1142/AB
ANFRAGEBEANTWORTUNG
Die Abgeordneten zum Nationalrat Ute Apfelbeck, Dr. Ofner, Rossmann haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die Dauer der Urteilsausfertigungen im, Falle BH, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
"l. Waruml iegen fürdieimZusammenhangmitderBHI-BankgefälltenUrteile noch keine schriftlichen Urteilsausfertigungen vor ?
2. Wann werden die schriftlichen Urteilsausfertigungen tatsächlich vorliegen ?
3. Aus welchen Gründen kommt es immer wieder zu derartigen gesetzwidrigen Verzögerungen ?
4. Wie hat sich die Quote der verspätet ausgefertigten Urteile in Zivil- und Strafsachen seit 1993 entwickelt ?
5. Planen Sie weitere Maßnahmen, um eine Beschleunigung zu erzielen ? Wenn ja weiche
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 und 2-.
Im Verfahren 5 Vr 187/95 des Landesgerichts für Strafsachen Graz (BHI-Prozeß) wurde das Urteil am 8. Juli 1996 schriftlich ausgefertigt.
Zu 3 und 4:
Das Bundesministerium für Justiz erhebt jährlich zum 1.10. die Anzahl der in Zivil und Strafsachen ergangenen Urteile, mit deren Ausfertigung das Gericht zum Stichzeitpunkt länger als zwei Monate im Rückstand ist. Stellt man diese Zahlen den jährlich gefällten erstinstanzlichen Urteilen in Zivil- und Strafsachen gegenüber, erhält man ein Bild von der Größenordnung und Entwicklung der Verzögerungen bei der Ausfertigung gerichtlicher Entscheidungen.
Demnach wurden im Jahr 1993 insgesamt 46.657 erstinstanzliche Urteile in Zivilsachen gefällt; nach den Ergebnissen der Erhebung zum 1.10. d.J. waren in 1.751 Fällen (3,7 0/o) das Urteil länger als zwei Monate nicht ausgefertigt. Im Jahr 1994 lauten die entsprec henden Zahlen 46.902 Urteile in Zivilsachen und 1.890 nicht binnen zweier Monate schriftlich ausfertigt (4 %). Im Jahr 1995 ist diese Quote der zum 1.10. nicht binnen zweier Monate ausgefertigten Urteile auf 2,9 % (47.183 :l.373) zurückgegangen.
In Strafsachen bewegt sich die Quote der zum 1.10. nicht binnen zweier Monate schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse Oberhaupt im Marginalbereich. Im Jahr 1993 betrug sie 0,2 % (von 86.825 erstinstanzlichen Erkenntnissen in Strafsachen in diesem Jahr waren 142 zum 1.10. nicht binnen zweier Monate schriftlich ausgefertigt), in den Jahren 1994 und 1995 nur noch 0,1 % (80.958 :122 bzw. 78.795: 84).
Diese Zahlen belegen, daß gerichtliche Entscheidungen im allgemeinen in angemessener Frist ausgefertigt werden und es nur ausnahmsweise zu Verzögerungen kommt. Analysen über die Gründe einer verzögerten Urteilsausfertigung sind demgemäß auch nur für den jeweiligen Einzelfall sinnvoll. Daß diese Gründe recht unterschiedlich sein und auch nicht immer dem Entscheidungsorgan zum Vorwurf gemacht werden können, zeigt gerade der der Anfrage zugrunde liegende Fall.
So liegt eine Ursache der objektiv langen Ausfertigungsdauer'der Entscheidung im Verfahren 5 Vr 187/95 des Landesgerichts für Strafsachen Graz darin, daß es der Vorsitzende auf Grund der Brisanz des Verfahrens (der sogenannte BHI-Prozeß zählt zu den größten Wirtschaftsprözessen der letzten Jahre) für zweckmäßig erachtete, die Protokollführung durch die Verwendung eines Tonaufnahmegerätes zu unterstützen. Es liegt auf der Hand, daß dieses durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 geschaffene Hilfsmittel für die Herstellung des Protokolls einen erhöhten Zeitaufwand bei der Protokollsübertragung beansprucht. Im vorliegenden Fall stand dem Vorsitzenden das 312 Seiten umfassende Hauptverhandlungsprotokoll erst zirka drei Monate nach Schluß der Verhandlung zur Verfügung. Ein weiterer Grund für die Dauer der Urteilsausfertigung ist in der Komplexität des Verfahrens zu sehen (zur Veranschaulichung des gesamten vom Vorsitzenden zusätzlich zur weiteren Tätigkeit auf seiner Geschäftsabteilung zu bewältigenden Arbeitsaufwandes sei darauf hingewiesen, daß der gesamte Akt einen Umfang von 8.420 Aktenseiten aufweist). Schließlich spielte auch der angegriffene Gesundheitszustand des vorsitzenden Richters, der in weiterer Folge zu einem längeren Krankenstand führte, eine Rolle. Der Richter hat das Urteil während dieses Krankenstandes ausgefertigt.
zu 51
Zu diesem Punkt der Anfrage weise ich zunächst auf meinen Bericht an den Nationalrat über Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung vom 30. Juni 1993 hin. Die in diesem Bericht zusätzlich zu den bereits getroffenen Maßnahmen angekündigten Vorhaben habe ich in ihren Schwerpunkten mittlerweile bereits verwirklicht. So wurden beispielsweise um einige der Neuerungen zu erwähnen durch das Bundesgesetz, BGBl, 1 994/507, mit dem unter anderem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wurde, die gesetzlichen Grundlagen für eine Steigerung der Effizienz der Dienstaufsicht und die Reform des Visitationswesens geschaffen. Diese gesetzlichen Abordnung wurden im Bereich der Dienstaufsicht durch eine Neufassung der Bestimmungen der Geschäftsordnung für die Gerichte 1. und 11. Instanz über die interne und externe Dienstaufsicht (Verordnung BGBl 1995/544) und im Bereich des Visitationswesens durch die im Herbst 1994 erfolgte Herausgabe eines umfassenden Revisionshandbuches entsprechend ausgeführt. Darüber hinaus berichten die Gerichte seit dem Jahr 1991 dem Bundesministerium für Justiz jährlich zum 1.10. über die länger als zwei Monate nicht ausgefertigten Urteile in Zivil- und Strafsachen. Die Justizverwaltung wertet diese Berichte aus und geht auffälligen Berichtsergebnissen im Rahmen der Dienstaufsicht nach. Die Dauer der Ausfertigung zivil und strafrechtlicher Entscheidungen ist auf diese Weise laufend Gegenstand der Beobachtung und erforderlichenfalls auch gezielter Maßnahmen der Justizverwaltung.