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dcr Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Apfclbeck

und Kollegcn

betreffend die Durchführung ciner Sonderprüfung des Rechnungshofes gemäß § 99 GOG-NR

 

Die Gebarung der von SPÖ- und ÖVP-nahen Sozialpartnern beherrschten Träger der

gesetzlichen Krankenversichcrung hat in letzter Zeit vermehrt Anlaß zu Kritik gegeben. Dies

ist deshalb um so bestürzender, weil der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des

österreichischen Gesundheitswesens allergrößte Bedeutung zukommt.

 

Im Jahre 1995 hatten acht von neun Gebietskrankenkassen einen erheblichen

Gebarungsabgang zu verzeichnen, wobei in Kärnten rund S 350 Mio., in der Steiermark rund

430 Mio. S und in Wien nahezu S 700 Mio. Defizit zu verzeichnen waren. Eine Vorschau auf

das laufende Jahr 1996 zeigt, daß der Abgang von nahezu S 3 Mrd. im Jahr 1995 auf rund S

3,6 Mrd. steigen wird. Das für 1997 prognostizierte Defizit wird nach Expertenschätzungen

zwischen S 5,4 und S 7 Mrd. liegen. Im Hinblick auf diese Entwicklung wird vom

Bundesminister für Arbeit und Soziales, den Sozialpartnern und den Funktionären der

Sozialversicherungsträger als Ausweg aus der Finanzierungskrise reflexartig eine

einnahmenseitige Sanierung durch eine Anhebung der Beiträge der Versicherten und eine

Anhebung der Rezeptgebühren gefordert. Auch Leistungskürzungen, wie z.B. eine Verkürzung

der Dauer des Krankengeldes oder Einschränkungen des Leistungsangebotes für ältere

Patienten, chronisch Erkrankte, Nachbetreuungs- und Rehabilitationsbedürftige sowie die

vermehrte Einführung von Selbstbehalten werden als Heilmittel angepriesen.

 

Obwohl sogar der sozialpartnerschaftliche Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen ein

jährliches Einsparungspotential im Gesundheitsbereich von ca. S 13 Mrd. ortet und die

Mobilisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven und die Optimierung der Mittel-Ziel-Relation

im Zusammenhang mit der Wirksamkeit des Gesundheitssystems verlangt, ist von einem

Neubeginn nichts zu bemerken.

Sowohl die in Selbstverwaltung tätigen Sozialversicherungsträger als auch der zu ihrer

Aufsicht berechtigte und verpflichtete Bundesminister für Arbeit und Soziales haben es seit

Jahren verabsäumt, Maßnahmen zur Kostendämpfung zu setzen. ln anderen Ländern

gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse der Gesundheitsökonomie wurden - zufällig oder

absichtlich - in Österreich nicht angewendet und umgesetzt.

Die hausgemachte Finanzierungskrise der Krankenkassen kann jedoch nicht mit dem Griff in

die Taschen der Beitragszahler und der Steuerzahler beantwortet werden.

 

Es muß zunächst die Gebarung der Kassen selbst unter die Lupe genommen werden.

Dabei fällt auf, daß die Sozialversicherungsträger sowohl hinsichtlich der Zahl der

Bediensteten als auch hinsichtlich des allgemeinen Verwaltungsaufwandes enorme

Steigerungen zu verzeichnen hatten. So stieg der Verwaltungsau fwand bei der

Krankenversicherung von 1992 bis 1995 von S 3,186 Mrd. auf S 3,724 Mrd.

 

Die Entwicklung des Personalstandes seit 1988 zeigt folgendes Bild:

 

1988 1994 .+/- %

Sozialversicherung dcr Bauern 2.264 2.126 - 138 - 6,1

SV Bergbau 284 271 - 13 - 4,6

SV Eisenbahner 764 737 - 27 - 3,5

Pensionsversicherung Arbeiter 3.839 3.796 - 43 - 1,2

PV Angestellte 2.956 2.948 - 8 - 0,2

GKK Salzburg 547 552 + 5 + 0,1

GKK Niederösterreich 1 .284 1.344 + 60 + 4,7

SV Wirtschaft 1.449 1.527 + 78 + 5,4

GKK Steiermark 1.171 1.243 + 72 + 6,1

GKK Tirol 585 622 + 37 + 6,3

GKK Wien 3.799 4.170 + 371 + 9,8

GKK Burgenland 203 228 + 25 + 12,3

Hauptverband 199 227 + 28 + 14,1

Allgem. Unfallversicherung 3.946 4.502 + 556 + 14,1

 

GKK Kärnten 518 602 + 84 + 16,2

GKK Oberösterreich 1.732 2.0l3 + 281 + 16,2

SV öffentl. Bedienstete 1.141 1.381 + 240 + 21,0

SV Notare 4 5 + 1 + 25,0

GKK Vorarlberg 272 347 + 75 + 27,8

gesamt 26.957 28.641 .+ 1.688 .+ 6,2

 

Die Darstellung zeigt, daß die hochdefizitären Gebietskrankenkassen ihren Personalstand von

1988 bis 1994 um mehr als 1000 Mitarbeiter auf insgesamt 11.121 steigerten. Es ist

offenkundig, daß hier ein erhebliches Einsparungspotential besteht.

