686/AE XX.GP

 

der Abgeordneten Volker Kier, Hans Peter Haselsteiner, Helmut Peter , Klara Motter und

PartnerInnen

beteffend Reparatur der Sozialversicherungspflicht für "Freie Dienstverträge" und ..Neue

Selbständige"

Gegen Ende dieses Jahrhunderts sind die bisher scheinbar so festgefügten Strukturen der

Arbeitswelt zunehmend im Wandel begriffen. Das unbefristete Vollarbeitsverhältnis, die fixe

Bindung der ArbeitnehmerInnen an einen Arbeitsplatz, die klare arbeitsrechtliche und wirtschaft -

liche Eingliederung in das betriebliche Gefüge lösen sich auf. An deren Stelle treten neue Formen

der Arbeit - die berufständischen Grenzen zwischen Unselbständigkeit und Unternehmertum

zerfließen. In Zukunft werden in großem Ausmaß vorübergehende oder flexible Beschäftigungen

nachgefragt werden. die Erwerbseinkünfte werden aus vielfältigen und individuell kombinierba -

ren Arbeitsverhältnissen zusammengesetzt sein.

Diese weltweit unstrittige Entwicklung wird zur Zeit sowohl auf internationaler wie auf euro -

päischer Ebene intensiv diskutiert. Dabei geht es auch um die Frage, wie durch eine Reform der

sozialen Sicherungssysteme den geänderten Arbeitsbedingungen Rechnung getragen werden

kann. Im Hintergrund steht dabei die vorrangige Aufgabe, die europaweit beobachtbare Krise des

Sozialstaats zu überwinden. Unter den Mitgliedsländern der Europäischen Union haben in den

vergangenen Jahren insbesondere Skandinavien und die Niederlande vorgeführt, wie sich eine

ganze Nation im Konsens von ihrem überbordenden Versorgungsstaat behutsam trennen kann,

ohne daß dabei der Anspruch, soziale Sicherheit allen BürgerInnen zu garantieren, aufgegeben

worden wäre.

In Österreich hingegen hat die Bundesregierung spätestens seit Beschluß des ersten Sparpakets

1995 einen ‚Sanierungsweg beschritten, auf dem neben einer breitgefächerten Kürzung beste -

hender Sozialtransfers (Karenz. Pflegegeld, Arbeitslosengeld) vor allem einnahmenseitige

Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung angestrebt wurden. Im Gegensatz zu den erwähnten

Reformländern der EU, die eine Sanierung des Staatshaushaltes durch eine Flexibilisierung der

Wirtschaft sowie einen Umbau des Sozialsystems durch einen Paradigmenwechsel in der Finan -

zierung insgesamt bewerkstelligten beharren in Österreich Regierung und Sozialpartner auf dem

fundamentalen Irrtum, daß die sozialen Leistungen vornehmlich durch einkommensabhängige

Beiträge aufgebracht werden und daß das bisherige System, das auf berutständischen Grundlagen

beruht, aufrecht erhalten werden muß, obwohl diese Grundlagen seit langem überholt sind.

Als folgenschwerstes Beispiel dieser strukturkonservativen Sozial -  und Wirtschaftspolitik und der

daraus resultiernden systematischen Fehlkonzeptionen ist die Art und Weise zu bezeichnen, wie

die Koalitionsregierung versucht, die bestehenden Einrichtungen des Sozialversicherungswesens

möglichst unreformiert zu lassen und trotzdem alle Erwerbseinkommen der Sozialversicherungs-

pflicht zu unterwerfen. Statt sich auf den Wesenskern der Pflichtversicherung zu konzentrieren

beharrt die Koalition darauf, alle irgendwie erfaßbaren Menschen - koste es, was es wolle - in eine

der bestehenden Sozialversicherungen hineinzuzwingen. Innerhalb der letzten beiden Jahre waren

nicht weniger als vier Reparaturversuche - nicht zuletzt aufgrund einer Teilaufhebung durch den

Verfassungsgerichtshof - notwendig um die von Opposition und Fachwelt von Beginn an geäu -

ßerten schwerwiegenden Bedenken hinsichtlich Gleichheitswidrigkeit und die unbrauchbare

rechtliche Umsetzung wenigstens teilweise zu reparieren.

