1019/AB

 

 

ANFRAGEBEANTWORTUNG

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Schmidt und Partnerinnen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Telefonüberwachung, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"l.         Wie konnte in all den in letzter Zeit in der Presse aufgetauchten Fällen eine Verlängerung der Überwachung angeordnet werden, ohne daß konkrete Verdachtsmomente vorlagen?

2.         Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde die Bank des abgehörten Unternehmers, dessen "Vergehen" der Import von Früchten aus Kolumbien ist, von der letztendlich unbegründeten Überwachung des Telephons informiert?

3.         Wie werden derzeit Daten, die von solch ergebnislosen Abhöraktionen stammen, behandelt?

4.         Sollten diese vernichtet werden, wie wird sichergestellt, daß diese nicht doch noch in irgendwelchen Dateien aufgehoben werden?

5.         Wer entscheidet, wann eine Abhöraktion letztendlich abgebrochen werden soll?

6.         Weiche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um zu verhindern, daß bloße Na-

mensgleichheiten in Zukunft zu unerlaubten Eingriffen in das Privatleben oder Oberhaupt zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz führen können?

 

7.         Werden Sie aus den angeführten Fällen für die derzeit diskutierte Vorlage zum

11 großen Lauschangriff" Schlußfolgerungen ziehen?"

 

 

 

 

Einleitend sei darauf hingewiesen, daß die in der vorliegenden Anfrage angesprochenen Telefonüberwachungen bereits Gegenstand zweier anderer an mich gerichteter parlamentarischer Anfragen (Zahlen 517/J-NR/1996 und 581/J-NR/1996) waren. Ich verweise daher zunächst auf die am 27. Juni und am 4. Juli 1996 dazu erstatteten Anfragebeantwortungen.. Die nunmehr an mich gestellten Fragen beant­worte ich wie folgt:

 

Zu 1:

 

Im ersten der in den einleitenden Ausführungen zur Anfrage angesprochenen Fälle kam es zu einer Überwachung des Fernsprechanschlusses von Mag. Karl L. Diese Überwachung beruhte offenbar auf einem Übermittlungsfehler zwischen der Post­Telekom und der Sicherheitsbehörde, auf Grund dessen diese hievon ausgegangen ist, daß der überwachte Fernsprechanschluß auf Mag. Karl L. und Bartlomiej L. gemeinsam zugelassen sei. Letzterer stand zusammen mit Milica M. im dringenden Verdacht, besonders geschätzte Urkunden, nämlich insbesondere österreichische Sichtvermerke in Reisepässen, falsch herzustellen oder zu verfälschen bzw. mit derartigen falschen oder gefälschten Urkunden gewerbsmäßig zu handeln.  Daß Mag.  Karl L. in keinem Zusammenhang mit dem gegen Milica M. und Bartlomiej L. bestehenden Tatverdacht stand, war vor Bewilligung der Telefonüberwachung, die auch weitere Fernsprechanschlüsse zum Gegenstand hatte, weder für das Gericht noch für die Staatsanwaltschaft erkennbar gewesen.

 

Die Telefonüberwachung wurde für den Zeitraum vom 23.12.1995 bis 17.2.1996 angeordnet wurde; sie wurde nicht verlängert.

 

Erst am 8.2.1996 stellte sich bei dem Versuch, in der Wohnung des Mag.  Karl L. eine Hausdurchsuchung durchzufahren, heraus, daß dieser in keiner Beziehung zu Bartlomiej L. stand und daß der überwachte Telefonanschluß ausschließlich auf ihn selbst lautete, sodaß kein Anhaltspunkt dafür vorlag, daß auch Bartlomiei L. von diesem Telefonanschluß aus hätte Gespräche führen können. Da diese Umstände zwar aus einem dem Landesgericht für Strafsachen Wien am 9.2.1996 zugegangenen Bericht ersichtlich waren, die Telefonüberwachung jedoch nicht umgehend aufgehoben wurde, stellte das Oberlandesgericht in Stattgebung einer Beschwerde des Mag.  Karl L. mit Beschluß vom 14.5.1996 fest, daß die Überwachung des Fernmel­deverkehrs bezüglich des für Mag. Karl L. ausgegebenen Wiener Fernmeideanschlusses ab 9.2.1996 nicht mehr dem Gesetz entsprochen hatte.

Im zweiten Fall stand Günther W. im Verdacht, über seine Firma in Wien Kokain in großen Mengen von Kolumbien nach Österreich zu schmuggeln.  Die auf Grund dieser Verdachtslage angeordnete Telefonüberwachung wurde vorerst am 2.3.1993 bezüglich zweier Anschlüsse für die Dauer von drei Wochen bewilligt. In der Folge wurde sie auf weitere Fernsprechanschlüsse ausgedehnt und, mit Ausnahme von zwei Anschlüssen, auch mehrfach verlängert.

Der gegen Günther W. bestehende Tatverdacht konnte zwar letztlich nicht erhärtet werden, sodaß das Verfahren wegen des Verdachts des Suchtgiftimports eingestellt wurde. Ursprünglich bestand jedoch der Verdacht, daß von Kolumbien Kokain in einer großen Menge, in Containern getarnt, nach Österreich geschmuggelt würde. Die Organisation eines umfangreichen Suchtgiftschmuggels erstreckt sich erfahrungs­gemäß über längere Zeit. Nach der ersten Lieferung, deren Durchsuchung negativ verlief, wurde seitens der Ermittlungsbehörden angenommen, daß es sich um eine "Probelieferung" gehandelt habe, um die Kontrollen und Durchsuchungen einer derartigen Fracht abzuklären. Aus diesen Gründen wurden die in diesem Strafverfahren angeordneten Telefonüberwachungen mehrmals verlängert.

