388/A XX.GP
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr.Volker Kier, Schaffenrath, Haselsteiner, Motter und PartnerInnen
betreffend Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes
In jüngster Zeit wurde die Öffentlichkeit mit unterschiedlichen Arbeitsmarktstudien.
Umverteilungsberichten und Forschungsergebnissen zum Thema Armut konfrontiert, die das
folgende Bild zeichnen: Neu entstandene Armutsrisiken, erschwerte Arbeitsmarktzugänge für
Behinderte, Minderqualifizierte, Wiedereinsteigerinnen, Alleinerziehende, Jugendliche,
Langzeit-Arbeitslose sowie eine Verschiebung der Armutsbetroffenheit weg von den
traditionellen "Randgruppen" hin in den Nahebereich des sogenannten prekären Wohlstands.
Zugleich erweisen sich die bestehenden staatlichen Wohlfahrtsverwaltungen aufgrund ihrer
internen Organisation. aber auch aufgrund ökonomischer Sparmaßnahmen überfordert. mit
den veränderten Risikoverteilungen und den neuen Strukturen der Armut fertig zuwerden.
Durch Scham, Statusängste und eine populistisch angeheizte Ausgrenzungsdebatte
("Sozialschmarotzertum") nimmt die Quote derer zu. die die Mindestleistungen aus
öffentlicher Hand nicht in Anspruch nehmen.
Im Zusammenhang mit dieser kritischen sozialen Entwicklung läuft, in anderen Staaten der
EU oder OECD intensiver als bei uns, eine Debatte über die Möglichkeiten, die die
Einführung einer staatlich garantierten Grundsicherung bietet. Zwar ist der Diskussionsprozeß
über die Chancen, Risiken und Grenzen einer Grundsicherung noch nicht abgeschlossen,
allerdings läßt sich als ein breit konsensuales Ergebnis, auch von wissenschaftlicher Seite.
bereits jetzt festhalten, daß die Trennung von Erwerbseinkommen und
Arbeitsersatzeinkommen bzw, Sozialversicherungsleistungen eine wichtige Voraussetzung für
eine monetäre Mindestsicherung darstellt.
Zuletzt äußerte sich die Zweite Österreichische Armutskonferenz, die am 20./21. Jänner 1997
in Salzburg stattfand, in ihrem Forderungskatalog zum Thema Grundsicherung, indem sie als
einen ersten Schritt die bundeseinheitliche Regelung der Sozialhilfe verlangt. Die
gegenwärtige sozialpolitische Entwicklung in Österreich weist indes in die umgekehrte
Richtung: Niedrig Einkommen führen zu niedrigen Arbeitsersatzeinkommen (wie
Arbeitslosengeld oder Pension) und werden durch die Sozialhilfe der Länder äußerst
uneinheitlich aufgestockt - dies betrifft sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die
Höhe der Sozialhilfe in den einzelnen Bundesländern.
So besteht beispielsweise bei den Sozialhilferichtsätzen für Hauptunterstützte eine
Schwankungsbreite in den einzelnen Bundesländern zwischen 3.715 Schilling (Salzburg) und
5.460 Schilling (Oberösterreich). Bei den Zusatzleistungen werden z.B. in Tirol die
Wohnkosten in der Höhe des tatsächlichen Aufwandes, in der Steiermark hingegen in Höhe
des vertretbaren Aufwandes übernommen, während Kärnten für die Wohnkostenerstattung
Obergrenzen bestimmt und Salzburg einen Teil der Kosten aus der "Hilfe für besondere
Lebenslagen" bestreitet. Schließlich bestehen markante Ungleichheiten, was die Gewährung
von Sozialhilfe in Ergänzung zum Arbeitslosengeldbezug betrifft. In einigen Bezirken Nieder-
und Oberösterreichs sowie der Steiermark werden sogar grundsätzlich keine
Sozialhilfeleistungen gewährt, wenn ein Arbeitslosengeldbezug vorliegt.
Für einen Umbau der Sozialhilfesysteme in Richtung einer Grundsicherung scheint daher die
Schaffung eines Bundesgrundsatzgesetzes mit bundesweit einheitlichen Mindeststandards
geboten. Diese Mindeststandards sollten v.a. folgende Elemente umfassen:
* Vorgabe einheitlicher Richtsätze, die eine regionale Differenzierung von
Lebenshaltungsniveaus verhindern und eine klare Regelung im Hinblick auf die
Richtsatzvorschreibung vorsehen.
* Festschreibung des Umfangs der Leistungen, auf die unbedingt ein Rechtsanspruch
besteht:
* Schaffung eines gleichförmigen Zugangs zum Recht (z.B. Antragsbindung,
Amtswegigkeit, Weitergewährung von Hilfe, Sanktionen)
* Festlegung eines regulär monatlichen Bezugszeitraums
* Vorgaben für die Pauschalierung von Leistungen in Form von pauschalierten
Mehrbedarfszuschlägen je nach Haushaltsgröße und Bedarfslage
* Bestimmungen über Erfordernis und Zumutbarkeit des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft
( kein Zwang zu atypischer, nachhaltig dequalifizierender Arbeit)
* Beschränkung der Verwertbarkeit von Vermögen und die Festlegung von Schonvermögen
* Beschränkung des Regresses bei lautendem Bezug in der offenen Sozialhilfe
Es ist den unterzeichneten Abgeordneten bewußt, daß die Schaffung des solchen
Bundesgrundsatzgesetzes eine Änderung der derzeit geltenden Kompetenzregelung in der
Bundesverfassung bedeutet. Da jedoch ein bundeseinheitliches Sozialhilfegesetz eine wichtige
und dringende Voraussetzung für die Sicherung sozialer Grundrechte jedes Menschen in
diesem Land darstellt und für den Erhalt des sozialen Friedens unabdingbar erscheint.
stellen die unterfertigten Abgeordneten
folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit. Soziales und
Gesundheit, wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 30. November 1997 einen Entwurf für ein
Bundessozialhilfegesetz unter Berücksichtigung
* einheitlicher Richtsätze. die eine regionale Differenzierung von Lebenshaltungsniveaus
verhindern.
* einer Festschreibung des Umfangs der Leistungen. auf welche ein Rechtsanspruch besteht.
* des gleichförmigen Zugangs zum Recht
* von Vorgaben für die Pauschalierung von Leistungen
* von Bestimmungen über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft
* von Beschränkungen der Verwertbarkeit von Vermögen und der Festlegung von
Schonvermögen
* einer Beschränkung des Regresses
vorzulegen...
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuß für Arbeit und Soziales beantragt.