39/AE
der Abgeordneten Wabl, Petrovic, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Bundesgesetz zur Förderung des Tierschutzes im Bereich der
landwirtschaftichen Nutztierhaltung (Tierschutzförderungsgesetz)
Tierschutz in der Nutztierhaltung ist als Kulturfortschritt zu sehen , der für die Produzenten
oft Mehrkosten verursacht. Solange diese Mehrkosten nicht gesetzlich geregelt durch die
Allgemeinheit getragen werden , führt ein der Landwirtschaft aufgezwungenes
Tierschutzgesetz, das über die EU-Standards hinausgeht, die Landwirte in den Ruin, womit
auch den Tieren nicht geholfen wäre, weil die Produkte sonst aus den ausländischen
Intensivbetrieben kämen. Auch könnte ein soches ''diskriminierendes'' Tierschutzgesetz auf
Grund der Binnenmarktregelungen erfogreich beim Europäischen Gerichtshof angefochten
werden.
Auch im EU-Maßstab keinere Betriebe sind heute wirtschaftlich dazu gezwungen , die
verfahrenstechischen Möglichkeiten der Intensivtierhaltung voll zu nutzen. Nutztiere werden
dabei oft weitgehend in ihren Eigenrechten nach Unversehrtheit, Gesundheit und artgemäßem
Lebensvollzug beschnitten.
Im vorliegenden Antrag soll der Gesetzgeber die öffentiche Hand dazu verpflichten, alle
möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einsicht in die Notwendigkeit des Tierschutzes
zu vermehren, die Entwicklung tiergerechter Haltungssysteme voranzutreiben, die
Nachfrage nach tiergerecht erzeugten Produkten zu fördern, durch klare
Deklarationsvorschriften mit ausreichender Kontrolle das Angebot entsprechend zu
kategorisieren, die freiwillige Umstellung der Betriebe auf tiergerechte Hatung so zu
fördern, daß den Bauern daraus keine wirtschaftlichen Nachteile erwachsen, und
insbesondere eine entsprechende Vorbildwirkung im Bereich des eigenen
Beschaffungswesens (Spitäler, öffentliche Küchen, Internate, Altersheime, Kasernen etc.)
durch Verwendung tierischer Erzeugnisse aus tiergerechter Haltung mit entsprechender
Öffenltichkeitsarbeit zu entwicken. Zur Durchführung und Kontrolle des genannten
Gesetzes soll eine ständige Kommission beim Bundeskanzleramt eingerichtet werden
(Tierschutzförderungskommission).
Der Fortschritt im Tierschutz muß vordringich durch "Einsichtsethik'' auf freiwilliger Basis
der zur Einsicht gelangten BürgerInnen angestrebt werden. Nur ein solcher Kulturfortschritt
wird auch wirkich von den Menschen getragen und in eigenes verantwortetes Handeln
umgesetzt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Sinne der nachfolgenden Grundsätze, Ziele und
Instrumente dem Nationalrat den Entwurf für ein Bundesgesetz zur Förderung des
Tierschutzes im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung
(Tierschutzförderungsgesetz) vorzulegen, der auch die Novellierung der einschlägigen
Materiengesetze beinhaltet.
1. GRUNDSÄTZE
. . Nutztiere sind leidensfähige Mitgeschöpfe mit Eigenrechten.
.2. Die Eigenrechte der Nutztiere beziehen sich auf Unversehrtheit, Gesundheit und
möglichst artgemäßen Lebensvollzug.
.3. Aus Einsicht in die Grundrechte und die Leidensfähigkeit der Tiere sind das Wissen
darum und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Umgang mit den Tieren
durch den Bund, die Länder und die Gemeinden in einem Ausmaß zu fördern, daß ein
stetiger ethischer Fortschritt in der Beziehung des Menschen zu den von ihm genutzten
Tieren gewährleistet ist. Dieser Fortschritt ergibt sich einerseits aus einem
zunehmenden Wissen um die Bedürfnisse der Tiere und andererseits aus dem
vermehrten Umsetzen dieses Wissens im gesamten Feld der Tierhaltungspraxis.
