1159/A XX.GP
ANTRAG
der Abgeordneten Dr. Volker Kier und PartnerInnen
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten -
Gleichstellungsgesetz (Beh - GStG) erlassen wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Allgemeines Gesetz für die Gleichstellung behinderter Menschen
(Behinderten - Gleichstellungsgesetz - Beh - GStG)
1. Abschnitt
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
§ 1 (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Vorschriften, die
in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sowie deren Vollziehung sind auch in den Belangen
Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes - Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von
1929 etwas anderes vorsieht.
§ 2 (1) Dieses Gesetz stellt allgemeine Regeln für die Umsetzung des Grundsatzes des
Verbots der Benachteiligung von behinderten Menschen gemäß Art.7 Abs. 1 3.Satz B - VG,
BGBl. 1/87/1997, auf.
(2) Dem gleichen Zweck dienende Bestimmungen in einzelnen Gesetzen bleiben unberührt.
§ 3 (1) Behinderte Menschen sind Personen jeglichen Alters, die in einem lebenswichtigen
sozialen Beziehungsfeld körperlich, geistig, sensorisch oder seelisch dauernd wesentlich
beeinträchtigt sind. Ihnen stehen jene Personen gleich, denen eine solche Beeinträchtigung
in absehbarer Zeit droht. Lebenswichtige soziale Beziehungsfelder sind insbesondere die
Bereiche Erziehung, Schulbildung, Erwerbstätigkeit, Beschäftigung, Kommunikation,
Wohnen und Freizeitgestaltung.
(2) Eine Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen wegen ihrer Behinderung in der gleichen
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft oder in ihrer selbstbestimmten Lebensführung
behindert werden.
(3) Unter einer Diskriminierung ist die Veranlassung, Fortsetzung oder Aufrechterhaltung von
Maßnahmen, Strukturen, Verhaltensweisen oder Feststellungen zu verstehen, die geeignet
sind,
Menschen mit Behinderungen zu benachteiligen.
2. Abschnitt
GESETZLICH GEREGELTE VERFAHREN
§ 4 In allen Verfahrensgesetzen ist vorzusehen, daß behinderten Menschen der gleiche
Zugang zu den Verfahren sowie die gleichberechtigte Teilhabe an den Verfahren
gewährleistet ist, wie nicht behinderten Menschen.
§ 5 Es sind Vorkehrungen zu treffen, daß in ihrer Mobilität beeinträchtigte Menschen
jederzeit ungehinderten Zugang zu den Örtlichkeiten haben, an denen gesetzlich geregelte
Verfahren stattfinden.
§ 6 In Verfahren, an denen gehörlose Personen teilnehmen, sind
Gebärdensprachdolmetscher, beziehungsweise andere adäquate Instrumente zur
Herstellung einer gleichberechtigten Teilhabe am Verfahren einzuschalten.
§ 7 Nehmen blinde oder hochgradig sehbehinderte Personen an Verfahren teil, ist Vorsorge
dafür zu treffen, daß schriftliche Verfahrensteile in einer Form gestaltet werden, daß sie von
diesen Personen wahrgenommen und behandelt werden können.
3. Abschnitt
BILDUNGSEINRICHTUNGEN
§ 8 (1) Bildungseinrichtungen sind so zu gestalten, daß der Zugang für behinderte Menschen
möglich ist.
(2) Die Erhalter und Betreiber von Bildungseinrichtungen haben die erforderlichen
Vorkehrungen zu treffen, daß die genannten Einrichtungen von behinderten Menschen ohne
Schwierigkeiten erreicht werden können.
§ 9 Bildungsinhalte sind so zu vermitteln, daß sie von allen Menschen, unabhängig von ihrer
Behinderung, aufgenommen werden können.
§ 10 Bildungsbeschränkungen für behinderte Menschen dürfen gesetzlich nicht festgelegt
und auch durch die Vollziehung der Schul - und Hochschulgesetze nicht herbeigeführt
werden.
4. Abschnit:
VERKEHR
§ 11 Öffentlich benützbare Verkehrseinrichtungen sind so zu gestalten, daß ihre Benützung
behinderten Menschen in gleicher Weise wie Nichtbehinderten möglich ist.
§ 12 (1) Die Betreiber von öffentlichen Verkehrseinrichtungen haben ihr rollendes Material
und ihre öffentlich zugänglichen Einrichtungen den Erfordernissen von
bewegungsbehinderten und sinnesbeeinträchtigten Personen anzupassen.