A. VERFASSUNGSRECHTLICHE BEDENKEN HINSICHTLICH GLEICHHEITS -

WIDRIGKEIT, VERTRAUENSSCHUTZ UND EIGENTUMSGARANTIE

Mit der jüngsten Novellierung, die am 1. Jänner 1998 in Kraft getreten ist, hat die Regierung

einen Entwurf vorgelegt, der erstmals nach dem Scheitern der Werkvertragsregelung eine

gewisse systematische Konsequenz zu verfolgen sucht. So erfolgt die Einbeziehung der nicht

gewerblich Selbständigen, annäherungsweise mit dem vormals ,.dienstnehmerähnlichen Werkver -

trag" analog zu setzen, nun in das GSVG. Trotzdem fehlt auch in der jetzt geltenden Fassung

jedes Element, das eine zukunftorientierte Lösung auch nur andeutete, und es werden jene alten

Fehler wiederholt die bereits einmal zur Verfassungswidrigkeit der Werkvertragsregelung

geführt haben:

Verfassungswidrigkeiten hinsichtlich der Bestimmungen über die Versicherungspflicht:

• Eine angestellte (ASVG-pflichtige) Sekretärin, die nebenbei selbständig Schreibarbeiten

durchführt, ist bereits ab einem zusätzlichen Monatsverdienst von 3.830 Schilling nochmals

und zwar im GSVG. sozialversicherungspflichtig; arbeitet jedoch dieselbe Person ausschließ -

lich selbständig für Schreibtätigkeiten, hat sie erst ab 7.400.- Schilling Sozialversicherung

(GSVG) zu zahlen.

• Im Bereich der "neuen Selbständigen" (§ 2 Abs.4 GSVG) gelten drei (!) verschiedene Grenz -

beträge für die Sozialversicherungs -  Pflichtigkeit:

Bei einer ausschließlich "neuen" selbständigen Tätigkeit gibt es eine Geringfügigkeits -

grenze von S 7.400 monatlich, welche gleichzeitig den Charakter einer Mindestbei -

tragsgrundlage hat ("Opting in").

2. Wenn eine Neue Selbständigkeit neben ein Dienstverhältnis (ASVG oder Beamte)

hinzutritt, beträgt die Geringfügigkeitgrenze S 3.830.

3. Bei Einkommen aus gewerblicher Tätigkeit plus "neuen" selbständigen Beschäftigun -

gen beträgt die Mindestbeitragsgrundlage S 13.761.

Solche Bestimmungen sind weder in sich schlüssig noch entsprechen sie dem Gleichheitssatz.

Verfassungswidrigkeit hinsichtlich der Beitragshöhe:

. Jene selbständigen Gruppen, die auch nach der letzten Novellierung im ASVG verblieben sind

(ab 1.1.2000 bloß bereits tätige Hebammen, Musiker, Lehrer etc.). haben in der Pensionsversi -

cherung den vollen Beitragssatz von 22.8% zu entrichten, die "alten“ Selbständigen einen

Beitragssatz von 14.5% und die neuen Selbständigen von 15% (wobei dieser Satz in den

kommenden Jahren schrittweise auf 20.25% angehoben wird!). Die Freiberufler (FSVG -

Versicherte) schließlich haben in ihrer Pensionsversicherung eine Beitragslast von weiterhin

20% zu tragen. Obwohl die Belastung für Freiberufler und neue Selbständige deutlich höher

ausfallen dürfte, unterstützt der Bund nur die "alten" Selbständigen (traditionell gewerblich

Selbständige) aus dem Steuertopf durch eine Verdopplung des Beitragsvolumens. Diese voll -

kommen unterschiedlichen Beitragssätze begründen eine verfassungsrechtliche Gleichheits -

widrigkeit.

Weiters werden nunmehr (ältere) Personen für eine beispielsweise schriftstellerische Tätigkeit

zur Pflichtversicherung herangezogen, für die sie zuvor nicht pflichtig waren: hier müssen

Beitragsleistungen erbracht werden, ohne einen künftigen Pensionsanpruch zu bewirken.

