370/A

 

 

 

 

der Abgeordneten Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der

Fassung von 1929 geändert wird

 

 

 

 

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929

geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 , zuletzt geändert durch BGBl

1996/659 , wird geändert wie folgt:

 

Art 7 Abs 3 lautet:

 

" (3) In Gesetzgebung, Vollziehung und Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes sind

personenbezogene Bezeichnungen geschlechtsneutral oder sowohl männlich al.s auch

weib1ich zu fassen, soferne dies sprachlich und gesetzes- sowie verwaltungstechnisch

vertretbar ist und die Bezeichnungen nicht zwingend nur für ein Geschlecht gelten.

Jedenfalls sind Amtsbezeichnungen, Titel und sonstige personenbezogene Bezeichnungen,

die sich auf konkrete Personen beziehen , in der geschlechtsspezifischen Form zu

verwenden, wenn nicht bereits eine geschlechtsneutrale Form in Verwendung ist. Das

weibliche Korrelat zum Landeshauptmann ist die Landeshauptfrau, zum Bezirkshauptmann

die Bezirkshauptfrau. "

 

Begründung:

 

 

Mit dieser Gesetzesintiative soll die sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau in

Gesetzgebung, Vollziehung und Privatwirtschaftverwaltung des Bundes sichergestellt

werden. Die Sprache ist Spiegel des Bewußtseins. Eine bewußte sprachliche

Gleichbehandlung kann daher zur Gleichberechtigung der Frau in allen jenen Bereichen, wo

sie derzeit unterepräsentiert ist, beitragen.

 

Diese Gesetzesinitiative ergeht im Speziellen in Umsetzung der Empfehlung des

Europarates No. R(90)4 vom 21. Februar 1990 zur Beseitigung von Sexismus in der

Sprache, im Allgemeinen in Umsetzung der UN-Konvention gegen jede Form der

Diskriminierung der Frau, BGBl 1982/443 , und der Deklaration der Vierten

We1tfrauenkonferenz in Peking vom September 1995 , worin sich die Mitgliedstaaten erneut

verpflichtet haben, " alles Erforderliche zu tun , um alle Formen der Diskriminierung von

Frauen und Mädchen zu beseitigen, und alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen , die sich

der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Förderung und Machtgleichstellung der

Frau entgegenstellen ". Mit der Vorherrschaft der männlichen Form in Gesetzestexten und

der Verwaltungssprache wird die Vorherrschaft der Männer in den Bereichen der Politik,

des Öffentlichen Dienstes und der Wirtschaft bekräftigt.

 

Die neue Regelung ist an die Bundesgesetzgebung und die Bundesvollziehung als zwingende

Norm gerichtet und geht dergestalt über den geltenden Art 7 Abs 3 B-VG hinaus, we1cher

nur in Zusammenhang mit konkreten Amtsinhaber/inne/n zur geschlechtspezifischen

Verwendung ihrer Amtsbezeichnung oder ihres Titels berechtigt.

 

Der geltende Art. 7 Abs 3 B-VG, welcher 1988 eingeführt wurde, "erlaubt" die

Verwendung von Amtsbezeichnungen und Titeln in der geschlechtsspezifischen Form:

" Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des

Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. Gleiches gilt für Titel. " Aus

Anlaß einer Beschwerde von zwei Absolventinnen der Universität Wien, die die Verleihung

des akademischen Titels der "Magistra" "einklagten" , meinte der Verfassungsgerichtshof,

daß in der Verwendung männ1icher Formen für Frauen keine Gleichheitsverletzung (Art 7

Abs 1 und 2) liege. Jedoch berechtige Art 7 Abs 3 Personen, " Amtsbezeichnungen bzw.

Titel in der Form zu verwenden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der

Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. " (VfGH vom 19. März 1993 , B 541/92-18 und B

1321/92-12). Dies zeigt eindeutig, daß der jüngste populäre Fall, die Landeshauptfrau von

Steiermark, sich zu Recht so nennen und angesprochen werden darf. Gleichwohl meinen es

einige besser zu wissen, was zu einer Verunsicherung der Amtsinhaberin und folgender

Aussage geführt hat: "Nennen Sie mich einfach Frau Klasnic! " .

