrungen hat die Bundesregierung am 30. Oktober 1986 unter GZ

602.25815 - V/SL/86 die Einrichtung eines ,,Krisenmanagements“ zur Verbesserung der

Information und der Koordination in Krisensituationen beschlossen. Aufgabe des

„Krisenmanagements“ sollte die Erarbeitung von Empfehlungen zur Bewältigung von

Krisensituationen sein.

 

Nach diesem Konzept sind nicht nur unmittelbar bevorstehende oder bereits

eingetretene Gefahren für Leben und Gesundheit sondern auch Situationen erfaßt, die

eine Vielzahl von Verwaltungshandlungen, die rasch zu setzen und zu koordinieren sind,

erfordern. Das Vorliegen einer Krisensituation ist dabei allein vom Bundeskanzler zu

beurteilen, dem auch die Einberufung des ,,Krisenmanagements“ obliegt.

 

Obwohl somit bereits damals erkannt wurde, daß die Bewältigung von nicht alltäglichen

Krisensituationen in Österreich wegen der unübersehbaren Zersplitterung der in Betracht

kommenden Zuständigkeiten auf die verschiedensten Bundes - und Landesdienststellen

nahezu unmöglich ist und mit dem ,,Krisenmanagement“ zumindest ein theoretischer

Ansatz einer Lösung versucht wurde, ist seither so gut wie nichts geschehen, um

wirklich eine Verbesserung der Situation zu ermöglichen.

 

Krisensituationen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß

 

• eine nicht alltägliche Gefährdungssituation vorliegt,

• die kurzfristig rasches Handeln der verschiedenen Verwaltungsbehörden erfordert,

• darüber hinaus ein längerfristiges koordiniertes Vorgehen verschiedener

   Verwaltungsstellen verlangen,

• welches von einer Gesamtkonzeption getragen sein soll und

• sowohl hinsichtlich des Einsatzes der verschiedenen Maßnahmen als auch der

  koordinierten Vorgangsweise einen erhöhten Informationsbedarf mit sich bringt,

 

werden nach wie vor sich selbst überlassen.

 

Wie Bundeskanzler Klima den Ministerratsbeschluß betreffend die Einrichtung eines

Krisenmanagements interpretiert, kann anhand der beiden Katastrophen von Lassing

und Galtür eindrucksvoll bewiesen werden.

In einer Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers vom 17.12.1998 rechtfertigt der

Bundeskanzler die Nichteinberufung des Koordinationsausschusses des staatlichen

Krisenmanagements in Zusammenhang mit dem Grubenunglück in Lassing damit, daß

es dessen Aufgabe sei, in Ausnahmesituationen (..) und bei Katastrophen technischen

und natürlichen Ursprunges, die das ganze Staatsgebiet oder große Teile davon

gefährden, den Schutz der Bevölkerung (...) sicherzustellen.

Im Falle des Lawinenunglücks von Galtür im Februar dieses Jahres wiederum wurde vom

Bundeskanzler das staatliche Krisenmanagement sofort aktiviert. Diese Maßnahme

werde laut Bundeskanzleramt dann ergriffen, wenn bei einer außergewöhnlichen

Situation die Behörden auf Landesebene mit den ihnen zur Verfügung stehenden

Mitteln nicht mehr das Auslangen finden würden, (Die Presse vom 25.02.1999).

Mit dieser Begründung wäre der Bundeskanzler auch in Lassing unmittelbar nach

Auftreten des Unglücks verpflichtet gewesen, das staatliche Krisenmanagement zu

aktivieren, da man gerade bei Lassing wohl kaum davon sprechen konnte, daß die

Behörden auf Landesebene mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das

Auslangen gefunden hätten.


 

Der maximale und effiziente Schutz der Bevölkerung und aller Personen, die von

Unglücksfällen der Größenordnungen von Lassing, Galtür oder dem Tauerntunnelbrand

betroffen sind, hängt offensichtlich einzig und allein vom subjektiven Empfinden und

der Bewertung des Ausmaßes einer Katastrophe durch den Bundeskanzler und nicht von

objektiv nachvollziehbaren Größen ab.