Diese eingezahlten Beiträge bleiben nämlich vollkommen wirkungslos, falls nicht eine

Mindestbeitragszeit von 15 Jahren (180 Monate) erreicht wird. In solchen Fällen wird diese

Personengruppe vergeblich zur Kasse gebeten, was enteignenden und somit verfassungs -

widrigen Charakter hat und im übrigen der VfGH seit Jahrzehnten in ständiger Judikatur als

verfassungswidrig feststellt.

Mangels Harmonisierung der Pensionssysteme entsteht der merkwürdige Umstand, daß

Beamte eine zweite Alterspension erhalten können. Dabei tröstet wenig, daß bei nicht ausrei -

chenden Versicherungsmonaten (unter 180 Monate = 15 Jahre) die eingezahlten Beiträge

völlig wirkungslos von den Pensionsversicherungsanstalten lukriert werden, wodurch ein

verfassunuswidriger Effekt entsteht.

Verfassungswidrigkeiten hinsichtlich geringfügiger Beschäftigung:

Dienstgeber - ab einer Lohnsumme von S 5.745 - müssen für die bei ihnen geringfügig

Beschäftigten in jedem Fall den Arbeitgeberbeitrag bezahlen, ohne daß dem Dienstnehmer

dadurch ein Versicherungsanspruch entsteht. Das Motiv der Regierung, dadurch geringfügige

Beschäftigungen zu verteuern (und nebenbei den Sozialversicherungsträgern Einnahmen zu

verschaffen, für die diese keine Gegenleistungen bringen müssen), zielt offenbar darauf ab,

geringfügig Beschäftigungsverhältnisse überhaupt zu verhindern, - in der trügerischen

hoffnung, damit positive arbeitsmarktpolitische Effekte zu erzielen. Nebenbei widerspricht

diese Vorgangsweise dem Sozialversicherungsprinzip. Nach diesem Prinzip muß zwischen der

Zahlung von Beiträgen und dem Anspruch auf Versicherungsleistungen durchgängig ein

Zusammenhang bestehen, wie auch der VfGH bereits vor geraumer Zeit in einem Erkenntnis

festgestellt hat. Dieser sogenannte pauschalierte Dienstgeberbeitrag ist somit eindeutig

vertassungswidrig, da ihm keine zuordenbaren Gegenleistungen gegenüberstehen.

• Der Dienstgeberbeitrag bedeutet vom wirtschaftlichen Standpunkt jedenfalls eine Erhöhung

der Lohnkosten auf Unternehmerseite und könnte somit den zweifachen negativen Effekt

bewirken, daß Arbeiten dieser Art überhaupt nicht mehr in Auftrag gegeben oder aber

vermehrt im grauen Bereich angeboten werden. (Im vergangenen Monat ging die Zahl der

"Geringfügigen" bereits um rund 7.500 Personen zurück.)

• Darüber hinaus scheinen sich mittlerweile jene Befürchtungen zu bewahrheiten, die in der

eien Versicherungswahl für geringfügig Beschäftigte ("Opting in") ein breites Feld für

Mißbrauchsmöglichkeiten eröffnet sahen. Da die Beitragsleistungen für den Kranken - und

Pensionsversicherungsschutz seit Jahresbeginn zum Schleuderpreis von rund S 500 monatlich

angeboten werden, ist für bisherige Mitversicherungs - oder Selbstversicherungsverhältnisse

der Anreiz zu einen Umstieg in die Geringfügigkeit gegeben. Eine solche Entwicklung stellt

nach Ansicht der unterfertigten Abgeordneten eine untragbare Belastung für das Sozialsystem

und die künftigen Generationen dar, da diese billig erworbenen Versicherungszeiten später

einmal mit einer viel höheren Bemessungsgrundlage zur Pensionsberechnung herangezogen

werden müssen.

Eine weitere unverantwortbare und unzumutbare Belastung stellt für den Auftarag-/Dienstgeber

die alleinige Verpflichtung zur Meldung bei den Krankenkassen dar, ob bei dem von ihm

beschäftigten Auftrag - /Dienstnehmer auch noch andere Beschäftigungsverhältnisse vorliegen,

oder nicht. Es ist nämlich durch nichts zu begründen, weshalb die Beurteilungskonsequenzen

einer unrichtigen oder mangelhaften Offenlegung der sonstigen Beschäftigungen des Arbeit -

nehmers ausschließlich den Unternehmer als Auftraggeber treffen sollen (eventuelle Nachzah -

lung von Beiträgen).

