915/A XX.GP
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten
betreffend Offenlegung des an die internationale Expertenkommission ergangenen
Prüfungsauftrags zur Klärung aller Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im
Bergwerk Lassing
Mit der Klärung der Umstände im Zusammenhang mit dem Unfall im Bergwerk Lassing
wurde eine internationale Expertenkommission beauftragt. Aus Sicht des Liberalen Forums
kann eine solche Expertenkommission jedoch lediglich Fakten sammeln und im Sinne eines
Gutachters fachliche Analysen erstellen, die von den verfassungsmäßig berufenen Instanzen
dann auf ihre rechtliche (Gerichte) und politische (Parlament) Relevanz hin zu bewerten sind.
Sowohl der an Widersprüchen reiche Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche
Angelegenheiten an die Bundesregierung zum Grubenunglück in Lassing, als auch die
Tatsache, daß dieser Bericht sich dezidiert nicht mit den Umständen, die zum ersten
Wassereinbruch am 17. Juli 1998 um 11:45 Uhr und zur Verschüttung des Bergmannes Georg
Hainzl geführt haben, auseinandersetzt, begründen die Notwendigkeit, Ursachen und Hergang
sowie die näheren Umstände der Ereignisse und politischen Verantwortlichkeiten lückenlos
aufzuklären. Dies umso mehr als (am 16. September 1998 um 19:30 in der ORF - Sendung Zeit
im Bild 1) Bundesminister Farnleitner behauptete, daß der Unfall auf die Durchführung von
Schwarzabbau unter äußerst
gefährlichen Umständen zurückzuführen sei.
Der Wirtschaftsminister war nicht nur im Rahmen des Berggesetzes verpflichtet, zum Schutz
des Lebens und der Gesundheit der Bergleute im Verordnungswege tätig zu werden (vgl. §§
205 und 206 Berggesetz), sondern ist überdies seine Untätigkeit vor dem Hintergrund des auf
der 82. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommens (Nr.
176) über den Schutz in Bergwerken und die Empfehlung (Nr. 183) betreffend denselben
Gegenstand (im folgenden kurz: ILO - Abkommen) politisch und rechtlich zu klären. Bereits
am 18. Juni 1997 - also ein Jahr vor dem verhängnisvollen Bergwerksunglück in Lassing -
stand dieses Abkommen auf der Tagesordnung des Ministerrates. Dem Parlament wurde im
Bericht des Ministerrates empfohlen, zur Kenntnis zu nehmen, daß weder eine Ratifikation
noch irgendwelche konkreten Schritte zur Umsetzung des gegenständlichen Abkommens in
Österreich notwendig seien. Der Sozialausschuß des Parlaments nahm die Materie am 1.
Oktober 1997 in Behandlung, vertagte sie aber mangels Entscheidungsreife. Daraufhin ist bis
heute nichts geschehen. Die vor allem vom Wirtschaftsministerium (im Gegensatz zum
Sozialministerium) vertretene Auffassung, daß weder Ratifikation noch Umsetzungsschritte
erforderlich seien, ist aber in mehrfacher Hinsicht falsch. Weder werden in Österreich
Statistiken über gefährliche Vorfälle im empfohlenen Ausmaß geführt, noch sind in
Bergwerken zwei Fluchtwege obligatorisch, noch kommen Technologien zur Überwachung
der Stabilität des Gebirges zum Einsatz, oder ist vorgesehen, den Betrieb im Gefahrenfall
sofort einzustellen - alles Bestimmungen des ILO - Abkommens zum Schutze der Bergleute.
Es ist zutiefst erschütternd, daß davon auszugehen ist, daß bei Einhaltung dieser ILO -
Empfehlungen die Katastrophe von Lassing in dieser Form nicht eingetreten wäre.
Darüber hinaus haben sich (Aussagen hoher Beamten zufolge) die Rahmenbedingungen für
die Gewährleistung der Sicherheit der Bergleute durch die Sparpakete der Regierung sogar
noch verschlechtert, da die ohnehin zahnlosen jährlichen Gesamtbesichtigungen durch die
Bergbehörde in diesem Umfang gar nicht durchgeführt werden konnten. Wenn dies stimmt,
hat der zuständige Minister es verabsäumt, der Sicherheit der Bergleute durch finanzielle
Umschichtungen in seinem Ministerium die
richtige Priorität einzuräumen.