 

So ist es nicht verwunderlich, daß selbst im Bericht des Bundesministers Fahrnleitner an

den Ministerrat vom 20. August 1 998 eine Reihe von Unzulänglichkeiten und Fehlern im

Zusammenhang mit Lassing aufgezeigt wurden:

                • Unklare Führungsstruktur,

                • Probleme beim Zusammenspiel der Einsatzmannschaften vor Ort

                   (Bergbehörde, Feuerwehr, Bundesheer, Gendarmerie, Rotes Kreuz)

                • Vorliegen des Problems, das im Krisenfall im Sinne der gebotenen

                   Schnelligkeit der Hilfsmaßnahmen diverse gesetzliche Bestimmungen nicht

                   eingehalten werden können.

 

Bundeskanzler Klima erhob als einziges Resümee des Unglücks von Lassing die

Forderung, daß jedes Ressort einen eigenen Krisenstab bilden solle, der dann vom

Bundeskanzleramt koordiniert werde (siehe Standard vom 24.07.1998). Der

Bundeskanzler teilte mit, es wäre sehr gut, ein professionelleres Krisenmanagement

einzurichten. Die Katastrophe von Lassing aber auch ähnliche Vorfälle der jüngeren

Vergangenheit hätten die Notwendigkeit eines derartigen Schrittes aufgezeigt. Es sei

daran gedacht, in den zuständigen Ressorts eigene Krisenmanager zu installieren. In der

derzeitigen Form habe das Krisenmanagement offenbar zuwenig Kompetenz, es

bedürfe einer neuen Koordination. Die konkrete Ausarbeitung des neuen

Krisenkonzeptes müsse erst angegangen werden, ganz allgemein sollte dieses aber bei

Unglücken aller Art (z.B. Eisenbahn, Hochwasser, usw.) wirksam werden.

 

Der als Berater von Bundesminister Fahrleitner beigezogene Schweizer Risikomanager

Bruno Hersche tätigte daher die Aussage, daß „in Österreich das System des

,,Krisenmanagements“ nicht richtig aufgebaut ist. Die Gesamtorganisation paßt einfach

nicht“ (siehe Kurier vom 21.08.1998).

 

Tatsächlich wurde seither lediglich eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der

Vorkehrungen im Krisen - und Katastrophenfall eingesetzt, deren Zwischenbericht laut


 

AB/5715 nunmehr vorliegt. Ein Endbericht dieser Arbeitsgruppe ist angeblich deshalb

noch nicht möglich, da: „derzeit im Rahmen von zwei Arbeitsgruppen beim

Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten bzw. beim Fachverband der

Bergwerke der Wirtschaftskammer Österreichs neuorganisiert werden bzw. Notfallpläne

und Koordinationspläne neu konzipiert werden sollen, war es notwendig, die

Arbeitsgruppe solange zu unterbrechen, bis die diesbezüglichen Ergebnisse absehbar

sind..."

 

Wie wenig das staatliche „Krisenmanagement“ seine Anforderungen, nämlich Vorsorge

für unmittelbar bevorstehende Gefahren für „Leben und Gesundheit“ bzw. auch für

andere Gefahren erfüllt hat, beweisen nachstehende Fälle:

 

*Atompolitik

 

Aufgrund der Erfahrungen im Gefolge des Reaktorunglücks in Tschernobyl wurde

wegen des Bedarfs an Verbesserung der Koordination und der Information in

Krisensituationen das „Krisenmanagement“ eingerichtet. Der Reaktorunfall in

Tschernobyl hat deutlich vor Augen geführt, daß die energetische Nutzung der

Kernenergie im Katastrophenfalle unermeßliche Schäden an Mensch und Umwelt

anrichtet. Daher ist das Ziel der österreichischen Anti - Atom - Politik der dauerhafte Schutz

von Leben und Gesundheit und die Bewahrung der Umwelt vor irreversiblen Schäden als

Folge einer verfehlten Energiepolitik. Obwohl sich der österreichische Nationalrat in

mehreren Entschließungen für eine aktive Politik der Ablehnung der

Kernenergienutzung ausgesprochen und Maßnahmen zur Umsetzung dieses Zieles

gefordert hat, läßt die Bundesregierung nicht nur eine offensive Vorgangsweise

vermissen, sondern vernachlässigt (im Rahmen der Koordinierungsfunktion)

entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Unfällen in

Kernkraftwerken.

