1038/AB

 

 

B e a n t w o r t u n g

der Anfrage der Abg.  Dkfm.  Bauer und Kollegen

vom 10.  Juli 1996, Nr. 993/J,

betreffend Zustimmung zur Kündigung von Dkfm.  Dr. Dieter Wintersberger

 

 

 

Einleitend möchte ich festhalten, daß zur Vollziehung des Kündigungsschutzes begünstigter Behinderter gern. § 8 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) in der zweiten Instanz im Jahr 1992 bei meinem Ressort die Berufungskommission eingerichtet wurde.  Um den Anforde­rungen der Europäischen Menschenrechtskonvention voll zu entsprechen, ist die Berufungskommission als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag konstruiert.  Die Mitglieder der Kommission sind daher in ihrer Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei, weshalb mir auf die Entscheidungen der Berufungskommission keine Einflußnahme zukommt.

 

Frage 1:

 

Ist es üblich, die nachträgliche Zustimmung zur nachträglichen Kündigung eines Dienstverhältnisses noch nach sieben Jahren zu erteilen?

Wenn @ in wie vielen Fällen erfolgte dies bis jetzt?

Wenn nein, warum nicht?

 

Antwort:

Im gegenständlichen Fall erklärt sich die Zeitspanne, die bis zur Entscheidung der Kündigungs­angelegenheit durch die Berufungskommission verstrich, daraus, daß zunächst ein umfangrei­ches arbeitsgerichtliches Verfahren über die Anfechtung der am 10.  Mai 1988 ausgesprochenen Entlassung durchgeführt wurde. Über den nach Abschluß des Gerichtsverfahrens am 30.  März 1994 eingebrachten Antrag auf nachträgliche Zustimmung gern. § 8 BEinstG wurde von zwei Instanzen innerhalb von etwas mehr als einem Jahr abgesprochen.

In Fällen, in denen als Vorfrage die Rechtmäßigkeit einer Entlassung des Dienstnehmers von den Gerichten zu beurteilen ist, hängt der Zeitraum bis zur allfälligen Entscheidung des Behin­dertenausschusses bzw. der Berufungskommission primär von der Dauer des Gerichtsverfah­rens ab.  Von weiteren Fällen, in denen bis zur Erlassung des Bescheides nach § 8 BEinstG sie­ben Jahre vergangen wären, ist nur nichts bekannt.

 

 

Frage 2:

 

Welchen Standpunkt vertreten Sie hinsichtlich der Auslegung der Worte @ besonderen Ausnahmsfällen" in § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes?

 

 

Antwort:

 

Der Gesetzgeber brachte mit den Worten @ besonderen Ausnahmefällen" durch die doppelte Hervorhebung des Ausnahmecharakters zum Ausdruck, daß die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung nur unter außergewöhnlichen Umständen zum Tragen kommen soll.  Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu mehrfach festgestellt hat, wird es sich demnach um Sachverhalte handeln müssen, die nicht nur hart an der Grenze des Kündigungs­schutzes Oberhaupt liegen, sondern auch dadurch charakterisiert sind, daß dem Dienstgeber die vorherige Einholung der Zustimmung nicht zugemutet werden kann.

 

Frage 3:

Sind Sie der Auffassung, daß die gesamte Gesetzesstelle hinreichend determiniert hat?  Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

 

 

Antwort:

 

Die Vorschrift des § 8 BEinstG gibt zwar keine direkte Auskunft darüber, unter welchen Vor­aussetzungen der Kündigung eines begünstigten Behinderten zuzustimmen ist, weshalb der Behörde ein breiter Beurteilungsspielraum zusteht, welchen ich zur Abwägung der gegenseiti­gen Interessen unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalles auch für zweckmäßig erachte.  Unter Zugrundelegung des Zwecks des Behinderteneinstellungsgeset­zes und der umfangreichen zu § 8 entwickelten Judikatur kann meiner Meinung nach nicht von einer mangelnden Determinierung der in Rede stehenden Bestimmung gesprochen werden.

