742/A XX.GP

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Pollet - Kammerlander, Freundinnen und Freunde

betreffend Optionenbericht der Grünen

Die unterschiedlichen Einschätzungen und Positionen der Regierungsfraktionen über die

Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik haben dazu geführt, daß das im

Koaltionsübereinkommen (7. März 1996) verankerte Ziel, “weiterführende

sicherheitspolitische Optionen” bis Ende März 1998 “noch vor Übernahme des EU -

Vorsitzes durch Österreich” dem Parlament vorzulegen, gescheitert ist. Damit ist jedoch

davon auszugehen, daß für die nächsten Jahre die Basis der österreichischen

Sicherheitspolitik, die verfassungsrechtlich verankerte immerwährende Neutralität ist. Eine

Anpassung an die internationalen Entwicklungen kann also nur auf dieser

verfassungsrechtlichen Basis erfolgen. Eine Rückkehr zu den völkerrechtlichen

Verpflichtungen, die aus der Neutralität erwachsen, wäre aus Gründen der Stabilität und

Sicherheit der Republik in einer bewegten Umwelt vor diesem Hintergrund zweckmäßig.

Eine globale Sicherheitsordnung, die diesen Namen verdient, muß bestrebt sein, den Krieg

als Mittel der Politik endgültig zu überwinden. Dafür erscheint die Wiederaufnahme einer

aktiven Neutralitätspolitik besonders wichtig.

All diese Anforderungen haben die Grünen in ihrem Optionenbericht berücksichtigt. Die

Option der Grünen ist ein Vorschlag am Boden der Verfassung, im Interesse des sozialen

Friedens, einer aktiven Neutralitätspolitik und einer umfassenden Sicherheits - und

Abrüstungspolitik, der eine hervorragende Grundlage für die jetzt anstehende

Grundsatzdebatte bildet.

Beilage 1: Politische Schlußfolgerungen des Optionenberichtes der Grünen

Beilage 2: Optionenbericht der Grünen, Wien 1998.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Wir ersuchen die Bundesregierung, die weitere sicherheitspolitische Entwicklung der

Republik entlang der Schlußfolgerungen des beiliegenden Berichtes zu behandeln.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den außenpolitischer Ausschuß vorgeschlagen.

 

 

Beilage 1 konnte nicht gescannt werden !!


 

Optionenbericht

 

DIE GRÜNE OPTION

 

SICHERHEIT STATT NATO

Mit dem Umbruch in Europa steht auch Österreichs

Sicherheitspolitik vor einer Neuorientierung. In Europa

grenzen nicht länger zwei feindliche Blöcke aneinander,

und die Trennlinie zwischen beiden wird nicht mehr an

einem einzigen Punkt - dem neutralen Österreich -

unterbrochen. Die Feindbilder invasionsbereiter Armeen

aus dem Osten haben auch für Österreich ausgedient.

Nicht nur die Europäische Union, ganz Europa sucht

nach einer Neubestimmung seiner Sicherheit und Stabilität. Mit dem Ende der erstarrten

Sicherheitspolitik des Kalten Krieges wird es für jeden und jede einzelneln notwendig, seine

Option festzulegen. Zu Recht erwarten sowohl die Menschen in Österreich als auch die

anderen europäischen Staaten eine eindeutige Option für Österreichs Rolle in einer

zukünftigen europäischen Sicherheitsarchitektur. Sie alle haben ein Recht auf eine Option, die

nicht von Parteitaktik und Regierungsstreit, sondern von klaren Zielen bestimmt ist. Für

Grüne bedeutet Sicherheit aktives Eintreten gegen Gewaltbereitschaft sowohl innerhalb

unserer Gesellschaft als auch zwischen Staaten. Es geht darum, rechtzeitig gewaltfreie

Schritte zur Kontliktaustragung zu setzen. Gewaltausbruch und militärische Eskalationen

werden damit verhindert.