 

Zu 2:

 

Im Zuge des gegen Günther W. geführten Strafverfahrens ergaben sich im Rahmen der Telefonüberwachungen Hinweise für die Begehung von Vermögensdelikten

 

und fahrlässige Krida nach § 159 StGB), vor allem auch im Zusammenhang mit der finanziellen Situation des Beschuldigten. Auf Basis dieser Hinweise stellten die ermittelnden Beamten auch Erhebungen im Bereich der Bank des Verdächtigen an.

 

 

Zu 3 und 4:

 

Im allgemeinen ist zu bemerken, daß die gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung und Durchführung der Überwachung des Fernmeideverkehrs (§§ 149a ff. StPO) mit dem Strafprozeßänderungsgesetz 1993, BGBI.NR. 526, grundlegend er­neuert wurden.  So wurden um einige wichtige Neuerungen zu nennen - die Rechte der Beteiligten, insbesondere auch die der unbeteiligten bzw. zufälligen Gesprächsteilnehmer, präzisiert und erweitert, das Subsidiaritätsprinzip gegenüber anderen Ermittlungsmaßnahmen ausdrücklich festgeschrieben und angeordnet, daß in ei­nem bewilligenden Beschluß die Dauer der Abhörmaßnahme angeführt werden muß.

 

Insbesondere wurde durch das STPÄG 1993 auch einerseits vorgesehen, daß (sämtliche) Tonaufnahmen (ausschließlich) vom Gericht zu verwahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens zu löschen sind (§ 149c Abs. 1 StPO), andererseits nur solche Transskripte hergestellt und zum Gerichtsakt genommen wer­den dürfen, die für den Tatverdacht relevante Gespräche zum Inhalt haben.  Sofern dennoch andere schriftliche Aufzeichnungen hergestellt wurden, sind sie von Amts wegen und auf Antrag des Staatsanwalts, des Beschuldigten oder einer am Fernmeldeverkehr beteiligten Person zu vernichten (sofern sie nicht Überwachungsergebnisse enthalten, die in einem anderen Verfahren als Beweis verwertet werden dürfen - § 149c Abs. 2 und 3 StPO).  Die Transskripte unterliegen den allgemeinen Bestimmungen über die Akteneinsicht (bzw. die Ausscheidung von Akten - § 174 Abs. 1 Z 8 Ge0).

 

Das Anfertigen oder Zurückbehalten von "Duplikaten" der Aufnahmen und die Herstellung von Transskripten unter anderen als den angeführten Voraussetzungen, etwa durch die Sicherheitsbehörden, ist somit unzulässig. Allerdings ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß die Sicherheitsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. §§ 57, 58 SPG) strafrechtlich und sicherheitspolizeilich relevante In­formationen speichern und verarbeiten dürfen, die zwar selbst nicht als Beweis in einem Strafverfahren dienen können, deren Auswertung jedoch zur Produktion von Folgebeweisen führen kann.

 

Zu 5:

Der Untersuchungsrichter hat gemäß § 149b Abs. 3 StPO die Beendigung der Überwachung anzuordnen bzw. von einer Verlängerung der Überwachung (§ 149b Abs. 2 Z 3 StPO) abzusehen, sobald die Voraussetzungen für die weitere Überwachung des Fernmeldeverkehrs wegfallen.

 

Zu 6 und 7:

 

In der Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über besondere Ermittlungsmaßnahmen, 49 B1gNR 20.  GP, ist eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften vorgesehen, um eine sorgfältige Entscheidungsfindung im Einzelfall zu gewährleisten und einen Mißbrauch von Überwachungsergebnissen zu verhindern. Durch die Fokussierung der vorgesehenen Instrumente auf die Bekämpfung organisierter Kriminalitätsformen, die Einführung eines strengen Beweisverwertungsverbots, die verschuldensunabhängige Haftung des Bundes für allfällige vermögensrechtliche Nachteile, die durch den Einsatz dieser besonderen Ermittlungsmaßnahmen verursacht werden, die auch für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs bedeutsam Erweiterung der Strafbestimmung des § 301 StGB ("Verbotene Veröffentlichung") und die Schaffung eines medienrechtlichen Entschädigungsanspruchs bei verbotener Veröffentlichung soll den mit den besonderen Ermittlungsmaßnahmen zwangsläufig ver­bundenen Gefahren, insbesondere f ür die Privatsphäre unbeteiligter Personen, weitgehend entgegengewirkt werden. Für Fälle einer optischen oder akustischen Über­wachung in Wohnungen (ohne Anwesenheit eines verdeckten Ermittlers) ist - neben dem Antrag des Staatsanwalts ausschließlich ein Bewilligungsbeschluß der Ratskammer vorgesehen, eine "Eilzuständigkeit" des Untersuchungsrichters bei Gefahr im Verzug wird nicht vorgeschlagen.

 

Weiters sollen eingehende Berichte der staatsanwaltschaftlichen Behörden an das Bundesministerium für Justiz sowie des Bundesministers an den Nationalrat und die

 

Datenschutzkommission eine nachgängige politisch-parlamentarische und datenschutzrechtliche Evaluation ermöglichen.

Freilich werden auch mit diesen Maßnahmen jene Fälle, in denen sich eine zunächst mit Recht angenommene Verdachtslage in der Folge nicht erhärtet, sowie allfällige Detailfehler oder Irrtümer nicht absolut ausgeschlossen werden können. Doch wurden die Anwendungsvoraussetzungen für die besonderen Ermittlungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Verdichtung der Kontrollintensität so eng umschrieben, daß deren leichtfertiger Einsatz nicht zu befürchten steht.

 

September 1996