 

Während die Schweiz allen Bürgern einen sicheren Schutzplatz vor Strahlen - und

Chemiekatastrophen anbieten kann, stehen in Österreich lediglich für 3% der

Bevölkerung Sofortschutzräume bereit, hiervon in Bundesbauten lediglich nur rund

167.000 Schutzplätze.


 

In Linz z.B. haben nur 8.000 der 211.000 Einwohner die Chance, sich vor Giftwolken in

Sicherheit zu bringen (siehe Kronenzeitung vom 28.08.1998).

 

Wie wenig der Regierung die Sicherheit trotz steigender Gefährdungspotentiale am

Herzen liegt, zeigen die Ausführungen im Vortrag an den Ministerrat vom 13.06.1996,

Zl. 600.030/19 - V/4 - 96:

 

„Als Schutzmaßnahmen halten die benachbarten Länder Schweiz und Deutschland an

dem Ziel fest, jedem Einwohner mit einem Schutzplatz zu versorgen.

 

Im Hinblick auf das Sparpaket soll jedoch die Ausrüstung mit der Restausstattung, die

durch die nutzenden Ressorts bereitzustellen ist, bis auf weiteres zurückgestellt

werden“ -

 

Dessen ungeachtet liegen keine konkreten Konzepte, wie das erklärte Ziel eines

atomfreien Mitteleuropa erreicht werden soll, wie die Beispiele Temelin, Dukovany,

Bohunice, Mochovce, Pacs oder Krsko zeigen, vor. Die Position der Bundesregierung

verlagert sich vielmehr von den Zielen eines Atomausstieges, der Reaktorstillegung und

der Nichtinbetriebnahme in Richtung möglichst hohe Sicherheitsstandards und

Untersuchung von Nachrüstungsmaßnahmen.

 

Wesentliche europäische energiepolitische Erfordernisse, wie etwa die Änderung des

Euratom - Vertrages in Richtung Beendigung der EU - Atomförderung, immerhin als

klare Aufträge des Parlaments an die Bundesregierung beschlossen, wurden mittlerweile

als unrealisierbar schubladiert bzw. es ist nichts über die Erarbeitung eines

Umsetzungskonzeptes bekannt. Dabei bedeutet gerade diese Atomförderpolitik ein

massives Problem für die österreichische Glaubwürdigkeit in Atomfragen.

Österreich leistet nach wie vor jährlich rund 100 Millionen Schilling zur EU -

Atomförderung (z.B. Euratom, PHARE/TACIS).

Das bisherige Engagement der EU zur Verbesserung der Sicherheit der Atomkraftwerke

in Osteuropa und Rußland im Rahmen der Programme PHARE und TACIS war zwar

finanziell beträchtlich (300 Mio. Euro (rd. 4,1 Mrd. öS) im Zeitraum 1990 - 1997, die

tatsächlichen Fortschritte bei den Sicherheitsstandards faktisch nicht vorhanden.

* Osterweiterung und Atomausstieg

 

Es liegt auch kein konkretes Konzept der Regierung vor, wie sie den

Parlamentsbeschluß, nämlich im Rahmen der EU - Beitrittsverhandlungen mit Mittel - und

Osteuropastaaten verbindlich zur Erstellung von Atom - Ausstiegskonzepten einzutreten

und parallel kooperativ EU - Finanzierungsinstrumente umzuwidmen bzw. zu schaffen,

umsetzen wird.

 

Denn es ist zu konstatieren, daß sich die österreichische Regierungsposition inhaltlich

auf die Frage der Schaffung (einheitlicher, - akzeptabler“) Sicherheitsstandards von

(Ost) Reaktoren verlagert hat, womit die Frage von Ausstiegskonzepten in den

Beitrittsverhandlungen offensichtlich kein Thema ist.

