1060/AB
Der Abgeordnete zum Nationalrat Karl. Öllinger hat am 12. Juli 1996 unter der Zahl 1192/J-NR/1996 an mich eine schriftliche Anfrage betreffend Umsetzung von EURichtlinien gerichtet, welche folgenden Wortlaut hat:
1. Bei welchen EU-Richtlinien besteht seitens Österreichs noch Anpassungsbedarf.'
1a. Warum wurde bisher noch nicht angepaßt?
2. Wann wird diesem Anpassungsbedarf Rechnung getragen werden?
3. Gibt es Statistiken, die den Stand der Umsetzung von Richtlinien im Vergleich zu anderen EU-Ländern angeben? Wenn ja, nennen sie diese und geben Sie an, an wievielter Stelle Österreich im Vergleich liegt".
Ich beehre mich, die Anfrage wie folgt zu beantworten:
Bezüglich der Feststellung zur Umsetzung des Arbeitnehmerlnnenschutzes darf auf die Beantwortung der Anfrage Nr. 1169/J vom 19.7.1996 verwiesen werden.
Im Einleitungsteil der vorliegenden Anfrage wird auch darauf hingewiesen. daß bei der Mutterschutz-Richtlinie Österreich "bei den im Rahmen des Konsolidierungspaktes vorgenommenen Verschlechterungen nicht gleichzeitig, die von der EU vorgegebenen Möglichkeit ergriffen hat, die Inanspruchnahme der (in der EU geringeren) Karenzzeit bis zum -sechsten Lebensjahr des Kindes zu ermöglichen Dazu ist folgendes zu bemerken:
Die Richtlinie 92/85/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der
Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (10. Einzelrichtlinie 1.S.d. Art. 16 Abs. 1 ) der RL 89/91/EWG) wurde mit der Novelle zum Mutterschutzgesetz (MSchG) 1979, BGBl.
Nr. 434,1995, vollständig in das innerstaatliche Recht umgesetzt.
In Art. 8 der Mutterschutzrichtlinie wird vorgesehen, daß Arbeitnehmerinnen ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt werden muß. Dieser Bestimmung "wird mit § 3 Abs. 1 bis 4 und § 5 Abs. 1 und 2 Mutterschutzgesetz entsprochen. Die Mutterschutzrichtlinie sieht jedoch keinen obligatorischen Anspruch auf Karenzzeit bis zum 6. Lebensjahr des Kindes vor.
Darüber hinaus besteht die Richtlinie 96/34/EG vom 3. Juni 1996 zu der von den drei europäischen Sozialpartnern UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub. Diese Richtlinie wurde am 3. Juni 1996 beschlossen und verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 3. Juni 1998 die erforderlichen Vorschriften zu erlassen, um das von den Sozialpartnern abgeschlossene Rahmenabkommen innerstaatlich in Kraft zu setzen.
Gemäß Paragraph 2 der Rahmenvereinbarung haben erwerbstätige Frauen und Männer ein individuelles Recht auf Elternurlaub im Falle der Geburt oder Adoption eines Kindes, damit sie sich bis zu einem bestimmten Alter des Kindes - das Alter kann bis zu 8 Jahren gehen - für die Dauer von mindestens 3 Monaten um dieses Kind kümmern können. Den Mitgliedstaaten kommt bei der Gestaltung der Anspruchsvoraussetzungen und Anwendungsbedingungen ein
Ermessensspielraum zu.
Die zitierte Bestimmung wird durch den in Österreich bestehenden Anspruch der Mütter und Väter auf einen zweijährigen Karenzurlaub erfüllt. Der Rechtsanspruch des Vaters auf Karenzurlaub wird jedoch nach -geltender Rechtslage vom Anspruch der Mutter abgeleitet. Da die Richtlinie einen originären Anspruch auch des Vaters vorsieht, ist in diesem Punkt Anpassungsbedarf gegeben.
Zu Frage 1 und Frage 3:
Seitens der Europäischen Kommission werden regelmäßig zwei Berichte erstellt, die den
Stand der Umsetzung von Richtlinien in den EU-Mitgliedstaaten angegeben.
Von der Generaldirektion XV der Europäischen Kommission. zuständig für Binnenmarkt und Finanzdienste, wird jährlich ein Bericht erstellt, der u.a. eine Statistik über den Stand der Umsetzung der Weißbuchmaßnahmen enthält. Nach der letzten vorliegenden Version vom
20.2.1996 „Der Binnenmarkt 1995 - Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament" (KOM(96) 51 endg.) liegt Österreich per 31.12.1995 bei der Umsetzung des Weißbuches mit einer Umsetzungsquote von 87,4 % an letzter Stelle.
Laut dem vom Generalsekretariat der Europäischen Kommission im Juli d.J. veröffentlichten "Dreizehnten Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts 1995" (Komm(96) 600 endg. vom 29.5.1996) liegt Österreich bei der Umsetzung des "gesamten Acquis mit einer Quote von 84,2 % an vorletzter Stelle vor Finnland.
Beide Berichte sind dem österreichischen Nationalrat von der Ständigen Vertretung Brüssel am 8.3.1996 unter der Geschäftszahl 3377/EUXX.GP-NR bzw. am 24.7.1996 unter der Geschäftszahl 10.880/EUXX.GP-NR übermittelt worden.
Zu Frage la:
Die bisher relativ niedrige österreichische Umsetzungsquote ist darauf zurückzuführen, daß das strenge Legalitätsprinzip des österreichischen Verfassungsrechtes (Art. 18 BV-G) die Umsetzung- der EG-Richtlinien auf Bundes- und auch auf Länderebene fast durchgehend auf dem Gesetzeswege erforderlich macht. Außerdem bestehen strenge legistische Richtlinien des Bundeskanzleramtes/Verfassungsdienst, die im Interesse einer möglichst hohen Rechtssicherheit und "Benutzerfreundlichkeit" sehr hohe Qualitätsanforderungen bei der Umsetzung von Richtlinien vorschreiben.
Zu Frage 2:
Für das Jahr 1996 ist von den jeweiligen Ressorts die Umsetzung des Großteils der noch nicht in österreichisches Recht transportierte Richtlinie geplant. Die Verwirklichung dieser Aussicht genommenen Umsetzungsmaßnahmen würde dazu führen, daß Österreich bei der Umsetzung des Gesamt acquis laut Generalsekretariat der Europäischen Kommission mit Jahresende auf einen Umsetzungsstand von 95 % käme.