300/A

 

Antrag

 

der Abgeordneten Dr, Maria Fekter, Mag.  Kukacka und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen-

Bundesgesetz vom     .............. .mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen-.

 

Das Strafgesetzbuch, BGBl.  Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz ............... , wird wie folgt geändert-

 

1.     § 209 samt Überschrift lautet-

 

.Gleichgeschlechtliche Handlungen

mit Personen unter achtzehn Jahren

 

209.      (1) Eine Person männlichen Geschlechts, die nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres an einer Person, die das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, gleichgeschlechtliche Handlungen vornimmt oder von dieser an sich vornehmen läßt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

 

(2)        Übersteigt das Alter des Täters das Alter des Jugendlichen nicht um mehr als zwei Jahre, so ist der Täter nicht zu bestrafen."

 

 

2.     § 220 samt Überschrift lautet,

 

"Werbung für gleichgeschlechtliche Handlungen

 

§ 220.  Wer in einem Druckwerk, in einem Laufbild oder sonst öffentlich in einer Art, die geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen zu gleichgeschlechtlichen Handlungen auffordert oder sie in einer Art gutheißt, die geeignet ist, solche Handlungen nahezulegen, ist sofern er nicht als Beteiligter (§ 12) mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

 

3.       Nach § 220 wird folgender § 220a eingefügt

 

,Werbung für Unzucht mit Tieren

 

§ 220a.  wer in einem Druckwerk, in einem Laufbild oder sonst öffentlich zur Unzucht mit Tieren auffordert oder sie in einer Art gutheißt, die geeignet ist, solche Unzuchtshandlungen nahezulegen, ist sofern er nicht als Beteiligter (§ 12) mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.'

 

4.     § 221 samt Überschrift lautet-.

 

"Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Handlungen

 

§ 221. (1) wer eine Verbindung einer größeren Zahl von Personen gründet, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es Ist, gleichgeschlechtliche Handlungen zu begünstigen, und die geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen, ferner, wer für eine solche Verbindung V\/Werbung betreibt, die ebenfalls geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

 

(2)        Ebenso ist zu bestrafen, wer Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für eine solche Verbindung anwirbt.'

 

 

Begründung:

 

In mehreren Anträgen wird die Abschaffung der §§ 209, 220 und 221 StGB gefordert und damit begründet, daß es sich um diskriminierende Maßnahmen gegen homosexuelle Personen handelt.

 

Es ist zunächst einzuräumen, daß der Begriff der gleichgeschlechtlichen Unzucht, ebenso \nie die gemeinsame Kriminallsierung gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte und der Unzucht mit Tieren im § 220 StGB nicht dem heutigen Sprachgebrauch bzw, dem heutigen Verständnis der Homosexualität entspricht.  Aus diesen Überlegungen schlägt der Antrag daher, in Anlehnung an die Terminologie des § 202 StGB vor, von der Vornahme bzw.  Duldung gleichgeschlechtlicher Handlungen" zu sprechen.  Hievon sollen jedenfalls auch die in § 201 StGB erwähnten einem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen umfaßt sein.  Ferner wird vorgeschlagen, die in § 220 StGB enthaltenen unterschiedlichen Tatbilder zu trennen.

 

Nach Ansicht der Antragsteller besteht aber kein Anlaß, die erwähnten Bestimmungen des Strafgesetzbuches ersatzlos zu streichen.

 

Zu § 209 StGB:

 