 

Der Gesetzesentwurf sieht aus zwei Gründen eine Ausformulierung der weiblichen Form

zum Landeshauptmann vor: Einerseits aus Anlaß der falschen Behauptungen, daß eine

weibliche Form nicht verwendet werden dürfe, andererseits um von Verfassungs wegen aus

den mög1ichen Feminisierungsformen (zB zur Alternative Landeshauptmännin wie

Landsmännin) eine bundeseinheitliche Form vorzugeben. Letzteres gilt auch für die

Nennung der Bezirkshauptfrau. (Aufgrund § 8 Abs 5 lit b Überleitungsgesetz 1920 gehören

die Bezirksverwaltungsbehörden zu den bundesverfassungsgesetzlich vorgegebenen

 

nachgeordneten Landesbehörden. Landeshauptleute und Bezirkshauptleute vollziehen ua.

mittelbar Bundesgesetze.) Typischerweise bildet die Bildung der femininen Form keine

Probleme (Bundespräsidentin , Bundeskanzlerin , Ministerin usw.) , daher konnte ansonsten

eine verfassungsgesetzliche Vorgabe unterbleiben.

 

Schon bisher hat es zahlreiche Bemühungen gegeben , die sprachliche Gleichbehandlung von

Mann und Frau in der Gesetzgebung und im Vol1zug zu fördern. Im Jahre 1981 beschloß

der Ministerat eine Reihe von Maßnahmen zur sprachlichen G1eichbehandlung in diesen

Bereichen (siehe Vortrag an den Ministerrat GZ 602 549/1-V/2/81). Die legistischen

Richtlinien 1990 des Bundeskanzleramtes tragen die sprachliche Gleichbehandlung in Punkt

10 auf. Aus den einschlägigen Studien seien die "Linguistischen Empfehlunge(n) zur

sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann im öffent1ichen Bereich

(Berufsbezeichnungen, Titel, Anredeformen , Funktionsbezeichnungen,

Ste1lenausschreibungen) " von Ruth Wodak, Gert Feistritzer, Sylvia Moosmüller und Ursula

Doleschal, hrg. in der Schriftenreihe zur sozialen und beruflichen Stellung der Frau,

16/ 1987, erwähnt. Der Gesetzgeber reagierte zB auch auf das Magistra-Erkenntis des

Verfassungsgerichtshofes. Seit der Novellierung des Allgemeinen Hochschul-

Studiengesetzes, BGBl 1993/523 , sind Absolventinnen die akademischen Grade in

weiblicher Form zu verleihen (§ 34 Abs 6). In einer Reihe von Gesetzen wird die

sprachliche Gleichbehandlung beachtet. Allerdings erfolgt oft ein Rückgriff auf eine

Generalklausel der Art, daß mit den männlichen Formen auch die Frauen gemeint seien.

Nur wenige Gesetze verwenden eine lückenlose Ausformulierung der personenbezogenen

Bezeichungen für a1le Normadressat/inn/en wie das Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz.

Es erscheint daher notwendig, daß auch dem Gesetzgeber ein zwingender

Gleichbehandlungsauftrag erteilt wird.

 

Dieser Gesetzesentwurf sieht allerdings selbst zwei Arten von Relativierungen vor, und

zwar die gesetzes- und verwaltungstechnische sowie die sprachliche Relativierung. Unter

einer gesetzestechnischen Einschränkung ist ua zu verstehen, daß natürlich bei einer b1oßen

Teilnovelle eine (echte) sprachliche Gleichbehandlung keinen Sinn macht.

Verwaltungstechnisch ist etwa zu berücksichtigen, in welchen Zeitabständen neue

Formulare gedruckt werden. Aufgrund dieser Art der Einschränkung mußte daher für diese

B-VG Novelle keine Legisv akanz vorgesehen werden. In sprachlicher Hinsicht stößt die

sprachliche Gleichbehandlung mitunter bei zusammengesetzten Hauptwörtern auf ihre

Grenzen (zB Bürger/innen/beteiligung).

 

Es wäre wünschenswert, daß die Länder eine analoge Regelung zu Art 7 Abs 3 B-VG in

den Landesverfassungen vorsehen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gleichbehandlungsausschuß vorgeschlagen

sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.