DIE WIRKLICHEN BEDROHUNGEN

Wer eine Option entwickeln will, muß zuerst ein gut begründetes Bedrohungsbild zeichnen.

Eine realistische Reihung der Bedrohungen erlaubt es der Sicherheitspolitik, Prioritäten zu

setzen. Gemeinsam mit dem Verteidigungsminister und dessen Partei hat die Spitze des

österreichischen Militärs jenseits aller realen Bedrohungen ein eigenartiges Bild aus nur einer

Bedrohung entwickelt: der Angst, nicht dabeizusein - bei der Nato, der WEU, dem nächsten

militärischen Block. Wir setzen dem die Liste der sechs wichtigsten Bedrohungen entgegen.

Bedrohung 1: Massenvernichtungswaffen

Produktion und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Raketenträgersystemen

stellen weltweit nach wie vor die gefährlichste Bedrohung dar. Nato und WEU sind nicht die

Lösung, sondern Teil dieses Problems. Die Nato hat die Aufrüstung Europas so weit

mitgetragen, daß auch ein konventioneller Krieg zwischen den Blöcken angesichts der

Zerstörungskraft der modernen Waffen, der Verletzlichkeit hochtechnisierter Gesellschaften

und der dichten Bevölkerung des Kontinents nur noch als Verwüstung Europas denkbar ist.

Diese ökologische Verantwortung ist dem militärischen Denken nach wie vor fremd - daher

sind es nach wie vor die Militärbündnisse, die die Hauptverantwortung für die radioaktive

Verseuchung der Meere durch die Versenkung von Atomabfällen tragen.

Bedrohung 2: Blockkonfrontation in Europa

Mit der jüngsten Erweiterung der Nato hat die militärische Blockbildung begonnen, die

friedliche Erweiterung der EU Richtung Osten zu überholen. Nicht einmal zehn Jahre nach

1989 schiebt sich die westliche Blockgrenze wieder Staat für Staat an die Grenze Rußlands

heran. Die Spaltung Europas wird damit nicht überwunden, sondern einige hundert Kilometer

weiter östlich wiederholt. Wie in jeder Blockkonfrontation wächst auch diesmal der Druck,

die jeweils eigene Sicherheit national zu begründen und militärisch, mit Atomwaffen, zu

sichern.

Bedrohung 3: grenznahe Atomkatastrophen

Leben und Gesundheit der Österreicherinnen werden von möglichen Unfällen in den

Atomkraftwerken an Österreichs Grenzen bedroht. Wien liegt in der weltweiten Liste der

gefährdeten Großstädte auf Platz eins. Die tödlichen Bedrohungen für die österreichische

Bevölkerung: Mochovce, Bohunice, Dukovany, Krsko, Kosloduj und Temelin. Nach wie vor

weigert sich die Bundesregierung, auch nur einen kleinen Teil des Militärbudgets der

“ökologischen Landesverteidigung" zu widmen.

Bedrohung 4: Militärisierung der Außenpolitik

Seit dem zweiten Golfkrieg sinkt die Schwelle zu militärischen Interventionen. Während die

Neigung der USA, die UNO für Militärinterventionen zu mißbrauchen, wächst, hat Europa

noch keine gemeinsame Außenpolitik geschaffen. Die "friedenschaffende Intervention” droht

zum Normalfall der internationalen Konfliktregelung zu werden. Damit behindert und

verdrängt der “Out - of - area” - Einsatz von Nato und WEU die künftigen Möglichkeiten

nichtmilitärischer Friedensschaffung und zwingt konkurrierende Blöcke, mit gleichen Mitteln

um globalen Einfluß zu kämpfen.

Bedrohung 5: Rüstungskomplex Westeuropa

Die EU - Staaten haben sich in Amsterdam im Artikel 3.7 auf eine “rüstungspolitische

Zusammenarbeit” geeinigt. Die europäische Rüstungsindustrie sucht einen Ausweg aus dem

Abrüstungstrend seit 1989. Sie hofft auf zwei neue Geschäftsfelder: die “Modernisierung” der

Nato - Beitrittsländer und die Ausrüstung schneller globaler Eingreiftruppen. Neue und

modernere Waffen setzen wieder eine Aufrüstungsspirale in Gang.

