784/AE XX.GP

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten  Peter Schieder, Werner  Amon, Dr. Martin Graf, Dr. Martina Gredler, Mag .Terezija Stoisits

und Kollegen

betreffend Menschenrechtsjahr 1998

Das Jahr 1998 steht auf internationaler Ebene im Zeichen der Menschenrechte. Am 10.

Dezember 1998 ist der 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die

von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verkündet

wurde. Im Laufe des Jahres 1998 wird die internationale Gemeinschaft den ersten

Fünfjahresbericht über die Erfüllung der Ergebnisse der letzten Weltkonferenz über

Menschenrechte erstellen.

Mit dieser UN - Weltkonferenz über Menschenrechte, die von 14. bis 25. Juni 1993 in Wien

abgehalten wurde, hatte Österreich einen großen internationalen Erfolg erzielt und sein

traditionelles Engagement in Menschenrechtsfragen weiter ausgebaut. Damit kommt

Österreich auch eine besondere Verantwortung zu, im Jahr 1998 der Durchsetzung der

bestehenden universellen Menschenrechtsstandards und den Menschenrechtsaktivitäten auf

internationaler Ebene neue Dynamik zu verleihen. Dies entspricht der stetigen

Internationalisierung der Menschenrechtsfrage, wonach mit zunehmender Interdependenz

der Staaten auch eine immer stärkere gegenseitige Verantwortung für die weltweite

Einhaltung der Menschenrechte entsteht. Der Grundsatz, daß dort wo ein Staat nicht mehr in

der Lage ist, die Menschenrechte seiner Bürger zu gewährleisten, die internationale

Staatengemeinschaft zum Eingreifen aufgerufen ist, setzt sich immer mehr durch.

Der Stellenwert und die Bedeutung von Menschenrechtsfragen und das Problembewußtsein

dafür sind in den vergangenen Jahren gestiegen, der Katalog internationaler Verpflichtungen

wurde erweitert und das Netz menschenrechtlicher Instrumente verdichtet. Trotz der Erfolge,

die in manchen Bereichen erzielt werden konnten, bleibt die Gesamtbilanz bei der

Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten doch ernüchternd. Nach wie vor

besteht oft ein Widerspruch zwischen den auf internationaler Ebene eingegangenen

Verpflichtungen und der von einzelnen Staaten auf nationaler Ebene geübten Praxis.

Das Menschenrechtsjahr 1998 sollte daher Anlaß sein, gerade in jenen Bereichen Initiativen

zu setzen, in denen nach wie vor besondere Defizite bestehen: Neben der effektiven

Durchsetzung der politischen und zivilen Menschenrechte sollte der Bereich der sozialen und

ökonomischen Menschenrechte gemäß den bestehenden internationalen Abkommen ein

weiterer Schwerpunkt künftiger Aktivitäten sein. Trotz der Erfolge, die in den letzten Jahren

bei der Bekämpfung der Armut erzielt werden konnten, lebt etwa ein Viertel der

Weltbevölkerung in Armut. Weltweit leiden 800 Millionen Menschen an Hunger oder

Unterernährung. Das Recht auf Entwicklung, das 1986 von der UN - Generalversammlung in

einer entsprechenden Erklärung anerkannt wurde, gewinnt aus dieser Perspektive verstärkt

an Bedeutung.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen stellt dem UNICEF - Bericht von 1997 zufolge die am

weitesten verbreitete Menschenrechtsverletzung der heutigen Zeit dar. Aktivitäten zur

Anerkennung, Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte der Frau sollten daher

besondere Priorität erhalten. Große Defizite gibt es auch bei der Verwirklichung der Rechte

von Kindern. Trotz der UN - Konvention über die Rechte des Kindes, die von mittlerweile 191

Vertragsstaaten ratifiziert wurde, sind Praktiken wie Kinderhandel, Kinderprostitution und

Kinderpornographie nach wie vor ernste und weitverbreitete Problembereiche, die

international entschlossen bekämpft werden müssen. Ebenso forciert werden sollten

Maßnahmen gegen Kinderarbeit, die Untersuchungen der Vereinten Nationen zufolge im

Ansteigen begriffen ist.

Zur Wahrnehmung der internationalen Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte

bedarf es vor allem entsprechender Instrumente. Die Glaubwürdigkeit der Staaten im Einsatz

für die Menschenrechte wird letztlich von ihrem aktiven politischen Engagement abhängen.

Eine Priorität für das Menschenrechtsjahr 1998 muß es somit sein, die internationalen

Mechanismen zur Durchsetzung und zum Schutz der Menschenrechte zu stärken und weiter

auszubauen. Neben seiner besonderen Rolle als Sitzstaat der Vereinten Nationen und als

Gastland der UN - Menschenrechtskonferenz kommt Österreich im Jahr 1998 auch mit der

Präsidentschaft der Europäischen Union eine entscheidende Funktion für den

Menschenrechtsbereich zu. Bereits mit dem Inkrafttreten des Vertrages über die

Europäischen Union am 1. November 1993 begann eine neue Phase für die Einbeziehung

der Menschenrechte und der demokratischen Grundsätze in die Politik der Europäischen

Union. Der Vertrag von Amsterdam bestätigte dann ausdrücklich, daß die Europäische Union

auf die Grundsätze der Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und

Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit gegründet ist. Die Achtung dieser Grundsätze

wurde auch als Bedingung für jeden Beitritt zur Europäischen Union festgeschrieben. Dies

entspricht auch den entsprechenden Forderungen in den österreichischen

Grundsatzpositionen zur Regierungskonferenz. Mit diesen vertraglichen Grundlagen ergeben

sich somit hinsichtlich der Menschenrechte auch Leitlinien für die gemeinsame Außen - und

