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Das geltende Eherecht ist veraltet.

 

Die Grundstrukturen gehen auf das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 und das

deutsche Ehegesetz, welches 1938 von "der Reichsregierung" "vorbehaltlich einer

abschließenden Neuordnung des gesamten Eherechts" beschlossen worden war, zurück.

Diesen zwei Rechtsschichten wurde mit den Familienrechtsreformen der 70er Jahre eine

dritte hinzugefügt. Das Ergebnis ist ein inkonsistentes Bild, das zudem äußerst veraItete

Wertungen und Rechtsinstitute wie die "Morgengabe'' mitschleppt.

 

Das geltende Eherecht und dessen Auslegung durch die Gerichte ist ungerecht,

 

- weil dem bedürftigen Ehegatten nur Naturalunterhalt zusteht und damit insbesondere

die nicht berufstätige Ehefrau entmündigt wird,

 

- weil dem bedürftigen Ehegatten maximal 40 % des Familieneinkommens zusteht und

damit insbesondere die berufstätige Ehefrau, die daneben Haushalt und Kinder

versorgt, keine ihren Leistungen adäquate Abgeltung erhält,

 

- weil den Frauen im Fall der Scheidung die Leistungen im Haushalt und bei der

Kinderbetreuung nicht für sich genommen abgegolten werden,

 

- weil gleichgeschlechtlichen Paaren die Eheschließung verweigert wird,

 

- weil der Mann beim Ehenamen nach wie vor privilegiert wird, indem bei getrenntem

Ehenamen und Uneinigkeit der Eltern die Kinder von Gesetzes wegen seinen Namen

erhalten.

 

Zum geltenden Unterhaltsrecht während aufrechter Ehe. Es schützt nicht jene Ehefrauen,

die eine Doppelbelastung auf sich nehmen. Die Berufstätigkeit der Ehefrauen und Mütter ist

jedoch zunehmend der Regelfall. Dies ist daraus zu erschließen, daß jetzt schon 49 % der

berufstätigen Frauen verheiratet sind. Dies heißt nicht, daß bei Erwerbsarbeit der Frauen

die Ehemänner die Hälfte der Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernehmen. Im

Durchschnitt arbeiten berufstätige Frauen pro Tag 5 ,5 Stunden außer Haus und 4,25

Stunden im eigenen Haushalt, bei Männern verteilt sich die Arbeitszeit im Vergleich dazu

 

7: 1,75 Stunden auf Erwerbs- und Hausarbeit. Abgesehen von diskriminierenden

Einkommensunterschieden verdienen diese Ehefrauen wegen der geringeren

Erwerbsarbeitszeit und Arbeitszeitflexibilität weniger als ihre Ehemänner. Obwohl sie die

Kinder betreuen und die Haushaltsarbeit leisten, haben sie oft keinen Unterhaltsanspruch

gegen ihre Ehemänner. Die Rechtsprechung gesteht ihnen maxima1 40 % des

Familieneinkommens zu. Soviel verdienen sie aber zumeist selbst. Beispiel: Bei einem

Netto-Einkommen des Mannes von S 15.000,-- und einem Netto-Einkommen der Frau von

S 10.000,-- beträgt das gemeinsame Familieneinkommen 25.000,--. 40 % davon

entsprechen genau dem Einkommen der Frau, womit diese keinen Unterhalt geltend machen

kann. Frauen, die zum Familieneinkommen beitragen und sich damit einer Doppelbelastung

aussetzen und damit wohl insgesamt mehr arbeiten als ihre Männer, verdienen insgesamt

also wesentlich weniger als ihre Männer.

 

Auch die nicht berufstätige Hausfrau ist vom geltenden Unterhaltsrecht benachteiligt. Zum

einen kann die Hausarbeit und Kinderbetreuung weitaus umfangreicher als die

Erwerbsarbeit des Mannes sein. Ihr gesteht die Rechtsprechung jedoch nur 33 % des

Manneseinkommens zu. Außerdem schlägt bei der nicht beruftstätigen Hausfrau besonders

zu Buche, daß der Unterhalt bei aufrechter Ehe nur in Naturalien wie Wohnung, Bekleidung

usw. zu leisten ist. Ein Geldunterhalt steht nur zu, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist

oder wenn eine Unterhaltsverletzung vorliegt. Die Ehefrau hat rechtlich gesehen nur einen

Anspruch auf Taschengeld. Wie der Haushalt zu führen ist, bestimmt de jure der Ehemann.

