364/AE
Das geltende Eherecht ist veraltet.
Die Grundstrukturen gehen auf das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 und das
deutsche Ehegesetz, welches 1938 von "der Reichsregierung" "vorbehaltlich einer
abschließenden Neuordnung des gesamten Eherechts" beschlossen worden war, zurück.
Diesen zwei Rechtsschichten wurde mit den Familienrechtsreformen der 70er Jahre eine
dritte hinzugefügt. Das Ergebnis ist ein inkonsistentes Bild, das zudem äußerst veraItete
Wertungen und Rechtsinstitute wie die "Morgengabe'' mitschleppt.
Das geltende Eherecht und dessen Auslegung durch die Gerichte ist ungerecht,
- weil dem bedürftigen Ehegatten nur Naturalunterhalt zusteht und damit insbesondere
die nicht berufstätige Ehefrau entmündigt wird,
- weil dem bedürftigen Ehegatten maximal 40 % des Familieneinkommens zusteht und
damit insbesondere die berufstätige Ehefrau, die daneben Haushalt und Kinder
versorgt, keine ihren Leistungen adäquate Abgeltung erhält,
- weil den Frauen im Fall der Scheidung die Leistungen im Haushalt und bei der
Kinderbetreuung nicht für sich genommen abgegolten werden,
- weil gleichgeschlechtlichen Paaren die Eheschließung verweigert wird,
- weil der Mann beim Ehenamen nach wie vor privilegiert wird, indem bei getrenntem
Ehenamen und Uneinigkeit der Eltern die Kinder von Gesetzes wegen seinen Namen
erhalten.
Zum geltenden Unterhaltsrecht während aufrechter Ehe. Es schützt nicht jene Ehefrauen,
die eine Doppelbelastung auf sich nehmen. Die Berufstätigkeit der Ehefrauen und Mütter ist
jedoch zunehmend der Regelfall. Dies ist daraus zu erschließen, daß jetzt schon 49 % der
berufstätigen Frauen verheiratet sind. Dies heißt nicht, daß bei Erwerbsarbeit der Frauen
die Ehemänner die Hälfte der Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernehmen. Im
Durchschnitt arbeiten berufstätige Frauen pro Tag 5 ,5 Stunden außer Haus und 4,25
Stunden im eigenen Haushalt, bei Männern verteilt sich die Arbeitszeit im Vergleich dazu
7: 1,75 Stunden auf Erwerbs- und Hausarbeit. Abgesehen von diskriminierenden
Einkommensunterschieden verdienen diese Ehefrauen wegen der geringeren
Erwerbsarbeitszeit und Arbeitszeitflexibilität weniger als ihre Ehemänner. Obwohl sie die
Kinder betreuen und die Haushaltsarbeit leisten, haben sie oft keinen Unterhaltsanspruch
gegen ihre Ehemänner. Die Rechtsprechung gesteht ihnen maxima1 40 % des
Familieneinkommens zu. Soviel verdienen sie aber zumeist selbst. Beispiel: Bei einem
Netto-Einkommen des Mannes von S 15.000,-- und einem Netto-Einkommen der Frau von
S 10.000,-- beträgt das gemeinsame Familieneinkommen 25.000,--. 40 % davon
entsprechen genau dem Einkommen der Frau, womit diese keinen Unterhalt geltend machen
kann. Frauen, die zum Familieneinkommen beitragen und sich damit einer Doppelbelastung
aussetzen und damit wohl insgesamt mehr arbeiten als ihre Männer, verdienen insgesamt
also wesentlich weniger als ihre Männer.
Auch die nicht berufstätige Hausfrau ist vom geltenden Unterhaltsrecht benachteiligt. Zum
einen kann die Hausarbeit und Kinderbetreuung weitaus umfangreicher als die
Erwerbsarbeit des Mannes sein. Ihr gesteht die Rechtsprechung jedoch nur 33 % des
Manneseinkommens zu. Außerdem schlägt bei der nicht beruftstätigen Hausfrau besonders
zu Buche, daß der Unterhalt bei aufrechter Ehe nur in Naturalien wie Wohnung, Bekleidung
usw. zu leisten ist. Ein Geldunterhalt steht nur zu, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist
oder wenn eine Unterhaltsverletzung vorliegt. Die Ehefrau hat rechtlich gesehen nur einen
Anspruch auf Taschengeld. Wie der Haushalt zu führen ist, bestimmt de jure der Ehemann.
