719/AE XX.GP

 

der Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Partnerinnen und Partner

betreffend gründliche Vorbereitung der EU - Erweiterung

Die Europäische Union steht mit der anstehenden Osterweiterung vor einer

entscheidenden Weichenstellung in Richtung einer dauerhaften und gerechten

Friedensordnung und einer endgültigen Überwindung der Spaltung Europas sowie in

Richtung eines dynamischen Wirtschafts - und Kulturraums. Die EU kann sich im

rasch entwickelnden globalen Wettbewerb nur erfolgreich behaupten, wenn sie die

europäische Integration konsequent vorantreibt und sich für neue Mitglieder öffnet.

Österreich würde mit einer raschen Heranführung und einer erfolgreichen Integration

der mittel -  und osteuropäischen Staaten nicht nur zur Öffnung neuer Chancen und

Märkte beitragen, sondern auch ganz allgemein seiner geopolitischen und

wirtschaftlichen Randlage entkommen.

Auf der anderen Seite ist der Erfolg der Reformprozesse in den antragstellenden

Ländern mit der Beitrittsperspektive zur EU direkt verknüpft. Die Vollmitgliedschaft

der bisher nur assoziierten Länder verbessert die Chancen für ihren wirtschaftlichen

und politischen Aufholprozeß. Die Zugangskriterien für die Beitrittskandidaten

wurden beim Europäischen Rat in Kopenhagen 1993 definiert: stabile,

demokratische und rechtstaatliche Ordnung, Achtung der Menschen - und

Minderheitenrechte, eine funktionsfähige Marktwirtschaft, die Fähigkeit, dem

Wettbewerbsdruck in der EU standzuhalten und die Übernahme der sich aus der

Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen und Ziele der Union. Nicht zuletzt

deshalb, weil sogar die Europäische Kommission in der Agenda 2000 festgestellt

hat, daß zumindest die institutionellen Regelungen für den wichtigsten Bereich der

Kriterien, Demokratie und Menschenrechte, überall erlassen wurden, haben nun

auch alle Beitrittswerber -  mit Ausnahme der Slowakei, die diese Kriterien noch nicht

erfüllt den Anspruch, gleich behandelt zu werden und Beitrittsverhandlungen zu

beginnen.

Die in der Agenda 2000 festgelegte Strategie der Kommission, die beim

Europäischen Rat im Dezember 1997 in Luxemburg in den Grundzügen bestätigt

wurde, zwar alle 11 Beitrittsansuchen anzuerkennen, jedoch nur mit 6

Beitrittswerbern wirklich konkrete Beitrittsverhandlungen zu führen, im Bereich der

Finanzierung der EU jedoch keine ausreichenden Reformen vorzusehen, wird in

dieser Form den Erfordernissen nicht gerecht. Das Europäische Parlament hat mit

seiner Entschließung vom 4. Dezember1997 weitgehend den richtigen Weg

vorgezeigt: die Aufnahme der Mitgliedswerber wird von jeweils erzielten Fortschritten

abhängig gemacht, die Finanzierungserfordernisse werden realistisch eingeschätzt

und der Institutionenreform wird Priorität eingeräumt, ohne sie zu einem Faustpfand

für die Osterweiterung zu machen.

Zu den mit der Osterweiterung einhergehenden notwendigen Reformen ist aber

auch eine neue Ausgabenstruktur der EU erforderlich: weniger Ausgaben für

Subventionen (vor allem in der Landwirtschaft), zielgenauere Strukturhilfen, mehr

Geld für Innovationen und Zukunftstechnologien, um wettbewerbsfähige

Arbeitsplätze in Europa zu schaffen.

Niemand bezweifelt, daß die Osterweiterung schwierig ist und der EU einiges

abverlangen wird. Aber die Probleme werden nicht dadurch gelöst, daß man die

Beitrittsverhandlungen oder auch die Beitritte selbst auf viele Jahre hinausschiebt,

wie dies von immer mehr Politikern und Entscheidungsträgern, gerade in Österreich,

gefordert wird. Eine rasche Mitgliedschaft der mittel - und osteuropäischen Länder in

der EU - mit entsprechenden Übergangsfristen in sensiblen Bereichen wie z.B. dem

freien Personenverkehr - ist nicht nur ein berechtigter Anspruch dieser Länder, die

weitgehend unverschuldet vom westeuropäischen Wirtschafts -  und Wohlstands -

modell über 40 Jahre ausgeschlossen waren, sondern eröffnet auch uns neue

Chancen und sichert langfristig Frieden, Demokratie und Wohlstand in ganz Europa.

Bisher der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Untersuchungen gehen jedenfalls im

allgemeinen davon aus, daß die Reformländer innerhalb der nächsten 8 bis 10

Jahre wirtschaftlich zu den schwächeren EU - Staaten aufschließen werden (ein

Trend, der sich gerade durch den Reformdruck zügiger Beitrittsverhandlungen

verstärken würde), daß sich die Investitionsmöglichkeiten und der

Leistungsbilanzüberschuß der angrenzenden westlichen EU - Staaten stark erhöhen

werden, daß maximal 1 % der Bevölkerung der Reformländer in die bisherigen EU -

Staaten emigrieren würden, daß auf der anderen Seite große Probleme im Verkehrs-

und Umweltbereich entstehen könnten.

Um allerdings die Ängste der Bevölkerung zu bekämpfen, ist eine umfassende

politische Befassung mit dem Thema EU - Erweiterung, sowohl im Parlament als auch

in der Öffentlichkeit, notwendig.

Daher stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen.

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für

auswärtige Angelegenheiten, wird aufgefordert, alle von ihr in Auftrag gegebenen

oder ihr zugänglichen Untersuchungen, Studien, wissenschaftlichen Arbeiten und

sonstigen Unterlagen zu den Auswirkungen, Vor - und Nachteilen der EU -

Erweiterung, vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Industrie, Landwirtschaft,

Umwelt, Verkehr, Migration, innere und äußere Sicherheit dem Nationalrat zur

Beratung zuzuleiten.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, die österreichische Bevölkerung im

Laufe der nächsten 5 Jahre in geeigneter Form über die Auswirkungen der EU -

Erweiterung umfassend zu informieren.“

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuß

beantragt.