119/AE

 

 

 

der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen

betreffend Abschaffung der außerberuflichen Irnmunität für Nationalratsabgeordnete

 

 

 

Unter der Immunität der Abgeordneten zum Nationalrat versteht man in Österreich die besondere

Stellung der einzelnen Nationalratsmitglieder im Hinblick auf ihre rechtliche Verantwortlichkeit im

Zusammenhang mit der Ausübung ihres Mandates.

 

Rechtspolitischer Hintergrund der Immunität ist die Sicherung der Freiheit der Abstimmung und die

Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Nationalrates durch einen Schutz des einzelnen

Abgeordneten vor der Willkür der Vollziehung.

 

Grundsätzlich unterscheidet man derzeit berufliche und außerberufliche Immunität.

 

Die berufliche Immunität:

Nach Art. 57 Abs. 1 B-VG können die Mitglieder des Nationalrates wegen der in Ausübung ihres

Berufes geschehenen Abstimmungen niemals, wegen der in diesem Beruf gemachten mündlichen

oder schriftlichen Äußerungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden. In diesen

Angelegenheiten besteht daher weder eine straf- oder zivilgerichtliche, noch eine verwaltungsbe-

hördliche Verantwortlichkeit. Es handelt sich dabei um einen persönlichen Strafausschließungs-

grund.

 

Die außerberufliche Immunität:

Die außerberufliche Immunität besteht darin, daß nach Art. 57 Abs. 3 B-VG ein Mitglied des

Nationalrates wegen einer strafbaren Handlung ohne die Zustimmung des Nationalrates wegen nur

dann gerichtlich oder verwaltungsbehördlich verfolgt werden darf, wenn die Handlung offensichtlich

in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des betreffenden Abgeordneten steht.

 

Zunächst hat die zur Verfolgung berufene Behörde zu beurteilen, ob ein solcher Zusammenhang

offensichtlich nicht gegeben ist. Vermeint die Behörde diese Frage, hat sie ein Ersuchen um Zu-

stimmung des Nationalrates zur Verfolgung zu stellen. Sie muß jedoch ungeachtet ihrer eigenen Be-

urteilung ein solches Ersuchen stellen, wenn dies der betroffene Abgeordnete oder ein Drittel der

Mitglieder des Immunitätsausschusses verlangt. In diesem Fall ist ebenso wie im Falle einer Verhin-

derung des offensichtlichen Zusammenhanges durch die Verfolgungsbehörde zunächst jede

Verfolgungsbehandlung zu unterlassen bzw. abzubrechen.

 

Bei Ergreifung auf frischer Tat bei der Verübung eines Verbrechens ist die Verhaftung ohne Zu-

stimmung des Nationalrates gemäß Art. 57 Abs. 2 B-VG zulässig. Außer dem Fall der Ergreifung

auf frischer Tat dürfen Verhaftungen wegen strafbaren Handlungen immer nur mit Zustimmung des

Nationalrates vorgenommen werden.

Gegenwärtig besteht die außerberufliche Immunität nur hinsichtlich der Verfolgung "strafbarer

Handlungen" nicht gegenüber zivilrechtlichen Klagen, auch wenn diese politische Angelegenheiten

betreffen.

 

In der Praxis ist sowohl die österreichische Justiz als auch der parlamentarische Immunitätsausschuß

mit einer Fülle von Ersuchen um Zustimmung zur strafrechtlichen Verfolgung konfrontiert. So war

der Immunitätsausschuß des Nationalrates allein in der XVIII. GP mit insgesamt 21 Auslieferungs-

begehren und in der XIX. GP mit 10 Auslieferungsbegehren befaßt.

 

Allein 15 Ersuchen wurden in der XVIII. GP und 8 in der XIX. GP in Zusammenhang mit einem

Tatverdacht wegen übler Nachrede gemäß § 111 ff StGB eingebracht.

 

Vor allem Bürger gegenüber denen ein Nationalratsabgeordneter eine strafbare Handlung gemäß

§ 111 ff StGB begeht, sind durch eine abschlägige Behandlung negativ betroffen. Sie haben nur noch

die Möglichkeit, den erheblich schwereren Nachweis einer zivilrechtlich relevanten Kreditschädi-

gung gemäß § 1330 ABGB zu erbringen.

 

Dadurch wird eine Vielzahl von österreichischen Staatsbürgern gegenüber Nationalratsabgeordneten

in einem Gerichtsverfahren benachteiligt, was der Gleichheit vor dem Gesetz widerspricht.

 

Insgesamt hat die politische Praxis in den letzten Legislaturperioden gezeigt, daß das Instrumen-

tarium der außerberuflichen Immunität nicht mehr zeitgemäß ist und auch in rechtspolitischer Hin-

sicht überholt ist.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

E n t s c h l i e ß u n g s a n t r a g :

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage betreffend eine Än-

derung des B-VG vorzulegen, die eine Streichung des Art. 57 Abs. 3 B-VG und damit eine Ab-

schaffung der außerberuflichen Immunität zum Inhalt hat. Gleichzeitig sollen auch alle damit in

Zusammenhang stehenden gesetzlichen Grundlagen novelliert werden.

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag unter Verzicht auf die Erste Lesung dem Verfas-

sungsausschuß zuzuweisen.