(2) Betreiber von Eisenbahn - und Straßenbahnunternehmen haben zumindest einen
Waggon
eines jeden Zuges behindertengerecht zu gestalten.
(3) Die jeweils ressortzuständigen Mitglieder der Bundesregierung haben nach Anhörung
des Bundesbehindertenbeirats durch Verordnung festzulegen, in welcher zeitlichen Frist
nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Adaptierung bestehender Einrichtungen zu erfolgen
hat, wobei unter Einrichtungen sämtliche Gebäude sowie für den zivilen Personenverkehr
bestimmte Fahrzeuge zu verstehen sind. Diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung des
Hauptausschusses des Nationalrats.
§ 13 Gehsteige sind insbesondere für Rollstuhlbenützer innerhalb eines Jahres nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes abzuschrägen, wobei gleichzeitig auf die speziellen
Erfordernisse von blinden und sehbehinderten Personen Rücksicht zu nehmen ist.
Grundsätzlich sind im Hinblick auf Bestimmungen dieses, aber auch des 5. Abschnittes,
Lösungen, die dem Stand der Technik entsprechen, anzustreben.
5. Abschnitt
GEBÄUDE
§ 14 (1) Bauwerke, die zur öffentlichen Benützung bestimmt sind sowie Gebäude, in denen
eine Beschäftigung ausgeübt wird, sind so zu gestalten, daß sie für behinderte Menschen
zugänglich sind.
(2) Bestehende Bauwerke sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes entsprechend
umzugestalten, wobei bei historischen und denkmalgeschützten Bauten bewegliche
Adaptierungen zulässig sind. § 12 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.
§ 15 (1) Jedes neu errichtete Gebäude, unabhängig von seinem Zweck, ist so zu gestalten,
daß es von behinderten Menschen ohne Schwierigkeiten benützt werden kann.
(2) Im Falle der Nichtbeachtung des Abs.1 ist der Baubeginn zu untersagen.
§ 16 Diese Bestimmungen gelten sinngemäß bei Renovierungen und Umgestaltungen
bestehender Bauwerke.
6. Abschnitt
BERUF
§ 17 (1) Berufszulassungsbestimmungen haben vorzusehen, daß behinderten der gleiche
Berufszugang offen steht, wie nicht behinderten Menschen.
(2) Berufszulassungsbestimmungen dürfen nicht in einer Weise definiert und ausgelegt
werden, daß sich hierdurch Benachteiligungen behinderter Menschen ergeben.
§ 18 (1) Feststellungen, auf Grund derer Prozentsätze der Erwerbsfähigkeit von behinderten
Menschen ermittelt werden, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes unzulässig.
(2) Es ist in jedem einzelnen Fall die Fähigkeit des Bewerbers individuell festzustellen.
(3)
Entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben.
7. Abschnitt
DISKRIMINIERUNGEN
§ 19 Behinderten Menschen darf der Zugang zu und die Benützung von Veranstaltungen,
Theatern, Kinos, Vergnügungslokalen, Gaststätten, Hotels und öffentlichen Bädern wegen
ihrer Behinderung nicht erschwert werden.
§ 20 Bestimmungen in normierten Verträgen, Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
Versicherungsbedingungen und dergleichen, die behinderte Menschen benachteiligen, sind
nichtig.
8. Abschnitt
RECHTSDURCHSETZUNG
§ 21 Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 stellt, sofern keine gerichtlich strafbare
Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit Geldstrafe von 5.000 bis zu
30.000 S zu ahnden.
§ 22 (1) In Verwaltungsverfahren, die im Zusammenhang mit Bestimmungen dieses
Gesetzes stehen, haben betroffene behinderte Menschen Parteistellung.
(2) Ob und welchen Organisationen der Behinderten Parteistellung gewährt wird, bestimmt
eine Verordnung der Bundesregierung, wobei nur solchen Organisationen Parteistellung
zuerkannt werden darf, die eine repräsentative Gruppe von behinderten Menschen vertreten.
§ 23 (1) Jede behinderte Person ist berechtigt, für den Fall der Beeinträchtigung ihrer
Lebensgestaltung durch Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes Klage vor den
ordentlichen Gerichten zu erheben.
(2) Die in dieser Klage geltend gemachten Ansprüche beinhalten sowohl
Erfüllung wie auch Schadenersatz, hinsichtlich dessen § 87 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz
anzuwenden ist.
