705/A XX.GP
Antrag
des Abgeordneten Thomas Barmüller
und weitere Abgeordnete
betreffend ein Bundesgesetz über die Haftung für nukleare Schäden
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz über die Haftung für nukleare Schäden - Atomhaftpflichtgesetz
Der Nationalrat hat beschlossen:
Bundesgesetz über die Haftung für nukleare Schäden -
Atomhaftpflichtgesetz
1. ABSCHNITT
GELTUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNG
Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Haftung für nukleare Schäden, die
durch Kernanlagen oder durch den Transport von Kernmaterialien verursacht
werden, sowie deren Deckung.
(2) Es gilt nicht für Schäden, die durch Radioisotope verursacht werden, die
für industrielle, gewerbliche, landwirtschaftliche, medizinische, technische,
wissenschaftliche und ähnliche Zwecke außerhalb einer Kernanlage verwendet
werden oder verwendet werden sollen.
Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Nukleare Schäden im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Schäden,
die durch die radioaktiven, giftigen, explosiven oder sonstigen gefährlichen
Eigenschaften von Kernmaterialien verursacht werden.
(2) Kernmaterialien im Sinne des Abs. 1 sind Kernbrennstoffe, radioaktive
Erzeugnisse und Abfälle.
Den Kernmaterialien werden sonstige natürliche oder künstliche radioaktive
Stoffe gleichgehalten, sofern sie sich in
einer Kernanlage befinden und nach
dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse für das Leben, den
Körper oder die Gesundheit von Menschen oder für Sachen oder deren
Verwendbarkeit gefährlich sind.
(3) Kernbrennstoffe im Sinne des Abs. 2 sind spaltbare Materialien in Form
von Uran oder Plutonium als Metall, Legierung oder chemische Verbindung
sowie andere vom Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem
Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie durch Verordnung bezeichnete
Materialien.
(4) Radioaktive Erzeugnisse und Abfälle im Sinne des Abs. 2 sind
hergestellte radioaktive Materialien oder Materialien, die durch Bestrahlung bei
der Gewinnung, Herstellung, Verwendung, Lagerung, Wiederaufbereitung oder
dem Transport von Kernbrennstoffen radioaktiv geworden sind.
(5) Kernanlagen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Einrichtungen zur
Erzeugung von Kernenergie oder zur Gewinnung, Herstellung, Verwendung,
Lagerung oder Wiederaufbereitung von Kernmaterialien.
(6) Kernenergie im Sinne von Abs. 5 ist jede Form von Energie, die bei
Kernumwandlungsvorgängen frei wird.
(7) Betreiber einer Kernanlage im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer eine
Kernanlage betreibt. Darüber hinaus sind dem Betreiber sowohl Errichter und
Zulieferer als auch Eigentümer der Anlage sowie jene Person, die das
Unternehmen wirtschaftlich beherrscht, gleichzuhalten.
II. ABSCHNITT
HAFTUNG
Haftung
§ 3. (1) Der Betreiber einer Kernanlage haftet ohne betragsmäßige
Begrenzung für die nuklearen Schäden, die durch Kernmaterialien seiner
Anlage verursacht werden.
(2) Der Betreiber haftet ebenso für nukleare Schäden, die durch
Kernmaterialien verursacht werden, die aus seiner Anlage stammen und zur
Zeit der Schadensverursachung noch nicht vom Betreiber einer anderen
Kernanlage übernommen waren. Das Kernmaterial gilt zu jenem Zeitpunkt als
übernommen, da es die Grenze des Areals der anderen Kernanlage
überschreitet oder an einem vertraglich vereinbarten Ort außerhalb Österreichs
übergeben wird.
(3) Bezieht der Betreiber einer Kernanlage Kernmaterialien aus dem
Ausland, so haftet er für nukleare Schäden in Österreich, die durch diese
Materialien auf dem Transport zu seiner Anlage verursacht werden. Ein Regreß
auf den ausländischen Absender bleibt ihm vorbehalten.
(4) Ist der Betreiber nicht gleichzeitig Eigentümer der Anlage, so haften beide
solidarisch.
(5) Verursachen Kernmaterialien im Transit durch Österreich einen nuklearen
Schaden, so haftet der Beförderer. Hat er innerhalb der Europäischen Union
keinen ordentlichen Wohnsitz, muß er sich durch schriftliche Erklärung der
österreichischen Gerichtsbarkeit unterstellen und einen Vertreter in Österreich
bezeichnen, der für Klagen nach diesem Gesetz belangt werden kann.
(6) Als Schäden kommen sowohl Personen - als auch Sachschäden sowie
Umweltschäden in Betracht. Als Sachschaden gilt neben der Beschädigung der
Substanz der Sache auch eine Beeinträchtigung ihrer Verwendbarkeit durch
von ihr ausgehende Strahlengefahr.
Befreiung
§ 4. (1) Der Betreiber einer Kernanlage oder der Beförderer wird von der
Haftung befreit, wenn er beweist, daß der Geschädigte den Schaden vorsätzlich
verursacht hat.
(2) Er kann von der Haftung ganz oder teilweise befreit werden, wenn der
Geschädigte den Schaden grob fahrlässig verursacht hat.
Rückgriff
§ 5. Der nach § 3 Haftpflichtige hat ein Rückgriffsrecht nur gegenüber jenen
geschädigten Personen,
a) die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben;
b) die Kernmaterialien, von denen Schaden ausgegangen ist, entwendet
oder verhehlt haben;
c) die ihm ein solches vertraglich eingeräumt haben; hierauf kann sich der
Haftpflichtige gegenüber einem Arbeitnehmer nur berufen, wenn dieser den
Schaden vorsätzlich herbeigeführt
hat.
Schadenersatz bei Tötung
§ 6. (1) Im Falle der Tötung sind zu ersetzen:
a) die Kosten der versuchten Heilung des Geschädigten,
b) der Vermögensnachteil, den der Getötete dadurch erlitten hat, daß
infolge der Schädigung seine Erwerbstätigkeit aufgehoben oder gemindert
gewesen ist,
c) die Kosten aus einer Vermehrung seiner Bedürfnisse und der
Erschwerung seines Fortkommens,
d) ein angemessenes Schmerzensgeld und
e) die Kosten einer angemessenen Bestattung; Anspruch auf Ersatz der
Bestattungskosten hat derjenige, der sie zu tragen verpflichtet ist oder sie
tatsächlich getragen hat.