Entwicklungspolitik, die Österreich als EU - Präsidentschaft umzusetzen haben wird.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, mit dem Jahr 1998 für eine weitere Stärkung der

internationalen Mechanismen zum Schutze und zur Durchsetzung der Menschenrechte

einzutreten. In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung ersucht, mit Nachdruck für

die Errichtung eines internationalen Strafgerichtshofes einzutreten, damit Kriegsverbrechen

und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das Völkerrecht systematisch von der

internationalen Staatengemeinschaft verfolgt werden können. Weiters wird die

Bundesregierung ersucht, im Kontext der Reformen der Vereinten Nationen eine politische,

finanzielle und personelle Stärkung des UN - Hochkommissariats für Menschenrechte zu

unterstützen.

Die Bundesregierung wird ersucht, sowohl auf multilateraler wie auch bilateraler Ebene

konsequent für die Umsetzung der internationalen Menschenrechtsabkommen in nationales

Recht und für einen Ausbau der Kontrolle dieser Umsetzungen einzutreten. Insbesondere

wird die Bundesregierung ersucht, sich für die rasche Umsetzung der Beschlüsse der UN -

Menschenrechtskonferenz 1993 in Wien, der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking und der

Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo einzusetzen. Dementsprechend wird die

Bundesregierung auch ersucht, die nach den UN - Menschenrechtskonventionen fälligen

Berichte so bald wie möglich vorzulegen und in der Folge eine umfassende Reform des

Berichtswesens über die Einhaltung internationaler Abkommen zu unterstützen. Ein neues

Berichtssystem soll vor allem den Kriterien der Kosteneffizienz und der Aktualität

entsprechen.

Die Bundesregierung wird ersucht, im Menschenrechtsjahr 1998 auf internationaler Ebene

weitere Initiativen zum Schutze der Menschenrechte von Frauen und Kindern zu setzen und

auch dem Bereich soziale und ökonomische Menschenrechte entsprechend den

bestehenden internationalen Abkommen besonderes Augenmerk beizumessen. In diesem

Zusammenhang wird die Bundesregierung u.a. ersucht, engagiert für die Umsetzung des

,,Übereinkommens über die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau“ einzutreten

und die Bemühungen um die Annahme eines Zusatzprotokolls, das u.a. das Recht auf

Individualbeschwerde vor den Vereinten Nationen verankern soll, weiterhin zu unterstützen.

Ferner wird die Bundesregierung ersucht, einen aktiven Beitrag bei der Ausarbeitung einer

neuen internationalen Konvention gegen die Ausbeutung von Kindern im Rahmen der ILO zu

leisten.

Die Bundesregierung wird ferner ersucht, in Ausübung der Präsidentschaft der Europäischen

Union die Menschenrechtskriterien zu einer Leitlinie der gemeinsamen Außenpolitik und der

Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union zu machen. In diesem

Zusammenhang wird die Bundesregierung ersucht, innerhalb der EU dahingehend zu

wirken, daß Regierungen jener Länder, in denen grobe Verletzungen der Menschenrechte zu

verzeichnen sind, künftig keine Mittel im Rahmen der Entwicklungshilfe der EU und ihrer

Mitgliedstaaten erhalten sollen. Die österreichische Bundesregierung wird weiters

aufgefordert, im Zuge des Erweiterungsprozesses dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, dem

Demokratiekriterum (wie im Jahr 1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen definiert)

sowie dem Schutz von Minderheiten besondere Bedeutung beizumessen. In den

Außenbeziehungen der Europäischen Union soll besonders darauf geachtet werden, daß die

EU - Staaten eine einheitliche Politik in Menschenrechtsfragen verfolgen, damit die

europäische Außenpolitik gerade gegenüber Ländern mit Menschenrechtsverletzungen

möglichst kohärent und wirkungsvoll ist. Die Bundesregierung wird weiters ersucht, weiterhin

für einen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention

(EMRK) einzutreten.

Die Bundesregierung wird ersucht, sowohl auf multilateraler wie auch auf bilateraler Ebene

konsequent für den Schutz der Minderheiten einzutreten und insbesondere auf die

Umsetzung der europäischen Charta der Regional -  und Minderheitensprachen sowie der

Rahmenkonvention des Europarates zum Minderheitenschutz zu drängen.

Die Bundesregierung wird ersucht, im Jahr 1998 weitere Initiativen zur weltweiten

Abschaffung der Todesstrafe sowie für wirksame Maßnahmen gegen Folter,

„Verschwindenlassen“ und politischen Mord zu unternehmen, sowie weiterhin für den Schutz

von Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen (gemäß der von Österreich

miteingebrachten UN - Resolution zur Wehrdienstverweigerung) einzutreten.

Die Bundesregierung wird ersucht, der österreichischen Position als Sitzstaat der

„Europäischen Beobachtungsstelle für rassistische und fremdenfeindliche Phänomene in

Wien“ zu entsprechen und der weltweiten Bekämpfung von Rassismus und

Fremdenfeindlichkeit besondere Bedeutung beizumessen.

Die Bundesregierung wird ersucht, vor allem im Rahmen des Nationalkomitees zum

,,Menschenrechtsjahr 1998“ die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen im

Menschenrechtsbereich auszubauen.“

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag dem Außenpolitischen Ausschuß

zuzuweisen.