Verfassungswidrigkeiten in der Kranzkenversicherung:

Ab 1.1.2000 wird in der Krankenversicherung die Subsidiarität abgeschafft mit dem Ergebnis,

daß die Versicherten Mehrfachzahlungen zu leisten haben, obwohl sie rein physisch nur eine

mögliche Sachleistung in Anspruch nehmen können. (Es hat jeder Mensch nur einen

Blinddarm!) Arbeitnehmerseitige Beiträge über der Höchstbeitragsgrundlage werden nur zur

Hälfte (und das unverzinst) zurückgezahlt, die zweite Hälfte geht in einen obskuren Fonds.

Die Arbeitgeberbeiträge versinken verpflichtungslos bei den Versicherungsträgern. Auch hier

wird sowohl die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie wie das Sozialversicherungsprinzip

verletzt.

Verfassungwidrigkeiten in den Ausnahmebestimmungen:

Im § 49 Abs.7 ASVG wurde die Bundesministerin für Arbeit. Gesundheit und Soziales

ermächtigt, nebenberuftliche Kunstschaffende, SportlerInnen, Lehrende in Einrichtungen der

Erwachsenenbildung sowie Kolporteure aus der Sozialversicherungspflicht auszunehmen,

indem das Entgelt als Aufwandsentschädigung deklariert wird. Bedenklich scheint hier, daß

zwei steuerrechtliche Begriffe unsachlich verknüpft werden.

Wie der Wiener Sozialwissenschafter Theodor Tomandl in einem Vortrag festgestellt hat,

ist „eine Aufwandsentschädigung schon begrifflich kein Entgelt, sondern nur dazu

bestimmt, einen Aufwand zu ersetzen. (...) ,wie etwa Kosten für eine besondere Kleidung,

für Repräsentationszwecke oder für Dienstreisen. (...) Es ist aber nicht einzusehen, warum

sich gerade bei den eben genannten und nur bei diesen Tätigkeitsbereichen ein Sonder -

problem hinsichtlich der Aufwandsentschädigung stellen soll. (...) Sei dem wie auch

immer, es handelt sich ganz offensichtlich um den Versuch, die im Strukturanpassungs -

gesetz 1996 eingeführten und allgemein als verfassungswidrig angeseheuen Ausnahmen

von der Versicherungspflicht unter einem neuen Titel und in weniger aufälliger Form

aufrecht zu erhalten.

Dessen ungeachtet sind nebenberuflich Lehrende in Einrichtungen der Erwachsenenbildung (v.a.

die Kammerinstitute bfl und WIFI) nach wie vor per Gesetz bis zum 31.6.1999 von der Versiche -

rungspflicht ausgenommen.

Auffallend ist, daß laut der am 10.2.1998 erlassenen Verordnung zum § 49 Abs.7 ASVG

(BGBl. II/41/1998) Kolporteure nicht mehr von der Sozialversicherung ausgenommen wurden.

Es ist davon auszugehen, daß für diese Berufsgruppe künftig die Regelungen der sogenannten

Neuen Selbständigkeit zur Aufwendung gelangen sollen, was die diversen Medienunternehmen

von der Zahlung des Arbeitgeberanteils befreien würde. An dieser Stelle muß aber darauf

hingewiesen werden, daß die Einbindung der Kolporteure in die Neue Selbständigkeit in

diametralem Widerspruch zu dutzenden VwGH - und OGH - Urteilen steht (siehe u.a. APA 254,

22.8.1996). in denen für diese Berufsgruppe der Dienstnehmerstatus entschieden wurde.