Sie gibt ''sein'' Geld aus, obwohl ihre Tätigkeiten im Haushalt erst seine volle

Erwerbstätigkeit ermöglichen. Das ABGB sieht daher auch für die Rechtsgeschäfte des

täglichen Lebens eine Vertretungsregelung vor. Das Prinzip des Naturalunterhalts läuft

daher auf eine Entmündigung der Ehefrau hinaus. Da die Frau kein eigenes Einkommen

hat, gelten die "Familienersparnisse" rechtlich meistens als Ersparnisse des Mannes und

stehen im Eigentum des Mannes. Dies verhindert eine Vermögensbildung und langfristige

Existenzvorsorge der Frau. Im Todesfall erhält sie neben Vorfahren nur die Hälfte dieses

Vermögens, neben Kindern ein Drittel.

 

Zum geltenden Unterhaltsrecht nach der Scheidung. Ein Unterhaltsanspruch steht nur dem

schuldlosen Ehegatten gegen einen allein oder überwiegend an der Scheidung schuldigen

Partner zu. Dieses Modell schützt die sich ewig wohlverhaltende und stets ehewillige Frau

gegen einen schuldhaften Gatten. Nur in diesem Fall hat die Frau eine Chance, daß ihr

Vertrauen und die Leistungen in die Ehegemeinschaft wie Haushaltsführung und

Kinderbetreuung abgegolten werden. Strebt sie selbst aus der Ehe, bekennen beide Teile

den Anteil an der Zerüttung oder hat sie einen Verschuldenstatbestand gesetzt, so geht sie

leer aus.

 

Zur geltenden Definition der Ehe. Sie greift unnötig in die private LebensgestaItung ein und

stellt so eine staatliche Bevormundung dar. Das Gesetz erlaubt nur Mann und Frau eine Ehe

zu schließen. Es verweigert also gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit, verbindlich

ein gemeinsames Leben derart aufzubauen, daß beide Teile eine rechtliche Absicherung

ihres gegenseitigen Vertrauens haben und diese Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft von

der Öffentlichkeit und dem Staat (zB Steuerecht) zur Kenntnis genommen wird.

 

Zum geltenden Ehenamensrecht. Können sich die Eheleute bei getrennter

Ehenamensführung (beide haben ihren angestammten Namen beibehalten) nicht über den

Namen der Kinder einigen - und zwar bei der Eheschließung - so erhalten die Kinder den

 

Familiennamen des Vaters. Diese Gesetzesautomatik untergräbt von vornherein die

Verhandlungsposition der Frau und stellt eine Diskriminierung der Frauen dar.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, eine Reform des Eherechts folgenden Inhalts in

die Wege zu leiten, sodaß die parlamentarischen Beratungen mit Beginn des Jahres 1998

aufgenommen werden können:

 

1 . Neukodifikation des Eherechts

 

2. Geschlechtsneutrale Definition der Ehe, sodaß auch Partner/innen gleichen

Geschlechts heiraten können.

 

3. Gleichbehandlung von Mann und Frau beim Ehenamen

 

4. Aufgabenverteilung in der Ehe: Das geltende partnerschaftliche Prinzip ist weiter zu

verdeutlichen, sodaß die gemeinsame Verantwortung für die Haushaltsführung und

Betreuung der Kinder außer Zweifel steht.