2. FÖRDERUNGSBEREICHE
2.1. Erziehung, Bildung, Forschung und Entwicklung
2. . . Der Bund hat dafür Sorge zu tragen bzw. in geeigneter Form zu veranlassen, daß
innerhalb von drei Jahren ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes unter
Berücksichtigung des Wissensstandes der wissenschaftlichen Nutztierethik,
Verhaltensforschung, Veterinärmedizin und Tierhaltungstechnik
a) für das öffentliche Aus- und Fortbildungs-, Schul und Hochschulwesen im
Kompetenzbereich des Bundes für die einschlägigen Fächer Biologie, insbesondere
Zoologie, Umweltkunde, Land-, Haus- und Ernährungswirtschaft, sowie
Sozialkunde und Ethik Ausbildungs-, Lehr- und Studienpläne sowie entsprechende
Lehrmittel und Unterrichtsbehelfe zu allen Bereichen des Tierschutzes in der
Nutztierhaltung bereitgestellt und deren Einsatz im Unterricht vorgeschrieben
werden;
b) ausreichende Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrer und Berater eingerichtet und
die verbindliche Teilnahme an einschlägigen Forbildungseinrichtungen in
zweckentsprechenden Zeitabschnitten vorgeschrieben werden;
c) mit den Bundesländern Vereinbarungen getroffen werden, wonach die in Pkt.2.1.1
a) und b) angeführten Prinzipien und Verpflichtungen durch die Bundesländer auch
in deren Kompetenzbereichen des allgemeinen Pflichtschulwesen und des land- und
hauswirtschaftliche Schulwesen sinngemäß und im vergleichbaren Zeitraum
verwirklicht werden;
d) die öffentlichen, halböffentlichen und privaten Träger der Erwachsenenbildung,
dahingehend gefördert werden, daß Tierschutz in der Nutztierhaltung zu einem
ständigen Thema ihrer Arbeit gemacht wird.
2.1.2. Für eine verstärkte Forschung auf den Gebieten der Nutztierethik, der angewandten
Nutztierethologie und der Nutztierhaltung sind entsprechende Einrichtungen auf den
einschlägigen Universitäten, Fachhochschulen und Bundesanstalten zu schaffen, bzw.
bestehende Einrichtungen auszubauen und zu erweitern und mit ausreichenden
strukturellen, personellen und fmanziellen Mitteln für eine effiziente Forschung
auszustatten.
2.1.3. Für die Prüfung von in Verkehr gebrachten Aufstallungs- und Tierhaltungssystemen auf
Tiergerechtheit ist innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes
eine Prüfstelle an einer im Pkt.2. .2. genannten Institution einzurichten, entsprechend
auszustatten und mit dem Recht zu versehen, ein staatlich anerkanntes Prüfzeichen über
die Tiergerechtheit der geprüften Systeme zu vergeben.
2.2. Deklaration von tierischen Erzeugnissen nach Tiergerechtheit und
Absatzförderung
2.2.1. Der Bund hat dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten
dieses Bundesgesetzes rechtliche Voraussetzungen für eine klare und eindeutige
Deklaration tierischer Erzeugnisse nach der Art der Tierhaltung geschaffen werden.
2.2.2. Für die Qualifizierung der Tierhaltung nach Tiergerechtheit sind folgende
Haltungskategorien einzuführen:
a) U = Unkontrolliert
b) K = Konventionell, Kontrolliert
c) TS = Tierschonend (erhöhtes Anforderungsprofil an Bewegungsmöglichkeit,
Platzangebot, Bodenbeschaffenheit und Strukturiertheit der Buchten)
d) TG = Tiergerecht (wie TS, zusätzlich alle Tiere in Laufstall- und Gruppenhaltung mit
Auslauf ins Freie).
2.2.3. Die Anforderungen an die Mindestbedingungen, die den Kategorien TS und TG gemäß
Pkt.2.2.2. lit. c) und d) zugrundeliegen, sowie die Art der Kontrolle im Sinne eines
Qualitätssicherungssystems gemäß ISO 9000, sind durch die Agrar Markt Austria unter
Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verhaltensforschung und Tierhaltungstechnik
festzulegen. Für die Festlegung ist mit der Tierschutzförderungskommission gemäß
Pkt. 3. . Einvernehmen herzustellen.
2.2.4. Direkte oder indirekte Angaben auf den Produkten tierischer Herkunft über die Art der
Tierhaltung sind nur dann zu erlauben, wenn sie den Anforderungen gemäß Pkt.2.2. .
und 2.2.2. entsprechen (Konsumentenschutz).
2.2.5. Der Bund schafft innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes
die rechtlichen und auf die Dauer von zehn Jahren die finanziellen Voraussetzungen
dafür, daß die Nachfrage nach Produkten aus tierschonender oder tiergerechter
Erzeugung dem Angebot entspricht und jährlich um mindestens 7 % steigt.