Bedrohung 6: Arbeitslosigkeit, Armut

Eine der wesentlichen Ursachen von Kriegen, Vertreibungen und Nationalismus ist die Kluft

zwischen armen und reichen Staaten, zwischen sozial ausgegrenzten und begüterten

Menschen, die sich immer weiter vertieft. innerhalb der EU leben bereits 57 Mio. Menschen in

Armut. Wenn die soziale Ungleichheit wächst, wächst auch die Unsicherheit mit.

Arbeitslosigkeit, Verarmung und Chancenlosigkeit bereiten den Boden für fremdenfeindliche

Demagogie. Hand in Hand damit geht die Abschottung gegenüber der Dritten Welt: Die

polizeilich und militärisch abgesicherte Festung Europa ist im Entstehen. Doch mit diesen

Mitteln können globale soziale Konflikte nicht gelöst werden: Wenn Menschen aus Kurdistan

flüchten müssen, werden sie sich nicht von italienischen Küstenwächtern oder

österreichischen Präsenzdienern abschrecken lassen. Eine einzige Bedrohung besteht nicht

mehr: die Drohung ausländischer Armeen, in Österreich einzumarschieren.

Österreich wird in Zukunft von befreundeten Staaten umgeben sein. Damit fällt zum ersten

Mal nach 1945 die Notwendigkeit einer militärischen Landesverteidigung weg. Österreich

kann daher - unabhängig von militärischen Zwängen - frei bestimmen, welchen Beitrag zu

Frieden und Sicherheit es in Europa leisten will. In dieser bedrohungsfreien Sitaution ist

Österreich kein ,,Trittbrettfahrer", weil unser Land mit Neutralität und aktiver Außenpolitik

mehr als manche blockgebundenen Länder zur Sicherheit Europas beiträgt.

CHANCEN NÜTZEN

Europa steht sicherheitspolitisch am Scheideweg. Setzen sich die Kräfte, die für den

Nato - Beitritt plädieren, durch, wird ganz Westeuropa zum Anhängsel einer militärisch

bestimmten Globalpolitik der USA. Der Angriff auf den Irak hat das Muster für den

militärischen Ernstfall der weltweiten Ressourcenpolitik vorgegeben. Setzen sich die

Befürworter des WEU - Beitritts durch, dann steht dahinter das Interesse an einem eigenen

europäischen Militärblock mit allen Folgen für Europas Rolle in der Welt. So oder so - wenn

deutsche, französische und österreichische Soldaten für Öl und Bodenschätze auf Einsatz

geschickt werden, ist es letzten Endes egal, ob sie unter amerikanischem oder

westeuropäischem Kommando stehen. Sie werden in beiden Fällen einem sinnlosen Kampf

geopfert - dem Kampf um das Recht, nicht erneuerbare Ressourcen weiter ausbeuten zu

dürfen. Das Jahr 1989 hat auch Europa eine Friedensdividende gebracht. Erste weltweite

Schritte zur Abrüstung sind gesetzt worden: der atomare Rüstungsstop, der Atomteststop,

der Beginn der konventionellen Abrüstung in Europa und das Minenverbot.

Mit der Osterweiterung der Nato droht die Friedensdividende einer neuen Aufrüstung

geopfert zu werden. Mit dem Titel 5 der Amsterdamer Verträge haben sich zum ersten Mal

die Befürworter einer militärischen Blockbildung im ganzen EU - Raum durchgesetzt. Eine

gemeinsame Militärpolitik, ein gemeinsames Kommando und eine gemeinsame

Rüstungswirtschaft sind jetzt möglich - aber noch nicht fixiert. Noch immer stehen Europa

alle Optionen offen - und noch immer hat Österreich alle Chancen auf eine Zukunft als

neutrales, friedenssicherndes Mitglied der Völkergemeinschaft statt der Mitgliedschaft in

einem hochgerüsteten Militärblock.

