894/A XX.GP

 

ANTRAG

 

 

der Abgeordneten Dr. Volker Kier und PartnerInnen

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

Das Behinderteneinstellungsgesetz BGBl. 1970/22, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz

BGBl. Nr. ..... wird wie folgt geändert:

 

1.       Dem § 1 wird folgender Abs. 4 angefügt:

 

      “(4) Die auf Grund des Abs. 1 eingestellten Dienstnehmer dürfen bei Festsetzung des

      Entgelts, bei Aus - und Fortbildungsmaßnahmen, bei innerbetrieblichen Beförderungen

      und Vorrückungen auf Grund ihrer Behinderung nicht benachteiligt werden."

 

2.    § 2 Abs. 1 lautet:

 

      “(1) Behinderte im Sinne dieses Gesetzes sind Personen die infolge eines Leidens oder

      Gebrechens in ihrer Fähigkeit einen unselbständigen Arbeitsplatz zu erlangen oder beizu-

      behalten wesentlich beeinträchtigt sind."

 

3.    Dem § 8 wird folgender Abs. 4 angefügt:

   

       “(4) Die Bestimmungen des Abs. 2 gelten nur für solche Dienstverhältnisse, die auf

       Grund der Beschäftigungspflicht des § 1 eingegangen wurden.”

 

4.    Dem § 9 wird ein Abs. 6 angefügt, welcher lautet:

 

        “(6) Der Bund, die Länder, andere Gebietskörperschaften sowie Körperschaften des

        öffentlichen Rechts können sich durch Zahlung der Ausgleichstaxe nur dann von ihrer

        Beschäftigungspflicht befreien, wenn sie nachweisen, daß ihnen die Erfüllung der

        Beschäftigungspflicht mangels geeigneter behinderter Dienstnehmer unmöglich ist. § 4

        Abs. 2 ist zu beachten."

Begründung

 

 

Zu Ziffer 1:

Die im § 1 neu eingefügte Bestimmung soll verhindern, daß behinderte Dienstnehmer zwar

eingestellt, nicht aber ihrer Qualifikation und Leistung entsprechend beschäftigt und entlohnt

werden. Eine derartige Bestimmung fehlt in dem Gesetz, weil der ursprüngliche und auch der

nachfolgende Gesetzgeber, der das Gesetz bekanntlich mehrmals novelliert hat, offenbar

davon ausgegangen ist und noch immer davon ausgeht, daß Behinderung notwendigerweise

zu Minderleistung führt. Es können zahlreiche Fälle anführt werden, die beweisen, daß diese

Annahme irrig ist, zum Beispiel ist nur darauf hinzuweisen, daß einer der bedeutendsten Prä -

sidenten der Vereinigten Staaten sich fast nur im Rollstuhl fortbewegen konnte.

 

Zu Ziffer 2 und 3:

Die Bestimmung, daß nur Personen, die zu 50 % in ihrer Erwerbsfähigkeit vermindert sind,

unter den im § 2 angeführten Personenkreis (“Begünstigte Behinderte") fallen, führt dazu, daß

ein Großteil der Behinderten von dem Gesetz nicht erfaßt wird. Erfahrungsgemäß wirken aber

auch schon relativ geringfügige Behinderungen, die keine oder nur unwesentliche Minderun -

gen der Leistungsfähigkeit bewirken, für die Anstellung eines Behinderten prohibitiv.

 

Einerseits ist offensichtlich die Zahl der Pflichtstellen mit begünstigten Behinderten nicht zu

besetzen und andererseits würden die Dienstgeber die Pflichtzahl auch nicht erfüllen, wenn sie

die Nichtbegünstigten einstellen, sondern müßten auf jeden Fall die Ausgleichstaxe bezahlen.

Damit wird aber das BehindertenEINSTELLUNGSgesetz nicht zu einem Mittel der Einstel -

lung von Behinderten, sondern zu einem Gesetz, welches eine Abgabe vorschreibt, die gleich -

heitsmäßig nicht ausgewogen ist und daher sogar verfassungsrechtliche Bedenken hervorruft.

