1062/AB

 

 

ANFRAGEBEANTWORTUNG

betreffend die schriftliche Anfrage der Abg.

Anschober und Freundinnen und Freunde

vom 9. Juli 1996, ZI. 976/J-NR/96,

Beförderungsverbot von Vinylchloridzügen durch Tirol"

 

Zu den Fragen 1,7 und 8-.

 

'Warum hat das Ministerium, obwohl vom Nationalrat per Entschließung beauftragt, in der Frage der Vinylchloridtransporte bis heute keine nennenswerten Initiativen gesetzt?"

 

'Welche Haftung werden die österreichischen Delegierten auf der Tagung des Fachausschusses zum RID in Bern vertreten?'

 

'Wird Österreich einen Antrag auf Beförderungsverbot von Vinylchlorid bei der Tagung des Fachaus­schusses in Bern einbringen?  Wenn nein, warum nicht?'

 

Einleitend erlaube ich mir, einige generelle Anmerkungen zur gegenständlichen Thema­tik (Beförderungsverbot für Vinylchloridtransporte auf der Bahn) zu machen: Zunächst möchte ich Festhalten, daß die gefährlichen Eigenschaften dieses Stoffes keinesfalls in Zweifel gezogen werden.  Vinylchlorid ist in die Gefahrenklasse 2/Einstufungsziffer 2F einzustufen.

Dieser Tatsache wird daher durch besondere nach den Bestimmungen des RID/ADR anzuwendenden Maßnahmen Rechnung getragen, durch die mögliche Gefährdungs­potentiale weitestgehend reduziert werden sollen.  Trotz des sehr bedauerlichen Un­falles in Schönebeck bei Magdeburg ist es ein Faktum, daß die Schiene statistisch gesehen das weitaus sicherste Verkehrsmittel -gegenüber der Straße ist.  Dies trifft auch aus Sicht der Kontrolle bzw.  Kontrollmöglichkeiten zu (aufgrund der Schienengebundenheit).  Nicht zuletzt die letztgenannten Punkte würden es mir nicht erlauben für ein einseitiges Beförderungsverbot auf der Bahn einzutreten.  Dies würde nämlich nur dazu führen, daß diese Transporte letztlich auf der Straße mit all den negativen Konsequen­zen erfolgen würden.

Weiters darf ich Ihnen die Beurteilung der Rechtslage durch die Experten meines Ressorts dagegen Für die Beförderung von Gefahrengut auf der Straße gilt die so­genannte 'ADR-Rahmenrichtlinie» vom 21. November 1994: Diese Richtlinie läßt es aber nicht zu z.B.: Vinylchlorid aus Gründen der Transportsicherheit zu verbieten.

Diese Festlegung basiert auf der Überlegung, daß wie oben bereits angeführt durch entsprechende einzuhaltende Vorkehrungen die Sicherheit der Beförderung aus­reichend gewährleistet ist.  Hinsichtlich der Schiene kommt die, analog zur Straße weitestgehend gleichlautende (im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Verkehrs­träger) "RID-Rahmenrichtlinie“ zur Anwendung.  Wie bei der ADR-Rahmenrichtlinie, so wäre ein Transportverbot aus Gründen der Transportsicherheit auch mit der RID­Richtlinie nicht im Einklang.

Ich kann Ihnen aber mitteilen, daß ich aus Anlaß des Unfalles von Schönebeck, den zuständigen Vertreter meines Ressorts beauftragt habe, die eingehende Analyse dieses Unfalles umgehend auf die Tagesordnung der nächsten ' Sitzung des Fachaus­schusses f ür das RID am 20.  September d. J. in Bern zu setzen.  Hierbei wird ins­besondere auch zu prüfen sein, inwieweit die geltenden Bestimmungen in Bezug auf das bestehende Risiko angemessen und vor allem ausreichend sind.  Darüber hinaus wurde der zuständige Beamte von mir angewiesen, dieses Ereignis zum Anlaß zu nehmen, bei der genannten Tagung grundsätzlich die Problematik eines Beförderungs­verbotes von Vinylchlorid (allerdings auf der Straße und der Schiene) auch unter Hinweis auf die besondere Sensibilität dieser Frage für Österreich zur Diskussion zu stellen.  Der Vollständigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, daß ein formeller Antrag an den Fachausschuß des RID zu seiner Annahme der Zustimmung der Mehrheft der im Ausschuß vertretenen Staaten bedarf.  Besonders möchte ich an dieser Stelle anmerken, daß, wie mir mitgeteilt wurde, Greenpeace, weiches Interesse an einer Teilnahme an diesen Fachausschuß für das RID als nicht staatliche Organisation (NGO) mit Beobachterstatus bekundete, in die Einladungsliste des Zentralamtes aufgenommen wurde.  Da zudem über diese Tagung ein sehr eingehender Bericht erstellt wird, ist somit zudem auch eine größtmögliche Transparenz gewährleistet.