(3) Diese Klage richtet sich sowohl gegen die zuständige Gebietskörperschaft
wie auch gegen einzelne Personen, die Bestimmungen dieses Gesetzes verletzt haben.
Im Zuge dieser Verfahren können Einstweilige Verfügungen gemäß § 24 UWG erlassen
werden.
§ 24 (1) Die ersterhobene Klage wegen einer bestimmten Verletzung dieses Gesetzes
schließt alle weiteren Klagen wegen derselben Verletzung aus.
(2) Allfällige weitere Betroffene können sich jedoch diesem Verfahren als
Nebenintervenienten anschließen.
(3) Auf Verfahren auf Grund dieses Gesetzes sind die Verfahrensbestimmungen des
Amtshaftungsgesetzes (BGBl. 20/1949 i.d.g.F.) nicht anzuwenden, doch ist die Klage
längstens
binnen einem Jahr ab Kenntnis der Beeinträchtigung bei Gericht
einzubringen.
9. Abschnitt
SCHLUSSBESTIMMUNGEN.
§ 25 Bestimmungen in Gesetzen und Verordnungen, die mit Bestimmungen dieses
Bundesgesetzes in Widerspruch stehen, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr
anzuwenden.
§ 26 Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Bundesregierung betraut.
§ 27 Dieses Bundesgesetz tritt am ........................... in Kraft.
Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Mit Verfassungsgesetz vom 13August 1997, BGBl 1/87/1997 sind Menschen mit
Behinderungen bekanntlich in den Art.7 Abs.1 B - VG aufgenommen worden.
Der Bundeskanzler hat im Dezember 1997 angeordnet, daß im Verfassungsdienst
des BKA eine Arbeitsgruppe gebildet werde, die die Bundesgesetze nach Bestimmungen
durchforsten sollte, die Benachteiligungen für Behinderte enthalten. Diese Arbeitsgruppe hat
sich am 8. Jänner 1998 konstituiert und hielt seit Feber 1998 zahlreiche Sitzungen ab. Sie
wurde aus Beamten des BKA und einiger Ministerien, Vertretern von Behindertenorganisa -
tionen und Vertretern der im Parlament vertretenen Parteien gebildet. Neben der Arbeits -
gruppe im BKA gab es noch Arbeitsgruppen im BMAGS, im BMUK und im BMWV, die
ebenfalls jeweils zu mehreren Sitzungen zusammenkamen.
Das BKA hat am 2. November 1998 einen „Vorläufigen Gesamtbericht“ versendet,
der allerdings verschiedentlich kritisiert wurde. Nach einigen ergänzenden Sitzungen
erschien anfangs Feber 1999 ein "Gesamtbericht“, der in einer Sitzung im BKA am 17.Feber
1999 mit geringfügigen Änderungen von allen Teilnehmern an den Arbeitsgruppen akzeptiert
wurde und in einer Endfassung vor Kurzem erschienen ist.
Im Zuge der Durchforstung der Bundesgesetze wurden 60 bis 70 Gesetze
besprochen, in denen Bestimmungen geortet wurden, die als behindertendiskriminierend
angesehen werden können. Eine genaue Feststellung der Zahl der Gesetze bzw. der
diskriminierenden Bestimmungen ist deshalb nicht möglich, weil innerhalb der Arbeitsgruppe
keineswegs Einhelligkeit darüber bestand, ob eine Bestimmung diskriminierend ist oder
nicht. Außerdem ergaben sich zahlreiche Fälle, in denen eine an sich neutrale Bestimmung
im Vollzug diskriminierend wurde. Es ergab sich daher, daß gesetzliche Regelungen in
manchen Fällen gar nicht abgeändert werden müßten, daß aber ihre Auslegung und der
darauf
basierende Vollzug zu Diskriminierungen führt.
Es wurde daher bereits bei den Beratungen der Arbeitsgruppen der Gedanke
geäußert, daß in Ergänzung zu der Verfassungsbestimmung nicht nur Korrekturen der
einzelnen Gesetze zu erfolgen haben, sondern ein Allgemeines Behindertengleichstellungs -
gesetz nötig wäre. Weiters muß berücksichtigt werden, daß trotz intensiver Arbeit bei der
Durchforstung wahrscheinlich Bestimmungen übersehen wurden, sodaß auch in diesem
Zusammenhang ein allgemeines Gesetz erforderlich ist.