Die unterschiedliche Entwicklung weiblicher und männlicher Jugendlicher ist nach Ansicht der Antragsteller eine ausreichende rechtliche Grundlage für eine unter­schiedliche Regelung männlicher und weiblicher gleichgeschlechtlicher Sexual­kontakte.  Diese Auffassung gründet sich, abgesehen von der entwicklungspsycho­logischen Sicht, auch auf Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes (u.a. G227/88, G2/89, Slg.  Nr. 12182).  In diesen Erkenntnissen führt der Verfassungs­gerichtshof u.a. aus, daß der § 209 StGB zu jener Gruppe von Unrechtstatbeständen zählt, "die dem Schutz des heranreifenden jungen Menschen vor sexueller Fehl­entwicklung - im unumgänglich befundenen Umfang - dient.  So betrachtet kann dem Strafgesetzgeber nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungssatzes nicht mit Grund entgegengetreten werden, wenn er - unter Berufung auf maßgebende Expertenmeinungen in Verbindung mit Erfahrungstatsachen den Standpunkt einnehmend, daß eine homosexuelle Einflußnahme männliche Heranreifende in signifikant höherem Grad gefährde als gleichaltrige Mädchen - auf dem Boden und in Durchsetzung seiner Wertvorstellungen mit Beachtung der eingeschränkten, maßhaltenden Ziele der vorherrschenden Strafrechtspolltik (bei sorgsamer Abwägung aller vielfältigen Vor und Nachteile) ableitet, es sei mit einer strafrechtlichen Ahndung homosexueller Handlungen an jungen Menschen männlichen Geschlechts, wie im § 209 StGB festgelegt, das Auslangen zu finden.'

 

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes kann § 209 StGB aber auch nicht gegen das in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Privat- und Familienleben verstoßen, weil es sich bei dem behaupteten Eingriff in dieses Recht ganz offensichtlich um eine nach Artikel 8 Abs. 2 MRK zulässige gesetzgeberische Maßnahme zum Schutz der Rechte anderer, nämlich zum Schutz der ungestörten Entwicklung der von Straftaten betroffenen Personen handelt,

 

Diese vom Verfassungsgerichtshof ausgesprochene Rechtsmeinung wird auch durch die Europäische Kommission für Menschenrechte unterstrichen, die in einem gegen die Republik Österreich gerichteten Verfahren (zuletzt- Beschwerde No, 22646/93) die Beschwerde, mit der eine Verurteilung wegen 209 StGB als Verstoß gegen Artikel 8 MRK bekämpft wurde, als unzulässig zurückgewiesen hat.  In dieser Entscheidung führt die Kommission u.a. aus, daß die Verurteilung des Beschwerde­führers nach § 209 StGB zwar in sein Recht auf Familienleben eingreife, daß es sich aber, wie bereits früher ausgesprochen (vgl.  Beschwerde No. 17279/90 gegen die Republik Österreich), dabei um eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Beschränkung handle, die sich im Rahmen des staatlichen Gestaltungsspielraums halte.

 

Was die Notwendigkeit eines unterschiedlichen Schutzalters anlangt, so kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, daß es gerade im Bereich der männlichen Homosexualität für den erwachsenen Homosexuellen zu einem Mangel an Sexualpartnern kommt, weil der Anteil an homosexuell veranlagten Männern von Wissenschaftern mit etwa 31/c) angenommen wird.  Auf Grund dieses Umstandes ist die Gefahr der Verführung des Jugendlichen besonders groß ist.  Dies kann nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dann besonders traumatisch sein, wenn es sich um Sexualkontakte mit Personen handelt, die einen großen Altersunterschied aufweisen.  Daß diese Befürchtung nicht von der Hand zu weisen ist, stellt die

 

Kriminalstatistik deutlich unter Beweis, durch die eine Spitze der Verurteilungen nach § 209 StGB im Bereich der 25 bis 40-Jährigen festzustellen ist-, aber auch die Gruppe der über 70-Jährigen scheinen in der Verurteiltenstatistik auf.

 

In der Diskussion wurde mehrfach der Umstand zur Sprache gebracht, daß eine (straflose) homosexuelle Beziehung zwischen zwei etwa gleichaltrigen Jugendlichen dann kriminallsiert wird, wenn einer das neunzehnte Lebensja hr überschreitet, sofern der andere Partner das achtzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht hat.  Um diesem Argument Rechnung zu tragen, schlägt der Antrag vor, nach dem Muster des § 207 StGB, eine zweijährige Toleranzgrenze einzuziehen.