 

Im Gegensatz dazu wäre es mehr als angebracht. im Rahmen der EU -

Beitrittsverhandlungen mit den Kandidatenländern sicherzustellen, daß diese

1) umgehend verbindliche Atomausstiegskonzepte vorlegen und insbesondere die

     besonders gefährlichen Reaktoren sowjetischer Bauart unverzüglich stillegen und,

2) spätestens zum Beitrittszeitpunkt nachweisen, daß der Atomausstieg vollzogen ist.

 

Widrigenfalls wäre das Vetorecht gegen den Beitritt jener Staaten, die nicht rechtzeitig

von der Erzeugung der Atomenergie Abstand nehmen, auszuüben.

 

 

* Tunnelkatastrophen

 

In den Jahren 1995 bis 1997 ereigneten sich in Österreichs Straßentunnels 991 Unfälle

mit 23 Toten und 203 Verletzten. Im Jahre 1995 starben im Pfändertunnel drei

Menschen in den Flammen, vier wurden verletzt, der Tunnel wurde schwer beschädigt

und blieb wegen Einsturzgefahr einige Zeit gesperrt. Aus diesem Grund wurden sowohl

von Verkehrsexperten als auch von Politikern jeweils zweite Tunnelröhren - vor allem für

den Ambergtunnel - gefordert.


 

Aus den zahlreichen Unfällen wurden aber keine Konsequenzen gezogen. Es wurde

trotz massiver Sicherheitsbedenken gegen „einröhrige Tunnels“ keinerlei Maßnahmen

gesetzt und diesbezüglich Länderforderungen ignoriert. Dies obwohl z.B. für den

Gräberntunnel aufgezeigt wurde, daß das nach heutigem technischen Stand übliche

Sicherheitsniveau nicht gegeben, die Lüftungsanlage unzureichend, eine wirtschaftliche

Sanierung des bestehenden Halb - Quer - Lüftungssystems nicht möglich ist, sich das

Verkehrsaufkommen in den letzten 10 Jahren verzehnfacht hat und die Unfallhäufigkeit

dramatisch angestiegen ist. Auch der aus Sicherheitsgründen unentbehrliche Ausbau der

zweiten Röhre des Katschbergtunnels wurde von der Regierung verschleppt, obwohl das

Detailprojekt für die zweite Röhre seit rund 10 Jahren vorhanden ist und die

Grundeinlösen bereits durchgeführt wurden.

 

Anstatt aufgrund massiver Sicherheitsbedenken bzw. aufgrund von Forderungen von

Landesorganen, das „Krisenmanagement“ zur Abwehr der Gefahren für Leib und Leben

einzuberufen, blieben der Bundeskanzler sowie die Bundesministerien untätig. Daran

änderte sich auch nach dem Inferno im Mont Blanc - Tunnel nichts, obwohl bereits in

einer Anfrage des sozialistischen Abg. Mag. Johann Maier im Zusammenhang mit dem

letztgenannten Inferno darauf hingewiesen wurde, daß der Tauern - und

Katschbergtunnel sowie der Arlbergtunnel von Einsatzkräften und Sicherheitsexperten

als besonders problematisch angesehen wurden.

 

Auch der Hinweis des ehemaligen SPÖ - Abgeordneten Harald Hofmann vom 7. April

1999 blieb ungehört, der wörtlich ausführte, „wenn so was hier passieren würde, dann

müßte man eigentlich sagen, all jene, die das bisher erfolgreich verhindert haben,

werden moralisch an den Toten mitverantwortlich“.

 

Ein "Krisenmanagement“ im Zusammenhang mit den Gefahren im Tunnelbereich hat es

bis dato nicht gegeben, es wurden vielmehr Sicherheitsdefizite beharrlich ignoriert:

 

* Das im Ambergtunnel geplante größer dimensionierte Lüftungssystem wurde vom

Bundesministerium durch eine weniger leistungsfähigere Variante ersetzt, obwohl im

selben Jahr im Pfändertunnel drei Insassen verbrannten und Erfahrungen betreffend

starker Rauchentwicklung und Bekämpfung von Tunnelbränden gemacht wurden.

* Am 01.09.1998 wurde das Gefahrengutbeförderungsgesetz in Kraft gesetzt und die

aufgrund der bisherigen Rechtsgrundlage erlassenen Verordnungen, u.a. die

Straßentunnelverordnung wegen angeblicher EU - Rechtswidrigkeit außer Kraft gesetzt.