Sie gibt ''sein'' Geld aus, obwohl ihre Tätigkeiten im Haushalt erst seine volle
Erwerbstätigkeit ermöglichen. Das ABGB sieht daher auch für die Rechtsgeschäfte des
täglichen Lebens eine Vertretungsregelung vor. Das Prinzip des Naturalunterhalts läuft
daher auf eine Entmündigung der Ehefrau hinaus. Da die Frau kein eigenes Einkommen
hat, gelten die "Familienersparnisse" rechtlich meistens als Ersparnisse des Mannes und
stehen im Eigentum des Mannes. Dies verhindert eine Vermögensbildung und langfristige
Existenzvorsorge der Frau. Im Todesfall erhält sie neben Vorfahren nur die Hälfte dieses
Vermögens, neben Kindern ein Drittel.
Zum geltenden Unterhaltsrecht nach der Scheidung. Ein Unterhaltsanspruch steht nur dem
schuldlosen Ehegatten gegen einen allein oder überwiegend an der Scheidung schuldigen
Partner zu. Dieses Modell schützt die sich ewig wohlverhaltende und stets ehewillige Frau
gegen einen schuldhaften Gatten. Nur in diesem Fall hat die Frau eine Chance, daß ihr
Vertrauen und die Leistungen in die Ehegemeinschaft wie Haushaltsführung und
Kinderbetreuung abgegolten werden. Strebt sie selbst aus der Ehe, bekennen beide Teile
den Anteil an der Zerüttung oder hat sie einen Verschuldenstatbestand gesetzt, so geht sie
leer aus.
Zur geltenden Definition der Ehe. Sie greift unnötig in die private LebensgestaItung ein und
stellt so eine staatliche Bevormundung dar. Das Gesetz erlaubt nur Mann und Frau eine Ehe
zu schließen. Es verweigert also gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit, verbindlich
ein gemeinsames Leben derart aufzubauen, daß beide Teile eine rechtliche Absicherung
ihres gegenseitigen Vertrauens haben und diese Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft von
der Öffentlichkeit und dem Staat (zB Steuerecht) zur Kenntnis genommen wird.
Zum geltenden Ehenamensrecht. Können sich die Eheleute bei getrennter
Ehenamensführung (beide haben ihren angestammten Namen beibehalten) nicht über den
Namen der Kinder einigen - und zwar bei der Eheschließung - so erhalten die Kinder den
Familiennamen des Vaters. Diese Gesetzesautomatik untergräbt von vornherein die
Verhandlungsposition der Frau und stellt eine Diskriminierung der Frauen dar.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, eine Reform des Eherechts folgenden Inhalts in
die Wege zu leiten, sodaß die parlamentarischen Beratungen mit Beginn des Jahres 1998
aufgenommen werden können:
1 . Neukodifikation des Eherechts
2. Geschlechtsneutrale Definition der Ehe, sodaß auch Partner/innen gleichen
Geschlechts heiraten können.
3. Gleichbehandlung von Mann und Frau beim Ehenamen
4. Aufgabenverteilung in der Ehe: Das geltende partnerschaftliche Prinzip ist weiter zu
verdeutlichen, sodaß die gemeinsame Verantwortung für die Haushaltsführung und
Betreuung der Kinder außer Zweifel steht.