Abgrenzungsproblem Freier Dienstvertrag - Neue Selbständige

Bereits vor knapp einem Jahr hatte der VfGH die Bestimmung über die Pflichtversicherung für

dienstnehmerähnliche Werkverträge wegen Unvollziehbarkeit und der völligen Unbestimmtheit

dieses Begriffs aufgehoben. Doch auch die letzte Novellierung durch das ASRÄG 1997 ist

weiterhin vom starren Bemühen der Sozialbürokratie gekennzeichnet, grundsätzlich selbständig

tätige Menschen möglichst wie Arbeitnehmer zu behandeln und damit in das ASVG hineinzu -

pressen: Nunmehr wird versucht, Dienstverhältnisse von Neuer Selbständigkeit dadurch

abzugrenzen, daß freie Dienstnehmer die Dienstleistung im wesentlichen persönlich erbringen

müssen und dabei über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen dürfen, während

Neue Selbständige sich vertreten lassen dürfen und mit einer eigenen Unternehmensstruktur

arbeiten müssen.

Mit dieser Definition liegen neue Zweifelsfälle auf der Hand:

* Wird die mitgebrachte Schürze einer selbständigen Putzkraft als wesentliches Betriebs -

mittel betrachtet, so ist diese Person im GSVG versichert, andernfalls unterliegt sie als freie

Dienstnehmerin dem ASVG.

* Ebenfalls ist nicht geklärt, ob der private Computer, mit dem ein Journalist einen Artikel

schreibt, auf dem aber auch dessen Kind seine Computerspiele installiert hat, als solches

Betriebsmittel gilt - und ob daher Selbständigkeit oder Dienstnehmereigenschaft vorliegt.

Auf diese Weise wird eine im Grunde gleichgeartete Beschäftigtengruppe mithilfe spitzfindiger

Kriterien und nach willkürlichem, vollkommen freien Ermessen der Krankenkassen in zwei Teile

zerrissen. Damit sind neue Zweifelsfälle und Streitfelder vorprogrammiert. Auftraggeber werden

tendentiell bemüht sein, ihre Beschäftigten in die Selbständigkeit zu schieben, um sich die

Dienstgeberbeiträge "zu ersparen". während der Hauptverband der Sozialversicherungsträger

erfahrungsgemäß hinter jeder neuen Art von selbständiger Tätigkeit eine Scheinselbständigkeit

vermuten wird. Leidtragende in dieser Situation sind die Auftragnehmer, die der Willkür der

Versicherungsträger ausgeliefert sind, sowie die Auftraggeber, die im Falle einer irrigen Meldung

Dienstgeberbeiträge nachzahlen müssen.

Problem der zeitlichen Erstreckung der Pflichtversicherung

Wie bereits in der vom VfGH aufgehobenen, alten Werkvertragsregelung wurde die Grundfrage,

wann die Versicherung beginnt und vor allem endet, nicht beantwortet.

Gilt für traditionelle Gewerbetreibende die Stillegung des Betriebs bzw. die Rücklegung des

Gewerbescheins als Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Versicherung, verfügen die neuen

Selbständigen über kein derartiges Merkmal. Vielmehr bestimmt der § 7 Abs.4 GSVG. daß

das Ausscheiden aus der Pflichtversicherung mit der "Beendigung der betrieblichen Tätigkeit

erfolgt". Dies steht im Widerspruch mit den Erläuternden Bemerkungen des Gesetzestextes,

wonach beispielsweise für einen immer wieder tätigen Vortragenden "auch während jener Zeit

eine betriebliche Tätigkeit anzunehmen ist, in denen er (vorübergehend) keine Vortragstätig -

keit entfaltet" (EB zum ASRÄG 1997. S.36). Faktisch bedeutet dies einen sozialver -

sicherungsrechtlichen ..Fleckerlteppich“. da sich laut Gesetzestext jener Vortragende bei jeder

Unterbrechung seiner Tätigkeit von der Sozialversicherung abmelden kann.

Unverständlichkeit des Gesetzestextes

Aus den unzähligen ,.Chaosseminaren“. die seit einigen Wochen von Steuerberatern u.a. abge -

halten werden, läßt sich ermessen, wie groß die Not der Betroffenen allein angesichts der sprach -

lichen Unverständlichkeit des Gesetzestextes ist. Erschwerend kommt hinzu, daß selbst die

auskunftsgebenden Institutionen (Gebietskrankenkassen, Interessenvertungen mit einer nach -

vollziehbaren Interpretation allzuoft überfordert sind

Als Beispiel für die Vergewaltigung der Sprache durch das Gesetz sei der folgende Paragraph

angeführt, mit dem anscheinend erläutert werden soll, daß bei zuviel bezahlten Beiträgen das

Geld nicht rückerstattet, sondern via einem Ausgleichsbetrag wieder an die Sozialversicherung

fließen soll.