(2) Ist der Getötete zur Zeit der Schädigung zu einem Dritten in einem
Verhältnis gestanden, vermöge dessen er diesem kraft Gesetzes
unterhaltspflichtig war oder unterhaltpflichtig werden konnte, und ist dem Dritten
infolge der Tötung des Unterhaltspflichtigen das Recht auf Unterhalt entzogen,
so hat der Haftpflichtige dem Dritten insoweit Ersatz zu leisten, als der Getötete
während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des
Unterhalts verpflichtet gewesen wäre. Die Ersatzpflicht tritt auch ein, wenn der
Dritte zur Zeit der Schädigung gezeugt, aber noch nicht geboren gewesen ist.
Schadenersatz bei Körperverletzung
§ 7. (1) Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sind zu
ersetzen:
a) die Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung des Verletzten,
b) der Vermögensnachteil, den der Verletzte dadurch erleidet, daß infolge
der Verletzung seine Erwerbsfähigkeit zeitweise oder dauernd aufgehoben oder
gemindert ist,
c) die Kosten aus einer Vermehrung seiner Bedürfnisse,
d) ein angemessenes Schmerzensgeld,
e) im Falle einer Verunstaltung, durch die das bessere Fortkommen des
Verletzten erschwert oder verhindert werden kann, eine angemessene
Entschädigung.
(2) Als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit im Sinne dieses
Bundesgesetzes gelten auch Schäden infolge von Veränderungen des
Erbmaterials.
Geldrente
§ 8. (1) Der Schadenersatz hinsichtlich
a) der Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit,
b) der Vermehrung der Bedürfnisse und
c) der Unterhaltsansprüche Dritter
ist für die Zukunft durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten.
(2) Die Geldrente ist für einen Monat vorauszuzahlen. Für die Geldrente gilt
§ 1418 Satz 3ABGB sinngemäß.
(3) Statt der Rente kann der Ersatzberechtigte aus wichtigen Gründen eine
Abfindung in Kapital verlangen, wenn die einmalige Zahlung dem Haftpflichtigen
wirtschaftlich zumutbar ist.
(4) Der Anspruch auf Geldrente wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein
Dritter dem Ersatzberechtigten Unterhalt zu gewähren hat.
Schadenersatz bei Sachbeschädigung
§ 9. Im Falle der Beschädigung einer Sache oder der Beeinträchtigung ihrer
Verwendbarkeit ist § 1323 ABGB anzuwenden. Die Ersatzpflicht umfaßt
jedenfalls den entgangenen Gewinn.
Umweltschäden
§ 10. (1) Wird durch eine Kernanlage oder durch einen Transport von
Kernmaterialien eine Beeinträchtigung der Umwelt verursacht, so hat der
Betreiber der Kernanlage oder der Beförderer den dadurch entstandenen
Schaden sowie den entgangenen Gewinn zu ersetzen.
(2) Umweltschäden, deren Ausmaß nicht genau zu erfassen ist, sind im
Wege der freien richterlichen Schadensschätzung nach § 273 ZPO zu
bewerten.
(3) Der Haftpflichtige ist sowohl bei individuellen gemäß § 9 als auch bei
überindividuellen gemäß § 10(1) Schäden zur Vornahme von Maßnahmen zur
Verminderung und zur Wiederherstellung von Umweltschäden sowie zu
entsprechendem Kostenersatz verpflichtet. Der Kostenersatz steht demjenigen
zu, der die Vorbeugungs - oder Wiederherstellungsmaßnahmen tatsächlich
durchgeführt hat oder zu deren Durchführung behördlich verplichtet wird oder
verpflichtet werden kann.
Anspruchsberechtigte
§ 11. Ansprüche nach § 10 können auch von
a) Umweltanwälten,
b) Umweltfonds und ähnlichen Stellen, denen durch gesetzliche
Vorschriften die Wahrnehmung des Umweltschutzes aufgetragen ist, sowie
c) jeder Organisation, die sich dem Umweltschutz widmet, soweit sie seit
mindestens 5 Jahren besteht, die laut ihrem Statut wahrzunehmenden
Interessen tatsächlich betreibt und durch die jeweilige Umweltschädigung
räumlich und sachlich berührt wird,
geltend gemacht werden.
Nichtige Vereinbarungen
§ 12. Vereinbarungen, welche die Haftpflicht nach diesem Gesetz im
vorhinein ausschließen oder beschränken, sind nichtig.
Verursachungsvermutung
§ 13. Ist eine Kernanlage oder ein Transport von Kernmaterialien nach den
Umständen des Falles, insbesondere Art, Ort und Zeit der Schädigung sowie
nach den klimatischen Bedingungen, geeignet, den nuklearen Schaden
herbeizuführen, so wird vermutet, daß der Betreiber oder der Beförderer den
Schaden verursacht hat. Die Vermutung ist widerlegt, wenn der Haftpflichtige
beweist, daß der Schaden nicht von seiner Kernanlage oder nicht von seinem
Transport verursacht wurde.
Solidarhaftung
§ 14. Wurde der nukleare Schaden durch mehrere Kernanlagen oder
mehrere Transporte verursacht, so kann der Geschädigte seine Ansprüche
gegen jeden der Haftpflichtigen richten. Diese haften zur ungeteilten Hand,
wobei ihnen der Regreß untereinander offensteht.
III. ABSCHNITT
DECKUNG
Private Versicherer
§ 15. (1) Wer nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes haftet, hat für
die Deckung der zu versichernden Risiken bei einem zum Geschäftsbetrieb in
der EU ermächtigten Versicherer für mindestens drei Milliarden Schilling je
Kernanlage, zuzüglich mindestens 300 Millionen Schilling für die anteilsmäßig
auf die Versicherungsleistung entfallenden Zinsen und Verfahrenskosten, eine
Versicherung abzuschließen.
(2) Für die Beförderung von Kernmaterialien im Transit durch Österreich ist je
Transport ein Betrag von mindestens 500 Millionen Schilling1 zuzüglich
mindestens 50 Millionen Schilling für die anteilsmäßigen Zinsen und
Verfahrenskosten, zu versichern. Einem Antrag auf Beförderungsbewilligung
und den Beförderungspapieren ist der Nachweis des Abschlusses einer solchen
Versicherung beizulegen.
(3) Die Bundesregierung bezeichnet durch Verordnung die Risiken, die der
private Versicherer gegenüber dem Geschädigten von der Deckung
ausschließen darf.
Deckung durch den Bund
§ 16. (1) Der Bund versichert den Haftpflichtigen gegen nukleare Schäden
bis zu einem Gesamtbetrag von zehn Milliarden Schilling je Kernanlage oder je
Transport, zuzüglich einer Milliarde Schilling für die anteilsmäßigen Zinsen und
Verfahrenskosten, soweit diese Schäden die Deckung durch private Versicherer
übersteigen oder von ihr ausgeschlossen sind.
