1118/AB

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Doris Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde haben am 12.  Juli 1996 unter der Nr. 1180/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Wirtschafts- und Währ-ungsunion gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

 

1.    Wird der Eintritt in die Währungsunion einer Volksabstimmung unterzogen?  Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

 

2 .   EU-Kommissar Fischler betont, "es sei klar, daß die Währungsunion etwas kosten werde, letztlich wäre sie aber eine politische Frage:

       Warum wurden die Österreicherinnen und Österreicher über die Kosten der Währungsunion nicht informiert?

 

3.    Die Grünen weisen seit langem darauf hin, daß die von der Bundesregierung getroffenen Budgetkonsolidierungsmaßnahmen nicht ausreichen, um die Maastricht-Kriterien zum Eintritt in die Währungsunion, insbesondere das Kriterium des rückläufigen Schuldenstandes, zu erfüllen.  Am 8. Juli d.J. haben die Finanzminister der EU gegen Österreich ein Verfahren wegen übermäßigen Defizits gemäß Art. 104c VEU eingeleitet ("Blauer Brief'). Österreich soll sowohl Defizit als auch Schuldenstand rascher als im Konvergenzprogramm angegeben abbauen bzw. die Defizitreduktion vorwiegend in den Abbau der Staatsschulden umsetzen,

a)    In welcher Weise wird die Defizitreduktion rascher in Schuldenabbau umgesetzt werden?

b)    Wird der Inhalt des "Blauen Briefes" veröffentlicht?  Wenn nein, warum nicht?

c)    Wieviel muß Österreich zusätzlich zu den im Konvergenzprogramm vorgeschlagenen Maßnahmen einsparen, um die von der EU geforderten Auflagen zu erfüllen (in Milliarden Schilling für Bundessektor, Länder und Gemeinden)?

d)    Warum wurden die Österreicherinnen und Österreicher über die zusätzlichen Belastungen nicht umgehend informiert?

 

4.    Finanzminister Klima hat im Rahmen des oben zitierten Finanministerrates angekündigt, den Schuldenstand über das vorgelegte Konvergenzprogramm hinaus durch Privatisierungen" durch Verkauf von Forderungen der Republik Österreich sowie durch eine Ausgliederung der Gebührenhaushalte zu reduzieren.

a)    Wie hoch ist der geschätzte Erlös dieser Maßnahmen (in Milliarden Schilling für jede Maßnahme)'.?

b)    In welcher Weise wird sichergestellt, daß trotz des Zeitdrucks bei der geplanten Veräußerung von Staatsvermögen der bestmögliche Marktpreis erzielt wird?

c)    In welcher Weise reduziert sich durch diese Maßnahme der Schuldenstand Österreichs?

d)    Erhöht sich durch diese Maßnahme der Vermögensstand Österreichs?

e)    Gibt es Zusagen seitens der EU, daß die oben erwähnten Maßnahmen ausreichen werden, um die Konvergenzkriterien für die Währungsunion zu erfüllen?

f)     Können in den nächsten Jahren weitere Privatisierungen ausgeschlossen werden?

 

5.    Die Vorhersagen der Grünen, es werde im Zusammenhang mit der Erfüllung der Konvergenzkriterien in den nächsten Jahren zu massiven Privatisierungen kommen, wurden seitens der Bundesregierung wiederholt zurückgewiesen.  Auch im Konvergenzprogramm der Bundesregierung scheinen sie nicht auf.

a)    Warum wurde in der öffentlichen Debatte über die Währungsunion auf diese Kosten nicht hingewiesen?

b)    In welcher Form kommt der Erlös aus dem Verkauf von Staatseigentum der Bevölkerung zugute?

c)    Wird der Erlös aus dem Verkauf von Staatseigentum in eine Beschäftigungsoffensive umgesetzt?

 

6.    Sind außer den von Finanzminister Klima im Rahmen des Finanzministerrates am 8. Juli dieses Jahres angekündigten Maßnahmen weitere Einsparungsmaßnahmen vorgesehen?

 

7.    Können für die Jahre 1996 bis 1999 weitere Sparpakete und Sozialabbaumaßnahmen zur Erreichung der Konvergenzkriterien ausgeschlossen werden?

 

8.    Wird Österreich als Mitglied der Währungsunion gezwungen sein, Budgetdefizit und Staatsverschuldung noch weiter reduzieren?"

 

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion ist Bestandteil des Vertrags von Maastricht ' Dieser stellte bereits zum Zeitpunkt der Volksabstimmung über den österreichischen EU-Beitritt zeltendes Gemeinschaftsrecht dar.  Bei der Volksabstimmung erfolgte daher mit der Zustimmung zum Beitritt zur Europäischen Union gleichzeitig die Zustimmung zur Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion.  Eine gesonderte Abstimmung ist daher nicht erforderlich.