Abseits der durch die Justiz zu klärenden strafrechtlichen Aspekte der Vorkommnisse wäre
durch das Parlament zu prüfen, inwieweit die zuständigen Behörden Kontrollen
vernachlässigt haben und dadurch eine Aufsichtspflichtverletzung gegeben ist, die zur
Wahrnehmung der politischen Verantwortung durch das BMWA führen muß. Da nicht
auszuschließen ist, daß auch in anderen Bergwerken Versäumnisse der österreichischen
Bergbehörden zu gefährlichen Situationen für die Belegschaft und die Bevölkerung führen
können, sollten darüber hinaus alle Berghauptmannschaften hinsichtlich der rechtskonformen
Wahrnehmung ihrer Aufsichts - und Kontrollpflichten in den letzten zehn Jahren überprüft
werden. Durch die lückenlose Aufklärung aller Umstände soll gewährleistet werden, daß alles
unternommen wird, um tragische Unfälle wie jenen in Lassing, nach menschlichem Ermessen
weitestgehend auszuschließen.
Es ist kaum anzunehmen, daß die vom Bundesminister - also von der ebenso wie die
Bergbehörden zu überprüfenden Stelle - eingesetzte Expertenkommission ihrem Auftrag mit
der erforderlichen Unbefangenheit nachkommen kann. Daher wäre ein parlamentarischer
Untersuchungsausschuß das einzig adäquate Instrument. Inakzeptabel aus
demokratiepolitischer Sicht ist jedoch jedenfalls, daß dem Hohen Haus der Wortlaut des
Prüfungsauftrages der Expertenkommission bisher vorenthalten wurde. Die unterzeichneten
Abgeordneten stellen daher in diesem Zusammenhang nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
“Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, eine
abschließende Beurteilung der politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem
Unfall im Bergwerk Lassing dadurch sicherzustellen, daß die möglichst umfassende
Sachverhaltsdarstellung der eingesetzten Expertenkommission jedenfalls Auskunft gibt
hinsichtlich:
1. des Niveaus der Sicherheitsstandards in österreichischen Bergwerken sowie eines
Vergleichs mit dem Stand
der Technik in anderen EU - und OECD - Ländern;
2. einer Darstellung aller geologisch und bergmännisch relevanten Umstände, die zum ersten
Wasser - und Schlammeinbruch am 17. Juli 1998 um 11:45 Uhr und zur Verschüttung des
Bergmannes Georg Hainzl geführt oder auch nur dazu beigetragen haben, sowie eine
Aufzählung und Beschreibung aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen,
diesen Wasser- und Schlammeinbruch vorhersehbar, begrenzbar oder verhinderbar
machen hätten können;
3. einer Darstellung aller geologisch und bergmännisch relevanten Umstände, die zur
Verschüttung von zehn weiteren Bergleuten am 17. Juli 1998 um ca. 22:00 Uhr geführt
haben, sowie eine Aufzählung und Beschreibung aller dem Stand der Technik
entsprechenden Maßnahmen, diesen Wasser - und Schlammeinbruch vorhersehbar,
begrenzbar oder verhinderbar machen hätten können, sowie einer Aufzählung und
Beschreibung aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, die zur Erhöhung
der Sicherheit der eingesetzten Bergleute ergriffen werden hätten können und jener, die
ergriffen werden hätten müssen;
4. einer Überprüfung aller organisatorischen, logistischen und kommunikativen Maßnahmen
im Zusammenhang mit den Rettungs - und Bergungsversuchen ab dem Schlamm - und
Wassereinbruch am 17. Juli 1998 um ca. 22:00 Uhr, sowie einer Aufzählung und
Beschreibung aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen, die zur Erhöhung
der Sicherheit der verschütteten Bergleute ergriffen werden hätten können und jener, die
ergriffen werden hätten müssen."
In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen, diesen Antrag dem Wirtschaftsausschuß
zuzuweisen.