(2) Der Bund deckt bis zu dem in Abs. 1 genannten Betrag nukleare
Schäden, die wegen Ablaufs der 30jährigen Frist gegen den Haftpflichtigen
nicht mehr geltend gemacht werden können (Spätschäden).
Beiträge des Haftpflichtigen
§ 17. (1) Zur Deckung seiner Verpflichtung aus § 16 erhebt der Bund von den
Kernanlagenbetreibern und Beförderern Beiträge.
(2) Die Bundesregierung setzt durch Verordnung die Höhe der Beiträge fest.
(3) Der Bundesminister für Finanzen schreibt die Beiträge vor und hebt sie
ein.
Nuklearschadensfonds
§ 18. Der Bund errichtet einen Fonds dem die Beiträge nach § 17 und die
aus der Veranlagung resultierenden
Erträge gutgeschrieben werden.
Besondere Fälle
§ 19. (1) Der Bund deckt, sofern die geschädigte Person den Schaden nicht
vorsätzlich verursacht hat, aus allgemeinen Mitteln bis zu dem in § 16
genannten Betrag nukleare Schäden,
a) wenn der Haftpflichtige nicht ermittelt werden kann;
b) wenn der Schaden durch eine nicht versicherte Kernanlage oder einen
nicht versicherten Transport verursacht worden ist;
c) wenn der Versicherer den Schaden wegen Zahlungsunfähigkeit nicht
decken kann und auch der Haftpflichtige hiezu nicht in der Lage ist;
d) soweit eine Person, die durch ein im Ausland eingetretenes Ereignis in
Österreich einen nuklearen Schaden erlitten hat, in diesem Staat keine diesem
Gesetz entsprechende Entschädigung erlangen kann.
(2) Der Bund kann seine Leistung herabsetzen oder ganz verweigern, wenn
die geschädigte Person den Schaden grobfahrlässig verursacht hat.
(3) Hat der Bund eine Leistung nach Abs. 1 erbracht, so kann er hiefür auf
den Haftpflichtigen Rückgriff nehmen. Er tritt außerdem in dessen
Rückgriffsrechte ein.
Ausnahmen von der Versicherungspflicht
§ 20. Die Bundesregierung kann einen Haftpflichtigen von der
Versicherungspflicht bei einem privaten Versicherer entbinden, soweit der
Haftpflichtige in anderer Weise eine für geschädigte Personen gleichwertige
Sicherheit bietet.
Unmittelbarer Anspruch, Einreden
§ 21. (1) Die geschädigte Person hat im Rahmen der Versicherungsdeckung
ein Klagerecht unmittelbar gegen den Versicherer und den Bund.
(2) Einreden aus dem Versicherungsvertrag können der geschädigten
Person nicht entgegengehalten werden.
IV. ABSCHNITT
VERFAHRENSBESTIMMUNGEN
Gerichtsstand
§ 23. (1) Ist durch eine inländische Kernanlage Schaden verursacht worden,
so ist jenes Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel die Kernanlage liegt.
(2) Ist beim Transport von Kernmaterialien Schaden verursacht worden, so
ist jenes Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel das Schadensereignis
eingetreten ist. Kann der Ort dieses Ereignisses nicht ermittelt werden, so ist
zuständig:
a) wenn der Betreiber der Kernanlage haftet, das Landesgericht, in dessen
Sprengel die Kernanlage liegt;
b) wenn der Beförderer haftet, jenes Landesgericht, in dessen Sprengel der
Beförderer seinen Wohnsitz oder seinen bezeichneten Vertreter hat.
(3) Klagen gegen den Bund gemäß § 16 Abs. 2 sowie gemäß § 19 sind beim
Landesgericht Wien anzubringen.
(4) Ist durch eine im Ausland gelegene Kernanlage Schaden verursacht
worden, so ist das Landesgericht Wien zuständig.
Verjährung
§ 24. (1) Die Ansprüche aus diesem Gesetz verjähren drei Jahre nach dem
Tag, an dem die geschädigte Person Kenntnis vom Schaden und der Person
des Haftpflichtigen oder Deckungspflichtigen erlangt hat. Sie erlöschen,
ausgenommen Ansprüche aus Spätschäden (§ 16 Abs. 2), wenn die Klage
nicht binnen 30 Jahre nach dem Eintritt des Schadens erhoben wird; ist der
Schaden auf eine andauernde Einwirkung zurückzuführen, so beginnt diese
Frist mit dem Aufhören dieser Einwirkung zu laufen.
(2) Für das Rückgriffsrecht beginnt die dreijährige Frist am Tag, an dem der
Rückgriffsberechtigte Kenntnis von der Höhe seiner Leistungspflicht erlangt hat.
(3) Wird die Verjährung gegenüber dem Haftpftichtigen, einem Versicherer
oder dem Bund unterbrochen, so wirkt die Unterbrechung auch gegenüber den
beiden anderen Parteien.
Gegenseitigkeit
§ 25. Für nukleare Schäden im Ausland, die Personen mit Wohnsitz im
Ausland erleiden und für die ein Betreiber einer Kernanlage in Österreich oder
ein Beförderer mit Sitz in
Österreich verantwortlich ist, sind Entschädigungen
aufgrund dieses Gesetzes insoweit geschuldet, als der betreffende
ausländische Staat Österreich gegenüber eine mindestens gleichwertige
Regelung vorsieht.
Anwendung des ABGB
§ 26. Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ist auf
die darin vorgesehenen Ansprüche das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
anzuwenden.
Vollziehung
§ 27. Die Vollziehung dieses Gesetzes obliegt dem Bundesminister für Justiz
mit Ausnahme der Bestimmungen der §§ 15 (3), 17 (2), welche von der
Bundesregierung, des § 17(3), welche vom Bundesminister für Finanzen und
des § 2 (3), welche im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt,
Jugend und Familie zu vollziehen sind.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an
den Justizausschuß beantragt.
Erläuternde Bemerkungen
1. Abschnitt: Geltungsbereich und Begriffsbestimmung
Geltungsbereich
Zu § 1 (1):
Der Geltungsbereich des vorliegenden Gesetzesentwurfs bezieht sich im
Gegensatz zum bisherigen österreichischen Atomhaftungsrecht nicht nur auf
Schäden, die durch Kernanlagen im Inland verursacht worden sind, sondern
auch und vor allem auf solche, die durch im Ausland befindliche Atomanlagen
eingetreten sind.