§ 27 Abs.8 GSVG lautet:

..Pflichtversicherte gemäß Abs. 1 Z 2 haben einen Ausgleichsbeitrag zu leisten, wenn für

den gleichen Personenkreis die Beitragssumme auf Grund der vorläufigen Beitragsgrund -

lage höher ist als auf Grund der Beitragsgrundlage gemäß § 25. Der Ausgleichsbetrag ist

mit einem Prozentsatz der Beitragsgrundlage so festzusetzen, daß für den gleichen Perso -

nenkreis die Beitragssumme aufgrund der vorläufigen Beitragsgrundlage gleich ist mit

jener aufgrund der Beitragsgrundlage gemäß § 25. Dieser Ausgleichsbeitrag ist mit

Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales festzusetzen."

Sätze dieser Art muten als Verhöhnung der BürgerInnen dieses Staates an, die den verfassungs -

rechtlichen Anspruch auf eine allgemeine Verständlichkeit der Gesetze haben. Die daraus resul -

tierende Rechtsunsicherheit verursacht ein Mißtrauen in den Rechtsstaat und damit eine

Schwächung der Demokratie insgesamt.

13. WIRTSCHAFTLICHE UND ARBEITSMARKTPOLITISCHE FOLGEN:

Bei einer genauen Betrachtung der Effekte erhärtet sich der Eindruck, daß die geschilderten

Maßnahmen nahezu ausschließlich darauf abzielen, zu lasten von Erwerbseinkommen aus

unselbständiger und bis zu einem gewissen Grad selbständiger Arbeit ein erhöhtes Beitragsauf -

kommen zu erzielen und damit die Kosten des Faktors Arbeit weiter zu belasten. Der Gedanke,

daß Sozialpolitik die BürgerInnen zu schützen hat, ist diesem Gesetzeswerk hingegen völlig

fremd. Es erhebt sich mittlerweile vielmehr die Frage, wie die steuerzahlende Bevölkerung noch

vor den Auswirkungen dieser Sozialpolitik von SPÖ und ÖVP geschützt werden kann. In öffent -

liehen Kommentaren der letzten Monate fordern immer mehr Menschen Beitrags - und Steuerge -

rechtigkeit oder rufen als letzten Ausweg geradezu zum "Auswandern" auf.

Nachdem die Ansätze für eine nachhaltige Pensionsreform kaum wahrnehmbar sind und in

ihren Auswirkungen bestenfalls erst ab dem Jahre 2015 entlastend wirksam werden, ist das

Vertrauen in die Sicherheit der gesetzlichen Versicherung grundsätzlich stark geschwunden.

Viele Menschen zweifeln mit Recht, ob sie von der Ausweitung der Sozialversicherungspflicht

 

überhaupt jemals profitieren werden. Eine Abgabenbelastung vor dem Hintergrund

eines kollabierenden Pensionssystems könnte nur mehr als totale Sozialsteuer zulasten der

Arbeitswelt interpretiert werden und reizt die Belastbarkeit des Generationenvertrags in

uverantwortlicher Weise aus.

. In diesem Klima werden die Pläne des europäischen Beschäftigungsgipfels - wie eine

Stärkung des Unternehmergeistes - jedenfalls nicht gedeihen. Auch steht zu befürchten, daß

der in Vorbereitung befindliche  "Nationale Beschäftigungsplan" angesichts folgender wirt -

schaftlicher und sozialer Folgen der "Werkvertragsregelung schwerlich die angestrebten

positiven Effekte zeitig wird. Vielmehr ist zu erwarten:

Der Weg in die Selbständigkeit wird erschwert.

2. Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit werden gefördert.

3. Flexiblen Arbeitsformen wird das Wasser abgegraben.

4. Frauen, welche häufig auf flexible Arbeitsformen besonders angewiesen sein können oder

nach Karenzzeiten einen gleitenden Wiedereinstieg ins Berufsleben anstreben, werden

geradezu aus dem Arbeitsmarkt ferngehalten.