Besonderer Teil
Die Einteilung in Abschnitte soll der besseren Übersicht dienen und entspricht auch
der von den Arbeitsgruppen eingehaltenen Vorgangsweise.
Zum1. Abschnitt:
Zu § 1: Dieses Gesetz muß eine Verfassungsbestimmung enthalten, da anderenfalls infolge
der Zersplitterung der Kompetenzbestimmungen der Bundesverfassung eine Vollziehung
des Gesetzes nicht gewährleistet ist.
Zu § 2: Diese Bestimmung stellt die Verbindung mit der Ergänzung des Art 7 B - VG aus dem
Jahre 1997 her. Da in zahlreichen Gesetzen jedoch auf Grund der Ergebnisse der oben
dargestellten Arbeitsgruppen Änderungen werden vorgenommen werden müssen, soll im
Abs 2 zum Ausdruck gebracht werden, daß die in diesem Gesetz enthaltenen
Bestimmungen als allgemeine Richtlinien gedacht sind.
Zu § 3: Diese allgemeine Begriffsbestimmung der Behinderung ist dem "Behindertenkonzept
der Bundesregierung“ entnommen und hat auch als Grundlage für andere Gesetze zu
dienen. Um einen Schutz vor Benachteiligung zu gewährleisten und eine umfassende
rechtliche Gleichstellung durch die verschiedenen legislativen Maßnahmen sowie die
Rechtsinterpretation zu ermöglichen, ist es notwendig, den Begriff der Diskriminierung zu
definieren.
Zum 2 .Abschnitt:
Bei der Behandlung der diversen Verfahrensgesetze hat sich herausgestellt, daß in
allen die gleichen Probleme auftreten, sodaß eine allgemeine Regelung geboten erscheint.
Unbeschadet dessen wurde das Problem "Gebärdensprache“ bereits in Novellen zur StPO
und
ZPO gesetzlich geregelt. (BGBl. I Nr.20 und 21/1999)
Zum 3. Abschnitt:
In §§ 9 und 10 wird das Problem der Ausbildung Behinderter in Form allgemeiner
Bestimmungen berührt. Die Regelung edukatorischer Probleme muß der Schulgesetzgebung
und die Probleme der Wissenschaftsvermittlung der Hochschulgesetzgebung überlassen
bleiben.
Im § 8 wird die bauliche Gestaltung von Bildungseinrichtungen geregelt, da die
mangelnde Zugangsmöglichkeit oftmals dazu führt, daß Behinderte in ihrer Bildung
benachteiligt sind.
Zum 4. Abschnitt:
Mit diesen Bestimmungen sollen die oftmals geradezu lächerlichen Hindernisse
beseitigt werden, die den Behinderten die Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen
Leben erschweren. Ihre generelle Regelung in diesem Gesetz erspart zahlreiche
Bestimmungen in einschlägigen Gesetzen und Verordnungen. Die Zeitvorgaben für die
Adaptierung bestehender Einrichtungen sind durch die jeweils zuständigen Bundesminister
per Verordnung zu regeln, wobei die vorausgehende Anhörung des
Bundesbehindertenbeirats garantieren soll, daß die zeitlichen Fristen zur Umsetzung im
Sinne der Zielvorgaben dieses Gesetzes maximal beschränkt sind. Es hätte wenig Sinn
gehabt, in dieses Gesetz allgemeine Zeitvorgaben für die Adaptierung aller Einrichtungen
festzuschreiben, da in einigen Fällen die Maßnahmen in kurzer Zeit verwirklicht werden
können, in anderen Fällen jedoch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten
mehrere Jahre veranschlagt werden müssen. Eine Zustimmung des Hauptausschusses des
Nationalrats zu den Verordnungen wird im Sinne einer raschestmöglichen Umsetzung aller
Adaptierungsmaßnahmen für notwendig erachtet.
Mithilfe einer Art „Stand der Technik“ - Klausel soll in der Frage der konkreten
Verwirklichung der Bestimmungen der §§ 11 bis 16, was die Anwendung bestehender
Standards und Normen (ÖNORM, ISO etc.) betrifft, ein Spielraum geschaffen werden. Durch
die Determinierung „Stand der Technik“ ist garantiert, daß die optimalen Normvorgaben zum
Einsatz kommen (beispielsweise Abschrägung der Gehsteigkanten bei gleichzeitiger
Kennzeichnung derselben durch taktile Aufmerksamkeitsfelder). Die Erwähnung einer
bestimmten Norm in diesem Gesetz hätte dies unter Umständen verhindert.