Obwohl die derzeit in Österreich vorhandenen Kernanlagen -
Forschungsreaktoren der Österreichischen Studiengesellschaft für Atomenergie
in Seibersdorf, Studienreaktoren der österreichischen Hochschulen in Wien und
in Graz - im Vergleich zu den Atomkraftwerken österreichischer Nachbarstaaten
ein relativ geringes Gefahrenpotential bergen, sollen sie dennoch vom
Geltungsbereich mitumfaßt sein.
Wesentliche Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage stellen die
Ausweitung des Geltungsbereichs auf durch ausländische Kernanlagen
verursachte Schäden und die Haftung für Schäden aus Transporten dar. Der
Begriff Transport umfaßt die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr.
Zu § 1(2):
Unter Radioisotopen sind künstliche oder natürliche radioaktive Stoffe, die nicht
Kernmaterialien sind, zu verstehen. Es sind diejenigen radioaktiven Stoffe, die
zur Verwendung außerhalb einer Kernanlage zu verschiedenen Zwecken
verwendet werden, vorausgesetzt, daß sie sich nicht in einer solchen Anlage
befinden. Falls sie sich in einer solchen Anlage befinden, fallen sie unter den
Begriff der Kernmaterialien. Die genannten Zwecke, für die Radioisotope
verwendet werden können, sind nicht abschließend aufgezählt.
Begriffsbestimmung
zu § 2(1):
Mit dem Begriff des nuklearen Schadens wird der Tatbestand definiert:, der die
Haftung auslöst. Unter der Zielsetzung des Schutzes des Geschädigten ist es
grundsätzlich unwesentlich, unter welchen Umständen die Schädigung
hervorgerufen wurde; ein nuklearer Schaden liegt daher auch dann vor, wenn
die Schädigung durch außerordentliche Naturvorgänge, kriegerische
Ereignisse, vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wurde.
Es treten nicht nur Strahlungsschäden auf, sondern auch solche durch Brand
und Explosion. Radioaktive Stoffe können nicht nur durch ihre radioaktiven
Eigenschaften, sondern auch durch ihre
anderen, vorwiegend chemischen
Eigenschaften Schäden verursachen. Gleiches gilt von verschmelzbaren
Kernbrennstoffen. Beim Eintritt eines Schadens wird es fast unmöglich sein zu
unterscheiden, ob dieser ausschließlich durch nukleare Vorgänge oder auch
durch chemische oder physikalische Eigenschaften nichtnuklearer Art
verursacht worden ist. Daher wird in Fällen, in denen ein Schaden aus einem
Kernumwandlungsvorgang in Verbindung mit chemischen, chemisch-
physikalischen oder physikalischen Eigenschaften anderer Art entstanden ist,
dieser einheitlich nach den Bestimmungen des Atomhaftpflichtgesetzes
beurteilt.
Zu § 2 (2):
Aus Abfallstoffen können kleine radioaktive Mengen abgetrennt und für
verschiedene Zwecke verwendet werden. Es ist auch möglich, nichtradioaktive
Substanzen durch Bestrahlung in Reaktoren radioaktiv zu machen oder
natürliche oder künstliche radioaktive Stoffe durch Bestrahlung in Reaktoren zu
verändern. In der Praxis wäre es nun im Fall eines Schadenseintritts etwa durch
Bestrahlung äußerst schwierig zu unterscheiden, ob die Schadensursache bei
den Kernmaterialien oder bei einer anderen radioaktiven Substanz liegt, die
sich im Bereich der Anlage befindet. Aus diesem Grunde bestimmt der Entwurf,
daß alle natürlichen und künstlichen radioaktiven Stoffe, die selbst nicht
Kernmaterialien sind, diesen rechtlich gleichgehalten werden, wenn sie sich in
einer Kernanlage befinden. Voraussetzung dafür ist aber, daß sie überhaupt
eine Gefahrenquelle für Menschen oder Sachen darstellen.
Zu § 2 (3):
Von den spaltbaren Kernbrennstoffen, aus denen Kernenergie durch Kernzerfall
(Kernspaltung) gewonnen werden kann, sind zwar verschmelzbare
Kernbrennstoffe (wie schwerer Wasserstoff, Helium und Lithium), bei denen die
Kernenergie durch thermonukleare Reaktion entsteht, zu unterscheiden, ohne
daß diese deshalb von der Bestimmung ausgenommen wären. Es ist für
Haftungsfragen unerheblich, ob diese spaltbaren Kernbrennstoffe natürlichen
(Uran 235, Uran 238, Thorium 232) oder künstlichen Ursprungs (Uran 233,
Plutonium 239, Legierungen von Uran oder Plutonium mit anderen Metallen,
Urandioxyd, Urankarbid, Thoriumoxyd) sind, ob sie in fester Form oder in
flüssiger Lösung verwendet werden.
Um Weiterentwicklungen und einer über spaltbare Kernbrennstoffe
hinausgehenden Anwendung Rechnung tragen zu können, wird dem
Bundesminister für Justiz gemeinsam mit dem Bundesminister für Umwelt,
Jugend und Familie die Möglichkeit gegeben, durch Verordnung weitere
spaltbare oder verschmelzbare Kernbrennstoffe zu bezeichnen.
Zu § 2 (4):
Die aus Kernbrennstoffen hervorgegangenen Erzeugnisse und Abfälle sind
wegen der starken radioaktiven Strahlung, die von ihnen ausgeht, gefährlich,
weshalb die Regeln für Kernmaterialien auch auf diese Erzeugnisse und Abfälle
anzuwenden sind. Beim Betrieb eines Kernreaktors kann je nach der Art des
verwendeten Spaltstoffs neues spaltbares Material entstehen, das seinerseits
wieder als Kernbrennstoff brauchbar ist.
Für diese aus Brutreaktoren neu
hervorgegangenen radioaktiven Erzeugnisse gelten daher dieselben
Vorschriften, die für Kernbrennstoffe vorgesehen sind.
Zu § 2 (5):
Die Aufzählung der verschiedenen Arten von Kernanlagen ist taxativ. In erster
Linie kommen Kernreaktoren im Sinne technischer Anlagen zur kontrollierten
Gewinnung von Kernenergie in Betracht. Die Energiegewinnung kann zum
einen aus Kernspaltungen erfolgen, zum anderen gibt es bereits auch Anlagen,
in denen Kernenergie durch Verschmelzung von Kernbrennstoffen erzeugt wird.