Chance 1: Neutralität als sicheres Fundament

Österreichs sicherheitspolitische Erfolge haben fünf Gründe: Neutralität, Bündnisfreiheit,

aktive Außenpolitik, internationale Vermittlerrolle - und die Tatsache, daß es Sitz

internationaler Organisationen ist. Wenn Blöcke aufeinander zurücken und wieder abrüsten,

braucht Europa kleine, niemanden bedrohende Staaten, die als Vermittler und Schlichter ihre

guten Dienste anbieten können. Für diese Rolle gibt es gute Voraussetzungen:

Bündnisfreiheit, Stationierungsverbot und die Nichtteilnahme an Kriegen. Das sind auch die

drei verfassungs - und völkerrechtlichen Grundelemente der immerwährenden Neutralität.

Als Begründung für ein möglichst großes Militär hat die Neutralität ausgedient. Für einen

Richtungswechsel hin zu einer modernen, aktiven Außen - und Friedenspolitik bietet sie den

Schlüssel: weg von der Fixierung auf den reichen, hochgerüsteten Norden, hin zu einer fairen

globalen Lösung ökologischer und sozialer Probleme. Neue Formen der zivilen

Konfliktwahrnehmung, - vorbeugung und - vermittlung können von Österreich verstärkt

ausgehen. Mit der international angesehenen Friedensuniversität in Stadtschlaining ist ein

erster Ansatz dafür gelungen, der weiter ausgebaut werden muß.

Chance 2: die friedliche gemeinsame Außenpolitik

Die Chance: Die EU beschließt als Ziel die globale Konfliktlösung mit nichtmilitärischen

Mitteln. Weil die EU kein Militärblock wird, hat sie Interesse, ihr ganzes wirtschaftliches und

politisches Gewicht gegen die Militärisierung globaler Konflikte zu setzen. Die europäischen

Nato - Länder könnten mit ihren technischen Mitteln die Konfliktfrühwarnung und die

Rüstungskontrolle übernehmen und gleichzeitig erste Schritte zur eigenen Abrüstung

unternehmen, die Schlüsselrolle kommt aber den Allianzfreien zu: Sie ordnen sich weder Nato

noch WEU unter, sondern bilden das europäische Gegengewicht zu den Blöcken. Damit

garantieren sie, daß aus Europa kein “bewaffneter Binnenmarkt” wird.

Die WEU wird damit überflüssig, die gemeinsame europäische Außenpolitik entsteht in der

Abstimmung und Harmonisierung zwischen Nato - Mitgliedern und Allianzfreien. Die

österreichische Politik hat dazu ein EU - Instrument in der Hand: das Vetorecht gegen einen

Militärblock in der EU. Zu diesem Zweck muß Österreich die Zustimmung im Europäischen

Rat zur Integration der WEU in die EU nach Art. J. 7. 1 des Amsterdamer Vertrags

verweigern.

Chance 3: Osterweiterung der EU

Die Chance: Gegen alle Absichten einer neuerlichen Militärisierung Europas durch eine

Nato - Erweiterung setzt die EU auf die Schaffung einer Europäischen Friedensordnung.

Grundlegende Voraussetzung für einen Umbau Europas zu einem Raum des Friedens und der

Sicherheit ist neben der Aussöhnung mit Rußland die schnelle und gleichberechtigte

Aufnahme der beitrittswilligen Reformstaaten in die EU. Dieses Vorhaben begründet auch

eine herausgehobene Verantwortung der Neutralen und eine neue europapolitische Dimension

ihrer Neutralität. Mit ihrem Beharren auf dem besonderen völkerrechtlichen Status der

Neutralität können sie verhindern, daß die Nato unter der Vorherrschaft der USA zum

einzigen und geschlossenen Sicherheitssystem in Europa wird. In der dadurch

aufrechterhaltenen Pluralität der Sicherheitssysteme würde die Option offengehalten, eine

Nato - unabhängige, tatsächlich europäische, kooperative Friedens - und Sicherheitsordnung

unter Einbeziehung Rußlands zu entwickeln.