 

5. Unterhalt in der Ehe: Jedem Ehegatten steht die Hälfte des Familieneinkommens zu.

Ist der haushaltsführende Teil überdies erwerbstätig, so soll sein Einkommen nicht

voll auf das Familieneinkommen angerechnet werden. Beide Teile sind (rechnerisch)

verpflichtet, jeweils die Hälfte der Ausgaben für die gemeinsame Lebensführung zu

tragen. Dies gilt auch für Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern. Wird die

Betreuungsleistung von einem Ehegatten erbracht, dann sollte wie bisher der nicht

Betreuende dem Kind Geldunterhalt schulden. Beim Anspruch auf das halbe

Familieneinkommen kann es sich nur um eine fiktive Rechengröße handeln, die um

die tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen jedes Ehegatten bereinigt werden muß.

Gerichtlich durchsetzbar ist der sich daraus ergebende Nettobetrag.

 

6. Alleinige Haushaltsführung: Vereinbaren die Ehegatten die Führung einer

Hausfrauenehe, so führt die Frau den Haushalt in eigener Verantwortung und hat

gegenüber dem Mann einen Anspruch auf die dafür notwendigen Geldmittel. Die

Regelung der ''Schlüsselgewalt" kann daher entfallen.

 

7. Entfall der Mitwirkungspflicht im Erwerb. Im Fall der vereinbarten Mitwirkung läuft

die dreijährige Verjährungsfrist für Abgeltungsansprüche erst ab deren Fälligstellung

und nicht ab deren Erbringung, die Ansprüche können auch bei aufrechter Ehe geltend

gemacht werden.

 

8. Ehescheidung. Die Ehe soll wie bisher einvernehmlich geschieden werden können.

Gegen den Willen des anderen Ehegatten soll eine Scheidung dann möglich sein,

wenn die häusliche Gemeinschaft seit mindestens drei Jahren aufgelöst ist oder wenn

dem Scheidungswilligen die Fortsetzung der Ehe aus Gründen, die in der Person des

anderen Ehegatten liegen , nicht zumutbar ist. Die Mediation sollte als Möglichkeit der

außergerichtlichen Konfliktlösung in Scheidungsverfahren vermehrt angeboten

werden.

 

9. Schadenersatz bei Verschulden. Trifft einen Ehegatten ein gravierendes Verschulden

an der Auflösung der Ehe, wie zB Gewalttätigkeit gegen den anderen Ehegatten oder

die Kinder, so ist er zu einer finanziellen Genugtuung verpflichtet.

 

10. Unterhalt nach der Scheidung. Ein Unterhaltsanspruch ist nach den Leistungen in der

Haushaltsführung sowie der Kinderbetreuung und den sich daraus ergebenden

(gegenüber dem anderen Ehegatten) schlechteren Verdienstmöglichkeiten am

Arbeitsmarkt zu bemessen. Dergestalt beeinflußt die Dauer der Ehe, die vereinbarte

oder geübte Aufgabenverteilung während der Ehe und die künftige Belastung der

Ehegatten durch die Kinder den Unterhalt.

 

11. Sonstiges

 

a) Gleiches Ehemündigkeitsalter für Mann und Frau (18 Jahre)

b) Gleiches Adoptionsalter für Mann und Frau

c) Verunstaltungsentschädigung auch für Hausfrauen

d) Formale Rechtsbereinigung der Eheverbote

e) Inhaltliche Straffung und Vereinfachung der Nichtigkeits- und Aufhebungs-

tatbestände der Ehe

 

 

Weitere Erläuterungen:

 

Zur Abschaffung des Verschuldensprinzips. Die Verschuldensfrage hat im geltenden

Eherecht wegen der Koppelung mit dem Unterhaltsanspruch nach der Ehe ihre zentrale

Bedeutung. Nur der Ehegatte, der schuldig geschieden wird, ist prinzipiell zu

Unterhaltszahlungen verpflichtet. Wie schon ausgeführt, ist dies keine sachgerechte

Abgeltung für die in der Ehe geleistete Haushalts- und Kinderarbeit und der Konsequenzen

für die Chancen am Arbeitsmarkt. Die Abschaffung des verschuldensabhängigen

Unterhaltsanspruchs vermindert demnach auch die Notwendigkeit einen

Scheidungstatbestand wegen Verschuldens vorzusehen.