5. Es ist ein massiver Kostenschub zu befürchten, der am Markt in den Preisen nicht unter -

gebracht werden kann.

6. Viele der im europäischen und internationalen Wettbewerb stehenden Anbieter -

insbesondere in Dienstleistungsunternehmen - sind in ihrer Existenz schwer gefährdet.

7. Innovative Angebote werden unterbleiben, Investitionen in neue Systeme werden nicht

mehr finanzierbar sein.

8. Die Regelung gefährdert insbesonders durch ihre Unverständlichkeit die Rechtssicher -

heit und das Vertrauen in die öffentliche Ordnung.

9. Durch diese Rechtsunsicherheit, die unverhältnismäßig steigenden Lohnnebenkosten und

die damit verbundene Unübersichtlichkeit der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

erleidet der Wirtschaftsstandort Österreich schweren Schaden, da jeder - auch ausländi-

sche - Investor seine Entscheidungen an den Faktoren Rechtssicherheit und Kosten

wesentlich orientiert.

10. Das Gesetz belastet jene am meisten, die es sich am wenigsten leisten können.

11. Dieses Gesetz kostet langfristig mehr, als es kurzfristig bringt.

12. Obwohl die eingehobenen Beiträge übergebührlich hoch sind, werden diese bei vielen

Versicherten nur zu marginalen Leistungen (z.B. Pensionsbezug) führen.

Aufweichung des Arbeitsrechtes und des ArbeitnehmerInnenschutzes - Benachteiligung von

Frauen im Arbeitsmarkt

Weitgehend unbemerkt ist der Umstand, daß die starke Einbindung der neuen Arbeitsformen in

das Dienstnehmer - Regime ein Loch im Arbeitsrecht aufgerissen hat Angesichts der teils über -

bordenden und kostenintensiven Bestimmungen im Arbeitsrecht werden in Zukunft viele Arbeit -

geber naturgemäß bemüht sein, vermehrt Personen auf Basis freier Dienstverträge zu

beschäftigen.

. Auf Seiten der ArbeitnehmerInnen bedeutet dies jedoch einen weitgehenden Verzicht auf

nahezu alle arbeitsrechtlichen Rahmenbestimmungen, wie Urlaubs - und Abfertigungs -

anspruch. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz, Arbeitszeitbestimmungen, die

Mitwirkungsmöglichkeiten nach dem Arbeitsverfassungsrecht und vieles andere mehr. Eine

solche Entwicklung benachteiligt insbesondere Frauen, die mangels ausreichender

Kinderbetreuungseinrichtungen nach wie vor gezwungen sind, überproportional in

freien, atypischen oder geringfügigen Erwerbsverhältnissen zu stehen.

Im gewohnten Streben der Sozialpartner und insbesondere der ArbeitnehmerInnenvertretung,

teilweise überholte Arbeitnehmerrechte ausschließlich für die im System befindlichen

Vollerwerbstätigen zu verteidigen, bleibt die immer größere Gruppe der atypisch Beschäftig -

ten vertretungslos. Anstelle einer notwendigen Überprüfung des Arbeitsrechts und seiner

Schutzbestimmungen wird seitens der Regierung aufgrund des Drucks der Interessenver -

tretungen offensichtlich lieber eine schleichende Aushebelung des Arbeitsrechts insgesamt in

Kauf genommen. Der Preis ist die Spaltung der Arbeitswelt in zwei Kategorien.

C. DRINGLICHER HANDLUNGSBEDARF

Fast vier Wochen nach Ende der Anmeldefrist haben sich angeblich erst 6.000 Personen als neue

Selbständige angemeldet. Angesichts geschätzter 250.000 bis 300.000 Erwerbstätiger, die unter

das Regime des Freien Dienstvertrags oder der Neuen Selbständigkeit fallen sollen, ist diese

Diverenz zwischen Schätzung und Wirklichkeit ein Alarmsignal. Dessen ungeachtet sind die

Mitarbeiterinnen in den Versicherungsanstalten bereits jetzt administrativ überfordert, zumal ein

großer Teil der Bescheide aus der alten Werkvertragsregelung noch gar nicht erledigt ist. Viele

Dienstgeber haben diese Anmeldung bislang offenbar deshalb unterlassen, weil von ihnen und

den Behörden nicht geklärt werden konnte, Welche ihrer nichtangestellten MitarbeiterInnen nun

tatsächlich "Freie Dienstnehmer" oder "Neue Selbständige" sind.