2.3. Tierschutzfiirderungsbericht und Tierschutzpreis
2.3.1. Jährlich ist von der Tierschutzförderungskommission (Pkt. 3.1.2.) ein umfassender
Bericht zu legen über die Lage der Tierschutzförderung in der Nutztierhaltung und über
die Fot.tschritte im Tierschutz, die durch dieses Bundesgesetz bewirkt werden.
2.3.2. Der Bund vergibt jährlich einen Tierschutzpreis für vorbildliche Leistungen auf dem
Gebiet der tiergerechten Nutztierhaltung und veröffentlicht die ausgezeichneten
Projekte.
2.4. Umstellungsförderung
2.4.1 Durch entsprechende Förderungsrichtlinien und und ausreichende lnvestitionsbeihilfen
wird/werden
a) die Umstellung der Tierhaltungen in der landwirtschaftlichen Praxis auf
tierschonende oder tiergerechte Haltungsverfahren gefördert, wobei für
tiergerechte Haltungsverfahren ei.n doppelt so hohes Förderungsvolumen pro
Betrieb vorzusehen ist wie für tierschonende;
b) mindestens 66 % der für bauliche Investitionen im landwirtschaftlichen
Tierhaltungsbereich vorgesehenen jährlichen Förderungsaufwendungen für eine
Förderung gemäß Pkt. 2.4.1 .lit.a) eingesetzt, falls genügend Anträge zur
Ausschöpfung dieses Anteiles vorliegen;
c) auf die Dauer von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes
Tierhaltungsbetriebe, die auf eine tierschonende oder tiergerechte Haltung
umstellen und sich als Probebetriebe zur Verfügung stellen, derart gefördert, daß
ihnen aus dieser Haltung keine Wettbewerbsnachteile erwachsen;
d) die dabei offenen betriebswirtschaftlichen und markttechnischen Fragen,
insbesonders im Hinblick auf eine Empfehlung für ein bundeseinheitliches Verbot
bestimmter Intensivhaltungsmethoden, wissenschaftlich einwandfrei so abgeklärt,
daß nach Ablauf von drei Jahren nach dem Beginn dieser Förderung gesicherte
Ergebnisse darüber vorliegen, welche Haltungsmethoden Kostenerhöhungen mit
sich bringen und in welchem Ausmaß;
e) alle erforderlichen und im Rahmen der Bundesvet.waltung möglichen Maßnahmen
ergriffen, um den Absatz der Produkte aus den Probebetrieben durch ausreichende
Käuferakzeptanz so zu fördern, daß ein bestmögliches Ergebnis der in 2.4. 1.lit.d
angeführten Erhebung im Hinblick auf ein Verbot bestimmter
Intensivhaltungsverfahren erreicht werden kann.
2.4.2. Nach Ablauf der fünfjährigen Probezeit gemäß Pkt.2.4.1 .lit.c sind die rechtlichen
Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Betrieben, die gemäß Pkt.2.4.1lit.d
nachgewiesenen Mehrkosten für eine tierschonende oder tiergerechte Erzeugung - falls
sie ihre Produkte nicht kostendeckend am Markt absetzen können - durch den Bund
abgegolten werden, wobei den Betrieben hierzu ein Rechtsanspruch einzuräumen ist.
2.5. Förderung des Tierschutzes im eigenen Beschaffungswesen des Bundes und im
Wirkungsbereich des Bundes as Träger von Privatrechten.
2.5.1. Der Bund verwendet im eigenen Wirkungsberich des öffentlichen Beschaffungswesens
möglichst umgehend, spätestens jedoch ab dem Ablauf der fünfjährigen Probezeit nur
noch tierische Produkte. die aus kontrollierter Haltung im Sinne dieses Bundesgesetzes
stammen;
2.5.2. Der Bund hat durch entsprechende Auflagen und Förderungsbedingungen umgehend
dafür Sorge zu tragen, daß die Länder und alle sonstigen Träger, die in den Genuß von
Bundesförderungen für das Beschaffungswesen von Nahrungsmitteln kommen,
vertraglich verpflichtet werden, die im Pkt.2.5.1 genannten Verpflichtungen zur
Förderung des Tierschutzes einzuhalten.