Chance 4: weiße Zonen

Die Chance: Die neutralen und allianzfreien Staaten einigen sich auf die Bildung “weißer

Zonen”. Sie dulden in Zukunft keine Atomkraftwerke, keine Atomwaffen und keine

offensiven militärischen Kräfte auf eigenem Territorium. Mit einem Gürtel von Staaten, die

keinem Militärbündnis angehören und niemanden bedrohen, wird der neue Blockgegensatz in

Europa gemildert. Damit kann eines der wichtigsten außenpolitischen Projekte der EU

ernsthaft begonnen werden: die Aussöhnung mit Rußland. Von Finnland, Schweden,

Österreich, Schweiz und Irland bis zu den osteuropäischen Staaten außerhalb der Nato

können sich die Allianzfreien ein gemeinsames Ziel setzen und doppelt auf die Nato

einwirken: zur militärischen Verdünnung in den Randstaaten und zur weiteren Abrüstung in

ganz Europa.

Chance 5: Aufwertung und Stärkung der UNO

Eines ist auch den Befürwortern einer Nato - Mitgliedschaft klar: Kein Bündnisbeitritt kann

und wird auf absehbare Zeit nationale Sicherheitspolitik ersetzen. Erst wenn die

übergeordnete Autorität der Vereinten Nationen über ausreichende Ressourcen verfügt, wäre

nationale Sicherheits - und Verteidigungspolitik überflüssig. Bis dahin vermag sich Österreich

in Freiheit und Unabhängigkeit auf internationaler Ebene weit besser Gehör zu verschaffen

denn als kleines Nato - Mitglied. Die Grünen befürworten das aktive Zusammenwirken der

Neutralität mit dem Aufbau eines kollektiven Sicherheitssystem der UN. Durch die Errichtung

eines globalen Gewaltmonopols und die Beschlußfassung einer “demokratischen Verfassung”

der Völker dieser Erde kann der Weg zu einer Welt ohne Krieg und ohne Waffen bereitet

werden.

UND DAS BUNDESHEER?

Nicht einmal die Militärs selbst glauben, daß sich Österreich dieses Bundesheer weiter leisten

soll. Der Generaltruppeninspektor verlangt eine Entscheidung: Wenn den Forderungen der

Militärs nach mehr Material und Geld nicht nachgegeben wird, “wäre tatsächlich zu erwägen,

auf eine militärische Landesverteidigung, die einen solchen Namen verdient, zu verzichten.

Ein symbolischer Beitrag vielleicht in Form einer “Abschlagszahlung” - wäre dann wohl

eine konsequentere Lösung”. Acht Jahre nach dem Ende jeder Bedrohung aus dem Osten ist

es Zeit, Schluß zu machen.

Österreich kann und soll alles abrüsten, was überflüssig geworden ist:

° Die Panzerbrigaden sollen durch die UN - Friedenstruppe ersetzt werden. Kampfpanzer

werden ebenso überflüssig wie weitreichende Artillerie.

° Die Luftraumüberwachung mit Hilfe von Radar wird auch in Zukunft gebraucht, die

Luftraumverteidigung nicht. Damit kann die Fliegerdivision geschlossen werden.

° Die zusätzlichen Kräfte, die für Sicherungseinsätze und Katastrophenschutz benötigt

werden, sollen vom Landesverteidigungs - an das Innenministerium überstellt werden.

° Die Wehrpflicht wird überflüssig, die nächsten Generationen von Jungmännern können

über ihr Leben frei verfügen, sie erhalten acht Monate ihres Lebens zurück.