Zum 5. Abschnitt:
Diese Bestimmungen bezwecken das gleiche für den Bereich Bauwesen, wie die
Bestimmungen für den Bereich Verkehr. Die an sich unsinnige Aufsplitterung der
Bauordnungen auf die einzelnen Länder macht diese Bestimmungen besonders bedeutsam.
Die
Zeitvorgaben entsprechen dem 4. Abschnitt.
Zum 6. Abschnitt:
Hier muß darauf verwiesen werden, daß das Behinderteneinstellungsgesetz eine
umfassende Regelung für Unselbständige darstellt. Das BEinstG ist zwar in vielen Belangen
unvollkommen und entspricht nicht den Bedürfnissen der behinderten Arbeitnehmer, doch ist
es, wie alle Arbeits - und Sozialgesetze einer dauernden Novellierung unterworfen, sodaß die
Hoffnung besteht, daß einmal ein besseres Gesetz zustande kommt.
Aus diesem Grund beschränkt sich dieser Entwurf auf die Regelung von Berufszulassungen,
ein Bereich, der im BEinstG überhaupt nicht behandelt wird.
Zu § 18: Diese Regelung wirkt darüber hinaus auch auf sozialrechtliche Materien (zB
Behinderteneinstellungsgesetz; nicht jedoch Bundespflegegeldgesetz, wo der Pflegebedarf
nach gänzlich anderen Kriterien ermittelt wird). Der Grund, warum die prozentuelle
Bestimmung der Erwerbsfähigkeit abgelehnt wird, liegt darin, daß sowohl eine
Prozentgrenze an sich als auch die anzuwendenden Feststellungsverfahren willkürlich
erscheinen.
Es gibt nämlich zahlreiche Fälle ‚in denen Personen, die als 90% erwerbsunfähig eingestuft
wurden, hervorragende Arbeit leisten, die der eines 100%ig Arbeitsfähigen um nichts
nachsteht und es gibt auch sehr viele Fälle, die nach ärztlicher und berufskundlicher
Begutachtung als mehr als 50%ig arbeitsfähig eingestuft werden, nichts leisten können. Es
mag für die Bürokratie sehr bequem sein, Menschen schematisch abzustempeln, doch
entspricht dieses System nicht der Wirklichkeit, schadet den Betroffenen und mißachtet ihre
Menschenwürde. Aber auch der Wirtschaft ist nicht damit gedient, daß man Personal falsch
klassifiziert.
Die zu erwartenden Einwände werden sicher vor allem Kostenprobleme anführen.
Nun mag es tatsächlich billiger sein, Menschen nach einem Schablonensystem zu
klassifizieren, als sie richtig zu beurteilen, doch verursacht die Fehlbegutachtung
wirtschaftlich viel größere Schäden, als die zusätzlichen Kosten einer individuellen
Beurteilung.
Zum 7. Abschnitt:
Hier werden zwei weitverbreitete Benachteiligungen der Behinderten verboten, wobei
der § 20 dem Art. IX EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen)
entnommen ist und der § 21 eine unbedingt erforderliche Regelung darstellt, da die
ausschließliche Regelung mittels „genereller Normen“ erfahrungsgemäß zu Fehlinterpreta -
tionen
oder mißbräuchlicher Handhabung führt.
Absichtlich wurde die hart umstrittene Frage des Notariatszwangs für Verträge von
Blinden hier nicht aufgenommen, weil dieses Problem noch gar nicht gelöst ist und durch
einfache Weg lassung im Notariatszwangsgesetz geregelt werden müßte.
Zum 8. Abschnitt:
Zu § 21: Dieser ist ebenso wie der § 20 dem EGVG nachgebildet.
Zu § 22: Dieser führt die Parteistellung behinderter Menschen ein, was ebenso
gerechtfertigt ist, wie die zahlreichen Nachbarschafts - und Anrainerrechte, die in letzter Zeit
immer häufiger in Verwaltungsverfahren zur Geltung kommen. Ob es auch eine sogenannte
Verbandsintervention geben soll bleibe dahingestellt. Keinesfalls dürfen die Sozialpartner
hier Rechte erhalten, da diese Behinderteninteressen niemals vertreten, wenn sie dies auch
gelegentlich behaupten.