 

Zu § 220 StGB:

 

Die Werbung für gleichgeschlechtliche Handlungen soll auch weiterhin strafbar sein, doch soll die Strafbarkeit auf jene Fälle eingeschränkt werden, in denen die Werbung, gleichgültig in welcher Form, objektiv geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen.  Hiebei verwendet der Antrag die bereits in § 221 StGB enthaltene Terminologie. Öffentliches Ärgernis liegt also dann vor, wenn die Möglichkeit des Ärgernisses für einen größeren Personenkreis besteht.  Es ist nicht erforderlich, daß die Werbung tatsächlich von vielen wahrgenommen wurde.  Maßstab dafür, ob ein Verhalten Ärgernis zu erregen geeignet ist, sind die guten Sitten.  Von Ärgerniserregung wird man insbesondere dann sprechen können, wenn durch eine Verletzung der guten Sitten bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schädlichen hervorgerufen wird.  Ob ein Verhalten objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen, ist nach dem Maßstab zu prüfen, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren.  Diesbezüglich kann auch auf die reichhaltige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zu Art.  IX EGVG verwiesen werden (vgl. u.a. VWGH 8.10.1951, Sig. 2263A; VWGH 9.7.1984, 84/10/0080-, VWGH 30.9.1985, 85/10/0027 u.a.m.). Unter Anwendung dieser Kriterien kann eindeutig festgestellt werden, daß die öffentliche Darstellung gleichgeschlechtlicher Kontakte und das öffentliche Eintreten und Werben für gleichgeschlechtliche Liebe die guten Sitten verletzt.  Diese Auffassung wird auch durch Umfragen unterstrichen, denen zufolge 83% der Befragten für eine Beibehaltung des Schutzalters eintreten.

 

Abgesehen von der gemeinsamen Kriminalisierung der - nach der geltenden Terminologie -"Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts und für die Unzucht mit Tieren' (vgl. § 220a StGB) wurde mehrfach kritisiert, daß diese Bestimmung der AIDS-Aufklärung und Vorbeugung entgegenstehe.  Wenngleich schon die bisherige Judikatur keinen Hinweis auf diese Befürchtung zu erkennen gl 'bt, so soll durch die Einführung des öffentlichen Ärgernisses als weitere Strafbarkeitsvoraussetzung die Gefahr einer solchen Auswirkung dieser Strafbestimmung endgültig beseitigt werden.

 

Zu § 220a StGB:

 

Durch diese Bestimmung soll der nach Ansicht der Antragsteller berechtigten Kritik Rechnung getragen werden, daß homosexuelle Kontakte in einer Bestimmung mit der Sodomie genannt wird.

 

Zu § 221 StGB:

 

Was den § 221 StGB anlangt, so wurde, abgesehen von der Streichung des Unzuchtsbegriffes, auch die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung entkriminalisiert und damit dem Gedanken der Vereinsfreiheit Rechnung getragen.  Für eine gänzliche Streichung dieser Bestimmung besteht aber nach Ansicht der Antragsteller deshalb kein Anlaß, weil eine Strafbarkeit schon bisher nur dann gegeben war, wenn die Verbindung (objektiv) geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen (vgl. dazu die Ausführungen zu § 220 StGB).  Unter denselben Voraussetzungen soll nach Absicht der Antragsteller in Hinkunft auch die Werbung für solche Verbindungen pönalisiert werden.  Vereine homosexueller Personen erregen daher dann kein öffentliches Ärgernis, wenn sie ihre Tätigkeit auf ihre Mitglieder und homosexuelle Kreise beschränken und keine darüber hinausgehende Außentätigkeit (vgl. insbes.  Abs.2) entfalten.  Die Gründung und die Tätigkeit solcher Vereine ist demnach dann zulässig, wenn deren Tätigkeit nicht darin besteht, durch Veröffentlichungen. die allgemein Verbreitung finden sollen und nicht nur an die Mitglieder des Vereins gerichtet sind, gleichgeschlechtliche Liebe darzustellen oder zu bewerben.

 

Als Gegengewicht zur Aufhebung der Strafbarkeit der Mitgliedschaft in einer solchen Verbindung wird aber in einem neuen Absatz 2 die Werbung für eine solche Verbindung bei Jugendlichen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, absolut, also ohne Beurteilung ob diese geeignet ist, öffentliches Ärgernis zu erregen, neu unter Strafe gestellt.

 

In formeller Hinsicht wird beantragt, unter Verzicht auf eine Erste Lesung diesen Antrag dem Justizausschuß zuzuweisen.