Dies bewirkte, daß Gefahrengüter ohne Voranmeldung und ohne Begleitfahrzeuge seit

01.09.1998 Tunnels passieren können, weil der Bundesminister für Wissenschaft und

Verkehr bis dato die längst ausständigen Gefahrengutverordnungen nicht erlassen hat

und auch sonst in keiner Weise die damit verbundenen Gefahrenpotentiale zur Kenntnis

genommen hat.

 

Der ÖAMTC erachtet es daher als unverständlich, daß Verkehrsminister Einem nicht

sofort die von seinem französischen Amtskollegen nach dem Brand im Mont - Blanc -

Tunnel erlassenen Sonderverordnungen für Tunnel übernommen hat. Der

Verkehrsexperte des ÖAMTC, Willy Matzke, kommt daher zu dem Schluß "hätte man

diese Regelung in Österreich umgesetzt, wäre es nicht zu dem Inferno im Tauerntunnel

gekommen“.

 

Bereits zu Beginn des Jahres 1 998 wurde auch nach einigen besonders schweren

Verkehrsunfällen eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Ergebnisse schon im Mai 1998

vorlagen. Bundesminister Einem hat es jedoch bis jetzt verabsäumt, die Ergebnisse dieser

Arbeitsgruppe auch nur ansatzweise umzusetzen. Nach der Katastrophe im

Tauerntunnel will er vielmehr wieder eine neue Arbeitsgruppe einsetzen.

 

In dieses Bild paßt auch der Umstand, daß die Mittel für Kontrollen von Gefahrengütern

durch den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr erheblich gekürzt wurden. Die

Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge teilte daher am 1 5.04.1999 mit, daß trotz der

erzielten Erfolge die Einsätze zur Kontrolle der Gefahrenguttransporte erheblich gekürzt

werden müssen. Die Kürzung wird durch die durch das Bundesministerium für

Wissenschaft und Verkehr nicht mehr nachbesetzten Planstellen verursacht. Von sechs

Chemiker - Planstellen werden voraussichtlich nur mehr vier besetzt. Von diesen vier

Planstellen werden mit 1. Juli 1999 und 1. Oktober 1999 zwei weitere Chemiker der

Bundesprüfanstalt zur anderen Dienststellen wechseln.

 

Anscheinend kürzt die Bundesregierung die Mittel für sinnvolle Prüfungen, um

genügend Budget für sinnlose Werbeaktivitäten zu haben. So hat der Bundesminister

für Wissenschaft und Verkehr im Jahr 1998 ca. 37 Mio. Schilling allein für


 

Werbeeinschaltungen ausgegeben. Bezeichnend für sein Problembewußtsein ist, daß die

Verkehrsprobleme in seinen Werbeeinschaltungen per Knopfdruck „weggebeamt“

werden; auf diese Weise erspart er sich die Lösungskompetenz. Die sinnvolle

Weiterleitung der Gefahrengutkontrollen hätte nur 2 bis 3 Mio. S erfordert.

 

Wie sehr die Bundesregierung die Problematik trotz Kenntnis der Sachlage,

insbesondere der Sicherheitsbedenken negiert hat. zeigt die Vorgangsweise bei der

Realisierung des Galgenbergtunnels bei Bruck/Mur.

 

Der Bundeskanzler versucht das Versagen der Bundesregierung in Zivilschutz- und

Katastrophenangelegenheiten dadurch zu kaschieren, daß er der Bevölkerung nunmehr

die zweite Röhre für den Tauerntunnel verspricht. Dies zeigt zum einen, daß er kein

ausreichendes Problembewußtsein hat und zum anderem daß er nicht Willens ist,

Krisenvorsorge zu betreiben.

 

Ein ernstzunehmendes Krisenmanagement hätte schon längst eine umfassende

Darstellung außerordentlicher Gefährdungspotentiale in Angriff nehmen müssen.