Österreich schafft damit eine sechste Chance: eine Friedensdividende für Österreich und einen

Friedensimpuls für Europa. Österreich kann für Europa zeigen, daß weitgehende Abrüstung

ohne Verzicht auf Sicherheit und internationale Solidarität möglich ist. Der Satz von Ghandi

gilt heute gerade für Österreich: “Wenn in Europa wirklich abgerüstet werden soll, muß eine

Nation damit beginnen und alle damit verbundenen Risiken auf sich nehmen. Wenn dieser

glückliche Umstand einmal eintreffen wird, dann entfaltet diese Nation eine Kultur der

Gewaltfreiheit, die so hoch sein wird, daß sie ihr eine universelle Beachtung und Achtung

eintragen wird.” Noch nie waren die Risiken so gering. Daher soll Österreich für Europa

beginnen.

INVESTIEREN STATT VERSCHWENDEN

Die militärische Landesverteidigung belastet das Budget jedes Jahr mit 22 Milliarden

Schilling. Österreichs Nato - Beitritt würde zu Beginn mindestens acht Milliarden, bei

Erhöhung der Ausgaben auf das durchschnittliche Nato - Niveau von 2,4 Prozent des BIP rund

vierzig Milliarden Schilling mehr kosten - Jahr für Jahr.  Zumindest müßte Österreich gleich

viel zahlen wie vergleichbare Nato - Staaten. Belgiens 1,8 Prozent und Dänemarks 1,9 Prozent

des BIP markieren die Beitragshöhe für Österreich. Allein dazu müßte Österreich sein

Militärbudget um 117 Prozent auf 48 Milliarden Schilling erhöhen. Aber auch damit würde

Österreich keine zusätzliche Sicherheit kaufen. Die Mehrausgaben müßten aus zusätzlichen

Steuern oder aus weiteren Sparpaketen finanziert werden, das Geld bliebe verschwendet.

Dem gegenüber plädieren wir für einen “Investitionsplan Sicherheit”. Seine voraussichtlichen

Kosten betragen:

1. Konfliktvermeidung statt Militärintervention

Wir wollen der frühen Krisenwahrnehmung unsere ganze Aufmerksamkeit widmen, damit

vorbeugende Maßnahmen in Hinkunft Kriege verhindern können. Derartige präventive

Instrumente müssen endlich tatsächlich mit materiellen Ressourcen und nicht nur mit schönen

Worten ausgestattet werden. Der vorbeugende friedenserhaltende Einsatz der UNO hat in

Mazedonien eine Eskalation verhindert. In Bosnien - Herzegowina ist es bloß bei der

Forderung geblieben. Vorbeugende friedenserhaltende Einsätze sind die wichtigste und erste

internationale Aufgabe für Streitkräfte. Gleichzeitig treten wir vehement für die Errichtung

von zivilen Einsatzkräften zur politischen Vermittlung und Friedensbildung ein. Vorbeugende

Einsätze von Militärs machen nur Sinn, wenn in der Folge ein Versöhnungsprozeß aktiv

betrieben wird.

2. Friedenstruppe fair die UNO

Österreich stellt der UNO für friedenserhaltende Einsätze Einheiten zur Verfügung.

Sinnvollerweise bietet Österreich “Nischendienste” wie etwa eine Gebirgsbrigade,

Sanitätseinheiten oder spezialisierte Einheiten für Desaster - Relief an. Kosten: rund vier

Milliarden Schilling - die Einsparung aller sonstigen Truppenteile ermöglicht eine

Abrüstungsdividende zur Verwirklichung der beiden anderen Schwerpunkte, der sozialen

Grundsicherung und der EU - Osterweiterung. Für die Punkte 1 und 2 des “Investitionsplanes

Sicherheit” wären zusammen 4 Mrd. Schilling zu veranschlagen.

