1143/AB
ANFRAGEBEANTWORTUNG
Auf die aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene schriftliche Anfrage der Abgeordneten Wabl und Freunde vom 12.Juli 1996, Nr. 1174/j, betreffend Irreführung der KonsumentInnen und Existenzgefährdung der österreichischen Bauern, beehre ich mich folgendes mitzuteilen:
Zu den Fragen 1 bis 3:
Die Beantwortung dieser Fragen aus lebensmittelrechtlicher Sicht wird durch die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz im Zuge der Beantwortung Ihrer parlamentarischen Anfrage
Nr. 1175/J erfolgen. Dazu sei nur bemerkt, daß importierte Lebendlämmer nicht mit dem Schlachtakt als "österreichische Lämmer" gelten, sondern lediglich die nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erforderliche Kennzeichnung betreffend die Tauglichkeit der Schlachtware zum menschlichen Genuß erhalten.
Für die Vergabe des "Austria Gütesiegels" und die Herausgabe der diesbezüglichen Richtlinien ist das Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft nicht zuständig. Soweit bekannt, müssen jedoch bei Lebensmittel als eine der Voraussetzungen für die Erlangung dieses Zeichens zumindest 50 % der wertbestimmenden landwirtschaftlichen Rohstoffe aus Österreich stammen.
Zu Frage 4:
Im Rahmen des Herkunfts- und Gütezeichens der AMA sind im "Regulativ für die Verleihung des Rechtes zur Führung der Herkunfts- und Gütezeichens für Lebensmittel" und in einzelnen produktspezifischen Richtlinien detaillierte Regelungen über die Erzeugung und über die Be- und Verarbeitung von Lebensmitteln enthalten. Dies trägt wesentlich dazu bei, die Konsumenten mit Qualität, Sicherheit und Unverwechselbarkeit zunehmend für österreichische Qualitätsprodukte zu gewinnen und dient auch dem Schutz der bäuerlichen Produzenten. Zur Verwirklichung dieser Ziele trägt die Agrarmarkt Austria Marketing Ges.m.b.H. mit ihren vielfältigen Werbe- und Marketingaktivitäten im Inland und im Ausland bei.
Zu Frage 5:
In den derzeit gültigen Bestimmungen zur Erlangung des österreichischen Herkunfts- und Gütezeichens der Agrarmarkt Austria Marketing Ges.m.b.H. gilt für Brot und Backwaren, daß 100 % der Mehlbestandteile aus Österreich stammen müssen. Bei Wurst ist die Vergabe des Zeichens solange ausgesetzt, bis geklärt ist, wie hoch der Rohstoffanteil auch aus Verbrauchersicht sein sollte bzw. auch, wie der Nachweis dieses Rohstoffanteiles funktioniert.
Zu Frage 6:
Die Frage nach der Sicherheit im Sinne der Konsumentenerwartung kann beim AMÄ-Zeichen dahingehend beantwortet werden, daß je nach Richtlinie und Produkt unterschiedliche Kontrollsysteme existieren. Beispielsweise wird das Gütezeichen Milch und Milchprodukten verliehen, bei denen die Milchbestandteile zu 100 % aus heimischer landwirtschaftlicher Erzeugung stammen. Bei den mit dem Herkunfts und Gütezeichen gekennzeichneten Eiern muß es sich ausschließlich um heimische Ware handeln; die heimische Herkunft bezieht sich auch auf Jung- und Legehennen, sowie auf Kücken, welche in der im Zeichen angeführten Region geschlüpft sein müssen. Das Futter muß zu mindestens 50% heimischen Ursprungs sein und durch entsprechende Bestätigungen der Lieferanten nachgewiesen werden. Diese Kontrollsysteme bauen auf dem Prinzip der Transparenz und der Unabhängigkeit der Kontrollstellen auf.
Zu Frage 7:
Für die Bewerbung des AMA-Gütezeichens wurden seit dem Jahr 1993 insgesamt ca. 50 Mio Schilling ausgegeben. Unter anderem gelang es auch dadurch, einen Bekanntheitsgrad bei Haushaltsführern von 82 % zu erreichen. Darüber hinaus zeigen diverse Marktforschungen sehr positive Werte hinsichtlich Herkunfts- und Qualitätseinschätzung sowie großes Vertrauen in das Kontrollsystem.
Was die Veränderung von Marktanteilen am Lebensmittelsektor seit dem EU-Beitritt Österreichs betrifft so ist festzustellen, daß das befürchtete Wegbrechen ganzer Märkte mit Hilfe einer Reihe von.Aktionen verhindert werden konnte. Die österreichischen Konsumenten hielten den heimischen Produkten die Treue.
Im Frischmilchbereich beispielsweise gab es keine Veränderung, 100 % waren in österreichischer Hand. Bei allen Milchprodukten (incl. Verarbeitungsprodukten) sank 1995 der Marktanteil heimischer Anbieter bei einem steigenden Gesamtmarkt (gesamtes Marktwachstum von 8 %) entgegen den ursprünglichen Erwartungen um nur 2 Prozentpunkte von 92 auf 90 %. Im Frischfleischbereich setzen die österreichischen Konsumenten im wesentlichen weiterhin auf heimische Ware.
Im Jahre 1995 konnte sich Österreich vor allem auf den italienischen Hoffnungsmärkten erfolgreich etablieren. Die Lieferungen von Agrarwaren nach Italien stiegen bereits in den ersten acht Monaten des Jahres 1995 wertmäßig von 1,63 Mrd. Schilling auf 2,77 Mrd. Schilling, was einer Steigerung um knapp 70 % entspricht.