Angesichts der gerade in den letzten Jahren immer wieder auftretenden

Katastrophensituationen (z.B. Überschwemmungen, Lawinen) wäre es angebracht

gewesen, diese Gefährdungspotentiale zu prüfen und Wege ihrer optimalen

Bewältigung zu suchen. Krisenmanagement darf sich nicht darin erschöpfen, auf bereits

eingetretene Situationen zu reagieren, sondern muß bei der Erkennung der

Gefährdungspotentiale ansetzen, Sicherheitsdiagnosen erstellen, die Mittel zum

erfolgreichen Handeln aufzeigen und bereitstellen und sich letztlich im Ernstfall

bewähren.

 

Davon kann aber in Österreich bisher nicht die Rede sein:

 

Ein erfolgreiches Krisenmanagement wird bereits durch die Zersplitterung der

Kompetenzlage verhindert. So kommen folgende beispielhaft aufgezählten

Kompetenzen in Betracht;

 

BKA - Koordination in Angelegenheiten des staatlichen Krisenmanagements.

BKA - teilweise Vollziehung des Strahlenschutzes,

BKA, BMAGS, BMI - Vollziehung des Strahlenschutzgesetzes,


 

BM LF, BMwA. - Wild- und Lawinenverbauung

BMF - Katastrophenfondsgesetz,

BMI - bundesweite Warneinrichtungen,

BMI - Ausbildung von Rettungsorganisationen für dem Katastrophenfall,

BMI - Angelegenheiten des Zivilschutzes,

BMWuV - Genehmigung von Gefahrengütertransporten,

BMLV - Hilfeleistung bei Efementarereignissen,

Länder - Katastrophenschutz,

BmwA - bautechnische Angelegenheiten des Zivilschutzes.

 

Die Regierungsvorlage zur Strukturreform des Bundesstaates (Bundesstaatsreform) sah

zwar im Artikel 10 Abs. 1 Zif. 7 B - VG eine Kompetenz „Zivilschutz“ hinsichtlich

überregionaler Koordination und Warnung der Bevölkerung“ vor, das Anliegen der

Länder nach einer Kompetenzbereinigung wurde aber in keiner Weise berücksichtigt.

Anstelle des Anliegens der Länder wurde eine unklare , den Zivilschutz betreffend

Bundeskompetenz vorgesehen. Obwohl seit dem Jahr 1990 Gespräche geführt wurden,

kam es bis dato zu keiner Bereinigung der Katastrophenhilfekompetenzen. Eine

Änderung der Bundesgesetzgebung in dieser Hinsicht ist nach wie vor ausständig,

obwohl die EU - Vorschriften (Seveso - Richtlinie) und die hierzu in Rede stehende

Ergänzung endlich eine klare und sachgerechte Regelung der Zuständigkeit erfordern.

 

Nicht nur die unklare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sondern ebenso

die Zersplitterung der Kompetenzen innerhalb der verschiedenen Ministerien behindert

die erfolgreiche Bewältigung von Krisensituationen. Es ist jedoch evident, daß diese

Bundesregierung unfähig ist, eine umfassende Kompetenzbereinigung durchzuführen,

sondern diesbezüglich am Proporzdenken der Koaltionsparteien und den daraus

resultierenden proporzmäßig einzementierten Besitzständen scheitert. Auch der 2.

Präsident des Nationalrates Dr. Neisser hat die Kompetenzverteilung der Ministerien

mehrfach kritisiert und als „kaum noch sachlich zu rechtfertigen“ bezeichnet (vgl. OÖ

Nachrichten vom 17.11.1998).

 

Diesbezügliche parlamentarische Anfragen wurden immer wieder ausweichend

beantwortet und zuletzt sogar erst für die nächste Gesetzgebungsperiode in Aussicht

gestellt (vgl. Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers vom 20. Jänner 1999,4926/AB).


 

Nach den Katastrophenfällen der letzten Zeit ist es nunmehr dringend erforderlich, die

notwendigen Schritte zur Kompetenzbereinigung zu setzen. Dabei ist es notwendig, zur

Bekämpfung von außerordentlichen Katastrophenfällen eine Generalkompetenz zu

schaffen.

 

Durch diese Generalkompetenz sollten Landes - bzw. Bezirkshauptleute in die Lage

versetzt werden, auch Angelegenheiten der unmittelbaren Bundesverwaltung (wie z.B.