 

Laut Auskunft des Hauptverbandcs der österreichischen Sozialvcrsicherungsträger wurden

nach vorläufiger Gebarung der Kassen für das Jahr 1995 insgesamt für Heilmittel und für

Heilbehelfe rund 17 Mrd. Schilling verausgabt, wovon allein von der Gebietskrankenkasse

Wien 3,5 Mrd. Schilling gezahlt wurden.

 

Der Kostenanteil der Versicherten für Heilbehelfe beträgt ab Jänner 1996 10 % der tariflichen

Kosten. Die bei den Gebietskrankenkassen Versicherten haben aber einen Mindestbetrag von S

259,- zu entrichten, wodurch bei billigeren Heilmitteln bzw. Heilbehelfen der 10 %ige Anteil

des Patienten weit überschritten werden kann.

 

Vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger werden sowohl mit der Bundesinnung der

Bandagisten und Orthopädietechniker als auch mit der Bundesinnung der

Orthopädieschuhmacher Gesamttarifverträge ausgehandelt. Obwohl die Verhandlungen für

Arzneimittel geringfügige Kostensenkungen nach sich zogen, räumt der Hauptverband der

Bundesinnung für Orthopädieschuhmacher z.B. bei Schuheinlagen Tarifanhebungen bis zu

100 % ein.

 

Laut den für die Wiener, die Niederösterreichische und die Burgenländische

Gebietskrankenkasse sowie die BVA und die Bauernkrankenkasse geltenden Vereinbarungen

dürfen die im Tarif genannten Produkte in der Folge von Vertragspartnern (z.B. Bandagisten,

Orthopädietechnikern) der Krankenkassen gegen eine von einem praktischen Arzt ausgestellte

 

Verordnung abgegeben werden. Vom Vertragspartner wird sodann der ausgehandelte Tarif

abzüglich des vom Patienten zu tragendcn Selbstbehaltes (S 259,- bzw. 10 % vom

Rechnungsbetrag) rückverrechnet.

Soferne solche Behelfe bzw. Hilfsmittel vom Patienten ohne Verordnung beim Fachhändler

gekauft werden, kann dieser mittels Verordnungsschein durch seinen praktischen Arzt bei

seiner Krankenkasse um Rückvergütung seiner Kosten ansuchen. Dies aber nur dann, sofern

der Fachhändler über einen gültigen Krankenkassenvertrag verfügt.

 

Auffallend ist, daß von den einzelnen Krankenkassen nur ganz bestimmte Firmen einen

Kassenvertrag erhalten und Firmen, welche zumindest gleichwertige Produkte anbieten und

deren Produkte anerkannte Prüfzeugnisse aufweisen, nicht einbezogen werden, auch wenn sie

ihre Produkte wesentlich günstiger anbieten.

 

Eine Gegenüberstellung der ausgehandelten Tarife mit den Einkaufspreisen zeigt, daß der Tarif

vom Einkaufspreis des Fachhändlers bzw. Bandagisten bis zu 1.000 % abweicht.

 

Die Verrechnung einer Schaumgummi-Halskrawatte zeigt beispielsweise noch die Absurdität

auf, daß es einen Unterschied macht, ob der Patient mittels Verordnungsschein die

Halskrawatte beim Bandagisten bzw. beim Apotheker bezieht oder ob er diese selbst kauft.

Kauft der Patient die Halskrawatte direkt ohne Verordnung beim Bandagisten, so hat er hiefür

S 822,- zu bezahlen, wovon er nach Vorlagc dieser Rechnung mittels Verordnungsschein von

der Wiener Gebietskrankcnkasse S 511,20 rückvergütet erhält. Kauft er diese beim Apotheker,

betragen die Kosten hiefür S 250,30. Das Produkt selbst kann vom Bandagisten aber um S

60,- beim Erzeuger erworben werden.

Der Kassentarif für ein Paar anatomische Unterarm-Krücken, beträgt beispielsweise S 497,-,

der Einkaufspreis S 115,- im Detailverkauf können sie ohne Kassenverordnung um S 319,-

erworben werden.

 

Bemerkenswert ist auch, daß in Östcrreich auch Heilbehelfe ohne Prüfzeichen (Herstellung in

Thailand, Pakistan, Korea) abgegeben und zum Kassentarif abgerechnet werden.

Die vorstehende Darstellung zeigt, daß die vom Hauptverband abgeschlossenen

Gesamttarifverträge immens überhöhte Preise für Heilbehelfe und unseriöse Praktiken

beinhalten. Hier besteht ein gewaltiges Einsparungspotential.

 

Leistungsfähige Krankenkassen sind für ein funktionierendes Gesundheitswesen unverzichtbar

weshalb eine ordnungsgemäßc Gebarung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung

sowie des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sicherzustellen ist.

 

Die unterfertigten Abgeordnetcn stellen daher folgenden:

 

A N T R A G

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

"Der Rechnungshof wird gemäß § 99 GOG-NR mit der Durchführung einer Sonderprüfung

der Gebarung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich des

Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger insbesondere hinsichtlich der Heilmittel und

Heilbehelfe sowie der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der

Organisationsstruktur und der Bautätigkeit beauftragt."