5. Unterhalt in der Ehe: Jedem Ehegatten steht die Hälfte des Familieneinkommens zu.
Ist der haushaltsführende Teil überdies erwerbstätig, so soll sein Einkommen nicht
voll auf das Familieneinkommen angerechnet werden. Beide Teile sind (rechnerisch)
verpflichtet, jeweils die Hälfte der Ausgaben für die gemeinsame Lebensführung zu
tragen. Dies gilt auch für Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern. Wird die
Betreuungsleistung von einem Ehegatten erbracht, dann sollte wie bisher der nicht
Betreuende dem Kind Geldunterhalt schulden. Beim Anspruch auf das halbe
Familieneinkommen kann es sich nur um eine fiktive Rechengröße handeln, die um
die tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen jedes Ehegatten bereinigt werden muß.
Gerichtlich durchsetzbar ist der sich daraus ergebende Nettobetrag.
6. Alleinige Haushaltsführung: Vereinbaren die Ehegatten die Führung einer
Hausfrauenehe, so führt die Frau den Haushalt in eigener Verantwortung und hat
gegenüber dem Mann einen Anspruch auf die dafür notwendigen Geldmittel. Die
Regelung der ''Schlüsselgewalt" kann daher entfallen.
7. Entfall der Mitwirkungspflicht im Erwerb. Im Fall der vereinbarten Mitwirkung läuft
die dreijährige Verjährungsfrist für Abgeltungsansprüche erst ab deren Fälligstellung
und nicht ab deren Erbringung, die Ansprüche können auch bei aufrechter Ehe geltend
gemacht werden.
8. Ehescheidung. Die Ehe soll wie bisher einvernehmlich geschieden werden können.
Gegen den Willen des anderen Ehegatten soll eine Scheidung dann möglich sein,
wenn die häusliche Gemeinschaft seit mindestens drei Jahren aufgelöst ist oder wenn
dem Scheidungswilligen die Fortsetzung der Ehe aus Gründen, die in der Person des
anderen Ehegatten liegen , nicht zumutbar ist. Die Mediation sollte als Möglichkeit der
außergerichtlichen Konfliktlösung in Scheidungsverfahren vermehrt angeboten
werden.
9. Schadenersatz bei Verschulden. Trifft einen Ehegatten ein gravierendes Verschulden
an der Auflösung der Ehe, wie zB Gewalttätigkeit gegen den anderen Ehegatten oder
die Kinder, so ist er zu einer finanziellen Genugtuung verpflichtet.
10. Unterhalt nach der Scheidung. Ein Unterhaltsanspruch ist nach den Leistungen in der
Haushaltsführung sowie der Kinderbetreuung und den sich daraus ergebenden
(gegenüber dem anderen Ehegatten) schlechteren Verdienstmöglichkeiten am
Arbeitsmarkt zu bemessen. Dergestalt beeinflußt die Dauer der Ehe, die vereinbarte
oder geübte Aufgabenverteilung während der Ehe und die künftige Belastung der
Ehegatten durch die Kinder den Unterhalt.
11. Sonstiges
a) Gleiches Ehemündigkeitsalter für Mann und Frau (18 Jahre)
b) Gleiches Adoptionsalter für Mann und Frau
c) Verunstaltungsentschädigung auch für Hausfrauen
d) Formale Rechtsbereinigung der Eheverbote
e) Inhaltliche Straffung und Vereinfachung der Nichtigkeits- und Aufhebungs-
tatbestände der Ehe
Weitere Erläuterungen:
Zur Abschaffung des Verschuldensprinzips. Die Verschuldensfrage hat im geltenden
Eherecht wegen der Koppelung mit dem Unterhaltsanspruch nach der Ehe ihre zentrale
Bedeutung. Nur der Ehegatte, der schuldig geschieden wird, ist prinzipiell zu
Unterhaltszahlungen verpflichtet. Wie schon ausgeführt, ist dies keine sachgerechte
Abgeltung für die in der Ehe geleistete Haushalts- und Kinderarbeit und der Konsequenzen
für die Chancen am Arbeitsmarkt. Die Abschaffung des verschuldensabhängigen
Unterhaltsanspruchs vermindert demnach auch die Notwendigkeit einen
Scheidungstatbestand wegen Verschuldens vorzusehen.