Angelegenheiten des Bergwesens, des Verkehrswesens bezüglich der Eisenbahnen und

der Luftfahrt sowie der Schiffahrt bzw. des Waffen - Munitions - und

Sprengmittelwesens) im Katstrophen (Großschadensfall entsprechend den Regeln der

mittelbaren Bundesverwaltung zu vollziehen. Dies heißt, daß ein Weisungsrecht des

zuständigen Bundesministers gegeben ist. Der mit dieser Generalkompetenz

ausgestattete Bezirks - bzw. Landeshauptmann sollte, sofern er die Einsatzleitung nicht

selbst wahrnimmt, einen Einsatzleiter bestimmen können.

 

Die gesetzlichen Bestimmungen, um dem entsprechen zu können, wären durch den

Gesetzgeber mittels einer Änderung der Bundesverfassung herbeizuführen.

 

Weiters sind noch folgende Maßnahmen zu setzen:

 

-  Klare und sachgerechte Abgrenzung der Bundes - und Landeskompetenzen auf dem

   Gebiet des Katastrophen - und Zivilschutzes.

 

-  Konzentration aller Bundeszuständigkeiten auf dem Gebiet des Katastrophen- und

   Zivilschutzes bei einer Zentralstelle.

 

-  Erhebung aller besonderen Gefährdungspotentiale für Leben und Gesundheit der

   Österreicherinnen und Österreicher insbesondere im Bereich des Verkehrswesens

   und der Bedrohung durch chemische und atomare Stoffe.

 

-  Erstellung von Sicherheitsdiagnosen, Maßnahmenpaketen und Zeitplänen zur

   Beseitigung dieser Gefährdungspotentiale.

 

-  Schaffung von Einsatzplänen und Einsatzstäben für aktuelle Gefährdungssituationen;

   Installierung von verantwortlichen Einsatzleitern.


 

.  Einheitliche Ausbildung für alle Funktionsträger und Einsatzkräfte auf dem Gebiete

   des Katastrophen- und Zivilschutzes.

 

.  Schaffung eines Zivilschutzdienstes statt des Zivildienstes beim BMLV (gemäß Antrag

   vom 31. Mai 1995).

 

.  Ausstattung des ÖBH und des Zivilschutzdienstes mit modernstem Gerät in

   entsprechender Stückzahl.

 

.  Änderung des Katastrophenschutzgesetzes; Verwendung der Mittel auch für den

   Ausbau gefährlicher Verkehrswege, den Schutzraumbau und die Anschaffung von

   Zivilschutzgeräten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher gem. § 74a Abs. 1 iVm. § 93 Abs. 2

GOG - NR folgenden

 

 

DRINGLICHEN ANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich eine Regierungsvorlage

vorzulegen, die eine umfassende Regelung des Katastrophen - und Zivilschutzes vorsieht

und insbesondere folgende Punkte enthält:

 

 

-  Schaffung einer bundesverfassungsrechtlichen Generalkompetenz zur Bekämpfung

   von außerordentlichen Katastrophenfällen.

 

-  Klare und sachgerechte Abgrenzung der Bundes- und Landeskompetenzen auf dem

   Gebiet des Katastrophen - und Zivilschutzes.


 

-  Konzentration aller Bundeszuständigkeiten auf dem Gebiet des Katastrophen- und

   Zivilschutzes bei einer Zentralstelle.

 

-  Erhebung aller besonderen Gefährdungspotentiale für Leben und Gesundheit der

   Österreicherinnen und Österreicher insbesondere im Bereich des Verkehrswesens

   und der Bedrohung durch chemische und atomare Stoffe.

 

-  Erstellung von Sicherheitsdiagnosen, Maßnahmenpaketen und Zeitplänen zur

   Beseitigung dieser Gefährdungspotentiale.

 

-  Schaffung von Einsatzplänen und Einsatzstäben für aktuelle Gefährdungssituationen;

   Installierung von verantwortlichen Einsatzleitern.

 

-  Einheitliche Ausbildung für alle Funktionsträger und Einsatzkräfte auf dem Gebiete

   des Katastrophen- und Zivilschutzes.

 

 

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Dringlichen Antrag zum frühestmöglichen

Zeitpunkt zu behandeln.