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der Abgeordneten Anschober. LangthaIer, Freundinnen und Freunde
betreffend Umsetzuug einer österreichischen Anti-Temelin-Offensive
Die Ereignisse rund um die Einwendungsfri st gegen die Vergabe der Kreditgarantie der
amerikanischen staatlichen Export-Import-Ban k für den Weiterbau des Kernkraftwerkes
Temelin in Tschechien zeigen . daß im A nlaßfalI eine konstruktive, gesamtösterreichische
Vorgangsweise en twickeIt und umgesetzt werden kann. Um so dringlicher scheint es, daß
für die verbleibenden 3 bis 4 Jahre bis zur voraussichtlichen Fertigstellung des
Risikoreaktors eine umfassende Strategie unter Berücksichtigung aller gegebenen
Möglichkeiten zur EntwickIung einer nichtnuklearen Energieversorgung in unserem
Nachbarland fixiert wird und kontinuierlich zur Anwendung kommt.
Denn die Projektbetreiber kämpfen mit wachsenden Schwierigkeiten. So explodierten die
Baukosten von ursprünglich 26 auf mittlerweile " mindestens 77 Milliarden Kronen " , der
geplante (inbetriebnahmetermin wurde offiziell in den Ietzten 24 Monaten um viereinhalb
Jahre nach hinten verschoben . Sogar seitens der verantwortlichen Energiegesellschaft CEZ
und der Atombehörde SUJB wird attestiert. daß die Probleme mit dem Ost-West-
Technikmix massiv unterschätzt wurden , daß keine Funktionsgarantie abgegeben werden
kann , daß grobe bauIiche und technische MängeI auftreten, in wesentlichen Bereichen das
Personal unqualifiziert ist und die QualitätskontrolIen versagt haben. lm Zusammenhang mit
den immer lauter werdenden Korruptionsvorwürfen im Rahmen der Auftragsvergabe an das
US-Unternehmen Westinghouse untersucht die tschechische Kriminalpolizei , ein
parlamentarischer Untersuchungsausschuß dürfte foIgen.
ObwohI auch offiziell bestätigt wird, daß der Reaktor grundsätzlich umgeplant wird , also
die Baugenehmigung aus 1986 gegenstandslos ist, wird bis dato kein
Neugenehmigungsverfahren samt UVP. Wirtschaftlichkeits- bzw. SicherheitsanaIyse und
BürgerbeteiIigung zugeIassen . Auch dagegen formiert sich in Tschechien aber auch
international verstärkt öffentlicher Widerstand, der erstmals auch rechtliche Schritte umfaßt.
Neu sind auch die Mehrheitsverhältnisse im tschechischen Parlament, die ein gewisses
Potential an Kompromißbereitschaft vermuten lassen , ebenso wurde erst im November 1996
von offizieller Seite die Errichtung von Gas- Dampfkraftwerken als reale Option für eine
zukünftige tschechische Energieversorgung in Diskussion gebracht. Insgesamt handelt es
sich derzeit um Rahmen bedingungen , die eine kooperative österreichische
Handlungsoffensive erlauben und erfordern, wobei auch auf die Neuverhandlung der
umfangreichen Parlamentsbeschlüsse aus dem Jahr 1995 verwiesen sei , die allerdings
primär die Situation in der slowakischen Republik zum Anlaß bzw. Inhalt hatten .
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSSCHLlESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die österreichische Bundesregierung soll ihre Bemühungen im Sinne der Politik für ein
kernenergiefreies Mitteleuropa intensivieren , um damit das Risiko speziell durch das
grenznahe tschechische Kernkraftwerk Temelin zu minimieren und gleichzeitig einen Schritt
in Richtung einer nachhaltigen Energiewirtschaft setzen , insbesondere:
a) wird die Bundesregierung ersucht, die bilaterale tschechisch-östereichische
Expertenkommission zu reaktivieren , um die aktueII eröffnete Diskussion um die Errichtung
von Gas-Dampfkraftwerken in Tschechien auch hinsichtlich einer möglichen Substitution
des KKW TemeIin auszurichten.
b) wird die Bundesregierung ersucht, begleitend in der Europäischen Investitionsbank
(EIB) , in der Europäischen Bank für Entwicklung und Wiederaufbau (EBRD) und in
anderen internationalen Finanzierungsinstitutionen verstärkt darauf hinzuwirken , daß in den
mittel- und osteuropäischen Staaten Alternativprojekte zur Atomenergie unterstützt und
gefördert werden, und unter Einbezieh ung von Regierungen und Unternehmungen in Mittel-
und Osteuropa in internationalen Finanzierungsprogrammen und -Institutionen
Kofinanzierungsangebote für Projekte zu unterbreiten ; insbesondere möge die
Bundesregierung der Tschechischen Republik erneut Alternativen zur Fertigstellung des
Kernkraftwerkes Temelin unterbreiten .
c) wird die Bundesregierung ersucht, im engen Kontakt mit den ebenfalls zur
Kernenergienutzung kritisch eingestellten Staaten und Tschechien die Erarbeitung eines
multilateralen Konzeptes für eine nicht nukleare AIternative zum Kernkraftwerk Temelin zu
initiieren.
d) wird die Bundesregierung ersucht, innerhalb der EU auf die Schaffung von
Finanzierungsinstrumenten für nicht nukleare Alternativen hinzuwirken, welche auch der
Republik Tschechien zugänglich gemacht werden können .
e) wird die Bundesregierungg ersucht, begleitende Aktivitäten dahingehend zu setzen, daß es
aufgrund der wesentlichen Änderungen am Kernkraftwerk Temelin , die in der
Baugenehmigung 1986 keine Berücksichtigung finden konnten , mögIichst zu einem
Neugenehmigungsverfahren samt Umweltverträglichkeitsprüfung , Sicherheits- bzw.
WirtschaftIichkeitsanalyse und einem öffentlichen auch nachbarschaftlichen
Bürgerbeteiligungsverfahren kommt.
f) wird die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Umwelt ersucht, die
projektgebundene Förderung der österreichischen Anti -Atom-Initiativen analog zum
Mitgliedsbeitrag Östereichs zur ( AEO auf jährlich 25 Millionen Schilling aufzustocken, um
speziell deren rechtliche Schritte gegen das KKW Temelin auf Basis der gesetzlichen
tschechischen Bestimmungen die entsprechende Aktivitäten erIauben , zu unterstützen.