Nach dem Verwendungszweck wird zwischen Forschungsreaktoren,
Versuchsreaktoren (einschließlich Materialprüfungsreaktoren),
Kraftwerksreaktoren und Produktionsreaktoren (auch Brutreaktoren genannt)
unterschieden. Darüber hinaus können Reaktoren mehreren dieser Zwecke
gleichzeitig dienen. Andere Kernanlagen wieder sind zur Herstellung von
Kernmaterialien bestimmt oder dazu, Kernmaterialien zu bearbeiten. Zu den
Kernanlagen zählen schließlich Anlagen zur Aufbewahrung von Kernmaterialien
und zu deren Unschädlichmachung. All diese Anlagen werden von der
gegenständlichen Bestimmung mitumfaßt.
Ferner ist der Begriff der ,,Kernanlagen" nicht auf ortsfeste Anlagen
eingeschränkt. Daher fallen auch transportable oder als Antriebsmittel für
Verkehrsmittel dienende Kernanlagen unter den Geltungsbereich dieses
Gesetzes.
Der räumliche Bereich einer Kernanlage wird auch durch wirtschaftliche und
verwaltungstechnische Umstände mitbestimmt. So umfaßt etwa eine ortsfeste
Reaktoranlage nicht nur das Gebäude, in dem der Reaktor untergebracht ist,
sondern auch die dazugehörigen Verwaltungsgebäude, Reparaturwerkstätten,
Laboratorien, Dekontaminationsanlagen, Versuchsgelände etc. Gleiches gilt
auch für Fabrikationsanlagen zur Herstellung von Kernbrennstoffen und andere
Kernanlagen.
Zu § 2 (6):
Kernenergie wird im vorliegenden Entwurf umfassend verstanden. Sie bezieht
auch heute noch nicht wirtschaftlich genutzt Formen mit ein.
Zu § 2 (7):
Um dem Schutzgedanken einer Haftungsregelung, die sich im Falle ihrer
Anwendung auf geographisch weitreichende und zeitlich lang anhaltende
Schäden bezieht, umfassend gerecht werden zu können und
Haftungsabwälzungen vorzubeugen, werden dem Betreiber auch Errichter,
Zulieferer, Eigentümer und jene, die wirtschaftlich beherrschend am Betrieb und
der Errichtung der Anlage mitwirken, gleichgehalten.
Unter Betrieb wird dabei nicht nur die Zeit des tatsächlich Inbetriebseins
verstanden, sondern auch Zeiten, in denen eine Kernanlage etwa zu
wartungszwecken oder aus anderem Grund abgeschaltet ist.
Die wirtschaftlichen Beherrschung orientiert sich es nicht nur an den
Eigentumsverhältnissen. Maßgeblich ist vielmehr die bestehende selbständige
Verfügungsgewalt. Daher fallen auch Inhaber, Pächter, Mieter, Fruchtnießer
etc. unter den Betreiberbegriff.
II. Abschnitt: Haftung
Haftung
Zu § 3(1):
Die bestehende Beschränkung der Haftung auf maximal 500 Millionen
Schilling ist ein wirtschaftliches Privileg, daß Wettbewerbsverzerrungen zur
Folge hat und einem realistischen Ausmaß einer nuklearen Schädigung nicht
Rechnung trägt. Um dem durch die Nutzung der Kernenergie bestehenden
Risiko während und nach dem Betrieb von Kernanlagen gerecht zu werden, ist
eine betragmäßig unbeschränkte Haftung vorgesehen.
Da Kernanlagen und Kernmaterialien an sich gefährliche Sachen sind, sollte
derjenige, der wirtschaftliche Vorteile aus ihrer Verwendung zieht, auch für
allfällige Schäden, die im Zuge dieser Verwendung verursacht werden, haften -
unabhängig davon, ob ihn dabei ein Verschulden trifft oder nicht. Der Entwurf
gibt also dem Haftungsinstitut der Gefährdungshaftung den Vorzug.
Zu § 3 (2):
Diese Regelung bezieht sich auf Schäden, die durch Kernmaterialien
verursacht werden, die von einer österreichischen Kernanlage an einen
anderen Ort inner - oder außerhalb Österreichs gebracht werden und soll im
Sinne einer reinen Gefährdungshaftung einen strengen Maßstab an die
Betreiber österreichischer Kernanlagen legen. Insbesondere soll dadurch aber
einer geringer empfundenen Verantwortung während eines Transportes und
einer allfällig daraus resultierenden Vernachlässigung bestehender
Sorgfaltspflichten vorgebeugt werden.
Zu § 3 (3):
Eine allfällig geschädigte Person soll auf den österreichischen
Anlagenbetreiber, der leichter zu ermitteln ist, greifen und so volle
Entschädigung erlangen können. Dem in Anspruch Genommenen bleibt es
vorbehalten, sich beim Zulieferer zu regressieren.
Zu § 3 (4):
Es ist denkbar, daß die Anlage durch eine besondere Betriebsgesellschaft und
nicht durch den Eigentümer betrieben wird: damit nun nicht durch den Betrieb
der Anlage durch eine natürliche oder juristische Person mit geringem eigenem
finanziellen Rückhalt das zur Verfügung stehende Betreibervermögen und
damit das Haftungssubstrat klein gehalten werden kann, wird der
Anlageeigentümer ebenfalls mit seinem ganzen Vermögen als solidarisch
Haftpflichtiger neben den Betreiber gestellt. Grund und Grenze für diese
Durchbrechung des sogenannten Grundsatzes der Kanalisierung der Haftung
ist, daß nicht einzelne geschädigte Personen in ihren Regreßansprüchen
verkürzt oder an die Allgemeinheit verwiesen werden sollen, während die
eigentlich Verursacher sich dieser Haftung
entziehen können.
Zu § 3 (5):
Um Sorgfaltspflichtverletzungen vorzubeugen sowie im Schadensfall die
Rechtsdurchsetzung zu vereinfachen, sollen sich Beförderer von
Kernmaterialien durch schriftliche Erklärung der österreichischen
Gerichtsbarkeit unterstellen. Damit wird sichergestellt, daß die sich aus diesen
Bestimmungen ergebenden Konsequenzen den Beförderern bekannt sind.
Zu § 3 (6):
Die zu ersetzenden Schäden umfassen neben Personen - und Sachschäden
auch Umweltschäden. Als Umweltschäden sind nachteilige Veränderungen der
Umwelt und damit einhergehende Beeinträchtigungen ihres Nutzungspotentials
zu verstehen. Die Bemessung von Umweltschäden wird an den Kosten der
Wiederherstellung des vorigen Zustandes zu erfolgen haben.
Da im Falle eines nach diesen Bestimmungen haftungsauslösenden
Ereignisses Sachen nicht nur deshalb beschädigt sein können, weil ihre
körperliche Substanz verringert oder zerstört wurde, sondern auch deshalb, weil
sie zwar in ihrer körperlichen Substanz erhalten geblieben sind, aber wegen der
von ihr ausgehenden Strahlung nicht mehr ohne Gefährdung verwendet werden
können, wird dieser Fall ausdrücklich erwähnt.