Zu Frage 8:
Nähere Informationen über Dauerlistungen finden sich im Kapitel "Verkaufsförderung Deutschland" des Tätigkeitsberichtes 1995 der Agrarmarkt Austria Marketing Ges.m.b.H. (Beilage). Die von der Agrarmarkt Austria Marketing Ges.m.b.H. organisierten "österreichwochen" tragen wesentlich dazu bei, den österreichischen Unternehmen den Eintritt in den deutschen Lebensmittelhandel zu ermöglichen und sorgen für Aufmerksamkeit und befristete Verkaufsunterstützung. Dauerlistungen von österreichischen Lebensmittelprodukten werden aber auch von der Positionierung der Produkte durch die Lebensmittelfirmen, die Art der Distribution, die Preispolitik etc. mitbestimmt.
Zu Frage 9:
Zweck des Projektes "Verkaufswagen" der AMA im Zeitraum Oktober 1994 bis Jänner 1995 war es, den österreichischen Exporteuren eine verläßliche Datenbasis für den Markteintritt in Deutschland zu bieten. Aufgrund der Verkostungen von 120 Produkten von ca. 45 Firmen
und einer GfK-Marktforschung wurde ein Akzeptanz- und Geschmacksprofil für österreichische Wurst und heimischen Käse entwickelt. Von den 120 Produkten, die mit dem "Verkaufswagen" vorgestellt wurden, sind mittlerweile rund die Hälfte aufgrund der Testergebnisse und eines für deutsche Einkäufer erstellten Verkaufsvideos in deutschen Supermärkten gelistet.
Derzeit ist dieser "Verkaufswagen" verleast. Das Fahrzeug ist zum Verkauf angeboten, wurde bisher noch nicht verkauft. Über die Höhe des beabsichtigten Verkaufspreises kann derzeit keine Aussage gemacht werden, um die Verkaufsverhandlungen nicht zu beeinflussen.
Zu Frage 10:
Die Bestimmungen zur Erlangung des AMA-Zeichens bei Frischfleisch beinhalten auch das Verbot der Verfütterung der chemischen und antibiotischen Leistungsförderer in der Rinder- und Schweinemast. Die AMA hat im Jahre 1995 bei ca. 9.000 Bauern Kontrollen betreffend die Einhaltung dieser Bestimmungen durchgeführt, wobei auch die Verdachtsmomente der Verletzung von Tierschutzbestimmungen festgestellt wurden. Gemäß der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung fällt die Materie des Tierschutzes in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz der Länder. Diesbezügliche Wahrnehmungen wurden daher umgehend an die zuständigen Landesbehörden weitergeleitet.
Zu Frage 11:
Die von Ihnen zitierte Bestimmung hat zum Ziel, das bestehende Programm in begründeten Fällen flexibler zu gestalten. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, wenn beispielsweise ein Zerlegebetrieb ausschließlich Gütezeichen-Frischfleisch in seinem Betrieb verarbeitet, kann die Herkunftsüberwachung einfacher und unkomplizierter gestaltet werden im Gegensatz zu solchen Betrieben, die gleichzeitig verschiedene Herkünfte und Qualitäten verarbeiten. Ausschlag-
gebend für die Erteilung derartiger Genehmigungen ist die Sicherheit, daß die Grundanforderungen des Gütezeichenprogrammes auf jeden Fall erfüllt und gewährleistet werden.
Zu Frage 12:
In allen in Österreich tätigen Handelsorganisationen sind Produkte mit dem AMA Herkunfts- und Gütezeichen gelistet.
Zu den Frage 13 und 14:
Die Richtlinien zur Vergabe des Herkunfts und Gütezeichens der Agrarmarkt Austria Marketing Ges.m.b.H. bieten eine gute Grundlage zum einwandfreien Nachvollzug der Herkunft eines Lebensmittels. Produzenten, denen das Recht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen mit dem Herkunfts- und Gütezeichen der Agrarmarkt Austria marketing Ges.m.b.H. erteilt wurde, dürfen diese nur unter Beifügung der verliehenen Firmennummer und der Herkunftsregion zu den im Regulativ der AMA und der AMA Marketing Ges.m.b.H. angeführten Bedingungen verwenden. Bei der Verwendung des AMA-Zeichens auf Lebensmittelprodukten sind immer die AMA-Gütezeichenbestimmungen ausschlaggebend. Sollten auch andere Zeichen auf diesen Produkten angebracht sein, so richten sie sich auch nach den hiefür geltenden Bestimmungen bzw. Regeln.
Zu Frage 15:
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft und die bäuerliche Interessenvertretung sind um den Abbau von Schranken für den -.Ab-Hof-Verkauf und für die bäuerliche Direktvermarktung bemüht; im besonderen geht es um die zulässigkeit der Einschaltung von Gewerbetreibenden bei Verarbeitungsnebengewerben der Land- und Forstwirtschaft (z.B. Heranziehung eines Fleischhauers bei der Erzeugung von Wurstwaren aus bäuerlicher Produktion) und um die Verbesserung der Vertriebsformen der bäuerlichen Direktvermarktung (z.B. Klarstellung der Befugnis von Landwirten, auch die Waren anderer Landwirte in deren Namen zu verkaufen).