1081/AB

 

 

ANFRAGEBEANTWORTUNG

betreffend die schriftliche Anfrage der Abg.

Neugebauer und Kollegen vom 10.  Juli 1996,

Nr. 992/J-NR/1996, "Fahrplangestaltung der OBB'

 

Gemäß Art. 52 Abs. 1 B-VG und § 90 erster Satz des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 ist der Nationalrat befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. § 90 zweiter Satz des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 präzisiert die "Gegenstände der Vollziehung" - also die Gegenstände des Fragerechtes - unter Verwendung des Wortlautes des § 2 Abs. 3 des Bundesministeriengesetzes 1973.  Demgemäß sind darunter zu verstehen: "Regierungsakte, Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten."

Für den Umfang der Pflicht zur Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage ist daher vor allem von Bedeutung, ob die Frage einen "Gegenstand der Vollziehung" betrifft.

Das in Art. 52 Abs. 1 B-VG niedergelegte F t und die ihm korrespondierende lnformationspflicht sollen die Volksvertretung in die Lage versetzen, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die Regierungsgeschäfte den von der Volksvertretung beschlossenen Gesetzen gemäß, desgleichen aber, ob sie darüber hinaus auch den politischen lntentionen der Volksvertretung entsprechend geführt werden.  Sie finden daher ihre Grenze in den lngerenzmöglichkeiten, über die die Bundesregierung und ihre einzelnen Mitglieder in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich verfügen.

Eine parlamentarische Anfrage im Zusammenhang mit einem im Eigentum des Bun­des stehenden Unternehmen ist damit so weit vom lnterpellationsrecht gemäß Art. 52 Abs. 1 B-VG ("Vollziehung des Bundes!') erfaßt, als in den Organen dieser Unternehmen Verwaltungsorgane tätig werden.  Konsequenterweise unterliegen daher auch nur die Handlungen von Verwaltungsorganen in den Organen von Unternehmen der parlamentarischen Interpellation.

 

Nicht vom Interpellationsrecht umfaßt sind jedoch Handlungen, die von geschäftsführenden Unternehmungsorganen selbst gesetzt werden.

 

Ihre Fragen 10, 11, 12 und 14 beziehen sich aber ausschließlich auf Handlungen von Unternehmensorganen und wären daher auch von diesen zu beantworten.

 

Ich habe aber Ihre Anfrage an die GD der ÖBB weitergeleitet, deren Stellungnahme ich Ihnen in der Beilage gerne zur Kenntnis bringe.

 

Die an mich persönlich gerichteten Fragen darf ich Ihnen nachstehend beantworten, möchte jedoch einleitend einmal mehr darauf hinweisen, daß sowohl Angelegenheiten der Fahrplangestaltung als auch Angelegenheiten des Fahrpreises dem Absatzbereich der Österreichischen Bundesbahnen zuzurechnen sind.  Dieser Bereich unterliegt der alleinigen Verantwortung der zuständigen Organe der Österreichischen Bundesbahnen.

 

Es steht jedoch allen Gebietskörperschaften die Möglichkeit offen, Betriebsleistungen der Österreichischen Bundesbahnen, die von diesen wegen mangelnder Kostendeckung nicht oder nicht mehr angeboten werden, durch den Abschluß von privatwirtschaftlichen Verträgen - gegen Übernahme der nicht gedeckten Kosten - einzukaufen".  Das Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst bestellt selbst bei den Österreichischen Bundesbahnen gemeinwirtschaftliche Leistungen in der Höhe von ca. 8 Mrd.  S aus sozialen und ökologischen Gründen in Form von Tarifermäßigungen z.B. für Pendler, Schüler, Senioren, Behinderte und für gefährliche Güter, Recyclinggüter sowie für den kombinierten Verkehr, fördert - Anschlußbahnen und trägt die meisten Kosten der Infrastruktur in der Höhe von ca. 25 Mrd.  ÖS.

 

Darüberhinausgehende Leistungen aus landesplanerischer Sicht können gemäß EU­Verordnung von den regionalen Gebietskörperschaften bestellt werden.  Die entsprechenden Mittel dafür werden den Ländern bzw. den Gemeinden im Wege des Finanzausgleichs durch die zweckgebundenen Mittel der MOST zur Verfügung gestellt.

 

Ihre Fragen darf ich wie folgt beantworten:

 

Zu den Fragen 1 und 2-.

"Besteht eine Verpflichtung für die OBB, Fahrplanänderungen dem zuständigen Ver­kehrsminister bekanntzugeben, und wenn ja, wurde dieser entsprochen?

 

Seit wann sind Ihnen die neuen Fahrpläne bekannt, und wie haben Sie darauf reagiert?"