3. Osterweiterung

Die historische Bedeutung der EU - Erweiterung als eigentliches und vorrangiges

Friedensprojekt zu erkennen, beinhaltet auch die Verpflichtung, den Aufbau von Demokratie,

Wohlstand und Sozialstaat, den Schutz der Umwelt und die kulturelle Entfaltung in den

Reformstaaten endlich angemessen zu unterstützen. Die für Auf - und Umrüstung bei einer

Nato - Erweiterung vorgesehenen Mittel stehen dafür zur Verfügung. Die Einsparung dieser

exorbitanten Kosten würde es den Reformstaaten ermöglichen, diesen Aufbau auch aus

eigenen Kräften zu beschleunigen. Die EU könnte durch diese sicherheitspolitische

Neuorientierung einen “Marshallplan für die Reformstaaten” finanzieren. Die Neutralen

können einen solchen Plan anstoßen, indem sie zumindest einen Teil der Mittel eines

Nato - Beitritts dafür zur Verfügung stellen. Wir veranschlagen dafür 6 Mrd. Schilling.

4. Atomkraftwerke

Der Ersatz eines Bohunice - Reaktors durch ein umweltfreundliches Kraftwerk würde rund

drei Mrd. Schilling kosten. Die Umrüstung sämtlicher Hochrisiko - Reaktoren in Mittel - und

Osteuropa erfordert ein Budget von etwa 100 Mrd. Mit den in EU - Fonds liegenden 50 Mrd.

Schilling, aus denen derzeit noch Nuklearanlagen in West - und Osteuropa finanziert werden,

könnten bei entsprechender Umwidmung problemlos Ausstiegskonzepte finanziert werden.

Wenn Österreich seine Anti - Atompolitik ernst meint, kann die Republik durch die jährliche

Investition von drei Mrd. Schilling bis 2003 die Entschärfung der Risiko - Reaktoren

vorantreiben.

5. Grundsicherung statt Nato - Rüstung

Wer für soziale Gerechtigkeit sorgt, sorgt für nachhaltigen Frieden - etwa durch eine

bedarfsorientierte Grundsicherung. Ein solches soziales Netz gegen Arbeitslosigkeit und

Armut ersetzt das bestehende Sozialhilfewesen und führt bei Arbeitslosengeld und

Notstandshilfe Sockelungen ein, Neun Milliarden für die Grundsicherung sind eine reale

Sicherheitsinvestition.

ENTSCHEIDEN STATT HINEINSCHWINDELN

Von Österreichs Beitritt zur Partnership for Peace bis zu den Amsterdamer Verträgen ist ein

Grundmuster erkennbar: Schritt für Schritt schwindelt sich Österreich durch die Hintertür in

WEU und Nato. Den Überflugsgenehmigungen für Interventionstruppen im Nahen Osten

folgten die gemeinsamen Truppenübungen. Aus der immerwährenden Neutralität ist eine

Neutralität mit Augenzwinkern geworden.

Wenn österreichische Regierungspolitiker in den Hauptquartieren in Brüssel vorsprechen, ist

von den Differenzen in Wien wenig zu spüren. Die Unterschiede sind bloß rhetorisch - die

politische Realität ist eine andere: Beide Parteien gehen parallel ihre Wege in Richtung Nato

und WEU. Die SPÖ bekennt sich in Wien zur Neutralität und läßt ihre Vertreter in Brüssel

die Artikel J. 1 bis J. 13 der Amsterdamer Verträge (den Beginn der westeuropäischen

Blockbildung) unterschreiben. Dahinter wird ein Kalkül sichtbar: Wenn wir uns einmal

hineingeschwindelt haben, wird die österreichische Bevölkerung die vollendeten Tatsachen zu

akzeptieren haben - und bei der Volksabstimmung zustimmen.

Die Regierungsparteien wollen die Abstimmung solange verschieben, bis fast nichts mehr

abzustimmen ist. Im Fall Zwentendorf hat die Regierung bereits einmal die eigene

Bevölkerung unterschätzt. Wer den Beitritt fair entscheiden will, der läßt rechtzeitig

abstimmen. Daher fordern wir, noch vor dem Beginn von Verhandlungen und weiteren

versteckten Schritten die Volksabstimmung durchzuführen.

Erst entscheiden - dann verhandeln.