2.5.3. Die landwirtschaftlichen Tierhaltungen des Bundes oder von Bundeseinrichtungen
(Bund als Träger von Privatrechten, mehrheitliche Bundesbeteiligungen), bzw. von
Trägern, die maßgeblich von der öffentlichen Hand mitfmanziert werden, insbesondere
diejenigen der höheren landwirtschaftlichen Bundesschulen, der Universitäten, der
Bundesanstalten und Bundesversuchswirtschaften, der Landwirtschaftskammern und
des Genossenschaftswesens, soweit diese vom Bund mitfinanziert werden, sind
möglichst rasch, längstens jedoch bis l0 Jahre nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes
auf eine tierschonende, vorzugsweise auf eine tiergerechte Haltung umzustellen.
2.5.4. Die gemäß Pkt.2.5.3. umgestellten Tierhaltungen sind der Öffentlichkeit zwecks
Schulung und Information zu Fragen des praktischen Tierschutzes zugänglich zu
machen, soweit dies vom Verwendungszweck der Tierhaltungen her zumutbar ist.
3. DURCHFÜHRUNG
3.1. Tierschutzförderungskommission
3.1.1 . Beim Bundeskanzleramt ist eine ständige Kommission zu Fragen der
Tierschutzförderung einzurichten (Tierschutzförderungskommission).
3.1.2. Die Tierschutzförderungskommission hat folgende Aufgaben:
a) Die Erstellung des Tierschutzförderungsberichtes
b) die Abwicklung des Tierschutzpreises
c) die Mitwirkung bei der Erstellung von Ausführungsgesetzen, Verordnungen,
Vereinbarungen, Verträgen, Anforderungsprofilen und Förderungsrichtlinien für
die Durchführung dieses Bundesgesetzes;
d) die Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen
3.1.3. Die Tierschutzförderungskommission besteht aus dreizehn Mitgliedern:
a) Sechs Vertreter der Ministerien: je einer des Bundeskanzleramtes, der
Bundesministerien für Finanzen, für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, für
Wissenschaft, Forschung und Kunst, für Land- und Forstwirtschaft und für Gesundheit
und Konsumentenschutz sowie des Bundesministeriums für Umwelt;
b) drei Vertreter aus dem Bereich der wissenschaftlichen Nutztierethologie, der
Tierhaltungstechnik und des Tierschutzes;
c) ein Vertreter der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern;
d) zwei Vet.treter von Tierschutzvereinen.
3.1.4. Den Vorsitz in der Kommission führt der Vertreter des Bundeskanzleramtes. Er führt
die Geschäfte der Kommission und ist für die fristgerechte Erledigung der Aufgaben
der Kommission verantwortlich.
3.1.5. Die Tierschutzförderungskommission gibt sich selbst eine Geschäftsordnung, beschließt
mit einfacher Stimmenmehrheit und ist in Angelegenheiten ihres Aufgabenbereiches
gemäß diesem Bundesgesetz weisungsfrei.
3.1.6. Die Tierschutzförderungskommission wird durch ein Sekretariat beim
Bundeskanzleramt unterstützt.
3.2. Vollzug .
3.2.1. Durch Änderung des Bundesministeriengesetzes ist dem Bundeskanzleramt eine
Kompetenz zur Koordinierung aller Verpflichtungen des Bundes gemäß diesem
Bundesgesetz einzuräumen.
3.2.2. Die Vollziehung dieses Bundesgesetzes obliegt den sachlich jeweils zuständigen
Ministerien. Bei fachübergreifenden Angelegenheiten haben die jeweiligen Ministerien
zusammenzuarbeiten, wobei diese Arbeit vom Bundeskanzleramt federführend
koordiniert wird.
3.3. Finanzierung
3.3.1. Die Finanzierung für die dem Bund aus diesem Bundesgesetz erwachsenden laufenden
Verpflichtungen zur Förderung des Tierschutzes erfolgt auf zwei Wegen:
a) Der Handel hat für alle tierischen Produkte ohne Deklaration der Tierhaltung, die
demnach aus einer unkontrollierten Tierhaltung stammen, eine Abgabe in der Höhe von
5 % des Verkaufspreises zu leisten. Die Einnahmen des Bundes aus diesem Titel sind
zweckgebunden im Sinne dieses Bundesgesetzes zu verwenden.
b) Von sämtlichen direkten und indirekten öffentlichen Förderungen des Bundes im
Bereich der Bildung und Erziehung, der Kultur und der Landwirtschaft sind im
Haushaltsplan des Bundes jeweils 5 % für die Verpflichtungen aus diesem
Bundesgesetz umzuwidmen.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft
vorgeschlagen.