1123/A XX.GP
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger, Dr. Leiner, Schuster
und Kollegen
betreffend Gesundheitsreform
Die 1997 in Kraft getretene Spitalsreform hat im wesentlichen eine Neuordnung der
Spitalsfinanzierung auf Basis der Einführung der leistungsorientierten
Krankenanstaltenfinanzierung, kurz LKF genannt, und eine erste Dämpfung der
Kostensteigerungen durch „Deckelung“ gebracht. Der Krankenanstalten zusammen -
arbeitsfonds (KRAZAF), der ursprünglich 1994 auslaufen sollte, aber zweimal je für
ein Jahr verlängert wurde, wurde durch neue Materien ersetzt.
Leider wurden aber nur stationäre Strukturen verändert, es gab keine begleitenden
Maßnahmen für den niedergelassenen, ambulanten Bereich. So sollten etwa die
niedergelassenen Strukturen zur Aufnahme neuer Kapazitäten etwa durch
Gruppenpraxen oder der Aufwertung des Hausarztes als erste Anlaufstelle gestärkt
werden. Jede Behandlung dort ist kostengünstiger als eine Untersuchung etwa im
AKH. Daher sollte es auch im Interesse des Hauptverbandes und des
Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales sein, solche
Strukturmaßnahmen zu treffen. Die Strategie der Sozialversicherung, einen geringeren
Teil der Spitalskosten zu tragen (Ländermittel), komme immer noch günstiger, als
diese Patienten beim niedergelassenen Arzt zu behandeln, könnte sich bald als großer
Irrtum erweisen.
Das gesundheitspolitische Ziel, das mit der Einführung der LKF einherging, war in
erster Linie Kosteneinsparungen im Gesundheitsbereich ohne Qualitätsverminderung.
Nun sollte als Ziel angestrebt werden, soweit als möglich erst gar nicht im
Krankenhaus zu behandeln bzw. früher in die häusliche Pflege zu entlassen. Zur
Verdeutlichung: 1997 kostete eine dreimonatige Betreuung bei einem praktischen Arzt
479 Schilling, beim Facharzt 625 Schilling, in einer Spitalsambulanz 2230 Schilling,
während ein Spitalsaufenthalt durchschnittlich 48.139 Schilling kostete. Neben einem
Kosteneffekt bewirkt eine extramurale Betreuung auch, daß die Behandlung näher am
Wohnort des Patienten, somit bürgerfreundlicher erfolgt.
Denn es ist nicht bürgerfreundlich, wenn man in Tulln vier und in Gloggnitz sogar
fünf Monate auf einen Augenarzttermin warten muß. Ein einziger Kassenfacharzt ist in
Salzburg ausschließlich im Fach Psychiatrie tätig. Sogar der sparsame Rechnungshof
hat einen Bedarf von 270 psychiatrischen Facharztstellen festgestellt. Die
Facharztdichte ist in Österreich nur halb so hoch wie in Deutschland. Mit einem
neuerlichen Zuwachs von 6 Prozent sind die Österreicher nach wie vor Weltmeister im
Spitalliegen. Aber rund 2.000 fertige Ärzte haben keinen Job und jedes Semester
werden es mehr.
Ziel sollte also die Senkung der international hohen Spitalshäufigkeit durch Stärkung
der ambulanten Strukturen (Hausärzte, Fachärzte, Gruppenpraxen, Tageskliniken,
ambulante Rehabilitation, Hauskrankenpflege)
sein.
Dem Wunsch des Bürgers, so lang wie möglich in den eigenen vier Wänden zu
bleiben, ist bei der Planung zur Förderung der ambulanten Strukturen Rechnung zu
tragen. Die Medizin soll zum Bürger kommen und nicht umgekehrt. Dies bedeutet eine
klare Absage an den Zentralismus in der Medizin. Das österreichische Gesundheits-
und Spitalswesen soll gemeinsam mit den Mitarbeitern (Ärzte, Schwestern etc.)
weiterentwickelt werden anstatt zentral demotivierend einfach zu verordnen. Dies
erfordert daher die Bildung eines permanenten „Runden Tisches“, bzw. einer
‚Österreichischen Gesundheitskonferenz “als neues Gesprächsforum“.
Die unterfertigten Abgeordneten bekennen sich zu einem klaren Stufenprinzip der
Prioritäten im Gesundheitssystem:
a. Vorsorge vor Behandlung
b. Ambulant vor Stationär
c. Rehabilitation vor Pflege
Die „weißen Flecken“ in der Gesundheitsversorgung müssen reduziert werden.
Wenn wir das österreichische Gesundheitswesen mit den neuen medizinischen
Möglichkeiten als Weltklasse erhalten wollen, müssen heute Reformen folgen.
Nach dieser „halben Reform“ der Spitalsreform sollte eine, das Gesamtbild des
Gesundheitswesens erfassende Gesundheitsreform in die Wege geleitet werden.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag:
„Die Frau Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, bis
längstens 1. Dezember 1999 dem Nationalrat geeignete Gesetzesvorschläge zu
unterbreiten, mit welchen eine Gesundheitsreform vollzogen wird, die in erster Linie
die niedergelassenen, extramuralen Bereiche stärkt und zumindest folgende
Maßnahmen umfaßt:
1. Gesundheitsleistungen sollen soviel ambulant wie möglich und sowenig stationär
wie nötig angeboten werden, es soll solange als möglich die Versorgung in den
eigenen vier Wänden angestrebt werden.
2. Das hohe Niveau der Spitzen - und Breitenmedizin muß gehalten werden.
3. Abbau unnützer Bürokratie in der LKF.
4. Aufwertung des Hausarztes als erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen und „Gate
Keeper“, leistungsbezogene Honorierung des niedergelassenen Bereiches.
5. Erschwerter Zugang zu den Spitalsambulanzen, Zuweisung nur über praktische
Ärzte oder Fachärzte; Ambulanzdienste nur für Notfälle oder bei
Spezialambulanzen wie z.B. Onkologie.
6. Beschäftigungsoffensive im Gesundheitswesen.
7. Weiterer Ausbau der Prävention durch gesetzliche Verpflichtung für den
Hauptverband, sich am FGÖ zu beteiligen.
8. Abbau der lästigen Chefarztpflichten.
9. Wettbewerbsgleichheit im niedergelassenen Bereich, z.B. für Tageskliniken und
Kliniken, die von Privaten betrieben werden.
10. Aufwertung der Privaten Krankenversicherung.
11. Vertrag der sozialen Krankenversicherung mit Gruppenpraxen, 1000 neue
Kassenverträge mit Ärzten und Teilungsmöglichkeit von Kassenverträgen.
12. Einrichtung einer „Österreichischen Gesundheitskonferenz“ als neues
Gesprächsforum zwischen den am Gesundheitswesen Hauptbeteiligten."