Befreiung
Zu § 4(1) und (2):
Ein vorsätzliches Verhalten der geschädigten Person, das den Schaden
ursächlich herbeigeführt hat, soll dem Haftpflichtigen nicht zugerechnet werden
können. Die damit einhergehende Haftungsbefreiung wirkt jedoch nur
gegenüber dieser konkret geschädigten Person.
In (2) ist für den Fall eines grob fahrlässigen und eine Haftung auslösenden
Ereignisses ursächlichen Verhaltens ein Ermessensspielraum eingeräumt, so
daß je nach Lage des Falles eine teilweise oder gänzliche Haftungsbefreiung
gegenüber der geschädigten Person Platz greifen kann. Damit ist zwar der
Grundsatz der Gefährdungshaftung durchbrochen, doch finden sich auch in
anderen Haftpflichtnormen derartige Haftungsbefreiungen, wenn eine
geschädigte Person durch vorsätzliche oder doch grob fahrlässige Handlungen
einen Schaden für sich und andere herbeigeführt hat. Schließlich muß gerade
ob der von Kerntechnologien ausgehende Gefahren von allen potentiell
betroffenen Personen ein hoher Maßstab an Sorgfalt verlangt werden.
Den Betreiber der Kernanlage und den Inhaber der Transportbewilligung trifft
die Beweislast für das von der geschädigten Person zu verantwortende
Verhalten.
Rückgriff
Zu § 5:
Durch die Rückgriffsbestimmungen wird der Grundsatz der Kanalisierung der
Haftung nur in seinen Auswirkungen gemildert, der Betreiber bleibt jedoch
haftpflichtig. Zur Vermeidung von Härten und in Übereinstimmung mit den
allgemeinen Haftpflichtregeln soll der Betreiber die Möglichkeit haben, im
Umfang seiner erbrachten Leistung auf die Personen zurückzugreifen, die den
Schaden mitverursacht haben. Das Rückgriffsrecht sollte jedoch nicht
unzulässig ausgedehnt werden, weshalb die Möglichkeiten abschließend
aufgezählt sind. Als Rückgriffspflichtige kommen jedenfalls der vorsätzliche
Schädiger sowie der Dieb und der Hehler von Kernmaterialien in Frage. Im
Rahmen seiner Vertragsfreiheit kann auch ein Dritter dem Betreiber ein
Rückgriffsrecht einräumen. Diese Möglichkeit soll grundsätzlich durch das
Gesetz nicht beschnitten werden, sie wird gegenüber einem Arbeitnehmer auf
den Fall vorsätzlicher Schadensverursachung eingeschränkt, so daß es nicht zu
unbilligen Verlagerungen der Haftung kommen kann.
Schadenersatz bei Tötung
Zu §6:
Der Schadenersatz bei Tötung eines Menschen wird in gleicher Weise wie im
Eisenbahn - und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG) geregelt.
Zu § 6 (1) lit a:
Dabei sind unter den in (1) angesprochenen Kosten der versuchten Heilung
jene Aufwendungen zu verstehen, die in der Absicht gemacht wurden, die durch
die nukleare Schädigung verursachte Beeinträchtigung zu beseitigen oder eine
Verschlechterung des durch diese Schädigung verursachten Zustandes zu
verhindern. Ob die Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes
erreichbar war, ist belanglos und kann nicht zur Abwehr von Ersatzansprüchen
dienen.
Zu § 6 (1) lit b:
Ob der Geschädigte zur Zeit des Eintritts der nuklearen Schädigung
erwerbstätig war oder nicht, ist unbeachtlich. Für die Höhe eines allfälligen
Ersatzanspruches kommt nur darauf an, ob seine Erwerbsfähigkeit dadurch
aufgehoben oder vermindert worden ist. Wird die Erwerbsfähigkeit
wiederhergestellt, so bleibt die Ersatzpflicht für die Zeit der Beeinträchtigung
bestehen.
Zu § 6(1) lit c:
Unter Vermehrung der Bedürfnisse ist der Mehraufwand zu verstehen, der zur
Behebung oder Verminderung der widrigen Folgen des schädigenden
Ereignisses dient, soweit es sich nicht um die Heilungskosten an sich handelt,
Dies umfaßt beispielsweise zusätzliche oder besondere Nahrungsmittel, die
Anstellung einer Pflegeperson, eine dem Arbeitsplatz näher gelegene oder den
gesundheitlichen Anforderungen entsprechend
teurere Wohnung, etc.
Zu § 6 (1) lit d:
Eine Neuerung gegenüber dem derzeit geltenden AtomHG 1964 besteht darin1
jedenfalls Schmerzengeld zu gewähren, was bisher nur bei längerem Siechtum
möglich war.
Zu § 6(1) lit e:
Unter angemessenen Bestattungskosten sind die üblichen, durch die Sitten
bestimmten Auslagen für die Bestattung zu verstehen. Ihr Ausmaß richtet sich
gemäß § 549 ABGB nach Ort, Stand und Vermögen der getöteten Person.
Zu § 6 (2):
Wird eine dritte Person in ihren Unterhaltsansprüchen tatsächlich oder potentiell
verkürzt, erstreckt sich die Ersatzpflicht auch auf diese Verkürzung.
Schadenersatz bei Körperverletzung
Zu § 7 (1) lit a bis d:
Der Schadenersatz wird bei Körperverletzung in gleicher Weise wie im EKHG
geregelt. Als Personenschaden gilt jede Beeinträchtigung der körperlichen
Integrität sowie jede behandungsbedürftige Störung der leiblichen oder
geistigen Gesundheit. Dazu zählen auch genetische Schäden und
Veränderungen.
Insgesamt gilt das in den erläuternden Bemerkungen zu § 6 Gesagte.
Zu § 7 (1) lit e:
Die Neuerung gegenüber der geltenden Rechtslage nach AtomHG 1964, die
sich nur auf eine dauernde Verunstaltung bezieht, besteht darin, daß jede
Verunstaltung für entschädigungswürdig angesehen wird, sofern das bessere
Fortkommen des Verletzten dadurch leidet. Der Anspruch auf Entschädigung
entsteht bereits durch die abstrakte Möglichkeit, daß das bessere Fortkommen
des Geschädigten verhindert oder auch nur erschwert wird. Als Verunstaltung
ist jede wesentliche nachteilige Veränderung anzusehen, die nach außen hin
erkennbar ist, selbst wenn diese Veränderung beim normal gekleideten
Menschen nicht sichtbar ist. Bereits judizierte Beispiele für solche
Veränderungen sind der Verlust eines Körperteils, Lähmungen,
Sprachstörungen, geistige Beeinträchtigungen etc.