Ist eine notwendige ökonomische Absicherung gesichert, so bleibt die moralische
Beurteilung der Auflösung der Ehe bzw. der Verletzung des Vertrauens, das in die andere
Person und allenfalls in die Dauer der Lebensgemeinschaft gesetzt wurde. Jeder prinzipiell
auf Dauer abgeschlossene Vertrag sieht besondere Kündigungsfristen vor. So wird hier ''bei
einseitiger Aufkündigung" eine Wartefrist von 3 Jahren verlangt. Dies, scheint angesichts
der umfassenden Lebensgemeinschaft unerläßlich. Eine Scheidung gegen den Willen sollte
nur schneller dann herbeigeführt werden können , wenn ein Verbleiben in der Ehe wegen
des Verhaltens des anderen Ehepartners unzumutbar ist. Nur bei gravierenden
Vertrauensverletzungen (zB Gewalttätigkeit) wird hier eine einmalige finanzielle Abgeltung
vorgesehen, welche aber auch dem Partner zusteht, der ein ausreichendes eigenes
Einkommen hat.
Vielfach wird das Verschuldensprinzip stark verteidigt, weil die Unauflösbarkeit der Ehe
aus ökonomischen Gründen für notwendig erachtet wird. In geringeren und
durchschnittlichen Einkommensschichten sei der Frau, die eine Hausfrauenehe geführt
habe, spätestens ab dem 40. Lebensjahr der Aufbau einer eigenen Existenz nicht mehr
möglich. Das Einkommen des Mannes, gegen den ein Unterhaltsanspruch bestünde, reiche
aber nicht für zwei unabhängige Existenzen. Es drohe bloß die Verelendung. Diese
Problematik zeigt aber nur, wie notwendig ein selbständiger Anspruch auf Unfall-,
Kranken- und Pensionsversicherung der Ehefrauen wäre, damit rudimentäre Bedürfnisse im
jeden FaIl abgedeckt sind. Eine Beitragspflicht des verdienenden Ehegatten (im Fall des
besserverdienenden Ehegatten eine anteilige Beitragspflicht) würde sicherlich einen Anreiz
zur Übernahme von Haus- und Kinderarbeit durch die Männer darstellen, doch ist dieses
Thema einem eigenen Entschließungsantrag vorzubehalten.
Ein letztes Argument: Im Gleichbehandlungsmusterland Schweden wird eine Ehe gegen den
Willen des anderen Partners bereits nach 6 Monaten geschieden. Es steht grundsätzlich kein
Unterhaltsanspruch zu. Nur wenn die Ehe von längerer Dauer war und der Ehegatte sich
aus besonderen Gründen nicht selbst versorgen kann, besteht die Möglicheit eines längeren
oder unbefristeten Unterhaltsanspruchs.
Zur Beibehaltung der getrennten Obsorge: Nach der Scheidung kann nach geltendem Recht
nur ein Elternteil Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder übernehmen. Daran wird
festgehalten. Die freiwillige gemeinsame Obsorge wäre sicher eine logische Konsequenz aus
dem Grundsatz der gemeinsamen Betreuungsverantwortung, also auch der Väter, während
aufrechter Ehe. Doch die Festschreibung im Gesetz ändert noch nicht die tatsächlichen
Verhältnisse. Daher solI die gemeinsame Obsorge gesetzlich erst dann ermöglicht werden,
wenn die derzeitige Inanspruchnahme der Karenz durch Männer die Zahl von 1000, das
sind 0,9 Prozent der Karenzen , bei weitem überschreitet.
Abschließend wird auf die derzeit unerträglich lange Dauer der (streitigen)
Scheidungsverfahren hingewiesen, die viele Betroffene dazu zwingt, auch auf unvorteilhafte
einvernehmliche Lösungen einzusteigen. Neben der Änderung der materiellen
Bestimmungen müssen daher auch Maßnahmen zur schnelleren Abwicklung der Verfahren
eingefordert werden.
Für die Erarbeitung dieses Entschließungsantrages bildete die Studie "Reform des
Eherechts'' von Univ.-Prof. Dr. Monika Gimpel-Hinteregger die fachliche Grundlage.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuß vorgeschlagen.