 

Die Erstellung des Fahrplanangebotes der Schienenbahnen und damit auch der OBB ist ausschließlich Sache der Unternehmen.  Die OBB sind - wie jedes andere Eisenbahnunternehmen - nach dem Eisenbahngesetz 1957 verpflichtet, das geplante Fahrplanangebot dem Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst zwecks Veröffentlichung im Amtsblatt für Verkehr anzuzeigen.  Dieser Verpflichtung sind die OBB durch die Vorlage des Fahrplanentwurfes vom 17. 1. 1996 nachgekommen.  Ein Eingreifen gemäß Eisenbahngesetz wäre durch die vorgelegten Änderungen allerdings nicht zulässig gewesen.  Für das im endgültigen Kursbuch veröffentlichte Fahrplanangebot besteht Betriebspflicht, Änderungen sind jedoch nach vorheri­ger Anzeige und Bekanntmachung möglich.

Wie auch schon in einigen anderen Anfragebeantwortungen darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß aufgrund des Bundesbahngesetzes 1992 und der darin festgeschriebenen Trennung von Infrastruktur und Betrieb der OBB die Gestaltung des Personen- und Güterverkehrs dem Absatzbereich des Unternehmens angehört und daher ausschließlich durch das Management der OBB zu erfolgen hat.  Verpflichtung-, im öffentlichen Interesse können gemäß EU-Verordnung nur mehr durch Bestellung und Bezahlung durch die jeweils zuständigen Gebietskörperschaften aus sozialem, umweltpolitischem oder landesplanerischem Interesse erfolgen.

 

Zu Frage 3:

„Ist Ihnen die schwierige Situation für Pendler und hier vor allem die der Schicht- und Wochenenbeschäftigten bekannt?"

 

Die Leistungsrücknahmen der OBB erfolgten primär zu den Tagesrandlagen und am Wochenende.  Das Angebot in der Hauptverkehrszeit wurde teilweise sogar ausgeweitet.  Es liegt jedoch in der Natur des öffentlichen Verkehrs als "Massen-' im Gegensatz zum "Individualverkehr, nicht für jedes auch zeitlich noch so untypische Verkehrsbedürfnis ein Verkehrsangebot bereitstellen zu können.  Es steht den Regionen jedoch frei, aufgrund ihrer speziellen Kenntnis und auch Verantwortung für ihre Bereiche Verträge über Verkehrsdienste abzuschließen, wie dies die Bundesländer Burgenland, Vorarlberg und Niederösterreich auch getan haben.

 

Zu Frage 4:

"Halten Sie die Situation der Wien-Pendler für tragbar, oder werden Sie Schritte in die Wege leiten, die einen bessere Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes ermöglichen?"

 

Das OBB-Fahrplanangebot für Wien-Pendler liegt im Verantwortungsbereich der OBB und der betroffenen Regionen.  Seitens Niederösterreichs und Burgenlands wurden spezielle Fahrplanangebote bei den OBB vertraglich bestellt.  Mit Wien wurde ein Infrastruktur-ausbauprogramm als Basis für eine Schnellbahnverdichtung vereinbart.  In allen drei Fällen zahlt der Bund den weitaus größeren Kostenanteil.

 

Die OBB haben auf die im Zuge der Fahrplanumstellung 1996 aufgetretenen Kapazi­tätsprobleme durch die Führung einzelner zusätzlicher Züge und vor allem durch vermehrte Wagenstellungen prompt reagiert und das Sitzplatzangebot im Raum Wien in den Pendlerzügen um 4.500 auf insgesamt 17.400 Sitzplätze aufgesteckt.  Den Benützern kann nunmehr wieder eine entsprechende Beförderungsqualität geboten werden.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

Die Probleme der OBB haben das Land Niederösterreich dazu bewogen, nicht unbeträchtliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Lage der pendelnden Arbeitnehmer wieder zu verbessern.  Werden Sie als zuständiger Minister ebenfalls finanzielle Mittel für den Betriebsteil der OBB aufbringen?

 

Wenn ja, was werden Sie konkret unternehmen, wenn nein, warum nicht?"

 

Seitens des Bundes werden bereits erhebliche Mittel für den Regional- und Nahverkehr aufgebracht.  Im Rahmen des Vertrages über gemeinwirtschaftliche Leistungen, der für die Jahre 1995 bis 1998 abgeschlossen wurde, sind neben den Zahlungen für den ÖKO-Bonus (ca. 4,5 Mrd.  S) für das Jahr 1996 bis zu 1.200 Mio S als Abgeltung für die Führung des Regional- und Nahverkehres vereinbart.  Darüber hinaus trägt der Bund die Kosten der Vorhaltung der Infrastruktur, die ein Vielfaches der von Niederösterreich bereitgestellten Mittel ausmachen.