Zu § 7 (2):
Zu den ersatzpflichtigen Verletzungen sind auch schädigende Veränderungen
des Erbmaterials zu zählen.
Geldrente
Zu § 8 (1) bis (4):
Diese Regelung ist analog zum EKHG gestaltet.
Schadenersatz bei Sachbeschädigung
Zu § 9:
§ 1323 ABGB regelt den Schadenersatz bei Sachschäden regelt. Ausdrücklich
wird normiert, daß in jedem Fall der entgangene Gewinn zu ersetzen ist.
Zur Bestimmung der Tunlichkeitsgrenze bei Naturalrestitution von individuellen
Schäden ist die Bedeutung des geschädigten Gutes für die Umwelt zu
berücksichtigen.
Umweltschäden
Zu § 10 (1) bis (3):
Eine ausdrückliche Normierung von Umweltschäden als ersatzfähige Schäden
ist angebracht, da bei nuklearer Strahlung die Umwelt als überindividuelles Gut
in äußerst hohem Maß beeinträchtigt werden kann. Als Umweltschäden sind
nachteilige Veränderungen der Umwelt und damit einhergehende
Beeinträchtigungen ihres Nutzungspotentials zu verstehen. Die Bemessung von
Umweltschäden wird an den Kosten der Wiederherstellung des vorigen
Zustandes zu erfolgen haben.
Da bei atomarer Verseuchung der Umwelt die genaue Bezifferung des
Schadens schwierig ist, wird Festsetzung der Schadenssumme immer wieder
auch eine Ermessensentscheidung des Gerichts darstellen.
Anspruchsberechtigung
Zu § 11:
Die Bestimmung ermöglicht eine Verbandsklage, um bei überindividuellen
Schäden, die die Umwelt betreffen, Einzelpersonen zu entlasten. Durch eine
Klagebefugnis der in dieser Regelung vorgesehenen Personen soll ein
möglichst effizientes Instrument geschaffen werden, um im Falle eines
Umweltschadens, der großflächig österreichisches Staatsgebiet betrifft, gegen
den oder die Haftpflichtigen vorzugehen.
Die zeitliche Schranke bei Organisationen, die sich dem Umweltschutz widmen,
wurde normiert, um nur Organisationen zur Verbandsklage zuzulassen, die sich
bereits die vorgesehene Zeit mit dem Schutz der Umwelt auseinandergesetzt
haben und eine gewisse Kontinuität und Erfahrung auf diesem Gebiet
aufweisen.
Nichtige Vereinbarungen
Zu § 12:
Diese Bestimmung entspricht dem bisherigen § 8 AtomHG 1964, wodurch die
Kanalisierung der Haftung auf den Betreiber oder den Beförderer zu
zwingendem Recht wird.
Verursachungsvermutung
Zu §13:
Die Verursachung des Schadens wird vermutet, wenn sich eine konkrete
Anlage oder ein konkreter Transport dazu eignet, einen derartigen Schaden
herbeizuführen. Diese Vermutung kann erst widerlegt werden, wenn der
Haftpflichtige beweist, daß er nicht für diesen Schaden verantwortlich ist. Diese
Beweislastumkehr ist gerechtfertigt, weil einerseits für Einzelpersonen, wenn
ein Schaden durch Radioaktivität hervorgerufen wurde, eine erschwerte
Nachweisbarkeit bezüglich der Verursachung vorliegt und andererseits für
potentielle Haftpflichtige durch deren Informationsvorsprung ein Freibeweis
auch tatsächlich ohne besondere Mehraufwendungen möglich ist.
Solidarhaftung
Zu § 14:
Ein und derselbe Schaden kann durch mehrere nukleare Ereignisse
hervorgerufen werden, etwa dadurch, daß durch die Abfälle mehrerer
Kernanlagen, die am selben Fluß liegen, das Wasser radioaktiv verseucht wird
oder daß Strahlungen aus benachbarten Kernanlagen ins Freie treten und
gemeinsam Schäden verursachen Da sich das Ausmaß der Anteile für die
jeder einzelne Haftpflichtige haftbar gemacht werden müßte, kaum je
bestimmen ließe, wird eine Haftung zur ungeteilten Hand als dem Schutzzweck
des Gesetzes am besten entsprechend vorgeschlagen.
III. Abschnitt: Deckung
Private Versicherung
Zu § 15 (1):
Es werden zwei Fälle von Versicherungspflicht unterschieden:
Der Betreiber einer Kernanlage hat eine private Haftpflichtversicherung für
zumindest drei Milliarden Schilling abzuschließen. Diese Deckungssumme stellt
einen Minimalbetrag dar, da es angesichts der möglichen Schadensgrößen
wünschenswert ist, daß mit der Versicherungsgesellschaft eine so hohe
Deckung wie möglich vereinbart wird.
Zu § 15 (2):
Die Normen bezüglich Haftung für Transporte und deren Versicherung sollen
auch präventiv gegenüber geringer
Sorgfalt auf Seiten der Beförderer wirken.
Zu § 15(3):
In einer Verordnung sollen jene Risiken festgeschrieben werden, die von der
privaten Haftpflichtversicherung nicht gedeckt werden müssen. Diese Regelung
wird vorgeschlagen, da einerseits nicht sämtliche Risiken von den privaten
Versicherungsgesellschaften gedeckt werden können, und andererseits die
vorgeschlagene Bundesversicherung bei einem Schadenseintritt ab einer
gewissen Höhe oder nach einer gewissen Zeit für den Ersatz des Schadens
aufzukommen hat. Deshalb kann es nicht ins Ermessen der Versicherer gestellt
werden, welche Risiken sie von der Deckung ausschließen wollen. Schon im
Interesse einer möglichst genauen Bemessung der für die Bundesversicherung
einzufordernden Prämien müssen die nicht privat versicherbaren Risiken einer
Genehmigung der Bundesregierung unterliegen.
Deckung durch den Bund
Zu § 16 (1):
Die Bundesdeckung soll Versicherungcharakter haben, d.h. die Deckung des
Bundes wird gegen Prämie gewahrt. Die vom Bund gedeckte Summe sollte
höchstens sieben Milliarden Schilling betragen, da zumindest die ersten drei
Milliarden Schilling der insgesamt zehn Milliarden Schilling betragenden
Deckung durch die private Haftpflichtversicherung zu erbringen sind.