Zu § 23: Hier ist eine Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit für betroffene Personen
vorgesehen, die in Österreich ungewöhnlich ist. Allerdings gibt es bekanntlich im Sozialver -
sicherungsrecht ein Vorbild, da ablehnende Bescheide der Sozialversicherungträger in
Leistungssachen vor dem Arbeits - und Sozialgericht, also einem Zivilgericht mit Klage
angefochten werden können.
Gegen die Form der Rechtsdurchsetzung im Wege einer Zivilklage wird oftmals
angeführt, daß sie umständlich, langwierig und kostspielig ist, wahrend die Durchsetzung im
Verwaltungswege rascher und billiger sei. Diese Argumente können leicht entkräftet werden.
Erstens wird das Verwaltungsverfahren im § 23 ausdrücklich zugelassen, sodaß beide Wege
gewählt werden können. Zudem muß leider festgestellt werden, daß in vielen
Verwaltungsverfahren das Wort RASCH ein Fremdwort ist. Dagegen gibt es im Zivilverfahren
das Institut der EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG, die tatsächlich rasch erlassen wird. Aus
Gründen der größeren Wirksamkeit wurde auf die Regelung des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb (UWG) verwiesen.
Ergänzend wäre noch zu bemerken, daß die Einreichung einer im § 23 konzipierten
Klage gegen eine Behörde die Problematik des Art. 94 B - VG (Gewaltentrennung) nicht
berührt, das es sich hier nicht um eine Zivilklage gegen einen Bescheid handelt, sondern um
eine Klage auf Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands und auf Schadenersatz.
Zu § 24 Abs.2: Diese Bestimmung mußte eingefügt werden, um die Blockade der
Gerichtsbarkeit durch Tausende von Klagen zu verhindern. Eine interne Aufteilung der
Kosten zwischen allen Betroffenen hängt aber von ihrer prozessualen Stellung als Kläger
oder Nebenintervenient nicht ab. Bewußt wurde in diesem Antrag auf die Einführung einer
sogenannten
Verbandsklage verzichtet, weil eine solche eine Entmündigung des einzelnen
Betroffenen darstellt und Verbandsklagen oftmals nicht im Interesse der Betroffenen sondern
im Interesse des jeweiligen Verbandes geführt werden.
Kosten:
Die Feststellung, welche Kosten die Vollziehung dieses Gesetzes verursachen wird, ist
schwer abschätzbar.
Die Kosten der behördlichen Vollziehung des Gesetzes werden geringfügig sein, da
keine ausufernden Verwaltungsverfahren zu erwarten sind und die Kosten allfälliger
gerichtlicher Verfahren die Gerichte nicht mehr belasten als andere Zivilverfahren auch.
Zum Teil hohe Kosten sind für die Betreiber von Einrichtungen zu erwarten, welche
sohin behindertengerecht ausgestattet werden müssen. Dies wird die öffentliche Hand
ebenso treffen wie Private. Ein Blick in die Vereinigten Staaten beispielsweise zeigt jedoch,
daß öffentliche wie private Einrichtungen und Betriebe es mittlerweile als selbstverständlich
betrachten, daß die Herstellung des verfassungsrechtlich garantierten
Gleichheitsgrundsatzes gelegentlich Anstrengungen und Kosten verursacht, denen man sich
schlichtweg nicht verweigern darf, will man die Grundfesten des demokratischen Staates
nicht in Frage stellen. Dieses Bewußtsein gilt es - als Aufgabe aller gesellschaftlich
maßgeblichen Gruppen - in jeder Hinsicht zu stärken.
Als dritte Gruppe von Kostenbetroffenen sind schließlich die behinderten Menschen
selbst zu erwähnen. Wie schon in den Erläuterungen zu § 23 ausgeführt, können die Kosten
von Zivilprozessen durch die Verfahrenshilfe und den in der ZPO vorgesehenen
Kostenersatz wesentlich reduziert werden.
Abschließend weisen die unterfertigten Abgeordneten des Liberalen Forum darauf hin, daß
das im Art.7 B - VG normierte Staatsziel der Gleichbehandlung der behinderten Menschen im
täglichen Leben durch das vorgeschlagene Gesetz entscheidend gefördert würde. Wie die
Beispiele Vereinigte Staaten, Kanada, Australien oder auch die Ansätze im Vereinigten
Königreich zeigen, führen Anti - Diskriminierungsgesetze zu einem Quantensprung in der
Durchsetzung eines selbstbestimmten Lebens für alle BürgerInnen in einer freien und
solidarischen Gesellschaft.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuß beantragt.