801/AE XX.GP

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Stadler

und Kollegen

betreffend Einspruch der Bundesregierung gegen das Verfassungsgesetz des Landes

Niederösterreich vom 7. Mai 1998, mit dem die NÖ Landesverfassung 1979 geändert

wird

Der Landtag von Niederösterreich hat am 7. Mai 1998 das Verfassungsgesetz betreffend

eine Änderung der NÖ Landesverfassung 1979, LtG 1/A - 1, beschlossen. Durch dieses

Landesverfassungsgesetz werden die bisherigen Bestimmungen der NÖ

Landesverfassung im Bereich der Finanzkontrolle umfassend geändert; es enthält

insbesondere ausführliche organisationsrechtliche Bestimmungen über die Bestellung

und Abberufung sowie die Vertretung des Landesrechnungshofdirektors, der an der

Spitze des Landesrechnungshofes steht. So ist vorgesehen, daß die Amtsperiode des

vom NÖ Landtag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu

wählenden Landesrechnungshofdirektors sechs Jahre beträgt und eine einmalige

Wiederbestellung auf sechs weitere Jahre zulässig ist.

Auch die Überprüfungsbefugnisse und das Berichtswesen des Landesrechnungshofes

werden eingehend geregelt.

im Artikel II der mit “Inkrafttreten und Übergangsbestimmung”‘ überschrieben ist, wird

festgelegt, daß das Gesetz am 1. Juli 1998 in Kraft tritt, daß mit Inkrafttreten des

Gesetzes die Besorgung der Aufgaben des bisherigen Kontrollamtes auf den

Landesrechnungshof übergeht und daß weiters mit Inkrafttreten des Gesetzes der

bisherige Vorstand des Kontrollamtes zum Landesrechnungshofdirektor wird.

Gegen das genannte Landesverfassungsgesetz bestehen massive Bedenken.

Das fünfte Hauptstück des B -VG, das mit ,,Rechnungs - und Gebarungskontrolle”

überschrieben ist, sieht in den Art. 121ff B -VG einen unabhängigen Rechnungshof als

Organ des Nationalrates vor. Das Kriterium der Unabhängigkeit insbesondere von der

Vollziehung als essentielle Notwendigkeit dieser Institution kommt dabei insbesondere in

Art. 122 Abs. 5 B -VG zum Ausdruck, demzufolge der Präsident des Rechnungshofes

keinem allgemeinen Vertretungskörper angehören darf und in den letzten vier Jahren

nicht Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung gewesen sein darf. Im

gegenständlichen Landesverfassungsgesetz fehlt eine derartige Ausschlußbestimmung

bezüglich des mit der Leitung des Landesrechnungshofes betrauten

Landesrechnungshofdirektors. Es ist somit das Kriterium der Unabhängigkeit nicht

gegeben was im Hinblick auf die teilweise durchaus konkurrierenden Zuständigkeiten

von Rechnungshof und Landesrechnungshof äußerst problematisch ist und im Hinblick

auf die Bedeutung der Rechnungs- und Gebarungskontrolle für die nachvollziehbare

Verwendung öffentlicher Mittel die Interessen des Bundes massiv gefährdet.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 1 B -VG ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in

Angelegenheiten der Bundesverfassung Bundessache. Zu den Angelegenheiten der

Bundesverfassung zählen jedenfalls auch die Grundrechte, wie sie beispielsweise im

Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867,

festgelegt sind. So sieht Art. 3 Abs. 1 StGG vor, daß die öffentlichen Ämter für alle

Staatsbürger gleich zugänglich sind.

Durch die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 3 des gegenständlichen NÖ

Landesverfassungsgesetzes erfolgt jedoch eindeutig ein verfassungswidriger Eingriff in

das in Art. 3 Abs. 1 StGG gewährleistete Grundrecht und somit auch in die

Kompetenzen des Bundes.

Die gleiche Zugänglichkeit für alle Staatsbürger zu dem neugeschaffenen Amt des

Landesrechnungshofdirektors wird nämlich durch die landesverfassungsgesetzlich

statuierte Bestellung des bisherigen Kontrollamtsvorstandes, der früher als Büroleiter des

Landeshauptmannes Mag. Ludwig tätig war, zum Landesrechnungshofdirektor vorerst

für die Dauer von sechs Jahren ausgeschlossen. Dazu ist noch zu bemerken, daß der

neugeschaffene Landesrechnungshof mit dem bisherigen Landeskontrollamt auf Grund

der äußerst unterschiedlichen Qualität seiner Aufgaben nicht mehr vergleichbar ist und

daher auch die Leitung der neuen Institutionen eine andere Qualität aufweist.

Nebenbei sei bemerkt, daß die genannte Bestimmung auch gegen alle Bemühungen

verstößt, die Bestellung öffentlicher Funktionäre transparenter zu gestalten, wie dies

etwa auch von der Bundesregierung mit dem jüngst beschlossenen

Steilenbesetzungsgesetz, BGBl. I Nr.26/1998, versucht wurde.

Nach Art. 98 Abs. 2 B -VG kann die Bundesregierung wegen Gefährdung von

Bundesinteressen gegen den Gesetzesbeschluß eines Landtages binnen achte Wochen

von dem Tag, an dem der Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist,

einen mit Gründen versehenen Einspruch erheben.

Da durch die mangelnde Unabhängigkeit des neugeschaffenen Landesrechnungshofes

und den vom Land Niederösterreich beabsichtigten Eingriff in Bundeskompetenzen die

Bundesinteressen massiv gefährdet werden, ist die Erhebung eines Einspruches der

Bundesregierung dringend geboten.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Bundesregierung nachstehenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, gegen den Beschluß des NÖ Landtages vom 7. Mai

1998, betreffend das Verfassungsgesetz - Änderung der NÖ Landesverfassung 1979,

LtG 1/A - 1, gemäß Art. 98 Abs. 2 B -VG wegen Gefährdung von Bundesinteressen einen

Einspruch zu erheben.

Es wird ersucht, den Antrag dem Verfassungsausschuß zur Beratung zuzuweisen.