 

 

Frage 4:

 

Beabsichtigen Sie Änderungen des § 8 des Behinderteneinstellungsgesetzes?  Wenn ja, welche Initiativen planen Sie konkret?

 

 

Antwort:

 

Ich halte einen erhöhten Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer für einen unverzichtba­ren Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung, der den notwendigen Ausgleich für die -weiterhin bestehende Benachteiligung behinderter Menschen am Arbeitsmarkt bildet.  Um zu verhindern, daß der qualifizierte Bestandschutz der Dienstverhältnisse behinderter Menschen der Aufnahme einer Beschäftigung entgegensieht, erscheint mir allerdings eine maßvolle Flexibilisierung der gesetzlichen Bestimmungen - die den Kein des Kündigungsschutzes unberührt läßt - im Zuge einer Neuordnung der Behinderteneinstellung überlegenswert.

 

Können Sie ausschließen, daß die Entscheidung der Berufungskommission beim Bundesmini­ster für Arbeit und Soziales durch unsachliche Erwägungen oder Interventionen beeinflußt wurde?

Wenn ja, weshalb?

Wenn nein, warum nicht?

 

 

Antwort:

 

Die Berufungskommission setzt sich aus einem aktiven Richter als Vorsitzendem sowie zwei Vertretern der Bundeswirtschaftskammer, einem Vertreter der Behindertenorganisationen und einem Vertreter der Bundesarbeitskammer als Beisitzern zusammen.  Diese Besetzung garan­tiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Kollegialbehörde.  Ich schließe unsachliche Erwägungen des Gremiums nachdrücklich aus.

 

 

Fragen 6 und 7-

 

Ist es vor dem Hintergrund einer sachgerechten Sozialpolitik vertretbar, daß ein Arbeitgeber nach einem verlorenen arbeitsgerichtlichen Verfahren eine viele Jahre zurückliegende Entlas­sung in eine Kündigung umdeutet und sich dabei noch des Instruments der nachträglichen Zustimmung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz bedienen kann?

Wenn ja, auf Grund welcher Erwägungen?

Wenn nein, warum nicht und welche Maßnahmen werden Sie setzen?

 

Entspricht eine derartige Vorgangsweise Ihrem Verständnis von sachgerechter Sozialpolitik?  Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht und welche Maßnahmen werden Sie setzen?

 

Antwort

Nach der im Bescheid der Berufungskonmission sehr ausführlich begründeten Rechtsansicht lagen im vorliegenden Fall die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes festge­legten Voraussetzungen für die Erteilung einer nachträglichen Zustimmung eindeutig vor.  Da der Bescheid, mit dem die Zugehörigkeit von Herrn Dkfm.  Dr. Wintersberger zum Kreis der begünstigten Behinderten festgestellt wurde, mit 14.  Juni 1988 datiert, konnte die Dienstgebe­rin zum Zeitpunkt des Ausspruches der in der Entlassungserklärung vom 10.  Mai 1988 enthal­tenen Kündigung von der Begünstigteneigenschaft des Dienstnehmers nichts wissen.  Das Ver­halten des Dienstnehmers Qualifizierte die Berufungskommission als Fehlverhalten, das einem Entlassungsgrund schon sehr nahe gekommen ist.  Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Oberste Gerichtshof die Entlassungsbefugnis der Dienstgeberin deswegen verneinte, weil die Entlassung verspätet erfolgt sei.

Zwar ist durchaus zu konzedieren, daß es sich bei der vorliegenden Entscheidung der Beru­fungskommission um einen in vieler Hinsicht außergewöhnlichen Einzelfall handelt, ich erachte sie jedoch auch angesichts des Umstandes, daß Herr Dkfm.  Dr. Wintersberger als pensionierter Beamter über eine soziale Absicherung verfügt, für vertretbar.  Ich darf außerdem hinzufügen, daß aufgrund einer Beschwerde des Herrn Dkfm.  Dr. Wintersberger Verfahren vor den Ge­richtshöfen des öffentlichen Rechts eingeleitet wurden, welche derzeit noch anhängig sind.