 

Zu Frage 2:

Die direkten Kosten der Währungsunion sind hauptsächlich auf notwendige Maßnahmen im Bank­bereich, wie etwa das Drucken neuer Banknoten und das Prägen neuer Münzen, die Erstellung neuer Softwareprogramme, Umstellungen bei Geldausgabeautomaten und ähnliches zurückzuführen.  Banken verlieren auch einen Teil des Devisen- und Valutengeschäfts, können jedoch von neuen Geschäftsfeldern profitieren.  Die Bevölkerung wurde sehr wohl darüber informiert, daß die WNW durch den Wegfall von Wechselkursschwankungen und Transaktionskosten trotz der notwendigen banktechnischen Maßnahmen finanzielle Vorteile bringt.

 

 

Zu Frage 3:

 

Nach Berechnungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung reichen jene Konsolidierungsmaßnahmen, die der Nationalrat bereits beschlossen hat und welche auch von den Ländern und Gemeinden in ihrem Bereich umgesetzt werden, aus, um im Jahr 1997 für das Finanzierungsdefizit aller öffentlichen Haushalte den Konvergenzwert von 3 % des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen.

 

Aufgrund der sehr niedrigen nominellen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts nimmt allerdings die Finanzschuldenquote der öffentlichen Haushalte trotz der Konsolidierungs-maßnahmen noch geringfügig zu.  Um eine Reduktion der Schuldenquote schon 1997 zu erreichen, müssen daher zusätzliche vermögensbezogene Einzelmaßnahmen getroffen werden.

 

Der von Ihnen zitierte "Blaue Brief wird, wie alle EU-Dokumente, nach Publikation durch die Europäische Union dem Nationalrat übermittelt werden.

 

 

Zu den Fragen 4 und 5:

 

Die Bundesregierung legt seit einigen Jahren regelmäßig Privatisierungsvorhaben vor.  Diese stehen nicht im Zusammenhang mit der Währungsunion, sondern sind Teil der Effizienzsteigerungsmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung.  Das Konvergenzprogramm der Bundesregierung enthält keine Privatisierungslisten. da mit deren Veröffentlichung negative Auswirkungen auf die zu erzielenden Preise verbunden wären.

 

Mündlich wurde auch von Österreichs Vertretern in Brüssel immer wieder betont, daß der zum Eintritt in die Währungsunion notwendige Rückgang der Schuldenquote durch sogenannte "Einzelmaßnahmen", darunter auch Privatisierungen, erreicht würde.  Die damit erzielten Einnahmen führen zu einer Reduktion der Staatsschuld und der laufend zu zahlenden Zinsen.  Eine geringere Zinsenlast erhöht natürlich auch den budgetpolitischen Spielraum für beschäftigungspolitische Maßnahmen und wird unter anderem deshalb von der österreichischen Bundesregierung angestrebt.

 

Zu den Fragen 6 und 7:

Die im Konvergenzprogramm vorgesehenen Einsparungen und die Maßnahmen, die der Bundesminister für Finanzen beim Ecofin-Ministerrat erläutert hat, reichen aus, um das Konsoliderungsziel zu erfüllen.  Dies wurde auch von der Kommission und vom Rat bestätigt, der das österreichische Konvergenzprogramm einstimmig genehmigte.  Sollte es nicht zu einer völlig unerwarteten, dramatischen Änderung der konjunkturellen Situation kommen, so werden keine weiteren budgetpolitischen Maßnahmen erforderlich sein.

 

 

Zu Frage 8:

 

Die Konvergenzkriterien besitzen auch nach dem Eintritt Österreichs in die Währungsunion Geltung.  Gegenwärtig werden in der Kommission und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Überlegungen angestellt, wie die Stabilitätsorientierung auch nach Inkrafttreten der Währungsunion gesichert werden kann. Österreich hat, wie auch die Kommission und einige Mitgliedstaaten, in diesem Zusammenhang den Vorschlag eines Stabilitätspakts, der das automatische Eintreten von Sanktionen im Falle des Überschreitens der 3 %-Grenze des Nettodefizits sowie das Nichtüber-' schreiten des Nettodefizits von 1 % des Bruttoinlandsprodukts in "normalen" Konjunktursituationen vorsah, abgelehnt.  Da die 3 %-Marke eine Obergrenze darstellt, wird es erforderlich sein, das Defizit im langfristigen Durchschnitt geringer zu halten, um Spielräume für budgetpolitische Maßnahmen im Falle einer Rezession zu erhalten.  Darüber hinaus wird durch eine langfristige Defizitreduktion der Stabilitätsorientierung der Währungsunion Rechnung getragen.  Es wird allerdings aller Voraussicht nach nicht notwendig sein, zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen zu setzen, um eine dauerhafte Absenkung des Defizits zu erzielen.  Vielmehr sollte dieses Ziel bereits durch die langfristig positiven Auswirkungen der derzeitigen budgetpolitischen Maßnahmen erreicht werden.  Dies zieht in der Folge automatisch einen Rückgang der Staatsverschuldung mit sich.