 

Ist eine notwendige ökonomische Absicherung gesichert, so bleibt die moralische

Beurteilung der Auflösung der Ehe bzw. der Verletzung des Vertrauens, das in die andere

Person und allenfalls in die Dauer der Lebensgemeinschaft gesetzt wurde. Jeder prinzipiell

auf Dauer abgeschlossene Vertrag sieht besondere Kündigungsfristen vor. So wird hier ''bei

einseitiger Aufkündigung" eine Wartefrist von 3 Jahren verlangt. Dies, scheint angesichts

der umfassenden Lebensgemeinschaft unerläßlich. Eine Scheidung gegen den Willen sollte

nur schneller dann herbeigeführt werden können , wenn ein Verbleiben in der Ehe wegen

des Verhaltens des anderen Ehepartners unzumutbar ist. Nur bei gravierenden

Vertrauensverletzungen (zB Gewalttätigkeit) wird hier eine einmalige finanzielle Abgeltung

 

vorgesehen, welche aber auch dem Partner zusteht, der ein ausreichendes eigenes

Einkommen hat.

 

Vielfach wird das Verschuldensprinzip stark verteidigt, weil die Unauflösbarkeit der Ehe

aus ökonomischen Gründen für notwendig erachtet wird. In geringeren und

durchschnittlichen Einkommensschichten sei der Frau, die eine Hausfrauenehe geführt

habe, spätestens ab dem 40. Lebensjahr der Aufbau einer eigenen Existenz nicht mehr

möglich. Das Einkommen des Mannes, gegen den ein Unterhaltsanspruch bestünde, reiche

aber nicht für zwei unabhängige Existenzen. Es drohe bloß die Verelendung. Diese

Problematik zeigt aber nur, wie notwendig ein selbständiger Anspruch auf Unfall-,

Kranken- und Pensionsversicherung der Ehefrauen wäre, damit rudimentäre Bedürfnisse im

jeden FaIl abgedeckt sind. Eine Beitragspflicht des verdienenden Ehegatten (im Fall des

besserverdienenden Ehegatten eine anteilige Beitragspflicht) würde sicherlich einen Anreiz

zur Übernahme von Haus- und Kinderarbeit durch die Männer darstellen, doch ist dieses

Thema einem eigenen Entschließungsantrag vorzubehalten.

 

Ein letztes Argument: Im Gleichbehandlungsmusterland Schweden wird eine Ehe gegen den

Willen des anderen Partners bereits nach 6 Monaten geschieden. Es steht grundsätzlich kein

Unterhaltsanspruch zu. Nur wenn die Ehe von längerer Dauer war und der Ehegatte sich

aus besonderen Gründen nicht selbst versorgen kann, besteht die Möglicheit eines längeren

oder unbefristeten Unterhaltsanspruchs.

 

Zur Beibehaltung der getrennten Obsorge: Nach der Scheidung kann nach geltendem Recht

nur ein Elternteil Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder übernehmen. Daran wird

festgehalten. Die freiwillige gemeinsame Obsorge wäre sicher eine logische Konsequenz aus

dem Grundsatz der gemeinsamen Betreuungsverantwortung, also auch der Väter, während

aufrechter Ehe. Doch die Festschreibung im Gesetz ändert noch nicht die tatsächlichen

Verhältnisse. Daher solI die gemeinsame Obsorge gesetzlich erst dann ermöglicht werden,

wenn die derzeitige Inanspruchnahme der Karenz durch Männer die Zahl von 1000, das

sind 0,9 Prozent der Karenzen , bei weitem überschreitet.

 

Abschließend wird auf die derzeit unerträglich lange Dauer der (streitigen)

Scheidungsverfahren hingewiesen, die viele Betroffene dazu zwingt, auch auf unvorteilhafte

einvernehmliche Lösungen einzusteigen. Neben der Änderung der materiellen

Bestimmungen müssen daher auch Maßnahmen zur schnelleren Abwicklung der Verfahren

eingefordert werden.

 

Für die Erarbeitung dieses Entschließungsantrages bildete die Studie "Reform des

Eherechts'' von Univ.-Prof. Dr. Monika Gimpel-Hinteregger die fachliche Grundlage.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuß vorgeschlagen.