Besonders augenfällig ist die Säumigkeit im Bereich des öffentlichen Dienstes und seiner nach -

geordneten Dienststellen, wo Honorare (z.B. aus dem Titel der Teilrechtsfähigkeit) bis heute

nicht der Sozialversicherungsprlicht unterworfen wurden. Erinnert sei auch an die Anfragen -

beanwortungen aller Bundesministerien aus dem Vorjahr, aus der hervorging. daß von 536 ange -

gebenen Werk - und Freien Dienstverträgen in sämtlichen Ministerien tatsächlich nur 289

Meldungen bei den Gebietskrankenkassen eingelangt waren. Das Arbeitsmarktservice hatte sich

bereits im November 1996 der Werkvertragsproblematik entledigt, indem per interner Richtlinie

verfügt worden war, keine Werkverträge mehr an Privatpersonen zu vergeben (Der Standard.

14.11.1996).

Auskünften des Sozialministeriums ist zu entnehmen, daß an eine neuerliche Novellierung des

Gesetzes vor dem Sommer gedacht sei. Gemeinsam mit einem großen Teil der Bevölkerung

befürchten die Abgeordneten des Liberalen Forum daß ein solcher Sanierungsversuch erneut

perspektivenlos, nicht verfassungskonform und unbefriedigend für alle Betroffenen ausfallen

wird. Aus diesem Grund bedarf es endlich Handlungen, die das Vertrauen der Wirtschaft und der

arbeitenden Menschen in eine verständliche, finanziell tragbare und auf Dauer haltbare Lösung

wiederherstellen.

Mit dem dringenden Appell, diesem bereits zwei Jahre währenden Dilemma ein Ende zu setzen,

stellen die unterzeichneten Abgeordneten daher den nachfolgenden

ENTSCHLIEßUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum 30. April 1998 einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der

die Bestimmungen über die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung

(54. ASVG - Novelle sowie 22. GSVG - Novelle) dahingehend saniert daß

• der § 4 Abs. 4 (Freie Dienstverträge) gestrichen wird:

• die bisher vom § 4 Abs.4 ASVG erfaßten Freien DienstnehmerInnen gemäß ihrer steuerlichen

Veranlagungsweise (Lohn - oder Einkommensteuer) entweder dem § 4 Abs.2 ASVG oder dem

GSVG zuzuordnen sind:

• die Pflichtversicherung der "Neuen Selbständigen2 (§ 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) auf alle im Sinne

des Einkommensteuegesetzes nicht kammergebunden erwerbstätigen Selbständigen

ausweitet:

• die freiwillige Versicherungsmöglichkeit (Opting in) für geringfügig Beschäftigte die nur in

einem einzigen Beschäftigungsverhältnis stehen, aufgehoben wird:

• der pauschalierte Dienstgeberbeitrag für geringfügig Beschäftigte vom Grundsatz abgelöst

wird, den Dienstgeberanteil bei einem gesenkten Beitragssatz aufgrund der Lohnsumme aus

allen Beschäftigungsverhältnissen im Betrieb zu berechnen;

• die unterschiedlichen Grenzen der Versicherungspflicht sowie die verschieden hohen

Beitragssätze in der gesetzlichen Sozialversicherung untereinander sowie gegenüber dem

Beamtenpensionssystem harmonisiert werden.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, bis Jahresende 1998 einen umfassenden und

fundierten Reformvorschlag zu unterbreiten, wie die Finanzierungssysteme für die soziale

Sicherheit neugeordnet werden können

• auf Grundlage der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Jahresveranlagung,

• mit dein Ziel des Abbaus von Lohnnebenkosten.

• durch eine vermehrte Umstellung von lohnabhängigen auf ressourcenabhängige Einnahme -

quellen (Ökologische Steuerreform).“