 

Die vorgeschlagene Änderung des § 2 geht von dem Gedanken aus, daß es grundsätzlich

falsch ist, anzunehmen, daß Behinderung auf jeden Fall eine Einbuße an Leistungsfähigkeit

und erbringbarer Leistung bedeutet. Ob und welche Leistungsminderung vorliegt, kann nur im

Einzelfall beurteilt werden, sodaß die generelle Anführung von Leistungsminderungskriterien

im Gesetz unrichtig ist.

 

Die Verpflichtung, auf je 25 Dienstnehmer einen Behinderten anzustellen ist für österreichi -

sche Verhältnisse nicht sehr angemessen, da die österreichische Wirtschaft bekanntlich haupt -

sächlich Klein - und Mittelbetriebe aufweist, die in zahlreichen Fällen keine 25 Dienstnehmer

beschäftigen. Im Hinblick auf die unverhältnismäßig hohe Zahl von Arbeitslosen unter den

Behinderten wäre es daher wichtig, die Beschäftigung von Behinderten so weit wie möglich

zu streuen, ihnen also auch den Bereich der Klein - und Mittelbetriebe zu eröffnen.

 

Dieses Ziel kann sicher nicht etwa durch eine Reduktion der Pflichtzahl erreicht werden.

 

Der Kündigungsschutz des § 8 Abs. 2 BehEG stellt ein Hindernis für die Beschäftigung von

Behinderten in Betrieben dar, die nicht der Beschäftigungspflicht unterliegen. Kein Dienstge -

ber ist bereit, einen Dienstnehmer anzustellen, den er nur mittels eines umständlichen Verwal -


 

tungsverfahrens kündigen kann. Die Konsequenz dieses Kündigungsschutzes ist daher, daß

mit Behinderten in weiten Bereichen der österreichischen Wirtschaft überhaupt keine

Beschäftigungsverhältnisse eingegangen werden. Die angebliche Wohltat des Kündigungs -

schutzes wirkt dadurch diskriminierend, d.h. ihre Wirkung ist kontraproduktiv.

 

Der Kündigungsschutz ist auch insofern bei Kleinbetrieben nicht vertretbar als er ein Korrelat

zur Einstellungsverpflichtung darstellt. Wenn das eine nicht vorgeschrieben ist, ist das andere

auch nicht geboten. Hiezu kommt noch, daß schon auf Grund der allgemeinen arbeitsrechtli -

chen Bestimmungen ein weitgehender Kündigungsschutz besteht. Es steht daher zu erwarten,

daß die vorgeschlagene Beseitigung des Kündigungsschutzes für nicht beschäftigungspflich -

tige Unternehmen eine wesentliche Erleichterung für die Eingliederung von Behinderten in

den Arbeitsprozeß bringt.

 

Zu Ziffer 4:

Bezüglich der dritten vorgeschlagenen Änderung ist darauf zu verweisen, daß der Bund, die

Länder und die anderen öffentlichen Körperschaften ihr Pflichtsoll an Behinderteneinstellun -

gen nicht erfüllen, obwohl dies für diese Institutionen ohne Schwierigkeiten durchführbar

wäre. Wenn bei marktwirtschaftlich zu führenden Unternehmungen die Argumentation der

mangelnden Leistungsfähigkeit behinderter Mitarbeiter zwar übertrieben sein mag, ist sie

doch nicht immer ganz von der Hand zu weisen. Daß aber auch Körperschaften, die durch -

wegs in geschützten Bereichen funktionieren, ihrer Einstellungspflicht nicht genügen, kann

nicht hingenommen werden.

 

Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 des BehEG macht die Argumentation, daß in Teilen der

staatlichen Verwaltung die Einstellung von Behinderten tatsächlich unmöglich ist, zu einem

unzulässigen Scheinargument, da eben alle Staatsbediensteten und alle Bediensteten der

öffentlichen Körperschaften zusammenzuzählen sind, womit ausreichend Platz für die Erfül -

lung der Einstellungspflicht besteht. Die vorgeschlagene Ergänzung des § 9 soll daher sicher -

stellen, daß dies auch geschieht und nur dann die Einstellungspflicht mit Geldleistungen

abgegolten werden kann, wenn zu wenig geeignete behinderte Dienstnehmer vorhanden sein

sollten.