 

Zu Frage 7:

'Was werden Sie unternehmen, um die Fahrpläne, Zubringer- und Umsteigemöglichkeiten weder besser aufeinander abzustimmen, sodass lange Wartezeiten vermieden werden können?"

 

Die optimale Abstimmung der Fahrpläne von Bus und Bahn ist eine der vordringlichen Aufgaben der ja bereits nahezu flächendeckend bestehenden Verkehrsverbünde und muß innerhalb dieser Gremien - unter Mitarbeit der beteiligten Verkehrsunternehmen künftig verstärkt betrieben werden.  Ich werde auch im Rahmen des Nahverkehrsgesetzes eine Regelung vorschlagen, die Verknüpfungen anbietende Unternehmer gegenüber parallel fahrenden Unternehmen bevorzugt.

 

Zu Frage 8:

"Haften Sie Tariferhöhungen für vertretbar, wenn nur einige Wochen später erhebliche Qualitäts- und Leistungsminderungen vorgenommen werden?"

 

Die von den OBB im Zeitkartenbereich vorgenommenen Tarifanpassungen stehen in keinem Zusammenhang mit den vorgenommenen Fahrplankorrekturen bzw. der Einstellung von ohnedies nicht oder kaum in Anspruch genommenen Leistungen.  Im übrigen liegen die Zeitkartenpreise weit unter dem Preisniveau von vergleichbaren Nachbarbahnen (Deutsche Bahn-AG, Schweizerische Bundesbahnen).

 

Zu Frage 9:

"Was werden Sie unternehmen, um die Gefährdung und Behinderung von Fahrgästen in Bahnhöfen mit zu kurzem Bahnsteig zu beseitigen?"

 

Eine Gefährdung von Reisenden wegen zu kurzer Bahnsteige ist nicht gegeben, da die OBB in jenen Ausnahmefällen in denen tatsächlich ein unterdimensionierter Bahnsteig benutzt werden muß, ausreichende innerbetriebliche Vorsorgen für die Sicherheit der Reisenden verbindend vorsehen.  Die von den OBB zum Einsatz geplanten Doppelstockwagen werden darüberhinaus diese Situation weiter entschärfen.

 

Zu Frage 13:

'Halten Sie in diesem Zusammenhang eine nachträgliche Entschuldung der OBB für sinnvoll?"

 

Da die ÖBB seit ihrer, Ausgliederung jährlich Gewinne erwirtschaften, hat sich die Kapitalausstattung der OBB bewährt.

 

Zu Frage 15:

"Nicht wenige Pendler haben nach den Fahrplanumstellungen erklärt, wieder auf ihr Auto umzusteigen, was in Zeiten der enormen Verkehrs- und Umweltbelastung wenig erfreulich ist.  Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs, und welche verkehrs- und umweltpolitischen Ziele wollen Sie während Ihrer Amtszeit verwirklichen?"

 

Die zitierten Unmutsäußerungen seitens eines Teiles des Reisepublikums sind sicher bedauerlich, waren jedoch teilweise auch nur erste spontane Reaktionen auf Veränderungen der gewohnten Fahrplanlagen im Minutenbereich.  Ich gehe daher davon aus, daß es zu keinem 'Umsteigen aufs Auto" kommen wird.  Die verkehrs- und umweltpolitische Zielsetzung der Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs bleibt unverändert aufrecht, wobei eine entsprechende Kostensituation dazu Voraussetzung ist, die letztendlich auch durch eine wirtschaftlichkeitsorientierte Fahrplangestaltung beeinflußt wird.

 

Zu Frage 16:

'Werden Sie sich für den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes einsetzen und konkret welche Maßnahmen und Projekte wollen Sie vorantreiben?"

 

Die besondere Bedeutung, die dem weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes beigemessen wird, wurde durch die im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes beschlossene Finanzierung von Infrastrukturausbauten in den nächsten 5 Jahren mit einem finanziellen Gesamtrahmen von 60 Mrd S dokumentiert.  Die konkreten Projekte

werden vom Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst durch Verordnung fixiert, die Übertragungsverordnungen an die HL-AG sind bereits eine bewährte Praxis; die erste Übertragungsverordnung an die OBB aufgrund der neuen Rechtslage befindet sich in Vorbereitung.

 

Zu Frage 17:

"Wie bewerten Sie aus verkehrspolitischer Sicht den lmageverlust der ÖBB und was werden Sie unternehmen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung wieder anzuheben?"

 

Eine Reihe von Umstellungsmängeln wurde von den OBB bereits gelöst, manche Probleme werden sich durch Umstellung der Pendlergewohnheiten lösen und manche Probleme sind nur durch den Abschluß von Verträgen über Verkehrsdienste seitens der Regionen lösbar, da diese am besten ihre Probleme kennen müßten und dazu auch zweckgebundene Mittel aus der MÖST erhalten.