In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch auch Festhalten, daß gegenständliche Thematik meiner Auffassung nach in einem viel globalerem Rahmen zu erörtern wäre.  Es wäre vielmehr die grundsätzliche Frage zu stellen, inwieweit die Produktion bzw. das Inverkehrbringen und die Verwendung von derartigen Produkten (im Falle von Vinylchlorid die Vorläufersubstanz PVC) durch ein dieses regelndes umweltrechtliches Instrumentarium beeinflußt werden müßte.  Hierzu ist allerdings der Umweltminister z ustä nd ig.

Zu Frage 2-

Wann soll die von Minister Viktor Klima als auch von Ihnen immer wieder in diesem Zusammenhang angekündigte Enquete stattfinden? Wie soll das genaue Thema dieser Enquete lauten ?

 

Die 'Vinylchlorid-Enquete wird unter diesem Titel am 26.  November 1996 stattfinden und neben der Transportsicherheit das sonstige Umfeld (öffentliche Sicherheit Feuerwehreinsatz, Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz etc.) einbeziehen.  Ich darf Ihnen zu Ihrer Information ein Exemplar des vorläufigen Programms dieser Enquete beischließen.

 

Zu den Fragen 3 und 4:

 

'Wieviele Vinylchloridtransporte, Züge und Waggons, wurden seit Beginn der Transporte jeweils jährlich durch Tirol geführt?  Um welche Mengen von Vinylchlorid handelt es sich dabei?

 

Wieviele Vinylchloridtransporte, Züge und Waggons, sollen bis Ende 1996 über den Brenner geführt werden?  Zu welchen Terminen sollen diese Vinylchloridtransporte über den Brenner geführt werden?

 

Die von Ihnen im Motiventeil Ihrer Anfrage genannten Zahlen stimmen mit den mir vorliegenden Informationen überein.  Eine darüberhinausgehende Bekanntgabe von Daten ist nicht möglich, da es sich um kommerzielle unternehmensbezogene Daten handelt.

 

Zu Frage 5:

In der Öffentlichkeit wurden im Herbst letzten Jahres von Seitens eines ÖBB-Vertreters von zwei Zügen pro Monat gesprochen. Hatten Sie oder Ihr Amtsvorgänger Kenntnis davon, daß die Zahlen tatsächlich viel höher liegen und daß mehr als eine Verdoppelung der öffentlich genannten Anzahl von Vinylchloridtransporten durch Tirol seit Sommer 1995 vorliegt?

 

Mir liegen keinerlei Informationen über die von Ihnen zitierte Aussage vor.

 

Zu Frage 6:

Werden Sicherheitskräfte und Feuerwehren vom Zeitpunkt der Transporte informiert?

Wenn ja, welche Personen bzw. Organisationen und wie lange vorher werden sie von den Transporten informiert ? Wenn nein, warum nicht?

 

Der Transport von Vinylchlorid wird nach den, von den internationalen Organisationen vorgegebenen international verbindlichen strengen Sicherheitsrichtlinien und Normen abgewickelt. Die Information der zuständigen Feuerwehren über Vinylchlorid erfolgt im Wege des jeweiligen Landesfeuerwehrkommandos durch die verladenen Produktionsfirmen, Vertreter der chemischen Industrie, darüber hinaus durch eigene von der ÖBB organisierten Schwerpunktschulungen sowie zusätzlich durch Unterweisungen vor Ort.

Aufgrund der zwischen der ÖBB und den Einsatzorganisationen zudem besonders akkordierten Vorgangsweisen für Fälle außergewöhnlicher Ereignisse ist weiters sichergestellt, daß den Einsatzorganisationen rechtzeitig und im vollen Umfang alle Informationen für einen Einsatz zur Verfügung stehen. Wie Sie sehen, werden somit umfangreiche Maßnahmen gesetzt, um das mögliche Gefährdungspotenzial derartiger Transporte weitestgehend zu reduzieren bzw. auszuschließen.

 

Zu Frage 9:

«Wurden bereits Vorgespräche mit Vertretern anderer Staaten mit dem Ziel geführt, die Erfolgschancen auf Annahme eines Antrags auf Beförderungsverbot zu erhöhen?

Wenn ja, mit welchen Staaten und mit welchem Erfolg?  Wenn nein, warum nicht?

 

Österreich hat bereits diesbezügliche Vorgespräche z.B. mit Vertretern der Schweiz und Deutschland geführt.  Demnach gehen in der Schweiz - nach derzeitigem Informationsstand - auf politischer Ebene (einschließlich des Kantons Uri) keine lntentionen ein solches Verbot zu fordern.  In Deutschland hat der parlamentarische Staatsekretär im Verkehrsministerium Johannes Nitsch anläßlich einer, den Unfall in Schönebeck behandelnden parlamentarischen Fragestunde und im Deutschen Bundestag am 12. Juni 1996 keinerlei Maßnahmen in Aussicht gestellt, solange die Unfallanalyse nicht im Fachausschuss für das RID beraten wurde. Mit anderen Staaten werden jedoch noch weiter Sondierungen erfolgen.