Zu § 16 (2):
Als Spätschäden gelten diejenigen Schäden, die erst dann sichtbar werden und
eingeklagt werden können, wenn die Klagemöglichkeit gegen den Betreiber
wegen Fristablaufs erloschen ist. In diesen Fällen hat der Bund dem
Geschädigten Deckung zu verschaffen. Durch diese Regelung werden alle
Schäden erfaßt, die mehr als 30 Jahre nach dem Schadensereignis auftreten
sowie diejenigen, die später als 27 Jahre nach dem schädigenden Ereignis
sichtbar werden, für deren Deckung aber aus irgendeinem Grund bis zum Ende
des 30. Jahres nicht Klage erhoben wurde.
Beiträge des Haftpflichtigen
Zu § 17:
Die Prämien der Bundesversicherung sind nach versicherungstechnischen
Grundsätzen zu berechnen, sohin nach den gleichen Prinzipien, nach denen
auch die Beiträge an die privaten Haftpflichtversicherer bemessen werden.
Für die Deckung von Schäden nach § 19 werden keine Prämien erhoben.
Nuklearschadensfonds
Zu § 18:
Die Beiträge der Versicherten sind sicher
und jederzeit verfügbar anzulegen.
Besondere Fälle
Zu § 19:
Es sind auch Schäden denkbar, für die der Haftpflichtige nicht ermittelt werden
kann. Angesprochen sind nur diejenigen Fälle, in denen nachgewiesen werden
kann, daß es sich um Nuklearschäden handelt, was nicht bedeutet, daß auch
die Herkunft der Strahlung bewiesen werden kann.
Ausnahmen von der Versicherungspflicht
Zu § 20:
Es wäre denkbar, daß ein Haftpflichtiger gleichwertige Sicherheit durch andere
Maßnahmen als eine Haftpflichtversicherung bieten kann. Diese Möglichkeit soll
nicht verwehrt werden.
Unmittelbarer Anspruch. Einreden
Zu § 21 (1) und (2):
Die Bestimmungen sollen der Schadenersatz fordernden Person zum einen die
Möglichkeit geben, unmittelbar gegen den Versicherer oder den Bund Klage
führen zu können und andererseits bei Unklarheiten aus der Gestaltung des
Versicherungsvertrages die geschädigte Person in der Durchsetzung ihrer
Interessen privilegieren.
IV. Abschnitt: Schlußbestimmungen
Gerichtsstand
Zu § 23(1):
Bei einer inländischen Kernanlage sollen alle Verfahren, die durch ein
schadensstiftendes Ereignis verursacht werden, an einem vorher bestimmten
Gericht zusammengefaßt und abgewickelt werden.
Zu § 23 (2):
Wenn im Zuge eines Transportes von Kernmaterialien (zB infolge eines Unfalls)
Schaden verursacht wird, ist jenes Landesgericht zuständig, in dessen
Sprengel das für den Schaden ursächliche Ereignis (also zB der Unfall)
eingetreten ist.
Wird aber durch eine zeitlich länger andauernde Einwirkung ein Schaden
verursacht wird und ist der genaue Ort des schadenstiftenden Ereignisses nicht
oder nicht mehr bestimmbar, so ist im Falle einer Kernanlage jenes
Landesgericht zuständig, in dessen
Sprengel die Kernanlage liegt, und im Falle
eines Transportes jenes Landesericht, in dessen Sprengel der Beförderer
seinen Wohnsitz oder der Wohnsitz seines bezeichneten Vertreter liegt.
Zu § 23 (3) und (4):
Klagen gegen den Bund gemäß § 16 Abs. 2 sowie gemäß § 19 sind ebenso
beim Landesgericht Wien anzubringen wie solche wegen einer im Ausland
liegenden Kernanlage, die für einen Schaden im Inland ursächlich ist.
Verjährung
Zu § 24(1):
Verjährung nach der hier vorgeschlagenen Bestimmung tritt ein, wenn die
geschädigte Person sowohl vom Eintritt des durch ein nukleares Ereignis
hervorgerufenen Schadens als auch vom Haft - oder Deckungspflichtigen
Kenntnis erlangt hat und dennoch nicht nach spätestens drei Jahre Klage führt.
Unabhängig davon erlöschen aber Ansprüche jedenfalls 30 Jahre nach dem
Schadenseintritt. Davon ausgenommen sind die in § 16 Abs 2 normierten
Spätschäden und Schäden, die durch eine andauernde Einwirkung
hervorgerufen werden. Im zweiten Fall beginnt die Verjährungsfrist unabhängig
von tatsächlichen Schadenseintritt erst mit dem Ende der radioaktiven
Einwirkung zu laufen. Die bloße Möglichkeit der Kenntnis der Person des
Ersatzpflichtigen ersetzt die Kenntnis nicht, und zwar auch dann nicht, wenn
diese Kenntnis leicht zu erlangen gewesen wäre. Eine Erkundungspflicht des
Ersatzberechtigten besteht nicht.
Zu § 24 (2):
Ein Anspruch aus dem Titel des Rückgriffs verjährt erst drei Jahre nach jenem
Zeitpunkt, zu dem der Rückgriffsberechtigte den vollen Umfang seiner
Leistungspflicht erlangt hat.
Zu § 24 (3):
Sobald die Verjährung gegenüber auch nur einem Haffpflichtigen, einem
Versicherer oder dem Bund unterbrochen wird, wirkt diese Unterbrechung für
alle Haftpflichtigen, alle Versicherer und dem Bund. Dadurch soll einer
sukzessiven Verkleinerung des Kreises der zum Schadenersatz Verpflichteten
gegenüber einer geschädigten Person aus dem Institut der Verjährung
vorgebeugt werden.
Gegenseitigkeit
Zu § 25:
Mangels einer grenzüberschreitenden Regelung des internationalen Rechts
wird für diese Tatbestände eine Gegenseitigkeitsklausel aufgenommen, wie sie
auch die korrespondierenden Regelungen der Bundesrepublik Deutschland und
der Schweiz vorsehen.
Anwendung des ABGB
Zu § 26:
Die Anwendung des ABGB auf die in diesem Gesetz vorgesehenen Ansprüche
soll außer bei ausdrücklicher Ausnahme generell gelten.
Vollziehung
Zu § 27:
Die Vollziehung dieses Gesetzes obliegt dem Bundesminister für Justiz mit
Ausnahme der Bestimmungen der §§ 15 (3), 17 (2), welche von der
Bundesregierung, des § 17 (3), welche vom Bundesminister für Finanzen und
des § 2 (3), welche im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt,
Jugend und Familie zu vollziehen sind.